Deutscher Bund von 1815 bis 1866, Übersicht der Mitglieder, Kurien und die Geschichte in alten Bildern, Dokumenten und Landkarten.
Der Deutsche Bund wurde während des Wiener Kongresses durch die Bundesakte vom 8. Juni 1815 geschaffen und die Schlussakte vom 8. Juni 1820 endgültig bestätigt. Er galt als Bund der „souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands“. Sein einziger Zweck wurde „die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“. Nahezu ängstlich wurde der Charakter eines Bundes gleichberechtigter Mitglieder zu gemeinsamer Verteidigung betont; auch die beiden Großmächte Österreich und Preußen hatten nicht mehr Stimmen als die übrigen Königreiche (Bayern, Hannover, Sachsen und Württemberg). Im engeren Rat hatten die elf größeren Staaten je eine Stimme, die übrigen 23 zusammen 6 Kurialstimmen, so dass eine Überstimmung Österreichs und Preußens sehr leicht möglich war. Österreich genoss das wichtige Recht des Vorsitzes im Bund. Da es sich nur um einen Bund der Fürsten handelte, blieben alle Elemente eines Bundesstaates außer Betracht. Der Deutsche Bund kannte keinen gemeinsamen Kaiser, kein Parlament, keinen Kanzler, kein gemeinsames Heer und Marine, keine gemeinsame Hauptstadt, keine gemeinsame Währung, keine gemeinsame Zollunion, ja noch nicht einmal einheitliche Maße und Gewichte.
Der deutsche Staatenbund bestand anfangs aus 35 (zuletzt 31) selbstständigen Staaten und 4 Freien Städten. Er reicht von Holstein und Pommern im Norden bis nach Riva am Gardasee und Triest an der Adria im Süden, mit Luxemburg im Westen bis an Galizien im Osten.
Von den Ländern des späteren Deutschen Reichs gehörten die Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen, sowie Schleswig und Elsass-Lothringen dem Deutschen Bund nicht an. Dagegen gehörten die deutschen Kronländer Österreichs (Ober- und Niederösterreich, Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien, Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Krain und das Küstenland mit der reichsunmittelbare Stadt Triest), Liechtenstein und Luxemburg-Limburg zum Deutschen Bund.
Der Deutsche Bund bestand bis zum Deutschen Krieg 1866 und sollte die Sicherheit Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit seiner einzelnen Staaten gewährleisten.
Die Bildung des Deutschen Bundes bedeutete einen schweren Rückschlag für die Einigungsbestrebungen Deutschlands. Es bestand weder ein einheitliches Maß- und Münzsystem, noch ein gemeinsames Postwesen oder Einrichtungen wie ein Bundesgericht oder ein gemeinsames Heer. Die Zersplitterung Deutschlands bedeutete eine außenpolitische Schwächung und bedeutete eine Behinderung der Wirtschaft durch Zoll- und Handelsschranken.
Der Sitz des Bundestages (Bundesversammlung der bevollmächtigten Staaten), bei dem Österreich das Präsidium führte, war Frankfurt am Main. Nach einer Unterbrechung 1848 durch die Provisorische Zentralgewalt, wurde er 1850-51 wieder hergestellt.
Die 17 Kurien im Plenum des Deutschen Bundes
Im Plenum der Bundesversammlung hatte jeder Staat wenigstens eine Stimme, zusammen 70.
Der Engere Rat zählte 17 Kurien mit jeweils einer Kuriatstimme.
- Kurie: Kaisertum Österreich
- Kurie: Königreich Preußen
- Kurie: Königreich Bayern
- Kurie: Königreich Sachsen
- Kurie: Königreich Hannover
- Kurie: Königreich Württemberg
- Kurie: Großherzogtum Baden
- Kurie: Kurfürstentum Hessen
- Kurie: Großherzogtum Hessen
- Kurie: Dänemark wegen Holstein
- Kurie: Niederlande wegen des Großherzogtums Luxemburg
- Kurie: Großherzogtum Sachsen-Weimar und die Herzoglich Sächsischen Häuser Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen
- Kurie: Braunschweig und Nassau
- Kurie: Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz
- Kurie: Holstein-Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen
- Kurie: Hohenzollern, Liechtenstein, Reuß ä.L., Reuß j.L., Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck
- Kurie: Die freien Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg
Die Mitglieder des Deutschen Bundes
- Kaisertum Österreich
- Oberösterreich
- Niederösterreich
- Böhmen
- Mähren
- Österreichisch-Schlesien
- Vorarlberg
- Tirol
- Salzburg
- Steiermark
- Kärnten
- Krain
- Küstenland mit der reichsunmittelbaren Stadt Triest
- Königreich Preußen
- Königreich Sachsen
- Königreich Bayern
- Königreich Hannover
- Königreich Württemberg
- Großherzogtum Baden
- Kurfürstentum Hessen
- Großherzogtum Hessen
- Herzogtum Holstein
- Großherzogtum Luxemburg
- Herzogtum Braunschweig
- Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin
- Herzogtum Nassau
- Großherzogtum Sachsen-Weimar
- Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg (Am 12. November 1826 wird Altenburg ein selbstständiges Herzogtum und Gotha mit Coburg zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha vereinigt)
- Herzogtum Sachsen-Coburg-Saalfeld (12. November 1826 mit Gotha zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha vereinigt, das Fürstentum Saalfelder wird Meiningen angegliedert)
- Herzogtum Sachsen-Meiningen (12. November 1826 mit dem Fürstentum Saalfeld vereinigt.)
- Herzogtum Sachsen-Hildburghausen (Am 12. November 1826 mit Meiningen vereint, der Herzog erhält dafür das nun selbstständige Herzogtum Sachsen-Altenburg)
- Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz
- Großherzogtum Holstein Oldenburg
- Herzogtum Anhalt Dessau (Nach der Vereinigung mit Köthen [1853] und Bernburg [1863] zum Herzogtum Anhalt vereinigt.
- Herzogtum Anhalt Bernburg (Linie am 19. August 1863 erloschen und mit dem Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen zum Herzogtum Anhalt vereinigt.
- Herzogtum Anhalt Köthen (Linie am 23. November 1847 erloschen zum mit Dessau 1853 zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt. 1863 vereinigte sich dieses mit Bernburg zum Herzogtum Anhalt.)
- Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen
- Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt
- Fürstentum Hohenzollern Hechingen (Durch Staatsvertrag vom 7. Dezember 1849 mit dem Königreich Preußen vereinigt)
- Fürstentum Liechtenstein
- Fürstentum Hohenzollern Sigmaringen (Durch Staatsvertrag vom 7. Dezember 1849 mit dem Königreich Preußen vereinigt)
- Fürstentum Waldeck
- Fürstentum Reuß älterer Linie
- Fürstentum Reuß jüngerer Linie
- Fürstentum Schaumburg Lippe
- Fürstentum Lippe
- Landgrafschaft Hessen-Homburg (Am 7. Juli 1817 dem Deutschen Bund beigetreten.)
- Freie Stadt Lübeck
- Freie Stadt Frankfurt
- Freie Stadt Bremen
- Freie Stadt Hamburg
Die Landgrafschaft Hessen-Homburg wurde erst am 7. Juli 1817 Mitglied im Deutschen Bund.
Nach dem Aussterben der Linie Sachsen-Gotha-Altenburg kam es in den ernestinischen Ländern (heutiges Thüringen) zur letzten dynastischen Landesteilung. Im Teilungsvertrag vom 12. November 1826 wurde festgelegt, das Sachsen-Meiningen ganz Sachsen-Hildburghausen und den Saalfelder Teil von Sachsen-Coburg-Saalfeld erhält. Der Hildburghäuser Herzog erhielt dafür Sachsen-Altenburg als selbstständiges Herzogtum. Sachsen-Coburg erhielt Sachsen-Gotha und vereinigten sich zum Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha.
Am 23. November 1847 erlosch die Linie im Herzogtum Anhalt-Köthen. Am 22. Mai 1853 wurden die Herzogtümer Anhalt Dessau und Anhalt-Köthen zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt.
Am 19. August 1863 erlosch die Herzogslinie in Bernburg. Am 26. November 1863 wurde der erste Landtag für das vereinigte Herzogtum Anhalt eröffnet.
Geschichte des Deutschen Bundes
Die Bundesakte vom 8./10. Juni 1815 sagte in ihrem 1. und 2. Artikel:
„Die souveränen Fürsten (die Könige von Bayern, Sachsen, Hannover und Württemberg, der Kurfürst von Hessen, die Großherzöge von Hessen, Baden, Sachsen, Mecklenburg [2] und Oldenburg, die Herzöge von Sachsen [4], von Anhalt [3], Braunschweig und Nassau, der Landgraf von Hessen-Homburg, die Fürsten von Schwarzburg [2], Reuß [2], Lippe [2], Hohenzollern [2], Liechtenstein und Waldeck) und die Freien Städte (Lübeck, Bremen, Hamburg und Frankfurt a. M.) mit Einschluss des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen, beide für ihre gesamten vormals zum Deutschen Reiche gehörigen Besitzungen, ferner der König von Dänemark für Holstein und Lauenburg, der König der Niederlande für Luxemburg vereinigen sich zu einem beständigen Bund, welcher der Deutsche Bund heißen soll. Zweck desselben ist die Erhaltung der äußern und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.„
Die Angelegenheiten des Bundes besorgte eine Bundesversammlung (Bundestag), die aus den Gesandten der Staaten bestand, in der Österreich den Vorsitz führte, und die in Frankfurt a. M. tagte.
Kaiser Franz I. (II.)
* 12.02.1768 in Florenz,
† 02.03.1835 in Wien;
als Franz II. römisch-deutscher Kaiser (1792 – 1806),
als Franz I. Kaiser von Österreich (1804 – 1835)
So wenig dieser lockere Organismus den berechtigten Ansprüchen des geistig hochentwickelten deutschen Volkes auf Einheit entsprach, so war der Bund doch der staatsrechtliche Ausdruck der tatsächlich vorhandenen politischen Verhältnisse. So sehr er von einzelnen idealen Drängern unter den Zeitgenossen und von der Masse der Nachlebenden verunglimpft worden ist, so wenig lässt sich verkennen, dass die politische Neugestaltung, wie sie das Ende des 19. Jahrhunderts gebracht hat, abgesehen von dem starken Willen Bismarcks, nur infolge der politischen Schulung des Volkes und seiner leitenden Kreise möglich war. Ganz richtig wurde dies schon auf dem Wiener Kongress geahnt, indem die Einführung landständischer Verfassungen in den Einzelstaaten versprochen wurde.
Freilich gerade in diesem den Zeitgenossen als Wichtigstes erscheinenden Punkte blieb die Verwirklichung der Versprechen aus und dies lag nicht nur an den reaktionären Gelüsten der Regierungen. Es ist kein Zufall, dass gerade in mittleren Staaten mit geschlossenem Gebiete, wie Baden, Bayern (1818), Württemberg (1819), Sachsen-Weimar (1816), die Verfassungen Wirklichkeit wurden, während Preußen, das 1823 nur Provinzialstände einführte und Österreich zurückstanden; immerhin ist für die Mitwirkung Preußens an den Einheitsbestrebungen nicht zu vergessen, dass 1817 die Union der lutherischen und reformierten Kirche und 1819 der Zollverein von diesem Staat in die Wege geleitet wurde. Mehr als zur Wahrung der politischen Freiheit geschah, hätte allerdings geschehen können; besonders in Preußen regten sich die Häupter der politischen Reaktion, wie Tzschoppe, Kamptz und Schmalz, die alle lebhafteren Äußerungen freisinnigen und nationalen Geistes als staatsgefährlich denunzierten.
Als Vormacht der Heiligen Allianz maßte sich Russland das Recht an, durch seine Agenten die Dinge in Deutschland zu beobachten und einen Druck auf die Regierungen in absolutistischem Sinn auszuüben. Görres‘ „Rheinischer Merkur“ wurde verboten, der Tugendbund aufgehoben und das Wartburgfest der Jenaer Burschenschaft (18. Oktober 1817) zum Anlass genommen, Karl August von Sachsen-Weimar zur Wiedereinführung der Zensur und zur Beschränkung der studentischen Freiheit zu nötigen. Die Ermordung des russischen Agenten Kotzebue durch den Jenaer Studenten K. L. Sand (1819) wurde als ein Zeichen betrachtet, dass der revolutionäre Geist die Universitäten vergiftet habe, und Metternich berief sofort Ministerkonferenzen nach Karlsbad, deren Beschlüsse (Karlsbader Beschlüsse) der Bundestag am 20. September 1819 bestätigte.
Diese bestimmten, dass zur Ausführung von Bundesbeschlüssen, welche die Sicherung der öffentlichen Ordnung bezweckten, eine Exekutivordnung eingeführt, die Universitäten überwacht, eine strenge Zensur errichtet und in Mainz eine Zentraluntersuchungskommission gegen demagogische Umtriebe eingesetzt werden solle. Viele jüngere und ältere Männer mit edlen Absichten (wie Arndt, Welcker und Jahn) wurden verhaftet, jahrelang gefangen gehalten und ihrer Ämter enthoben. Die Wiener Schlussakte (8. Juli 1820) drückten schließlich den Bund zu einem völkerrechtlichen Verein zur Erhaltung innerer und äußerer Ruhe herab und machten den Bundestag zu einem bloßen Polizeiorgan der beiden deutschen Großmächte, hinter denen Russland stand. Die süddeutschen Staaten, in denen sich auf den Landtagen ein konstitutionelles Leben entwickelt hatte, namentlich Württemberg, suchten sich den Karlsbader Beschlüssen zu entziehen und eine freisinnige Haltung gegen Presse, Vereinswesen und Universitäten zu bewahren, mussten aber dem Druck der Mächte in vielen Punkten nachgeben.
Die Macht des Bundes genügte nicht, um Einzelstaaten, wenn sie wollten, ganz der Polizeiwillkür des Bundestags zu unterwerfen. Diese Repräsentation des Bundes genoss nie ein besonderes Ansehen, die Masse des Volkes nahm aber auch noch nicht am politischen Leben teil, sondern ging noch ganz in den Sorgen des täglichen Lebens auf; durch gesteigerte gewerbliche und kommerzielle Tätigkeit wurden allmählich die schweren Kriegswunden geheilt. Nationalgefühl und politisches Verständnis waren besonders in Gelehrtenkreisen vorhanden, denen sich aus der sonstigen gebildeten Welt einige wenige Geister zugesellten; die literarisch-ästhetische Bildung beherrschte im übrigen die Gesellschaft und vorwiegend auch die Presse. Wo dem politischen Fortschritt, in dem Worte „liberal“ verkörpert, gehuldigt wurde, da nahm man sich ein Vorbild an den französischen Liberalen, deren Bestrebungen und Ideen namentlich in Süddeutschland maßgebend waren.
Die Pariser Julirevolution von 1830 gab denn auch in Deutschland den Anstoß zu einer liberalen und unitarischen Bewegung. An vielen Orten kam es zu Unruhen, und in Braunschweig wurde sogar der Herzog Karl verjagt. Die Königreiche Sachsen und Hannover, sowie das Kurfürstentum Kurhessen und Herzogtum Braunschweig u. a. erhielten damals Verfassungen, im badischen und hessen-darmstädtischen Landtag wurden Anträge auf Berufung einer deutschen Nationalrepräsentation eingebracht. Die reaktionären Staatsmänner gerieten schon in die höchste Unruhe und benutzten das Hambacher Fest (27. Mai 1832) und das Frankfurter Attentat gegen den Bundestag (3. April 1833), um von Bundes wegen mit scharfen Maßregeln gegen die Bewegung einzuschreiten. Mehrere am 28. Juni und 5. Juli 1832 gefasste, von Metternich diktierte Beschlüsse verpflichteten die Regierungen, nichts zu dulden, was den Beschlüssen des Bundestags zuwiderlaufe; der Bund beanspruchte zugleich das Recht, gegen revolutionäre Bewegungen unaufgefordert mit bewaffneter Hand einzuschreiten; Steuern, zur Deckung von Bundeskosten bestimmt, sollten die Landstände nicht verweigern dürfen. Alle Vereinigungen politischen Charakters und alle Volksversammlungen wurden verboten und die bestehenden liberalen Zeitungen unterdrückt.
1833–1834 wurden wieder Ministerkonferenzen in Wien abgehalten, die trotz des Widerspruchs mehrerer mittelstaatlicher Vertreter erklärten, dass den Ständeversammlungen das Steuerverweigerungsrecht überhaupt nicht zustehe, und beschlossen, die Zensur auf die Veröffentlichung der ständischen Verhandlungen auszudehnen, diese auf die Beratung innerer Angelegenheiten zu beschränken, die Universitäten einer noch strengeren Kontrolle zu unterwerfen und zur Ausrottung des Demagogentums eine neue Zentraluntersuchungskommission in Frankfurt einzusetzen. Wieder wurden einige hundert Männer und Jugendliche in die Verbannung getrieben oder zu langer Haft verurteilt; besonders die Behandlung Jordans und Weidigs in Hessen erregte Entrüstung. Den Handwerksgesellen wurde das Wandern in die Schweiz, nach Frankreich und Belgien verboten, damit sie nicht vom Liberalismus angesteckt würden. In Baden musste die freisinnige Pressegesetzgebung aufgehoben werden, und die Vorkämpfer der Liberalen, Rotteck und Welcker), wurden ihrer Professuren an der Freiburger Universität enthoben. Der Rechtsbruch, mit dem 1837 König Ernst August von Hannover aus Eigennutz die Verfassung von 1833 außer Kraft setzte und an deren Stelle eine neue, „den wahren Bedürfnissen des Landes“ und dem Vorteil seiner Zivilliste entsprechende verhieß, fand die Zustimmung des Bundestags, da dieser sowohl den Protest der Göttinger Sieben (Professoren), die dafür abgesetzt wurden, als die Bitte der hannöverschen Kammer um seine Intervention gegen die Rechtsverletzung ablehnte.
König Christian VIII. von Dänemark
* 18.09.1786 in Kopenhagen
† 20.01.1848 Schloss Amalienborg, Kopenhagen;
König von Dänemark (1839–1848)
Seinem Charakter nach vermochte der Bundestag auch die deutschen Interessen gegenüber dem Ausland nicht zu wahren, dies konnte nur ein Einzelstaat, praktisch also höchstens Preußen oder Österreich. Schmerzlich wurde vor allem empfunden, dass die Deutschen im Ausland keinen Anspruch auf Schutz besaßen, und dass die Errichtung einer Kriegsflotte zum Schutz des deutschen Handels und die Befestigung der Küsten vom Bundestag nicht einmal erwogen wurden. Die Verbesserung der Kriegsverfassung kam trotz wiederholter Anträge Preußens nicht zustande; namentlich wurde die Frage über den Oberbefehl nicht entschieden. Der Ausbau der Grenzfestungen am Rhein verzögerte sich von Jahr zu Jahr, obwohl bereits 1829, noch mehr 1840 die Gefahr eines französischen Angriffs drohte, um Deutschland die Rheinlande zu entreißen (Wacht am Rhein). Die Mittel dazu lagen aus der französischen Kriegsentschädigung von 1815 bereit, der Bund ließ sie aber dem Haus Rothschild gegen 2 % Zinsen. Den Schwierigkeiten, welche die Holländer der freien Entwickelung der Rheinschifffahrt bereiteten, wusste der Bund ebenso wenig ein Ende zu machen wie den Rheinzöllen. Als Belgien sich von den Niederlanden losriss und auch den deutschen Staat Luxemburg beanspruchte, verstand sich der Bund zu einer Teilung und nahm das ohne die Festungen Maastricht und Venlo militärisch ganz wertlose Limburg zur Entschädigung.
Als die schleswig-holsteinischen Stände sich über die Verletzung ihrer Privilegien durch die dänische Krone beschwerten und König Christian VIII. in seinem „offenen Brief“ (8. Juli 1846) die rechtmäßige Thronfolgeordnung in den Herzogtümern und ihre untrennbare Vereinigung bedrohte, verwies der Bund die Stände auf ihre Bitte um Schutz am 17. September auf die Erklärung des dänischen Königs, der die Rechte aller zu beachten versprochen habe. Den Frieden, den Deutschland 1815–48 genoss und der seiner materiellen Entwickelung allerdings sehr zu statten kam, dankte es nur der nachgiebigen Schwäche des Bundestags. An der Neugestaltung des Zollwesens war der Bund als solcher nicht beteiligt. Als 1817 nach einer Missernte eine große Teuerung eintrat, wuchs diese infolge des durch Zollschranken zwischen den einzelnen Staaten, ja durch Binnenzölle zwischen Provinzen gehemmten Verkehrs zu einer furchtbaren Hungersnot an. Preußen ging mit der Aufhebung der Wasser- und Binnenzölle in seinem Gebiet voran, proklamierte 1818 das Prinzip der Handelsfreiheit und eröffnete 1821 mit der Konvention über Befreiung der Elbschifffahrt die Reihe von Verträgen, die 1833 zur Begründung des Deutschen Zollvereins führten; dieser umfasste mit Ausschluss Österreichs fast sämtliche deutsche Staaten, und seine segensreichen Wirkungen für Handel und Industrie machten sich bald bemerklich.
Kaiser Ferdinand von Österreich
* 19.04.1793 in Wien
† 29.06.1875 in Prag,
Kaiser von Österreich (1835–1848)
Weitere Hoffnungen für Deutschland knüpfte man an die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. (1840–61) in Preußen. Dieser erließ auch eine allgemeine politische Amnestie, welche die Opfer der Demagogenverfolgungen befreite, milderte die Zensur und beantragte eine den Wünschen der Nation entsprechende Reform der Bundesverfassung. Aber sein Zaudern, seinem Staat eine Verfassung zu geben, die enge Beschränkung der Rechte des Vereinigten Landtags, der 1847 endlich berufen wurde, seine mit Vorliebe kundgegebenen mittelalterlich-ständischen Ansichten und seine Hinneigung zur kirchlichen Orthodoxie enttäuschten die Hoffenden. Der Bund befriedigte niemand, er wurde allseitig als ein Provisorium empfunden, aber die unter den Liberalen zunehmenden republikanischen Neigungen vermehrten die allgemeine Gärung, bis sie infolge der Pariser Februarrevolution im Jahr 1848 zum Ausbruch kam.
Die Frankfurter Nationalversammlung und ihre Reichsverfassung.
Auf die erste Nachricht vom Sturz des Julikönigtums in Frankreich stellte am 27. Februar 1848 Heinrich von Gagern in der darmstädtischen Kammer den Antrag auf Errichtung einer deutschen Zentralgewalt mit Volksrepräsentation, und bereits am 5. März fasste eine zu Heidelberg aus eigenem Antrieb zusammengetretene Versammlung von 51 angesehenen deutschen Männern, meist Abgeordneten, den Beschluss, die deutschen Regierungen auf das dringendste anzugehen, sobald wie möglich eine Vertretung der deutschen Nation ins Leben zu rufen. Zugleich wurde eine Siebenerkommission beauftragt, Vorschläge zur Berufung einer Volksvertretung zu machen und die Grundlagen einer deutschen Verfassung zu beraten. Am 12. März forderte diese die früheren und gegenwärtigen deutschen Landtagsmitglieder auf, sich am 30. März zu einer Vorberatung in Frankfurt a. M. zu versammeln. Der Bundestag trat dem nicht entgegen, beschloss vielmehr selbst am 10. März, eine Revision der Bundesverfassung unter Zuziehung von 17 Vertrauensmännern, welche die bedeutendsten Staaten deputieren sollten, vorzunehmen.
Die Regierungen hatten mit einem Mal alles Selbstbewusstsein und allen Mut verloren und wichen fast überall ohne Widerstand den stürmischen Forderungen des Volkes. In München dankte König Ludwig ab, in Wien wurde Metternich durch einen Volksaufstand gestürzt; in Berlin brach am 18. März ein Aufruhr aus, infolgedessen Friedrich Wilhelm IV. sich an die Spitze der deutschen Bewegung zu stellen versprach und zur Vereinbarung einer liberalen Verfassung eine preußische Nationalversammlung berief. Am 30. März trat das sogenannte Vorparlament, aus 500 Mitgliedern, meist Preußen und Süddeutschen, bestehend, in Frankfurt a. M. zusammen.
Es fasste zunächst eine Reihe schwer ausführbarer Resolutionen, wie Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund, Sühnung des an Polen begangenen Unrechts, Proklamation der Volkssouveränität und dergleichen. Seine eigentliche Aufgabe, die Berufung einer Nationalversammlung vorzubereiten, übertrug das Vorparlament mit Zustimmung der Regierungen einem Fünfzigerausschuß, der beschloss, dass in allen Ländern des bisherigen deutschen Bundesgebiets, außerdem in der Provinz Preußen (West- und Ostpreußen) durch allgemeine Wahlen Deputierte (je einer auf 50.000 Einwohner) für die Nationalversammlung gewählt werden sollten. Während eine Kommission der 17 Vertrauensmänner einen Verfassungsentwurf ausarbeitete, fanden die Wahlen in aller Ordnung statt; nur eine Anzahl slawischer Bezirke in Österreich schloss sich aus.
Die Eröffnung der ersten deutschen Nationalversammlung, die 568 Mitglieder zählte, erfolgte am 18. Mai 1848 in der Paulskirche zu Frankfurt; Heinrich von Gagern wurde ihr Präsident. Es waren die vortrefflichsten Männer in ihr vereinigt, darunter die bedeutendsten Gelehrten (an 100) Deutschlands, aber die mangelnde politische Schulung machte sich in einer allzu idealistischen Geringschätzung der wirklichen Verhältnisse und der staatlichen Faktoren, mit denen man zu rechnen hatte, geltend. Die augenblickliche Schwäche und Untätigkeit der Regierungen verleitete die Versammlung, sich für souverän zu halten und jede Mitwirkung der Regierungen bei der Schaffung der neuen Reichsverfassung auszuschließen.
Nur die äußerste Rechte (Radowitz und Vincke) forderte die Vereinbarung der Verfassung mit den Einzelregierungen. Die Linke neigte ganz offen zur Republik hin und forderte die Berechtigung für jeden Einzelstaat, sich auch als solche zu erklären. Als es sich um die Errichtung einer Zentralgewalt handelte, wählte man nicht nach Dahlmanns Vorschlag gemeinsam mit den Regierungen drei Vertrauensmänner, sondern einen Reichsverweser in der Person des Erzherzogs Johann von Österreich (29. Juni), der am 12. Juli gemäß Parlamentsbeschluss den Bundestag auflöste und ein Reichsministerium unter dem Vorsitz des Fürsten von Leiningen ernannte; der preußische Antrag, neben dieser Zentralgewalt die Bevollmächtigten der einzelnen Staaten zu einem Rat zu vereinigen, der die organische Verbindung der Reichsregierung mit denen der Staaten darstelle, wurde abgelehnt.
Erzherzog Johann von Österreich
* 20.01.1782 in Florenz,
† 11.05.1859 in Graz;
deutscher Reichsverweser (Verwalter) 1848-1849
Vor Beratung der eigentlichen Verfassung ging das Parlament erst an die der Grundrechte des deutschen Volkes; die Debatten über diese theoretischen Paragraphen zogen sich endlos hin. Dennoch wollten Zentralgewalt und Parlament noch vor dem Zustandekommen der Verfassung Regierungsfunktionen ausüben und namentlich dem Ausland gegenüber Deutschland als einen einheitlichen Staat repräsentieren.
Obwohl ihre Bevollmächtigten an den Höfen der Großmächte ebenso wenig förmliche Anerkennung fanden wie die neue schwarz-rot-goldene Kriegs- und Handelsflagge, beanspruchten sie doch, innerhalb des vertretenen Gebietes als höchste politische Instanz zu gelten. In der Sache Schleswig-Holsteins, wo im März 1848 ein Aufstand gegen Dänemark ausgebrochen war, verlangte die Nationalversammlung am 2. Juni energische Maßregeln, um den Krieg zu Ende zu führen und beim Friedensschluss die Rechte der Herzogtümer und die Ehre Deutschlands zu wahren. Zur Verstärkung der schleswig-holsteinischen und der preußischen Truppen ließ der Reichsverweser am 1. August ein süddeutsches Heer nach dem Kriegsschauplatz rücken.
Preußen, dessen Truppen schon seit April in Schleswig-Holstein kämpften, litt schwer unter dem Kriegszustand mit Dänemark, das die Ostseehäfen blockiert hielt, und sah sich auch von England und Russland mit einer Intervention bedroht. Die Nachricht von dem am 26. August zwischen Preußen und Dänemark abgeschlossenen Waffenstillstand rief in Frankfurt allgemeine Entrüstung hervor, und der Antrag der Rechten, den Vertrag dennoch zu genehmigen, wurde erst am 16. September, als es nach dem Rücktritt des Reichsministeriums nicht gelang, ein neues zu bilden, angenommen. Auf Veranlassung der äußersten Linken erklärte eine große Volksversammlung am 17. September die 258 Abgeordneten, die für den Vertrag gestimmt hatten, für Verräter des Volkes, der deutschen Freiheit und Ehre. Ein organisierter Aufstand sollte am 18. September die Nationalversammlung sprengen, aber österreichisches und preußisches Militär schützte die Paulskirche und trieb die aus den Nachbarorten zusammengeströmte Menge auseinander. Doch fielen zwei Abgeordnete, General von Auerswald und Fürst Lichnowski, dem Volkszorn zum Opfer. Die Revolutionäre versuchten nun an anderen Orten Erhebungen des Volkes zu veranstalten. Struve machte einen Einfall von Basel in das Badische und verkündete die Republik, indes wurde er rasch vertrieben, und auch sonst blieben die Bewegungen erfolglos.
Fürst Felix Schwarzenberg
* 02.10.1800 in Krumau,
† 05.04.1852 in Wien;
österreichischer Ministerpräsident 1848-1852
Die Mehrheit im Parlament erkannte nun doch, dass sie, um dem Radikalismus ein Ziel zu setzen, mit den Regierungen engere Fühlung suchen und die Verfassung rasch zustande bringen müsse. Am 20. Oktober wurde die Beratung der Grundrechte vorläufig abgebrochen und mit der des Verfassungsentwurfs begonnen, den der Verfassungsausschuss am 8. Oktober vorgelegt hatte. Erschwert wurde ein Beschluss über die Aufnahme Österreichs in das zu schaffende Reich dadurch, dass das schroffe Verfahren der österreichischen Regierung gegen die vom Frankfurter Parlament nach Wien geschickten Abgeordneten Robert Blum am 9. November erschießen ließ, die Sympathien für Österreich abkühlte.
Dazu verkündete der neue österreichische Ministerpräsident, Fürst Felix Schwarzenberg, als Ziel der Regierung die Vereinigung aller habsburgischen Länder zu einem einheitlichen Gesamtstaat und erhob am 27. November den Anspruch, dass, erst wenn dies geschehen sei, die Stellung Österreichs zu Deutschland geregelt werden sollte. Dem Eintritt ganz Österreichs, einschließlich Ungarns, war die Parlamentsmehrheit abgeneigt; deshalb legte der Österreicher Schmerling, seit September Präsident des Reichsministeriums, sein Amt nieder, und Gagern trat an seine Stelle, während Simson Präsident der Versammlung wurde. Gagern legte am 18. Dezember das Programm der sogenannten kleindeutschen Partei (ohne Österreich) vor; die österreichische Regierung protestierte am 28. Dezember dagegen, auch legten 60 österreichische Abgeordnete gegen den Ausschluss Österreichs Einspruch ein.
Mit knapper Mehrheit ging Gagerns Vorschlag nach heftiger Debatte (11. – 13. Januar 1849) durch, und die verlangte Ermächtigung zu Unterhandlungen mit Österreich wurde erteilt. Der Beschluss, die Würde des Reichsoberhauptes einem regierenden deutschen Fürsten zu übertragen, wurde am 19. Januar mit 258 gegen 211 Stimmen angenommen, die Erblichkeit der Würde aber verworfen, der Titel „Kaiser von Deutschland“ nur mit 214 gegen 205 Stimmen gebilligt (25. Januar).
Am 30. Januar 1849 hatte die erste Lesung des Verfassungsentwurfs ihr Ende erreicht. Österreich erneuerte seinen Protest, schnitt aber selbst jede Verständigung mit der deutschen Zentralgewalt ab, indem es 7. März eine österreichische Verfassung oktroyierte, die alle habsburgischen Länder, auch Ungarn und Lombardo-Venetien, für eine unteilbare konstitutionelle Monarchie erklärte. Zwar wurde der Antrag, nun sofort die Verfassung ohne zweite und dritte Lesung endgültig anzunehmen und die erbliche Kaiserwürde dem König von Preußen zu übertragen am 21. März noch abgelehnt; aber am 27. März setzte die kleindeutsche Einheitspartei mit 267 gegen 263 Stimmen die Erblichkeit der Kaiserwürde durch und am 28. März wählten 290 von 538 anwesenden Abgeordneten König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen zum Kaiser, während sich 248 der Abstimmung enthielten. Unter Glockengeläut und Kanonendonner wurde die Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum erblichen Kaiser von Deutschland verkündet und die Reichsverfassung, der im voraus 28 Regierungen sich unterwerfen zu wollen erklärt hatten, am 29. März 1849 publiziert.
König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
* 15.10.1795 in Berlin,
† 02.01.1861 in Potsdam;
König von Preußen 1840 – 1861
Die Reichsverfassung übertrug die Vertretung nach außen, die höchste Leitung des Kriegswesens, die oberste Gesetzgebung u. a. der Reichsgewalt, die Kaiser und Reichstag ausüben; der Kaiser, durch verantwortliche Minister regierend, erklärt Krieg und schließt Frieden, beruft und schließt den Reichstag. Letzterer gliedert sich in ein Staatenhaus und in ein Volkshaus, von denen jenes aus Vertretern der einzelnen Staaten besteht, die zur Hälfte die Regierung, zur Hälfte die Volksvertretung des Einzelstaates ernennt, dieses durch allgemeine, direkte Wahlen (auf 100.000 Einwohner ein Abgeordneter) gebildet wird; den Beschlüssen des Reichstags gegenüber besitzt der Kaiser nur ein suspensives Veto. Noch radikal-demokratischer waren die im am 6. Abschnitt der Verfassung enthaltenen Grundrechte des deutschen Volkes: unbeschränkte Freizügigkeit, unbedingte Presse- und Versammlungsfreiheit, Aufhebung aller Staatskirchen, Abschaffung des Adels und aller Titel wurden dekretiert. Österreich berief nach diesen Beschlüssen seine Abgeordneten aus Frankfurt ab und gab damit kund, dass es sich nicht gutwillig fügen werde; aber gerade damals erlitten seine Heere in Ungarn schwere Niederlagen.
Friedrich Wilhelm IV. erklärte der Kaiserdeputation, die er in feierlicher Audienz im Schloss zu Berlin am 3. April 1849 empfing, dass die Wahl ihm ein Anrecht gebe, dessen Wert er zu schätzen wisse, dass er sie aber ohne das freie Einverständnis der Fürsten und Freien Städte Deutschlands nicht annehmen könne. Die preußische Regierung lud darauf durch Note vom 4. April die deutschen Regierungen ein, Bevollmächtigte nach Frankfurt zu senden, um mit der Nationalversammlung die Verfassung zu vereinbaren. Alle Regierungen außer den vier Königreichen (Bayern, Hannover, Sachsen und Württemberg) stimmten am 14. April der Wahl des Königs von Preußen zum Kaiser und der Reichsverfassung zu. Auch die Könige würden sich dem Volkswillen wohl noch gefügt haben, wie denn der König von Württemberg am 24. April aus Furcht vor einem Volksaufstand sich zur Anerkennung der Verfassung bereit erklärte. Aber unklug forderte das preußische Abgeordnetenhaus am 21. April die Anerkennung der Rechtsbeständigkeit der Reichsverfassung; die Regierung löste darauf am 27. April den Landtag auf und erklärte am 28. April der Nationalversammlung, wenn sie nicht auf eine Vereinbarung mit den Regierungen eingehe, müssten diese selbst eine Verfassung oktroyieren.
Kaiser Franz Joseph I. von Österreich
* 18.08.1830 in Wien,
† 21.11.1916 in Wien;
Kaiser von Österreich (1848-1916)
und König von Ungarn (1867-1916)
Dadurch erlangten die radikaleren Elemente wieder das Übergewicht, und das Parlament forderte am 4. Mai von der gesamten Nation, Volk und Regierungen, die beschlossene und rechtsgültige Verfassung des Deutschen Reiches zur Geltung zu bringen. Dieser Beschluss entfesselte eine Volksbewegung, die, von den Republikanern geschürt, schließlich zur Auflösung des Parlaments führte. In der Pfalz kündigte eine große Volksversammlung in Kaiserslautern am 1. Mai der bayrischen Regierung den Gehorsam und setzte einen Landesverteidigungsausschuss ein; zu gleicher Zeit kam es in Dresden zu einem Aufstand, der nach mehrtägigen Barrikadenkämpfen mit Hilfe preußischer Bataillone am 9. Mai unterdrückt wurde.
Gleichwohl griff die Bewegung weiter: in Hessen, Baden, am Rhein, in Franken und Württemberg forderten stürmische Volksversammlungen sofortige Bewaffnung und Organisation zur Durchführung der Reichsverfassung. In mehreren rheinpreußischen Städten gab es gewaltsame Konflikte mit dem Militär, und die eingezogene Landwehr verweigerte offen den Gehorsam. Zum vollen Durchbruch gelangte die Revolution in Baden, obwohl Großherzog und Regierung fast zuerst und unumwunden die Reichsverfassung anerkannt hatten. In Freiburg und Rastatt meuterte das Militär und verbündete sich mit den Bürgerwehren; die Empörung der Garnison in Karlsruhe am 14. Mai zwang den Großherzog und die Behörden zur Flucht, und das ganze Land unterwarf sich dem revolutionären Landesausschuss, der mit der Regierung der Pfalz ein Schutz- und Trutzbündnis abschloss. Die Bewegung pflanzte sich schon in bedrohlicher Weise nach Württemberg fort.
Aber die Reichsgewalt war dem gegenüber ohnmächtig: der Reichsverweser übertrug das Reichsministerium an Stelle Gagerns, der am 10. Mai seine Entlassung genommen hatte, am 16. Mai einem Mitgliede der äußersten Rechten, dem preußischen Justizrat Grävell, der nicht den geringsten Einfluss im Parlament besaß. Dieses fasste immer radikalere Beschlüsse: am 10. Mai nahm es einen energischen Protest gegen Preußens „Reichsfriedensbruch“ in Sachsen an, und am 12. Mai verlangte es die Verpflichtung der gesamten bewaffneten Macht Deutschlands auf die Reichsverfassung. Hierauf riefen am 14. Mai die preußische Regierung, am 21. die sächsische, am 23. die hannöversche ihre Abgeordneten ab, und am 20. Mai zeigte der Rest der erbkaiserlichen Partei, Gagern an der Spitze, seinen Austritt an. Die noch zurückgebliebenen Abgeordneten beschlossen am 30. Mai, die nächste Sitzung am 4. Juni in Stuttgart abzuhalten. Dort trat die Versammlung, noch 104 Mitglieder zählend (Rumpfparlament), am 6. Juni wieder zusammen und setzte zum Zweck der Durchführung der Reichsverfassung eine aus fünf Mitgliedern bestehende Reichsregentschaft ein. Am 16. Juni wurde beschlossen, die Bewegungen in Baden und der Pfalz unter den Schutz des Reiches zu stellen. Aber als die Versammlung von der württembergischen Regierung Truppen zur Ausführung ihrer Beschlüsse verlangte, lehnte Minister Römer dies ab, forderte Verlegung der Versammlung und verhinderte schließlich am 18. Juni ihren Zusammentritt durch militärische Gewalt. Zu einer späteren Sitzung kam es nicht mehr: in kläglicher Ohnmacht endete die mit so großer Begeisterung eröffnete erste deutsche Nationalversammlung.
Das Scheitern der preußischen Unionspolitik und die Wiederherstellung des Bundestags.
Inzwischen hatten die preußischen und Reichstruppen den Aufruhr in Baden und in der Pfalz eingedämmt. Auch hatte Friedrich Wilhelm IV. in einer Proklamation an das Volk verkündet, dass der von Preußen beabsichtigten Union die Reichsverfassung zugrunde gelegt und mit Österreich ein besonderes Bündnis vereinbart werden sollte, und zur Errichtung dieser Union mit Sachsen und Hannover am 26. Mai das Dreikönigsbündnis geschlossen.
Bis zum September schlossen sich 21 deutsche Staaten an, fünf andere zeigten sich geneigt. Auch die erbkaiserliche Partei des Frankfurter Parlaments unterstützte die preußische Unionspolitik: auf einer Versammlung zu Gotha (26. Juni) sprachen sich 130 von 148 Mitgliedern für die neue Verfassung aus. Nur Bayern und Württemberg weigerten sich, der preußischen Union beizutreten, und fanden jetzt einen mächtigen Rückhalt an Österreich, das nach Unterdrückung des ungarischen Aufstandes sofort die Wiederherstellung des alten Bundestags in Angriff nahm. Preußen erleichterte dies durch Abschluss des sogenannten Interim (30. September), durch das bis 1. Mai 1850 eine aus je zwei Bevollmächtigten beider Mächte bestehende provisorische Bundesgewalt in Frankfurt eingesetzt wurde. In die Hand dieser Gewalt legte der Reichsverweser am 20. Dezember sein Amt nieder. Als der Verwaltungsrat der Union am 19. Oktober die Wahlen für das Volkshaus auf den 15. Januar 1850 ausschrieb und dann den künftigen Reichstag zum 20. März nach Erfurt (Erfurter Unionsparlament) berief, beteiligten sich Sachsen und Hannover nicht mehr, weil ihre Voraussetzung der Vereinigung aller deutschen Staaten durch Bayerns und Württembergs Weigerung nicht erfüllt sei.
Beide Königreiche sagten sich im Februar 1850 ganz vom Dreikönigsbündnis los und schlossen mit den süddeutschen Königreichen das Vierkönigsbündnis ab. Eine neue Verfassung mit einer Volksvertretung von 300 durch die Kammern der Einzelstaaten zu wählenden Mitgliedern wurde entworfen. Das Erfurter Parlament wurde am 20. März 1850 mit einer entschieden unionistischen Rede des Generals von Radowitz eröffnet und nahm am 17. April den Verfassungsentwurf für die Union mit Verzicht auf jede Einzelberatung an, wurde aber am 29. April plötzlich vertagt und nicht wieder zusammenberufen, während Preußen den in Berlin versammelten Unionsfürsten den Rücktritt vom Bündnis nahelegte. Ganz anders trat Österreich auf: es lud sämtliche Mitglieder des Deutschen Bundes ein, zum 10. Mai ihre Gesandten nach Frankfurt zu schicken, und Bayern, Württemberg, Hannover, Sachsen, die Niederlande, Dänemark und beide Hessen folgten dem Ruf. Die Gesandten dieser Staaten erklärten sich nun für den alten, nur suspendierten, nicht aufgehobenen Bundestag, andere Staaten traten bei, und am 2. September 1850 eröffnete der Bundestag unter Vorbehalt des zukünftigen Eintritts der wenigen noch zur Union haltenden Staaten wieder seine Sitzungen unter Österreichs Vorsitz. Gerade jetzt rief der Kurfürst von Hessen, der bei dem Versuch, die allzu weit gehende Verfassung von 1831 zu stürzen, infolge des Widerspruchs des Landes am 12. September nach Frankfurt geflohen war, die Hilfe des Bundes an. Gemäß einer Übereinkunft, die der Kaiser von Österreich mit den Königen von Bayern und Württemberg in Bregenz (10.–14. Oktober 1850) getroffen hatte, beschloss der Bund am 25. Oktober eine bewaffnete Intervention in Kurhessen, und am 1. November überschritt das österreichisch-bayrische Exekutionsheer die kurhessische Grenze. Auch ratifizierte der Bund den Frieden mit Dänemark, den Preußen 2. Juli 1850 zu Berlin abgeschlossen hatte, nachdem der Krieg 1849 von neuem ausgebrochen, aber bereits am 10. Juli d. J. durch einen Waffenstillstand beendet worden war.
Preußen war zur Fortführung seiner Unionspolitik entschlossen: am 26. September wurde Radowitz zum Minister des Auswärtigen ernannt, auch rückten Preußen in Hessen ein. Aber der König wagte den Krieg nicht, zumal Österreich an Russland Unterstützung fand und ersetzte am 6. November Radowitz durch Manteuffel; dieser unterzeichnete am 29. November den Vertrag von Olmütz: Preußen verzichtete auf die Union und auf die mit Baden, Mecklenburg, Anhalt und Braunschweig abgeschlossenen Militärkonventionen, räumte Baden und Kurhessen und führte die schleswig-holsteinische Armee hinter die Eider zurück. Die deutsche Verfassungsfrage sollte auf freien Ministerkonferenzen verhandelt werden. Ende November kehrte der Kurfürst nach Kassel zurück und führte ein absolutes Regiment. Im Januar 1851 wurde von den Mächten die schleswig-holsteinische Landesversammlung und das Heer aufgelöst und damit die Streitfrage offen zu Gunsten Dänemarks entschieden. Die zur Beratung der Verfassungsfrage berufenen Dresdener Konferenzen (23. Dezember 1850 bis 15. Mai 1851) lieferten kein praktisches Ergebnis. Schon Ende März forderte Preußen die Staaten der Union auf, gleich ihm selbst den alten Bundestag wieder zu beschicken. Damit war der von den Regierungen unternommene Versuch einer Verfassungsreform ebenso gescheitert wie der, welcher vom Volk ausgegangen war.
Unter dem Schutze des alten Bundes, der am 10. Juli 1851 eine Bundeszentralkommission zur Revision der Landesverfassungen einsetzte, feierte die Reaktion in der Verfolgung aller nationalen und freiheitlichen Bestrebungen ihre Triumphe. Das Schicksal Schleswig-Holsteins wurde durch das Londoner Protokoll (8. Mai 1852) besiegelt, die aus den freiwilligen Gaben der Nation gebildete deutsche Flotte wurde am 2. April 1852 zur Versteigerung verurteilt und die konstitutionelle Verfassung Mecklenburgs musste der alten feudal-ständischen wieder weichen. In Hannover unterstützte der Bund den neuen Verfassungsbruch. Fast in allen Staaten versuchte ein reaktionäres Polizeiregiment die Erinnerungen an das Jahr 1848 wieder auszutilgen und durch strenge bürokratische Kontrolle der Wiederkehr einer solchen für die Throne verhängnisvollen Katastrophe vorzubeugen. Nur die römische Kirche verstand es, sich die 1848 errungene Freiheit von staatlicher Aussicht durch besondere Konkordate zu sichern. Auch versuchte Österreich, sich das besiegte Preußen wirtschaftlich dienstbar zu machen und beantragte im Mai 1850, mit seinem Gesamtstaat in den Zollverein aufgenommen zu werden. Sämtliche Mittelstaaten, mit Ausnahme von Hannover, erklärten sich bereit, dies Verlangen bei der 1854 erforderlichen Erneuerung der Zollvereinsverträge zu unterstützen. Indes Preußen gab nicht nach. Österreich musste sich mit einem Handels- und Schifffahrtsvertrag (19. Februar 1853) mit dem Zollverein begnügen, Münz- und Postverträge folgten, und 1861 kam auch ein allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch zustande.
König Wilhelm von Preußen
* 22.03.1797 in Berlin,
† 09.03.1888 in Berlin,
Deutscher Kaiser 1871 – 1888 und
König von Preußen 1861 – 1888
Die Mittelstaaten wurden in ihrer Hoffnung, nach der Niederlage Preußens eine entscheidende Rolle in Deutschland zu spielen und alle Staaten außer Preußen und Österreich zu einer dritten rein deutschen Macht (Trias) unter ihrer Führung zu vereinigen, bald enttäuscht. Als sie während des Krimkriegs auch Großmachtpolitik treiben wollten und auf den Bamberger Konferenzen (im Mai 1854) in russischem Interesse tätig zu sein versuchten, nötigten Österreich und Preußen am 24. Juni die Mittelstaaten zum Beitritt zu ihrer Allianz. Von der gewünschten Beteiligung des Bundes am Pariser Friedenskongress war nun keine Rede mehr. Preußen hatte jetzt nur das eine Interesse, sich in seiner Politik nicht den Wünschen des Bundes fügen zu müssen, und dieser Grundsatz kam 1858 nach dem Regierungsantritt des Prinz-Regenten (Wilhelm I.) noch stärker zur Geltung als bisher. Als 1859 der Krieg zwischen Österreich und Frankreich um Italien ausbrach, nahm Österreich die bewaffnete Hilfe des Bundes in Anspruch. Aus Furcht vor der Eroberungssucht Napoleons III. waren Regierungen, Kammern und Presse, besonders in Süddeutschland, der Ansicht, dass diese Hilfe geleistet, der Rhein am Po verteidigt werden müsse.
Der Bund beschloss am 24. April die Marschbereitschaft der Bundeskontingente und die Armierung der Bundesfestungen. Auch Preußen stimmte zu; entschlossen, das deutsche Bundesgebiet gegen jeden Angriff zu verteidigen, schritt es zur Mobilmachung seiner Armee und beantragte am 25. Juni auch die der Bundeskorps. Doch beanspruchte es die Führung des Krieges als selbständige Großmacht, und der Prinz-Regent weigerte sich, als Bundesfeldherr sich unter den Befehl des von Österreich beherrschten Bundestags zu stellen. Um nicht seine herrschende Stellung in Deutschland zu verlieren, verzichtete Kaiser Franz Joseph in den Friedenspräliminarien von Villafranca auf die Lombardei.
Otto von Bismarck
* 01.04.1815 Schönhausen/Elbe (Reg.-Bez. Magdeburg),
† 30.07.1898 Gut Friedrichsruh in Sachsenwald (bei Hamburg).
Staatsmann, Reichskanzler des Norddeutschen Bundes (1867 – 1870) und des Deutschen Reichs (1871 – 1890)
Der Streit der beiden Großmächte in Deutschland war aufs neue entfacht und es wurde immer klarer, dass eine politische Einigung zwischen ihnen nicht zu erreichen war. Die Einheitsbewegung im Volke kam aufs neue in Fluss, die Großdeutschen in Süddeutschland gründeten den Reformverein, die Reste der erbkaiserlichen oder kleindeutschen Partei, verstärkt durch jüngere Kräfte, stifteten auf Antrieb Bennigsens im August 1859 den Deutschen Nationalverein, der eine Reform des Bundes, die Herstellung einer Zentralgewalt unter Preußens Leitung und eines Reichsparlaments für sein Ziel erklärte. Die Schillerfeier, zahlreiche Versammlungen wissenschaftlicher, volkswirtschaftlicher und geselliger Vereine, der Sänger-, Turner- und Schützenbünde belebten das Nationalgefühl.
Friedrich Ferdinand Graf von Beust
* 13.01.1809 in Dresden,
† 24.10.1886 auf Schloss Altenberg bei Wien;
sächsischer und österreichischer Staatsmann
Preußen erwarb sich Freunde, als es 1862 den Kurfürsten von Hessen zwang, die Verfassung von 1831 wiederherzustellen; es beantragte ferner eine Reorganisation der deutschen Reichskriegsverfassung. In der Frage der Bundesreform kam es auf die Unionspolitik zurück und forderte unter Wahrung des völkerrechtlichen Charakters des bestehenden Bundes eine engere Vereinigung seiner Glieder auf dem Wege der Vereinbarung; auch schloss es mit einigen Kleinstaaten Militärkonventionen. Die Mittelstaaten verhandelten 1860 auf den Würzburger Konferenzen ihrerseits wieder die Reformfrage, und ihr rührigster Staatsmann, Beust, legte am 15. Oktober 1861 ein umfassendes, auf dem Triasgedanken beruhendes Bundesreformprojekt vor, das den größeren Mittelstaaten einen Anteil an der Exekutive verschaffte und dem Bundestag eine aus Delegierten der Landtage bestehende Abgeordnetenversammlung, jedoch nur mit beratender Stimme, zur Seite stellte. Bei der Abstimmung über das Projekt (22. Januar 1863) sprach der preußische Gesandte die Ansicht aus, dass nur eine direkt gewählte Vertretung den Wünschen der Nation entspreche. Österreich, das Preußen jetzt durch den zwischen König und Abgeordnetenhaus ausgebrochenen Konflikt voll beschäftigt wähnte, glaubte, es sei die rechte Zeit gekommen, um sich durch eine großdeutsche Bundesreform seine Stellung an der Spitze Deutschlands zu sichern und überraschte alle Welt durch eine Einladung an alle deutschen Fürsten und Freien Städte zu einem deutschen Fürstentag in Frankfurt a. M.
Dieser wurde am 17. August 1863 unter Vorsitz Kaiser Franz Josephs von Österreich eröffnet; außer den Vertretern der Freien Städte waren fast alle deutschen Fürsten persönlich erschienen, nur der König von Preußen fehlte, obwohl der Kaiser ihn am 2. August persönlich in Gastein eingeladen hatte. Das von Schmerling verfasste österreichische Reformprojekt schlug vor, die Leitung der Bundesangelegenheiten mit erweiterter Befugnis einem Direktorium zu übertragen, das aus dem Kaiser von Österreich, den Königen von Preußen und Bayern und zwei anderen alternierenden Fürsten bestehen sollte; in ihm und der Bundesversammlung der Vertreter aller Regierungen sollte Österreich den Vorsitz haben; alle 3 Jahre würde eine aus 300 Mitgliedern der Landtage bestehende Bundesdelegiertenversammlung zur Beratung und Beschlussfassung über die ihr vorzulegenden Gesetzesvorlagen zusammentreten und deren Beschlüsse dann einem Fürstenrat zu freier Verständigung unterbreitet werden. Auch ein Bundesgericht war vorgeschlagen. Das Projekt wurde nach geheimer Beratung am 1. September fast mit Stimmeneinheit angenommen, aber die Zustimmung Preußens trotz einer Kollektiveinladung des Fürstentags an König Wilhelm nicht erreicht. In seinem Bericht vom 15. September betonte Bismarck (im Herbst 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt), eine Bürgschaft dafür, dass Preußen nicht fremden Interessen geopfert werde, biete nur eine aus direkter Beteiligung der ganzen Nation hervorgegangene Vertretung, da die Wünsche und Interessen des preußischen Volkes mit denen des deutschen wesentlich identisch seien. Auch der deutsche Abgeordnetentag, der, aus liberalen Mitgliedern der deutschen Landtage bestehend, sich gleichzeitig mit dem Fürstentag am 21. und 22. August in Frankfurt versammelte, konnte bei aller Anerkennung der Tendenz des österreichischen Entwurfs diesen nicht annehmen. Aber an eine Verständigung zwischen ihm und Bismarck war nicht zu denken, da selbst die eifrigsten Vertreter der deutschen Einheitsidee Bismarcks Vorschläge nicht ernst nahmen, solange der preußische Verfassungskonflikt dauerte.
Die schleswig-holsteinische Frage und der deutsche Entscheidungskampf.
Zwei Tage, nachdem in Dänemark eine neue Verfassung beschlossen worden war (13. November 1863), die Schleswig in den dänischen Staat einverleibte und damit sowohl die Rechte der Herzogtümer auf Vereinigung als die völkerrechtlichen Verpflichtungen Dänemarks verletzte, rief der Tod des Königs Friedrich VII. (15. November 1863) den Prinzen von Glücksburg, Christian IX., auf Grund des Londoner Protokolls von 1852 auf den Thron. Da dieser die neue Verfassung bestätigte, so weigerten sich die Stände und Einwohner von Schleswig-Holstein, ihn als Landesherrn anzuerkennen, und proklamierten den Prinzen Friedrich von Augustenburg als ihren Herzog, dessen Thronfolge zugleich die ersehnte Trennung von Dänemark herbeiführte. Auch in Deutschland hielt man dies für die beste Lösung; Fürsten und Landtage erklärten sich für die Anerkennung Friedrichs VIII., und am 21. Dezember versammelten sich in Frankfurt 491 Abgeordnete aus allen Parteien, klein- und großdeutsche, und setzten den Sechsunddreißiger-Ausschuss ein, um mit allen Mitteln für den Augustenburger zu agitieren. Österreich und Preußen jedoch, als Großmächte an das Londoner Protokoll gebunden, verlangten, dass man sich mit dem Einspruch gegen die Novemberverfassung und mit der auf Grund desselben schon am 1. Oktober 1863 beschlossenen Bundesexekution begnügen solle; die letztere setzten sie durch, und Ende Dezember rückten sächsische und hannöversche Truppen in Holstein ein.
König Christian IX. von Dänemark
* 08.04.1818 Schloss Gottorf, Schleswig,
† 29.01.1906 Schloss Amalienborg, Kopenhagen;
König von Dänemark 1863 – 1906
Da der Bund am 14. Januar 1864 es ablehnte, mit den beiden Großmächten gemeinsam zu handeln, mussten diese allein ans Werk gehen. Nachdem Dänemark die Aufforderung, die Novemberverfassung in Schleswig außer Kraft zu setzen, unbeachtet gelassen, überschritten am 1. Februar österreichische und preußische Truppen die Eider. Die öffentliche Meinung wandte sich entschieden gegen Preußen: dass Bismarck dadurch, dass er sich auf den Boden des Londoner Protokolls stellte und Dänemark ins Unrecht setzte, eine Intervention der anderen Mächte verhütete, wurde von niemand gewürdigt. Der deutsch-dänische Krieg nahm einen glücklichen Fortgang, die Düppeler Schanzen wurden am 18. April erobert und ein großer Teil von Jütland besetzt. Auf der am 25. April eröffneten Londoner Konferenz, auf der auch der Deutsche Bund durch Beust vertreten war, machte es die halsstarrige Unnachgiebigkeit Dänemarks den deutschen Mächten möglich, sich vom Londoner Protokoll loszusagen und die gänzliche Trennung der Herzogtümer von Dänemark zu fordern, die im Wiener Frieden (30. Oktober) auch erreicht wurde.
Aber nun widersetzten sich nicht nur die Mittelstaaten, durch die Beiseite Schiebung der Bundesexekution empfindlich beleidigt, sondern auch die gegen Bismarck nun einmal misstrauische öffentliche Meinung in Deutschland dem Verlangen Preußens, dass der neue schleswig-holsteinische Mittelstaat ihm für seine militärische und maritime Machtstellung gewisse Zugeständnisse einräume. Eine offene Opposition gegen Preußen wagten die Mittelstaaten zunächst noch nicht, denn Preußen drohte mit Auflösung des Zollvereins, wenn sie auf ihrem Widerstand gegen den französischen Handelsvertrag beharrten. Doch auf ihren Antrieb lehnte der Herzog von Augustenburg die preußischen Forderungen ab, Preußen ließ nun den Herzog fallen und fasste die Erwerbung der Herzogtümer für sich selbst ins Auge. Österreich dagegen trat mit den Mittelstaaten für den Augustenburger ein; der Bundestag und der Sechsunddreißiger-Ausschuss drängten auf Anerkennung des Herzogs und Berufung einer schleswig-holsteinischen Landesvertretung.
Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein
* 06.07.1829 Schloss Augustenburg
† 14.01.1880 in Wiesbaden
Noch wurde der Konflikt durch den Gasteiner-Vertrag (14. August 1865) für kurze Zeit vertagt. Die geteilte Verwaltung der Herzogtümer beseitigte die Streitigkeiten nicht, und Anfang 1866 schien für Österreich die Zeit zur Entscheidung gekommen: man glaubte, Preußen, in Deutschland isoliert und in seinem Innern durch den Verfassungskonflikt gelähmt, müsse unterliegen. In einer Note vom 16. März 1866 gab Österreich die Absicht kund, die schleswigholsteinische Sache dem Bund anheimzugeben, und sprach das Vertrauen aus, dass die deutschen Staaten Österreich unterstützen würden. Preußen kündigte darauf am 24. März einen Antrag auf Bundesreform an und forderte am 9. April die Berufung einer schon früher (22. Januar 1863) als wünschenswert bezeichneten, aus direkten Wahlen und allgemeinem Stimmrecht hervorgehenden Nationalversammlung. Die öffentliche Meinung hielt diesen Antrag nicht für ernst; die Mittelstaaten suchten auf einer Konferenz zu Bamberg (14. Mai) auf beiderseitige Abrüstung hinzuwirken, doch ohne Erfolg, zumal zwei von ihnen, Sachsen und Hannover, selbst mit Rüstungen angefangen hatten. Den entscheidenden Schritt tat Österreich, indem es die holsteinischen Stände berief und am 1. Juni dem Bund die Lösung der schleswig-holsteinischen Frage übertrug. Preußen bezeichnete dies als einen Bruch des Gasteiner Vertrags, ließ 7. am Juni Holstein besetzen und erklärte am 9. Juni im Bundestag, dass es die schleswig-holsteinische Frage als eine nationale ansehe und nur in Verbindung mit der von ihm vorgeschlagenen Bundesreform zu lösen bereit sei.
Dagegen beantragte Österreich am 11. Juni wegen des Vorgehens Preußens in Holstein die Mobilmachung der gesamten Bundesarmee mit Ausnahme ihrer preußischen Bestandteile, d. h. die Kriegserklärung gegen Preußen. Die Abstimmung 14. Juni ergab mit 9 gegen 6 Stimmen (Preußen, Oldenburg, Mecklenburg, die thüringischen Staaten, die Freien Städte außer Frankfurt und Luxemburg) die Annahme des Antrags. Sofort nach der Verkündigung verlas der preußische Gesandte von Savigny eine Erklärung seiner Regierung, dass sie den bisherigen Bundesvertrag damit für gebrochen und erloschen ansehe, dass sie aber einen neuen Bund ohne Österreich mit den deutschen Regierungen abzuschließen bereit sei. Der Deutsche Krieg (Preußisch-deutsche Krieg) nahm einen unerwarteten Verlauf. Während die Bundestruppen sich noch sammelten, besetzte Preußen das Königreich Sachsen und Kurhessen ohne Schwertstreich, das Königreich Hannover nach dem blutigen Gefecht von Langensalza (27. Juni 1866). Ganz Norddeutschland war Ende Juni schon in Preußens Gewalt; die meisten kleinen Staaten riefen ihre Gesandten vom Rumpfbundestag ab und schlossen sich Preußen an. Der siebentägige Feldzug in Böhmen und die Schlacht bei Königgrätz entschieden den Krieg gegen Österreich; der Mainfeldzug zersprengte die beiden Bundesarmeekorps; der Bundestag flüchtete nach Augsburg und löste sich am 24. August auf. Die Nikolsburger Friedenspräliminarien (26. Juli) und der Prager Friede (23. August) garantierten Österreich sein deutsches Gebiet, legten ihm die Zahlung einer unerheblichen Kriegsentschädigung von 20 Millionen Taler auf und zwangen es zum Ausscheiden aus Deutschland.
Unter Preußens Führung entstand der Norddeutsche Bund, mit dem die süddeutschen Staaten eine vertragsmäßige Vereinigung zur nationalen Einheit eingehen konnten. Österreich hatte seine führende Stellung aufgegeben; der Dualismus der deutschen Großmächte endete mit dem völligen Siege Preußens, das durch die Einverleibung Schleswig-Holsteins, Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts sein deutsches Gebiet bedeutend vergrößerte. Bei den Friedensverhandlungen versuchte Frankreich, von den süddeutschen Staaten (außer Baden) um Vermittlung angegangen, sich einzumischen und verlangte gleichzeitig in drohender Form eine Kompensation am Rhein auf preußische, bayrische und hessische Kosten. Bismarck wies dies Verlangen auf die Gefahr eines neuen Krieges hin zurück, gewann zugleich durch milde Friedensbedingungen die süddeutschen Staaten für eine engere Verbindung mit Preußen und bahnte so die Versöhnung und Einigung ganz Deutschlands ohne Österreich an. Württemberg und Baden erlitten keine, Bayern und Hessen nur unerhebliche Gebietsverluste und mussten nur Kriegskontributionen zahlen. Sie gingen im August mit Preußen geheime Schutz und Trutzbündnisse ein, garantierten sich darin gegenseitig ihr Gebiet und verpflichteten sich, zu seiner Verteidigung im Fall eines Krieges ihre volle Kriegsmacht zur Verfügung zu stellen und den Oberbefehl über dieselbe dem König von Preußen zu übertragen. Damit war die nationale Verbindung, die der Prager Friede vorsah, hergestellt, wenn auch kein Südbund zustande kam.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Historischer Schulatlas“ Verlag von Velhagen & Klasing 1902
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
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