Heidelberg im Großherzogtum Baden, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Heidelberg 49.151 Einwohner – 1905 = 85. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
Neben der Stadt Heidelberg im Großherzogtum Baden existieren:
- Heidelberg, ein Dorf im Königreich Sachsen, Kreishauptmannschaft Dresden, Amtshauptmannschaft Freiberg, im Erzgebirge, nahe der Grenze zu Böhmen, 833 Meter über dem Meer, hat Holz- und Holzspielwarenfabrikation und im Jahr 1900 = 1798 Einwohner.
- Heidelberg, ein Ort in der Kapkolonie, Bezirk Swellendam, östlich vom Hauptort Swellendam, mit ca. 900 Einwohner, darunter 500 Europäer.
- Heidelberg, ein Ort in der Südafrikanischen Republik, südöstlich von Johannesburg, am rechten Ufer des Rand River und an der Bahnlinie Durban-Ladysmith-Pretoria.
Heidelberg im Großherzogtum Baden
Heidelberg ist eine Stadt im Großherzogtum Baden und im gleichnamigen Kreis und Amtsbezirk.
Heidelberg liegt in reizender Gegend des Neckartals, wo der Fluss aus dem Gebirge in die Ebene tritt, am Fuß des 566 Meter hohen Königsstuhls, erstreckt sich am linken Neckarufer zwischen Fluss und Gebirge in einer einzigen Hauptstraße, 3 km lang, von Osten nach Westen und 116 Meter über dem Meer. Über den Neckar führen nach dem am rechten Neckarufer liegenden, seit 1891 mit Heidelberg vereinigten Ort Neuenheim und dem 1903 eingemeindeten Handschuchsheim zwei Brücken;
die obere ist 210 Meter lang, 9 Meter breit und geschmückt mit den Statuen der Minerva und des Kurfürsten Karl Theodor, die untere, am westlichen Ende der Stadt, ist 243 Meter lang und 10 Meter breit. Unter den zahlreichen Plätzen sind bemerkenswert der Ludwigsplatz mit dem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (modelliert von Donndorf), der Bismarckplatz mit dem Denkmal Bismarcks (ebenfalls von Donndorf), der Jubiläumsplatz mit der großartigen Stadthalle, der Wredeplatz, mit einem Denkmal des bayrischen Feldmarschalls Wrede (von Halbig).
An öffentlichen Denkmälern besitzt die Stadt Heidelberg noch ein Denkmal des Pfälzer Dichters Nadler (von Volz). Unter den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gebäuden (6 evangelische und 4 katholische Kirchen und eine Synagoge) verdienen Erwähnung die Heilige Geist-Kirche, um 1400 erbaut, eins der imposantesten Denkmäler des spätgotischen Stils, mit dem Grabdenkmal ihres Stifters, Kaiser Ruprechts, und dessen Gemahlin,
ferner die restaurierte gotische Peterskirche, mit Grabmälern aus dem 16. und 17. Jahrhundert, darunter das der gelehrten Olympia Fulvia Morata, die restaurierte Providenzkirche und die geschmackvoll restaurierte Jesuitenkirche (katholische Pfarrkirche); sowie die neue evangelische Christuskirche und die katholische Bonifatiuskirche.
Unter den Profanbauten sind bemerkenswert das 1886 restaurierte Universitätsgebäude, das Rathaus mit schönem Saal, das Krematorium (zur fakultativen Feuerbestattung), das aus dem Jahre 1592 herrührende Gasthaus Zum Ritter, das neue Bibliothekgebäude u. a. Die größte Sehenswürdigkeit Heidelbergs ist das Schloss, auf einem Vorhügel des Königsstuhls, unmittelbar über der Stadt und 101 Meter über dem Neckar, eine „deutsche Alhambra“.
Zu Anfang des 13. Jahrhunderts begonnen, wurde der Bau besonders unter dem Kurfürsten Ruprecht, dem deutschen König, weiter fortgeführt und später noch durch den prachtvollen Otto Heinrich-Bau (seit 1556–59), ein Musterwerk edler Frührenaissance mit reichem plastischen Schmuck, und den im reichsten Spätrenaissancestil 1601–07 ausgeführten Friedrichsbau mit 16 Porträtstatuen erweitert.
Diese Hauptgebäude bilden ein Viereck mit runden Ecktürmen nach Südwesten stehen der Ruprechtsbau (1400–10 erbaut), der sogenannte Alte Bau und das „Bandhaus“, der älteste Teil des Schlosses, nach der Nordwestseite der 1897 bis 1903 wiederhergestellte Friedrichsbau (mit den Standbildern pfälzischer Fürsten geschmückt), auf der Nordost- und Südostseite der Otto Heinrich-Bau, nebst dem sogenannten Neuen Hof, aus Gotik und Renaissance gemischt, und der Ludwigsbau; auf der Westseite fügt sich noch als jüngster Bau der Elisabethenbau (1618) an.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloss erst durch die Franzosen 1689 und 1693 zum großen Teil zerstört, dann 1764 durch einen Blitzeinschlag noch weiter verwüstet. Sehenswert sind das Elisabethentor, die vier schönen Granitsäulen am Schlossbrunnen, die aus Karls Palast zu Ingelheim hierher gebracht sind, der Schlossgarten mit einer großen Terrasse, auf der das Erzstandbild Viktors von Scheffel (modelliert von Heer) aufgestellt ist und von der man eine entzückende Aussicht auf das untere Neckartal und in die Rheinebene hat, der gesprengte Turm, der schöne achteckige Turm,
der vormalige Schlossgarten, die noch erhaltene Schlosskirche im Friedrichsbau, wo sich auch die für die Geschichte des Schlosses, der Pfalz und der Stadt interessante städtische Sammlung befindet. Schlussendlich zeigt man in einem besonderen Kellergewölbe das bekannte, 1751 gebaute große Fass, das beinahe 7 Meter im Durchmesser und über 10 Meter in der Länge hat und 236.000 Flaschen fasst. Gegen die geplante Wiederherstellung des Schlosses macht sich (um 1900) eine lebhafte Agitation geltend.
Im Jahr 1900 leben in Heidelberg mit der Garnison (ein Bataillon Grenadiere Nr. 110) 43.998 Einwohner, davon sind 26.893 Evangelische, 15.246 Katholiken und 887 Juden. Die wesentlichsten Erwerbsquellen der Bewohner bilden die Universität und der bedeutende Fremdenbesuch. In industrieller Hinsicht sind Fabriken für Zigarren, Leder, Feuerspritzen, chirurgische Instrumente, Sanitätsapparate, Eisenbahnwagen, Zement und Mühlenprodukte sowie bedeutende Bierbrauereien zu nennen.
Der Handel in Heidelberg, besonders lebhaft in Büchern, Wein, Tabak und Hopfen, wird durch eine Handelskammer und neben mehreren öffentlichen Bankanstalten durch eine Nebenstelle der Reichsbank unterstützt. Für den Eisenbahnverkehr ist Heidelberg Knotenpunkt der badischen Staatsbahnlinien Mannheim–Konstanz, Heidelberg-Würzburg und Heidelberg-Speyer, der preußisch-hessischen Staatsbahnlinie Frankfurt a. M.-Heidelberg und anderer Linien; den Verkehr in der Stadt vermittelt eine elektrische Bahn. Eine Bergbahn führt nach dem Schloss und der Molkenkur.
Von den Bildungsanstalten in Heidelberg steht obenan die Universität. Die Zahl der Studierenden belief sich im Sommersemester 1904 auf 1655, die Zahl der Dozenten auf 148. Die Bibliothek wurde nach dem Verlust der alten Bibliotheca Palatina 1703 durch Ankauf der Gräviusschen Sammlungen gegründet. Sie zählt 1/2 Millionen Bände, 2000 Handschriften, 2000 Pergamenturkunden etc. Mit der Universität sind außerdem verbunden ein Hospital, Kinderkrankenhaus (Luisen-Heilanstalt), Entbindungsanstalt, eine Augen- und eine Irrenklinik, ein hygienisches und ein physiologisches Institut, chemisches Laboratorium, zoologisches und mineralogisches Museum, botanischer Garten, Sternwarte (auf dem Königsstuhl) etc.
An sonstigen Bildungs- und andern Anstalten besitzt Heidelberg ein Gymnasium, Oberrealschule, Gewerbeschule, Theater, Vereine für Kunst und Wissenschaft, Altertumssammlung, Glasmalereianstalt, einen naturhistorisch-medizinischen Verein etc. Heidelberg ist Sitz einer Kreisverwaltung und eines Bezirksamts, Landgerichts, Hauptsteueramts und eines Forstamts. Die städtischen Behörden zählen 20 Magistratsmitglieder und 96 Stadtverordnete.
Die Umgebung Heidelbergs gehört zu den reizendsten Gegenden Deutschlands. Die ganze Landschaft mit ihren schön bewaldeten Bergen, malerischen Felsen und dem Neckar hat einen außerordentlich anmutigen Charakter. Zu den beliebtesten Aussichtspunkten nahe des Schlossgartens gehören die sogenannte Molkenkur, über dem Schloss gelegen, wo einst die Burg Konrads von Hohenstaufen stand und weiter hinauf der Königstuhl. Auf der rechten Neckarseite liegt der aussichtsreiche Heiligenberg (445 m) mit Bismarckturm. Das Klima Heidelbergs gehört im Durchschnitt wie in den Extremen zu den mildesten Südwestdeutschlands. Zum Landgerichtsbezirk Heidelberg gehören die vier Amtsgerichte zu Eppingen, Heidelberg, Sinsheim und Wiesloch.
Heidelberg Geschichte
Wahrscheinlich hatten schon die Römer an der Stelle des heutigen Heidelberg eine Niederlassung. Das Dorf Heidelberg, mit einer an der Stelle der heutigen Molkenkur stehenden Burg, wurde 1225 vom Bischof von Worms dem Pfalzgrafen Ludwig I. zu Lehen gegeben und bald darauf zur Stadt erhoben. Die obere Burg wurde im 14. Jahrhundert aufgegeben und die untere erbaut. Heidelberg wurde Residenz der Pfalzgrafen. 1384 fand hier die Heidelberger Einung statt, durch die der Nürnberger Landfriede von 1383 auch von den Städtebünden und diese dagegen von König Wenzel anerkannt wurden.
Nach Einführung der Reformation (1556) und dem Erscheinen des Heidelberger Katechismus (1563) war Heidelberg ein Mittelpunkt des calvinischen Glaubensbekenntnisses. Im Dreißigjährigen Kriege wurde Heidelberg 1622 von Tilly nach langer Belagerung erobert und geplündert, 1633 von den Schweden genommen und 1635 von den Kaiserlichen unter Gallas besetzt. Im Westfälischen Frieden kam es wieder an Karl Ludwig, Friedrichs V. Sohn, welcher Schloss und Schlossgarten wieder prächtig einrichtete und auch die im Krieg aufgehobene Universität wieder herstellte.
1688 wurde es nach längerer Belagerung von den Franzosen genommen und am 2. März 1689 von Melac zerstört, das Schloss zum Teil in die Luft gesprengt. Noch ärgere Verwüstungen erlitten Stadt und Schloss 1693 infolge der abermaligen Eroberung durch die Franzosen. Nachdem schon 1720 die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt worden war, kam Heidelberg 1803 an Baden. Hier fand am 5. März 1848 die Heidelberger Versammlung statt, in der die Berufung eines deutschen Parlaments angebahnt wurde.
Die Universität zu Heidelberg wurde 1386 vom Kurfürsten Ruprecht 1. eröffnet, nachdem Papst Urban VI. durch die Bulle vom 23. Oktober 1385 dazu seine Zustimmung gegeben hatte. Ihr erster Rektor war Marsilius von Inghen. Sie war nach dem Vorbild der Pariser Akademie errichtet und besaß schon damals vier Fakultäten. Große Verdienste erwarb sich um die Anstalt Philipp der Aufrichtige, indem er ausgezeichnete Gelehrte, wie Reuchlin, Joh. Wessel, Wimpfeling u. a., berief. Otto Heinrich gründete die Bibliothek. Unter Kurfürst Friedrich III. lehrten hier Friedrich Sylburg, Xylander, Melissus und die beiden Theologen Ursinus und Olevianus, die den Heidelberger Katechismus entwarfen.
Nachdem die Universität unter Friedrich V. während des Dreißigjährigen Krieges schon harte Schläge zu erleiden gehabt, kam sie seit 1685 unter den Einfluss der Jesuiten und verlor durch den Lüneviller Frieden noch ihre wichtigsten (nämlich die überrheinischen) Besitzungen, so dass sie 1802 ihrer Auflösung nahe war. Nachdem Heidelberg 1803 an Baden gekommen, hob sie sich indes bald zu neuem Glanz unter dem Großherzog Karl Friedrich, der ihr die jetzige Einrichtung und den Namen Ruperto-Carola gab. Im August 1886 hat sie ihr 500jähriges Bestehen festlich begangen.
Die alte berühmte Bibliothek, die im Chor der Heilige Geist-Kirche aufbewahrt wurde und über 3500 Handschriften enthielt, wurde von Tilly nach Eroberung der Stadt 1623 nach Rom gesandt und daselbst im Vatikan als Bibliotheca Palatina aufgestellt. Von den Handschriften kamen 1815 infolge des Pariser Friedens 38 der besten, welche die Franzosen nach Paris geschleppt hatten, 1888 auch die Manessische Handschrift nach Heidelberg zurück; außerdem gab der Papst sämtliche altdeutsche Manuskripte (852 an der Zahl) heraus.
Heidelberg ist heute eine Großstadt in Baden-Württemberg mit rund 159.000 Einwohnern (2020).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
- „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
- „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
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