Brünn, Dom, Altbrünn mit Kloster der Barmherzigen Brüder

Mähren

Mähren als Kronland des österreichischen Kaiserstaates in detaillierter Übersicht, Geschichte in alten Ansichtskarten.

Brünn ist die Hauptstadt Mährens

Brünn, Neues Landhaus- Gebäude
Brünn, Neues Landhaus- Gebäude

Markgrafschaft Mähren als Kronland des österreichischen Kaiserstaates

Mähren, Lage in Österreich-Ungarn
Mähren, Lage in Österreich-Ungarn

Mähren (tschechisch Morava) ist Markgrafschaft und Kronland des österreichischen Kaiserstaates. Es wird nördlich von Österreichisch-Schlesien und der preußischen Provinz Schlesien, östlich und südöstlich von Ungarn, südlich von Niederösterreich, westlich von Böhmen begrenzt und hat ein Areal von 22,222 km² (403,6 Quadratmeilen), nach neuerer Berechnung 22,231 km².

Mähren und Schlesien Nationalitäten- und  Sprachen-Karte 1900 (Prof. Hickmann's geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn)
Mähren und Schlesien Nationalitäten- und Sprachen-Karte 1900 (Prof. Hickmann’s geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn)

Das Land ist im Westen, Norden und Osten von Randgebirgen eingeschlossen und umfasst vier Erhebungszonen:

  1. die böhmisch-mährische Höhe (Jaborschitz 835 m, Kaiserstein 812 m, Hradisko 768 m);
  2. die Sudeten im Norden, die mit dem Glatzer Gebirge (Großer oder Spieglitzer Schneeberg 1422 m) nach Mähren hinreichen, sodann von der Marchquelle bis zur Oder sich als Altvatergebirge (mit dem Altvater, 1490 m, der höchsten Erhebung des Landes) und dem mährisch-schlesischen Gesenke (821 m) hinziehen und sich gegen Südosten im Odergebirge abflachen (675 m).
  3. Im Osten des Landes erheben sich die Karpaten mit dem an der ungarischen Grenze gelegenen Weißen Gebirge (Javorina 968 m) und dem Javornikgebirge (1077 m) sowie den nördlichen Seitenästen derselben (Tanečnica 912 m, Javornik Kelsky 865 m), dann den Beskiden im nordöstlichen Teil des Landes (Kněhyna 1251 m, Radhoscht 1130 m).
  4. Im Süden der fruchtbaren Hanna steigt das Marsgebirge (Brdo 587 m) mit seiner westlichen Fortsetzung, dem Steinitzer Wald (442 m), auf und südlich von der Thaya erhebt sich isoliert die Gruppe der Polauer Berge bis zu 550 m.
    Der Hauptfluss ist die March, die vom Spieglitzer Schneeberg kommt und an Nebenflüssen rechts die Sazawa, Hanna und Thaya, links die Betschwa und Olsawa aufnimmt. Die in Mähren entspringende Oder bildet die Grenze gegen Österreichisch-Schlesien und die preußische Provinz Schlesien und nimmt rechts die Ostrawitza auf. Seen hat Mähren keine, dagegen viele Teiche (578 mit einer Fläche von 4500 Hektar). Von den Mineralquellen sind beachtenswert die warme Schwefelquelle zu Ullersdorf im Teßtal und die Kochsalzquellen von Luhatschowitz. Außerdem ist Rožnau (mit Molkenheilanstalt) ein besuchter Kurort. Das Klima ist im allgemeinen mild, im gebirgigeren Norden jedoch rau. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Brünn 8°C, in Datschitz 6,9°C. Die jährliche Menge des Niederschlags ist in Brünn 50, in Hochwald bei Mistek 78 cm.

Wappen:

Das Wappen Mährens bildet ein von Gold und Rot geschachter, gekrönter Adler im blauen Feld. Auf dem Schild ruht ein Fürstenhut.

Mähren, Wappen
Mähren, Wappen

Landesfarben:

Die Landesfarben Mährens sind Gelb und Rot.

Mähren, Flagge
Mähren, Flagge

Größe Mährens:

22.222 km²

Einwohner:

Die Bevölkerung von Mähren betrug 1890: 2.276.870, 1900: 2.437.706 Einwohner und zeigt von 1890–1900 eine Vermehrung um 7,1 %. Auf 1 km² kommen 109 Bewohner.

  • 1890: 2.276.870
  • 1900: 2.437.706
  • 1910: 2.622.271

Gewässer:

March, Thaya, Schwarzawa

Nationalitäten- und Sprachen-Karte von Österreich-Ungarn 1895 (Prof. Hickmann's geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn)
Nationalitäten- und Sprachen-Karte von Österreich-Ungarn 1895 (Prof. Hickmann’s geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn)

Bewohner:

Der Nationalität nach ist die Bevölkerung überwiegend (71,4 %) slawisch (Tschechen, Mährer und Slowaken), 27,9 % sind Deutsche. Diese leben an den Grenzen zu Niederösterreich und Schlesien, sonst in verschiedenen Sprachinseln (um Iglau, Zwittau) und in allen Städten. Die Slawen unterscheidet man in Hannaken, Slowaken, Walachen, Podhoraken etc.; doch sind dies zumeist lokale Bezeichnungen.

  • Mährisch-slowakisch (Tschechoslowaken)   71,7%
  • Deutsche                                            27,6%
  • Polnisch                                               0,6 %
Iglau, Bäuerische Hochzeit
Iglau, Bäuerische Hochzeit

Bevölkerungsdichte:

118 Einwohner/km² (Volkszählung von 1910)

Religion:

Religions-Karte von Österreich-Ungarn 1895 (Prof. Hickmann's geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn)
Religions-Karte von Österreich-Ungarn 1895 (Prof. Hickmann’s geographisch-statistischer Taschenatlas von Österreich-Ungarn)

Nach der Religion sind 95,4 % Katholiken, 2,7 % Protestanten und 1,8 % Juden.

  • römisch Katholisch          95,4 %
  • Evangelisch A.B./ H.B.        2,7 %
  • Juden                             1,8 %

In kirchlicher Hinsicht bildet Mähren die Erzdiozöse Olmütz, der das Bistum Brünn untersteht. Die evangelischen Gemeinden A.B., deren es 18 gibt, sind der Superintendantur von Mähren und Schlesien untergeordnet; Seniorate gibt es in Brünn, Stotschau und Zauchtl. Die helvetische Kirche (meist Tschechen) hat eine Superintendenz in Ingrowitz und gliedert sich sich in 2 Seniorate und 24 Pfarrämter. In fasst allen bedeutenden Gemeinden bestehen jüdische Kultusgemeinden, zusammen 50.

Olmütz, Oberring
Olmütz, Oberring

Wirtschaft:

Die Landwirtschaft ist die Hauptbeschäftigung der Bewohner. Von der gesamten Bodenfläche kommen auf Ackerland 54,79 %, auf Wiesen und Gärten 8,21 %, auf Weingärten 0,55 %, auf Weiden 5,75 %, auf Waldungen 27,44 %. Der fruchtbarste Teil des Landes ist die Hanna, dann folgen das Kuhländchen, das Marchtal und die Niederungen an der Thaya. Der Ackerbau liefert hauptsächlich Getreide, und zwar 1903: Weizen 1.732.449, Roggen 3.266.291, Gerste 3.661.295, Hafer 2.529.638, Mais 181.330 metrische Zentner. Außerdem werden Hirse und Buchweizen, viel Hülsenfrüchte (431.582 hl), Raps (8908 metrische Zentner), Mohn (18.356 metrische Zentner), Anis und Fenchel, Flachs (132.556 metrische Zentner), Hanf (5579 metrische Zentner), ferner in großer Menge Kartoffeln (14.713.561 metrische Zentner), Zuckerrüben (13.580.329 metrische Zentner), Futterrüben (5.740.758 metrische Zentner), Kraut (608.759 metrische Zentner), Klee (4.383.132 metrische Zentner), andere Futterkräuter, Wiesenheu (5.001.925 metrische Zentner) gewonnen. Der Gemüsebau liefert unter anderem den berühmten Spargel von Eibenschitz, der Obstbau besonders Pflaumen zur Ausfuhr. Guter Wein wird an den Hügeln von Znaim bis zur March hin, besonders um Bisenz, gebaut (197.177 hl). Der Viehstand umfasste 1900: 134.026 Pferde, 789.552 Rinder, 37.683 Schafe, 158.726 Ziegen, 455.318 Schweine, 3.120.520 Stück Geflügel, insbesondere Hühner und Gänse, schlussendlich Bienen (91.962 Bienenstöcke). Jagd und Fischerei sind ansehnlich. Produkte des Mineralreichs sind Steinkohle (1903: 15.977.619 metrische Zentner, hauptsächlich in dem nach Schlesien hinüberreichenden Ostrauer und im Rossitzer Becken), Braunkohle (1.876.144 metrische Zentner), Eisenerz (26.796 metrische Zentner) und Roheisen (2.645.286 metrische Zentner, namentlich aus ungarischen, schwedischen und steirischen Erzen gewonnen), Graphit (99.359 metrische Zentner) und Kupfer (1603 metrische Zentner). Die Zahl der im Bergbau und in den Hüttenwerken verwendeten Arbeiter beträgt 13.209, der Wert der Jahresproduktion 27.768.110 Kronen.

Znaim, Nikolaikirche, Wenzelkapelle
Znaim, Nikolaikirche, Wenzelkapelle

Die Industrie steht in Mähren auf einer hohen Stufe. Der wichtigste Zweig ist die Schafwollindustrie. Diese umfasst die Streichgarnspinnerei, Kammgarnspinnerei, Streichgarnweberei, Erzeugung von Kammgarn- und gemischten Stoffen, Schafwollwarendruckerei, Erzeugung von Teppichen und Decken. Von den Textilindustriezweigen sind außerdem die Seidenweberei, Baumwollspinnerei und -Weberei, Flachsspinnerei und Leinweberei, Junteweberei, Baumwolldruckerei, Färberei und Appretur, Bandfabrikation, Wirkerei und Spitzenfabrikation zu nennen. Hoch entwickelt ist ferner die Rübenzuckerfabrikation, die 1902: 54 Fabriken mit 23.085 Arbeitern und einer Produktion von 2.823.682 metrische Zentner Zucker beschäftigte. Eisen- und Stahlwaren und zwar Gusswaren, Schienen, Bleche, Röhren etc. liefern insbes. die Werke in Witkowitz, Blansko, Friedland und Zöptau. Andere Erzeugnisse der Metallindustrie sind Eisengeschirr, Maschinen, Drahtstifte und Zinkblech. Wichtig sind ferner die Fabrikation von Männerkleidern und Hüten, die Gerberei und Schuhwarenfabrikation, die Branntweinbrennerei und Likörerzeugung, die Bierbrauerei (1902: 120 Etablissements mit einer Erzeugung von 1.995.504 hl) und die Malzfabrikation, der Mühlenbetrieb, die Darstellung von chemischen Produkten, die Tonwaren-, Glas- und Papierfabrikation, die Erzeugung von Möbeln aus gebogenem Holz und Wagen. Vom Staat werden 6 Tabakfabriken (mit 9681 Arbeitern) betrieben. Der Handel ist bedeutend; die Ausfuhr umfasst sowohl Rohprodukte als Fabrikate. Wichtig sind die Brünner Märkte. An Verkehrswegen besitzt Mähren 1878 km Eisenbahnen, 12.132 km Landstraßen und 264 km Wasserstraßen.

Sternberg in Mähren, Fürst Johann Liechtensteinwarte mit Fernsicht
Sternberg in Mähren, Fürst Johann Liechtensteinwarte mit Fernsicht

An Unterrichtsanstalten bestehen eine deutsche und eine tschechische Technische Hochschule in Brünn, 2 theologische Lehranstalten, 30 Gymnasien und Realgymnasien, 28 Realschulen, 5 Lehrer- und 6 Lehrerinnenbildungsanstalten, ferner 4 Staatsgewerbeschulen, 15 gewerbliche Fachschulen, 4 höhere Handelsschulen, 46 land- und forstwirtschaftliche Schulen, eine Bergschule, eine Militäroberrealschule (Weißkirchen) und 2647 Volksschulen.

Böhmen, Mähren und Österreichisch Schlesien, 1899
Böhmen, Mähren und Österreichisch Schlesien, 1899

Politische Verwaltung und Einteilung Mährens:

An der Spitze der staatlichen Verwaltung Mährens steht die k.k. Statthalterei in Brünn, der die sämtlichen staatlichen Ämter mit Ausnahme der Gerichte in unmittelbarer oder mittelbarerer Weise unterstellt sind. Zu den wichtigsten staatlichen Zentralstellen des Landes gehören der k.k. Landesschulrat, der k.k. Sanitätsrat, die k.k. Polizeidirektion in Brünn, die k.k. Landesfinanzdirektion, die k.k. Post- und Telegraphendirektion, die k.k. Staatsbahnbetriebsdirektion, die in Olmütz ihren Sitz hat, während alle anderen Zentralämter in der Landeshauptstadt amtieren.
In Olmütz ist auch das oberste Gericht des Landes, das k.k. Oberlandesgericht für Mähren und Schlesien, dem das Landesgericht in Brünn und die Kreisgerichte in Olmütz, Iglau, Znaim, Ungarisch-Hradisch und Neutitschein unterstehen.

Iglau, Neue Post und Städtisches Sparkassa-Gebäude
Iglau, Neue Post und Städtisches Sparkassa-Gebäude

Das Organ der autonomen Landesgesetzgebung ist der mährische Landtag, der sich aus 151 Mitgliedern zusammensetzt:

  • Virilisten (Fürstenerzbischof von Olmütz und Bischof von Brünn) 2 Vertreter
  • Großgrundbesitz 30 Vertreter
  • 40 Städte (20 deutsche, 20 tschechische) 40 Vertreter
  • Handels- und Gewerbekammern (Brünn, Olmütz) 6 Vertreter
  • Landesgemeinden (14 deutsche, 39 tschechische) 53 Vertreter
  • Allgemeine Kurie (6 deutsche, 14 tschechische) 20 Vertreter

Der aus der Mitte des Landtages gewählte Landesausschuss zählt 8 Mitglieder; den Vorsitz in beiden Körperschaften führt der vom Kaiser ernannte Landeshauptmann, bzw. dessen Stellvertreter.
Mähren umfasst 2 897 Ortsgemeinden, 3 291 Ortschaften.

NameGerichtsbezirkEinwohnerDichte
BrünnBrünn1257377396
IglauIglau259142591
KremsierKremsier16528918
OlmützOlmütz222457415
Ungarisch-HradischUngarisch-Hradisch51742587
ZnaimZnaim188253138
AuspitzAuspitz, Klobouk, Seelowitz69768108
BärnHof, Stadt Liebau2964067
BoskowitzBlansko, Boskowitz, Kunstadt90913109
Brünn (Land)Brünn, Eibenschütz162493218
DatschitzDatschitz, Teltsch5025962
GayaGaya, Steinitz54650118
GödingGöding, Lundenburg, Straßnitz93634122
Groß MeseritschGroßbittesch, Groß Meseritsch4119966
HohenstadtHohenstadt, Müglitz, Schildberg70819116
HolleschauBystritz a.H., Holleschau, Wisowitz7763896
Iglau (Land)Iglau3836975
KremsierKremsier, Zdounek48336108
LittauKonitz, Littau74850120
Mährisch BudwitzJamnitz, Mährisch Budwitz7207060
Mährisch KromauHrottowitz, Mährisch Kromau4261567
Mährisch OstrauMährisch Ostrau1111861123
Mährisch SchöbergMährisch Altstadt, Mährisch Schönberg, Wiesenberg80384100
Mährisch TrübauGenitsch, Mährisch Trübau, Zwittau80065117
Mährisch WeißkirchenLeipnik, Mährisch Weißkirchen5864798
MistekFrankstadt, Mistek56004121
NeustadtlBystritz, Neustadtl, Saar5844272
NeutitscheinFreiberg, Fulnek, Neutitschein85245170
NikolsburgNikolsburg, Pohrlitz4905196
Olmütz (Land)Olmütz81035162
PereauKojetein, Pereau78184174
ProßnitzPlumenau, Proßnitz81473173
RömerstadtRömerstadt2849775
SternbergMährisch Neustadt, Sternberg62140116
TischnowitzTischnowitz3540682
TrebitschRamiest, Trebitsch5654379
Ungarisch BrodBojkowitz, Ungarisch Brod, Wall. Klobouk7718979
Ungarisch HradischRapajedl (Ungarisch Hradisch, Ungarisch Ostra107015126
Wall. MeseritschRoznau, Wall. Meseritsch5007093
WischauAusterlitz, Butschow, Wischau97071112
WsetinWsetin3774181
ZnaimFrain, Joslowitz, Znaim7620775
Kremsier
Kremsier

Geschichte Mährens:

Die Spuren menschlicher Besiedelung Mährens reichen bis in die älteste Periode der vorgeschichtlichen Kultur, bis in die Diluvialepoche und ältere Steinzeit und werden erwiesen aus zahlreichen, das Zusammenleben von Mensch und diluvialen Tieren bezeugenden Funden, die aus dem Löß und den zahlreichen Höhlen erhoben wurden. Aus weitern Funden der neolithischen und Bronzeperiode wird geschlossen, dass damals an der Stelle und in der Nähe mancher bis heute erhaltenen Städte und Ortschaften vorgeschichtliche Ansiedelungen bestanden haben, und an vereinzelten Stellen des Marchgebietes haben sich auch Pfahlbauten nachweisen lassen.

Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien 1900 (Meyers Konversations-Lexikon 6. Auflage)
Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien 1900 (Meyers Konversations-Lexikon 6. Auflage)

Der Name des Landes hängt zusammen mit jenem des Hauptflusses March (lat. Marus, althochd. Maraha, slaw. Morava), die älteste Form des Volksnamens Marvani findet sich in den „Annales Einhardi“ zum Jahre 822. Mährens älteste geschichtliche Bevölkerung bildeten die Kelten, vielleicht die Volcae Tectosages, die bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. hier gesessen haben dürften. Sie wurden abgelöst durch die den Markomannen stammverwandten suebischen Quaden, die erste uns bekannte germanische Bevölkerung Mährens, die auch Tacitus in dieses Gebiet verlegt. Die Zeit der Völkerwanderung scheint neue germanische Völkerschaften hierher gebracht zu haben, Heruler, Rugier und Langobarden, bis etwa im 6. Jahrhundert die Slawen wie in das benachbarte Böhmen so auch hierher einwanderten. Im 9. Jahrhundert begründeten hier Moimir, Rastislaw und Swatopluk das großmährische Reich, das seinen Mittelpunkt im östlichen Mähren und nordwestlichen Ungarn hatte, zeitweise seine Grenzen bis weit nach Böhmen, Ungarn und Polen ausdehnte.

Brünn, Deutsches Haus mit Kaiser-Josefs Denkmal
Brünn, Deutsches Haus mit Kaiser-Josefs Denkmal

Die Versuche, sich von der fränkischen Oberhoheit zu befreien, führten zu wiederholten Kämpfen zwischen den genannten Fürsten und den deutschen Königen. Mit diesen Selbständigkeitsbestrebungen hing es auch zusammen, dass Rastislaw sich 863 vom griechischen Kaiser Geistliche zur Christianisierung des Landes erbat, die der in Mähren arbeitenden fränkisch-bayrischen Geistlichkeit entgegenwirken sollten. So kamen Methodius und Konstantin (Cyrill) ins Land, die Apostel Mährens. Nach Swatopluks Tode (894) verfiel das Reich und wurde 906 eine Beute der Ungarn. Der Untergang des großmährischen Reiches ermöglichte das Aufkommen der beiden Grenzländer Böhmen und Polen, welch letzteres um die Wende des ersten Jahrtausends Mähren eroberte, es aber bald an die Herzöge Udalrich und Břetislaw von Böhmen verlor (ca. 1029). Seitdem blieb Mähren, das damals schon seinen heutigen Umfang besaß, mit Böhmen verbunden und galt als Apanagegut der jüngeren Söhne. Es wurde in drei, zeitweilig in vier Fürstentümer geteilt, in denen aber keine regelmäßige Erbfolge galt, so dass fast das ganze im 11. und 12. Jahrhundert hindurch teils zwischen den Teilfürsten untereinander, teils zwischen diesen und dem in Böhmen regierenden premyslidischen Oberhaupt Thronfolgestreitigkeiten herrschten. In solchen Wirren errang Mähren 1182 unter Herzog Konrad Otto, der die gesamten Fürstentümer in seiner Hand vereinigte, von Kaiser Friedrich I. Reichsunmittelbarkeit und den Titel einer Markgrafschaft. Ein Vergleich zwischen den beiden Brüdern Premysl Ottokar I. von Böhmen und Wladislaw Heinrich von Mähren, am 6. Dezember 1197 geschlossen, stellte ein freundschaftliches Verhältnis her, ohne dass aber Mähren dadurch seine reichsunmittelbare Stellung tatsächlich eingebüßt hätte; da aber der mährische Markgraf keinen leiblichen Erben hinterließ, so stand Mähren im 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhundert entweder unmittelbar unter dem Böhmenkönig oder wurde von einem seiner Söhne verwaltet.

Bistritz am Hostein
Bistritz am Hostein

Erst Kaiser Karl IV. errichtete hier 1349 eine Sekundogenitur des luxemburgischen Hauses, indem er Mähren seinem Bruder Johann abtrat. Er regierte, eine der glücklichsten Perioden in der Geschichte des Landes, bis 1375, worauf ihm seine drei Söhne Jodok (Jost), Prokop und Johann Sobieslaw folgten, von denen der älteste als eigentlicher Landesfürst galt. Mit seinem Tode (1411) starb diese jüngere Linie des Hauses Luxemburg aus, und Mähren fiel an den Böhmenkönig Wenzel, einen Vetter Jodoks. Auch Wenzel starb kinderlos († 1419), sein Erbe war sein Bruder König Siegmund von Ungarn, der 1423 Mähren seinem Schwiegersohn Herzog Albrecht von Österreich überließ. Dessen Sohne Ladislaus Posthumus huldigten die mährischen Stände, noch ehe er in Böhmen gekrönt worden war, was zu wichtigen staatsrechtlichen Erörterungen führte. In dem Frieden von 1478, der den Kampf zwischen Matthias von Ungarn und Wladislaw von Polen um den böhmischen Thron beendigte, wurde Mähren von Böhmen getrennt und mit Schlesien dem ungarischen König auf Lebenszeit abgetreten.

Iglau, Iglauer Volkstracht und staatliche Schwimmschule
Iglau, Iglauer Volkstracht und staatliche Schwimmschule

Nach Matthias‘ Tode fiel es an Böhmen zurück und mit diesem Lande nach König Ludwigs von Ungarn Untergang in der Schlacht bei Mohacs 1526 an Österreich. Die Mährer anerkannten das Erbrecht der Gemahlin Erzherzog Ferdinands und nahmen, wie der offizielle Ausdruck lautete, Ferdinand und Anna zu Landesfürsten an, worauf der neue Markgraf die Rechte und Freiheiten des Landes bestätigte. Seine Regierungszeit sowie die seines Sohnes Maximilian bedeutete die Blütezeit des Protestantismus in Mähren sowohl unter dem Adel als unter der Bevölkerung der Städte und des Landes. Doch fällt schon in des Letzteren letzte Lebensjahre die Tätigkeit des Jesuitenordens, vorzüglich in Olmütz und Brünn. In Karl von Zerotin und dem Olmützer Bischof Franz von Dietrichstein hatten die beiden religiösen Parteien jener Zeit ihre Führer. Ersterer als Landeshauptmann setzte 1608 die Abtretung Mährens an Erzherzog Matthias durch, er hielt die Mährer zurück, als 1618 von Böhmen aus die Aufforderung zum Anschluss an den Aufstand erging, doch schon 1619 trat Mähren an die Seite Böhmens und hatte mit diesem in den folgenden Jahren das gleiche Schicksal der gewaltsamen katholischen Restauration zu ertragen.

Gruss aus Olmütz
Gruss aus Olmütz

Furchtbare Wunden schlugen dem Lande der Dreißigjährige Krieg sowie die Türken- und Tatarenstreifzüge 1663. Die Kriege unter Maria Theresia führten wieder feindliche Heere ins Land, aber nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges erblühte auch hier Handel und Kultur. Auf mährischem Boden spielte sich die Entscheidungsschlacht von Austerlitz (2. Dezember 1805) ab. Während des Deutschen Krieges von 1866 wurde es von den preußischen Heeren durchzogen, worauf in Nikolsburg die Vorverhandlungen zum Friedensschluss abgehalten wurden. Die neueste Geschichte des Landes seit 1848 wird von dem nationalen Kampf zwischen Deutschen und Tschechen beherrscht, von denen die ersteren im Verein mit dem liberalen Großgrundbesitz die Majorität in der Landesverwaltung besitzen, die sie nur um den Preis gewisser Zusicherungen, durch die ihre Majorisierung in nationalen Fragen verhindert werden könnte, preiszugeben entschlossen sind. Verschiedene Zugeständnisse der Regierung an die mährischen Slawen, wie die Sprachenverordnungen vom 4. April 1897, das böhmische Technikum in Brünn, die unklare Haltung der Regierung gegenüber der Forderung nach einer böhmischen Universität in Brünn, gegen die sich die Deutschen mit Entschiedenheit wehren, verbittern das Verhältnis zwischen beiden Nationalitäten immer mehr. Der Lösung dieser wichtigen politischen Fragen dient der schon vor mehreren Jahren eingeführte und nach einiger Unterbrechung 1903 erneuerte permanente Ausgleichsausschuss des mährischen Landtags.

Am 11. November 1918 begann die völkerrechtswidrige Besetzung der deutschsprachigen Gebiete durch tschechische Truppen, die bis Februar 1919 andauerte. Auf Betreiben Frankreichs wurde am 27. Februar 1919 der Anschluss Deutschböhmens und Sudetenlands an die Tschechoslowakei durchgesetzt. Die darauf folgenden Protesten in verschieden Städten wurden mit Waffengewalt niedergeschlagen, wobei 54 Menschen getötet und ca. 1000 verletzt wurden. Nach dem Friedensdiktat von Saint Germain vom 10. September 1919 erfolgte am 5. November 1919 die staatsrechtliche Anerkennung dieser Annexion. Das Münchner Abkommen vom 29. September 1938, unterzeichnet von Großbritannien, Frankreich, Italien und dem Deutschen Reich, bestimmte den Anschluss der deutsch besiedelten Sudetengebiete an das Deutsche Reich.

Protektorat Böhmen und Mähren
Protektorat Böhmen und Mähren

Im März 1939 wurde das restliche Staatsgebiet der Tschechoslowakei von deutschen Truppen kampflos besetzt und das „Protektorat Böhmen und Mähren“ gegründet. Die Slowaken gründeten daraufhin ihre eigene „Slowakische Republik“. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde die Tschechoslowakei in den Grenzen von 1919, ausgenommen die Karpatoukraine (Sowjetunion), wiederhergestellt. Rund drei Millionen Sudetendeutsche werden nun aus ihrer Heimat vertrieben. Hass und Rachegefühle der Tschechen gegenüber den Deutschen entladen sich, egal ob sie mit den Nazis kooperiert hatten oder nicht. In der Tschechoslowakei gelten rund 272.000 Deutsche (8 % der deutschen Einwohner) als „Nachkriegsverluste“, also als nach dem Krieg ermordet, in Lagern verhungert, in der Verschleppung umgekommen oder vermisst. Die entschädigungslosen Enteignungen der Deutschen wird durch die bis heute gültigen Beneš-Dekrete legitimiert.

Böhmen bildet gemeinsam mit Mähren und dem ehemaligen Österreichisch-Schlesien das Staatsgebiet der heutigen Tschechien Republik (Česká republika).

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • „Allgemeines Ortschaften-Verzeichnis der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“, Wien 1902
  • „Andrees neuer allgemeiner und österreichisch-ungarischer Handatlas“, 1904
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
  • „Österreichs Hort – Geschichts- und Kulturbilder aus den Habsburgischen Erbländern“, 1908
  • „Österreichische Bürgerkunde – Handbuch der Staats und Rechtskunde“ um 1910
  • „Mein Österreich – Mein Heimatland“ 1915
Wappen Kaisertum Österreich

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VegliaBrünn

Ein Kommentar

  1. Mit dieser geruhsamen und schönen Abhandlung lasse ich mich gerne in vergangene Zeiten entführen, wobei ich nicht vergesse, dass es auch weniger schöne Dinge gab.

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