Erfurt, Fischmarkt, Rathaus und Rolandsäule

Erfurt

Erfurt im Königreich Preußen, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Erfurt 98.702 Einwohner – 1905 = 42. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.

Erfurt, Dom und Severikirche
Erfurt, Dom und Severikirche

Erfurt im Königreich Preußen

Erfurt ist Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks, Stadt- und Landkreise im Königreich Preußen, Provinz Sachsen, der Mittelpunkt und die alte Metropole Thüringens, bis 1873 Festung.

Erfurt Stadtplan 1900 (Meyers Konversations-Lexikon 6. Auflage)
Erfurt Stadtplan 1900 (Meyers Konversations-Lexikon 6. Auflage)

Erfurt liegt 213 Meter über dem Meer und an der Gera in fruchtbarer, freundlicher Gegend. Die unregelmäßige innere Stadt gewährt mit den vielen Türmen, dem Dom und Severistift auf der Höhe und den beiden ebenfalls hoch gelegenen Zitadellen einen imposanten Anblick.

Mitteldeutschland Thüringische Staaten (Oberstufen-Atlas für höhere Lehranstalten Gotha Justus Perthes 1914)
Mitteldeutschland Thüringische Staaten (Oberstufen-Atlas für höhere Lehranstalten Gotha Justus Perthes 1914)

Die ehemaligen sieben Tore mit ihren Befestigungen und die Stadtumwallung sind verschwunden und vor diesen, besonders im Westen, Südwesten und Süden, neue Stadtteile entstanden. Die Hauptstraße Erfurts ist der Anger; an seinem oberen Ende ein schöner Monumentalbrunnen, am untern, bei der Kaufmannskirche, das Erzstandbild Luthers.

Erfurt, Fischmarkt mit Rathaus
Erfurt, Fischmarkt mit Rathaus

Unter den öffentlichen Plätzen Erfurts sind zu erwähnen der Friedrich-Wilhelmsplatz, sonst „Vor den Graden“ (ante gradus) genannt, am Petersberg und Dom liegend, mit einem großen Obelisken vom Jahre 1777 zum Andenken an den letzten Kurfürsten von Mainz, Friedrich Karl Joseph von Erthal; der Fischmarkt mit einer sogenannten Rolandssäule, der Wenige Markt (d. h. Kleine Markt), der Hirschgarten mit dem Kriegerdenkmal, der Kaiserplatz mit dem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (modelliert von Brunow) und der Hermannsplatz. Die beiden Zitadellen, Petersberg und Cyriaksburg, ehemals Klöster, welche die Stadt bedeutend überragen, sind jetzt jedermann zugänglich und gewähren eine herrliche Aussicht.

Erfurt vom Pilz aus gesehen
Erfurt vom Pilz aus gesehen

Die größte Zierde der Stadt Erfurt ist der katholische Dom Beatae Mariae virginis, der sich auf dem Domberg, unweit des Petersbergs, mit der dicht daneben ebenso hoch stehenden St. Severikirche erhebt; zu beiden Kirchen steigt man auf 48 breiten, steinernen Stufen, von denen der frühere Name des Platzes „Vor den Graden“ (Stufen) herrührt. Nicht nach einem Plan gebaut, sondern aus einzelnen, in verschiedenem Stil gearbeiteten Teilen zusammengesetzt, bietet der Dom die größten Unregelmäßigkeiten. Das Langhaus, zwar 1153 gegründet, aber schon im 13. Jahrhundert gotisch umgebaut, erhielt im Anfang des 13. Jahrhunderts einen schönen Kreuzgang, dazu kam von 1349–72 das herrliche lange Chor. Seltsam ist die Stellung der Türme zwischen Chor und Langhaus und der mit dem Chor gleichzeitige, hübsche, dreieckige Portalbau an der Nordseite des Langhauses.

Erfurt, Dom und Severikirche
Erfurt, Dom und Severikirche

Unter dem auf mächtigen Substruktionen, der sogenannte Kavate, ruhenden Chor liegt eine aus der Mitte des 14. Jahrhundert stammende Krypta. An Kunstwerken besitzt das Innere des Domes ein Steindenkmal des Grafen Ernst III. von Gleichen und seiner zwei angeblich gleichzeitigen Gemahlinnen, aus dem 13. Jahrhundert, eine eherne Grabplatte mit der Krönung Mariä von Peter Vischer (1521), eine Holzschnitzerei (Grablegung Christi), angeblich von Michael Wolgemut, eine riesengroße Freskomalerei, den das Christuskind tragenden Christophorus darstellend, von 1499 etc., und im nördlichen Turm die große, 1497 gegossene, 275 Zentner schwere Glocke Maria gloriosa. In einer Nische des Giebels über dem Westportal steht eine 9 m hohe, in Mosaik (von Salviati in Venedig) ausgeführte Madonnenstatue.

Erfurt, Bahnhofstraße
Erfurt, Bahnhofstraße

Neben dem Dom liegt die gotische fünfschiffige Hallenkirche St. Severi mit einem kolossalen Taufstein aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die evangelische Predigerkirche, aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, ist im reinsten gotischen Stil erbaut. Erwähnung verdienen der Schnitzaltar im Chor, der große Kronleuchter mit den zwölf Aposteln und vorzüglich das Denkmal des Ritters Theoderich von Lichtenhain (von 1266). Andere nennenswerte Kirchen Erfurts sind die evangelische Augustinerkirche bei dem ehemaligen Augustinerkloster, in dem Martin Luther, dessen Zelle bei dem 1872 stattgehabten Brand zerstört wurde, Mönch war und wo sich seit 1819 das Martinsstift für arme, verwahrloste Kinder mit evangelischem Waisenhaus befindet; die gotische evangelische Barfüßerkirche mit einem prachtvollen Schnitzaltar und schönen Grabsteinen aus dem 14. Jahrhundert und die evangelische Reglerkirche, ursprünglich im romanischen Stil, 1859 restauriert, mit einem Turm aus dem 12. Jahrhundert und einem Altarwerk von Michael Wolgemut.

Erfurt, An der Kaufmannskirche
Erfurt, An der Kaufmannskirche

Im ganzen hat die Stadt Erfurt 9 evangelische und 9 katholische Kirchen nebst mehreren Kapellen, 2 Klöster (der Franziskanerinnen mit Mägdebildungsanstalt und der Ursulinerinnen) und eine neue Synagoge. Unter den weltlichen Gebäuden sind hervorragend das im gotischen Stil 1868–75 erbaute neue Rathaus mit prächtigem Festsaal, in dem sich sechs große, von Jansen ausgeführte Freskogemälde (Szenen aus der Geschichte Erfurts) befinden, während der untere und obere Flur und die Wände an dem Treppenaufgange mit Freskomalereien von Kämpfer, die Gleichen-, Faust- und Tannhäusersage und Szenen aus Luthers Aufenthalt in Erfurt darstellend, geschmückt ist, das Regierungsgebäude, das Postgebäude, die Wage oder das Kaufhaus (jetzt königliche Bibliothek und Museum), das Große Kollegium etc.

Erfurt, Am Junkersand
Erfurt, Am Junkersand

Im Jahr 1900 leben in Erfurt mit der Garnison (2 Infanteriebataillone Nr. 71 und 1 Regiment Feldartillerie Nr. 19) 85.202 Einwohner, der Großteil sind Evangelische, 10.672 sind Katholiken und 782 Juden. Industrie und Handel haben sich, besonders seit Schleifung der Festungswerke, stetig gehoben. Außer der in großartigem Maßstab betriebenen Handelsgärtnerei hat Erfurt bedeutende Konfektion von Damenmänteln, Schuhfabrikation und Fabrikation von Maschinen, Lampen, Möbeln, wollenen Phantasiewaren, musikalischen Instrumenten, landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten, Malz, Leder, Wichse, Tabak und Zigarren, Chemikalien etc., ferner bedeutende Bierbrauerei, Garnbleicherei, Wollfärberei, eine Eisenbahnhauptwerkstätte, eine königliche Gewehrfabrik u. a.

Erfurt, Anger
Erfurt, Anger

Der Handelsverkehr Erfurts, unterstützt durch eine Reichsbankstelle (Umsatz 1902: 1137,8 Millionen Mark) und durch andere Geldinstitute, ist lebhaft, beschränkt sich aber, soweit er nicht den Vertrieb industrieller Erzeugnisse zum Gegenstand hat, auf die Befriedigung des Konsums Thüringens. Erfurt ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Bebra-Weißenfels, Sangerhausen-Erfurt und Nordhausen-Erfurt; dem Verkehr innerhalb der Stadt dient eine elektrische Straßenbahn.

Erfurt, Bahnhofs-Hotel Erfurter Hof
Erfurt, Bahnhofs-Hotel Erfurter Hof

Von hervorragender Bedeutung ist Erfurt durch seine Gartenkultur, die gegenwärtig von 44 Kunst- und Handelsgärtnern mit ca. 2000 Arbeitern betrieben wird. Die Blumenkultur allein erstreckt sich auf ca. 100 Hektar Land. Die Blumistik beschäftigt sich z. T. mit der Fortzüchtung ausdauernder Gewächse, z. T. mit Neuzüchtung von Farbenvarietäten, beides zum Zwecke der Samenkultur. Mit besonderer Vorliebe werden Astern und Levkojen gezogen. Außerdem werden junge Georginenpflanzen, junge Nelkenpflanzen, Edelrosen, Orchideen, Pelargonien, Kalzeolarien, Fuchsien, Verbenen, Heliotropen in Millionen von Exemplaren kultiviert und versendet.

Erfurt, Bahnhof
Erfurt, Bahnhof

Manche Gärtnereien befassen sich noch besonders mit dem Trocknen der Blumen und der Herstellung von Blumenbuketts aus denselben, die besonders nach England, Rußland und Amerika ausgeführt werden. Die Haupterzeugnisse der Gemüsegärtnerei sind Blumenkohl, Brunnenkresse, Wirsing, Spargel, Gurken etc.; der größte und beste Teil davon wird auf die Märkte von Halle, Leipzig, Berlin, Magdeburg, Dresden, Kassel etc. versendet. Die produktivste Kulturfläche ist das nach Südwesten zu rechts von der Gera liegende Dreienbrunnenfeld (jetzt durch die dort hin gerichtete Ausdehnung der Stadt beschränkt), das, im 16. Jahrhundert ein Sumpf, zu Ende des 18. Jahrhunderts kultiviert wurde und vorzüglich Gemüse und Brunnenkresse (in langen, gut gehaltenen Wassergräben, sogenannte Klingen) liefert.

Erfurt, Ehemalige Universität
Erfurt, Ehemalige Universität

An die ehemalige Universität Erfurt erinnern noch die 1758 gestiftete, jetzt königliche Akademie der Wissenschaften, die königliche Bibliothek von etwa 60.000 Bänden und 1000 Handschriften, die sonst nach ihrem Stifter, dem Grafen Boyneburg, die Boyneburgsche hieß und später durch Büchersammlungen aufgehobener Klöster etc. vermehrt wurde. Außerdem hat Erfurt ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Realschule, eine königliche Baugewerk- und eine Handwerker- und Kunstgewerbeschule, eine höhere (Privat-)Handelsschule, ein Lehrerseminar, eine Taubstummenanstalt, eine landwirtschaftliche Winterschule, eine Hebammenlehranstalt, einen Gewerbeverein, einen Kunst- und Kunstgewerbeverein, einen Verein für Geschichte und Altertumskunde, 2 Musikvereine, eine Akademie der Tonkunst, 3 Theater und ein Museum. An Wohltätigkeitsanstalten bestehen das Martinsstift, 2 Waisenhäuser etc.

Erfurt, Regierungsgebäude und Kriegerdenkmal
Erfurt, Regierungsgebäude und Kriegerdenkmal

Erfurt ist Sitz einer königlichen Regierung, eines Bezirksverwaltungsgerichts, eines evangelischen Ministeriums (Mediatkonsistorium), eines bischöflichen geistlichen Gerichts, eines Landratsamts, eines Hauptsteueramts, einer Berginspektion, eines Landgerichts (für die zwölf Amtsgerichte zu Arnstadt, Ebeleben, Erfurt, Gehren, Greußen, Langensalza, Mühlhausen i. Th., Sömmerda, Sondershausen, Tennstedt, Treffurt und Weißensee), der Generaldirektion des Thüringer Zoll- und Handelsvereins, einer Oberpostdirektion und einer königlichen Eisenbahndirektion. Außerdem befinden sich hier die Kommandos der 38. Division, der 76. und 83. Infanterie- und der 38. Feldartilleriebrigade. Die städtischen Behörden zählen 17 Magistratsmitglieder und 48 Stadtverordnete.

Erfurt, Kaufhaus Römischer Kaiser
Erfurt, Kaufhaus Römischer Kaiser

Vor der Stadt Erfurt liegt das uralte, merkwürdige Sibyllentürmchen und schöne Fußwege in den ehemaligen Glacis; hier auch die Sandsteinstatue des Begründers des Gartenbaues, Christian Reichardt, und in der Nähe der neuangelegte Luisenpark. Der beliebteste Vergnügungsort in der Umgebung Erfurts ist der Steiger, eine Höhe im Süden von Erfurt mit schattigen Promenaden und zahlreichen Vergnügungslokalen und Felsenkellern; dabei auf einer Waldwiese (auf der ehemaligen Napoleonshöhe) ein im Oktober 1868 eingeweihtes Denkmal König Friedrich Wilhelms III. von Preußen, nahebei (im Augustapark) ein Denkmal der Kaiserin Augusta. Im Norden von der Stadt ist ein Steinsalzbergwerk auf dem Johannisfeld bei Ilversgehofen.

Erfurt, Wenige Markt
Erfurt, Wenige Markt

Geschichte:

Erfurt (im Mittelalter Erpesfurt, Erphorde, lat. Erfordia) soll nach einer Sage zu Anfang des 8. Jahrhundert von einem gewissen Erpes gegründet worden sein und nach ihm ursprünglich Erpesford (Erphesford) geheißen haben. Der heilige Bonifatius errichtete hier 741 ein Bistum, das jedoch mit dem Märtyrertod des ersten Bischofs, Adolar, 755 wieder einging und der Erzdiözese Mainz einverleibt wurde. Karl der Große bestimmte Erfurt 805 zum Haupthandels- und Stapelplatz für die Sorben und verlieh dem Ort Privilegien. König Heinrich I. ließ hier 936 auf einem Reichstag seinen Sohn Otto zum Nachfolger wählen. Trotz der Ansprüche, die Kurmainz, gestützt auf alte Urkunden Kaisers Ottos I., auf die Stadt machte, behielt sie doch eine gewisse Unabhängigkeit. Aber der Burggraf wurde vom Erzbischof ernannt, bis jenes Amt im 13. Jahrhundert einging.

Erfurt, Brunnenkress-Ernte
Erfurt, Brunnenkress-Ernte

Die Vogtei kam im 12. Jahrhundert in den erblichen Besitz der Grafen von Gleichen. Im thüringisch-sächsischen Kriege wurde Erfurt 1080 vom Kaiser Heinrich IV. in Asche gelegt, aber bald wieder aufgebaut. Von 1109–37 stand es unter der Oberhoheit der Landgrafen von Thüringen; 1118 wurde es vom Herzog Lothar von Sachsen eingenommen. 1181 fand in Erfurt der Reichstag statt, auf dem sich Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen dem Kaiser Friedrich I. unterwarf. Trotz des Gnadenbriefs Friedrichs II. von 1242 blieb die Stadt unter der Herrschaft des Erzbischofs. Gerhard I. von Mainz sah sich 1255 genötigt, der Stadt eine besondere, aus 2 Ratsmeistern und 12 Beisitzern bestehende Behörde zuzugestehen. 1289 hielt Rudolf von Habsburg in Erfurt einen großen Reichstag, um dem Faustrecht in Thüringen zu steuern.

Erfurt, Blick vom Stadtpark zum Bahnhof
Erfurt, Blick vom Stadtpark zum Bahnhof

1307 geriet Erfurt in eine Fehde mit dem Markgrafen Friedrich dem Freidigen, der die Grafschaft an der Schmalen Gera, die sein Vater Albrecht der Unartige 1270 an die Stadt veräußert hatte, zurückforderte. Nach einem achtjährigen Krieg erkaufte die Stadt 1315 den Frieden um 10.000 Mark Silber. Die Grafschaft verblieb ihr auch ferner und wurde erst 1485 von Sachsen eingelöst. Der Anfang des 15. Jahrhunderts war die Zeit der höchsten Macht Erfurts, das auch der Hanse beitrat. Damals besaß es die Grafschaft Kapellendorf als Reichslehen und hatte sich von den benachbarten Fürsten und Herren zahlreiche Besitzungen zu Lehen übertragen lassen.

Erfurt, Kaiserliches Postamt
Erfurt, Kaiserliches Postamt

Selbst eine Universität hatte es aus eignen Mitteln gründen können (1378), die erste Europas, die alle vier Fakultäten in sich vereinigte; sie hatte zur Zeit ihrer Blüte (um 1480) über 850 Studenten, doch sank diese Zahl im 16. Jahrhundert auf 200 herab. Erfurt galt damals für eine der größten Städte in Deutschland; doch hatte es um die Mitte des 15. Jahrhunderts nur 32.000 Einwohner. Infolge der Verheerungen während des sächsischen Bruderkriegs und durch den großen Brand 1472 sowie durch verminderten Handelsverkehr sank der Wohlstand der Stadt.

Erfurt, Aufgang zum Stadtpark
Erfurt, Aufgang zum Stadtpark

Der lange Streit mit dem Erzstift Mainz und dem kurfürstlich sächsischen Haus um die landesherrlichen Rechte wurde endlich durch den Amorbacher Vertrag von 1483 geschlichtet, in dem Erfurt mit Sachsen ein Schutz- und Trutzbündnis schloss. Das sogenannte tolle Jahr (1509) war der Anfang schlimmster innerer Zerwürfnisse, in deren Verlauf der Vizeherr Kellner 1510 hingerichtet wurde. Die Einführung der Reformation hatte seit 1521 neue Unruhen zur Folge. Im Dreißigjährigen Krieg öffnete Erfurt 1631 den Schweden die Tore und 1640 hatte Banér dort sein Hauptquartier.

Erfurt, Langebrücke
Erfurt, Langebrücke

Nach dem Westfälischen Frieden sollte sich die Stadt auf kaiserlichen Befehl Kurmainz unterwerfen und wurde auf ihre Weigerung 1660 in die Acht erklärt, deren Exekution Kurmainz übertragen wurde. Der Erzbischof zwang sie mit Hilfe französischer, aus Ungarn zurückkehrender Truppen 1664 zu einer Kapitulation, worin sie Unterwerfung, er aber vollkommene Religionsfreiheit versprach. Die sächsischen Fürsten mussten ihr Hoheits- und Schutzrecht über Erfurt am 28. Oktober 1664 an Kurmainz abtreten. Von diesem Zeitpunkt an hörte die politische Freiheit Erfurts auf.

Napoleon I. und Zar Alexander treffen sich vor den Toren Erfurts, 1808
Napoleon I. und Zar Alexander treffen sich vor den Toren Erfurts, 1808

Im Siebenjährigen Krieg eroberte der preußische General von Knoblauch die Stadt (1759). 1802 kam Erfurt nebst Gebiet mit 2 Städten, 3 Flecken, 72 Dörfern und 46.000 Einwohnern an Preußen, ging aber nach der Schlacht bei Jena am 16. Oktober 1806 durch eine schimpfliche Kapitulation an die Franzosen über und wurde durch den Frieden von Tilsit an Napoleon I. abgetreten. 1808 hatte Napoleon hier vom 27. September bis 14. Oktober eine Zusammenkunft mit dem russischen Kaiser Alexander I., bei der auch die Könige von Bayern, Sachsen, Westfalen und Württemberg, der Fürst-Primas und viele andere Fürsten und Große erschienen und glänzende Festlichkeiten veranstaltet wurden (Erfurter Kongress).

Erfurt beim Bismarckturm
Erfurt beim Bismarckturm

Nach dem Rückzug der Franzosen aus Deutschland wurde Erfurt im Dezember 1813 von den Preußen beschossen und nach längerer Belagerung zur Übergabe gezwungen; doch räumten die Franzosen erst nach dem ersten Pariser Frieden 1814 die Zitadelle. Nach dem Wiener Kongress 1815 kam die Stadt nebst ihrem Gebiet und dem Eichsfeld wieder unter die Hoheit des Königs von Preußen, der davon die Ämter Schloß-Vippach, Atzmannsdorf und Tonndorf an das Großherzogtum Weimar abtrat. Erfurt wurde der Sitz einer Regierung, 1816 aber die Universität aufgehoben. Vom 20. März bis 29. April 1850 tagte hier in der Augustinerkirche das sogenannte Unionsparlament (Erfurter Parlament), das eine Verfassung für Deutschland unter Preußens Führung beschloss, die aber nicht zur Ausführung gelangte. Im Juni 1873 wurde Erfurt seines Charakters als Festung entkleidet. Am 21. August 1902 fand eine glänzende Feier der 100jährigen Vereinigung mit Preußen statt.

Erfurt, Die Badeanstalt im Espach
Erfurt, Die Badeanstalt im Espach

Der Regierungsbezirk Erfurt, ein sehr zerrissenes Gebiet mit Teilen des Harzes, des Thüringer Waldes und Vogtlandes, größtenteils innerhalb der thüringischen Staaten gelegen, umfasst 3530 km² (64,11 Quadratmeilen) mit im Jahr 1900 = 466.419 Einwohner (132/km²), davon 361.666 Evangelische, 101.662 Katholiken und 1978 Juden und besteht aus den zwölf Kreisen Erfurt (Stadt), Erfurt (Land), Mühlhausen (Stadt), Nordhausen (Stadt), Grafschaft Hohenstein, Heiligenstadt, Langensalza, Mühlhausen, Schleusingen, Weißensee, Worbis und Ziegenrück.

Erfurt, Kaiser-Platz mit Kaiser Wilhelm-Denkmal
Erfurt, Kaiser-Platz mit Kaiser Wilhelm-Denkmal

Mit Erlass vom 1. April 1944 wurden aus der preußischen Provinz Sachsen die Provinzen Magdeburg und Halle-Merseburg gebildet, der Regierungsbezirk Erfurt wird Thüringen zugeteilt. Vom Thüringer Landtag wurde Erfurt 1948 zur Landeshauptstadt ernannt, bevor im Jahr 1952 das Land Thüringen aufgelöst und in drei Bezirke eingeteilt wurde, wobei Erfurt Sitz des Bezirks Erfurt wurde. 1991 stimmte die Mehrheit der Abgeordneten des Landtags für Erfurt als Landeshauptstadt des Freistaats Thüringen.

Erfurt ist heute die Hauptstadt des Freistaates Thüringen und hat 214.174 Einwohner (2021, Quelle: erfurt.de).

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
  • „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
  • „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
  • „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
  • „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
Reichsadler 1889-1918

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2 Kommentare

  1. Die Bezeichnung Erpes-/Erphesford ist mir als gebürtiger Erfurter unbekannt! Die Silbe muss heißen „-furt“ , also Erphesfurt und enstand durch den Flußübergang durch den Fluß Gera, da keine Brücken gab und den die Kaufleute und deren Fuhrwerke an den alten, sich kreuzenden Handelswegen durchqueren mußten.!

    1. Laut Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906:
      „Erfurt (im Mittelalter Erpesfurt, Erphorde, lat. Erfordia) soll nach einer Sage zu Anfang des 8. Jahrhundert von einem gewissen Erpes gegründet worden sein und nach ihm ursprünglich Erpesford (Erphesford) geheißen haben.“

      Ebenfalls nach „Die Namenkunde der Länder und Städte des Deutschen Reiches“ von Oskar Kausch, 1890:
      „Furt an der Gera = Gerfurt mit abgeworfenen g; aber urkundlich hieß der Ort Erpisford, die Furt des Ansiedlers Erbo, vielleicht an der Furtmühle.“

      So schreiben es zumindest die alten Quellen.

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