Übersicht der Reichskanzler 1867-1945, Vorsitzende des Ministerrates der DDR 1949-1990 und Bundeskanzler seit 1949.
Der Reichskanzler im Deutschen Reich (1871 – 1918) hat im Namen des Kaisers die Ausführung der Reichsgesetze zu überwachen, die Verwaltung und Beaufsichtigung der verfassungsgemäßen Angelegenheiten des Reiches zu leiten und die kaiserlichen Erlasse gegenzuzeichnen. Ihm sind die Chefs der einzelnen Reichsämter unterstellt. Ein Zentralbüro, die Reichskanzlei, vermittelt den Verkehr mit den Chefs der einzelnen Ressorts.
Das ehemalige Palais Radziwill in der Berliner Wilhelmstraße Nr. 77 wurde 1878 auf Veranlassung Otto von Bismarcks als Reichskanzlei umgestaltet und bis 1945 von allen nachfolgenden Reichskanzlern genutzt.
Reichskanzler im alten Reich
Im alten Deutschen Reich (Heiliges römischen Reich deutscher Nation 911 – 1806) ist der Reichskanzler ein Erzamt (oberstes Hofamt). Unter den ersten deutschen Königen war meist der Erzbischof von Salzburg Kanzler, seit Heinrich II. meist der von Mainz. Die Kanzlei für Italien entstand 962 und wurde von italienischen Bischöfen verwaltet, erst seit Konrad II. vom Erzbischof von Köln. Da somit zwei Erzbischöfe ein Kanzleramt hatten, kam für den dritten, den von Trier, seit Ende des 13. Jahrhunderts als leerer Titel die Bezeichnung Kanzler für Gallien und Burgund in Gebrauch.
Irgendwelche Tätigkeit hatten diese Erzkanzler nicht, dafür war der vom König ernannte Kanzler da, seit Friedrich I. „Hofkanzler“ genannt, meist ein hoher Geistlicher. Später bekleidete der Kurfürst von Mainz ständig allein als Kurerzkanzler dieses Erzamt. Dessen ständiger Vertreter am kaiserlichen Hof war der vom Reichskanzler ernannte Reichsvizekanzler (Reichshofvizekanzler), der zugleich Mitglied des Reichshofrats und der eigentliche Reichsminister war. Letzter Reichskanzler des alten Reiches (HRRDN) war Karl Theodor von Dalberg.
Karl Theodor von Dalberg
* 08.02.1744 auf Stammschloß Herrnsheim,
† 10.02.1817 in Regensburg;
letzter Kurfürst von Mainz und Kurerzkanzler
Rheinbund, Deutscher Bund und Norddeutscher Bund
Während der Zeit des Rheinbundes 1806 – 1813 und des Deutschen Bundes 1815 – 1866 gab es das Amt des Reichskanzlers nicht. Der Rheinbund war einen Vasallenstaat Frankreichs und der Deutsche Bund war kein Einheitsstaat sondern nur ein Staatenbund. Erst mit der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 wurde das Amt des Reichskanzlers wieder eingeführt. Erster und einziger Reichskanzler des Norddeutschen Bundes war Otto von Bismarck.
Reichskanzler im Deutschen Reich 1871 – 1918 (Kaiserreich)
Im Deutschen Reich 1871 – 1918 (Kaiserreich) hat der Reichskanzler, ebenso wie der frühere Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes, eine Doppelstellung. Der Reichskanzler, der vom Kaiser ernannt wird, ist nämlich einerseits preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrat, der den Preußen zukommen den Vorsitz in dieser Versammlung führt; anderseits ist er der alleinige verantwortliche Reichsminister. Der Reichskanzler ist der Gehilfe des Kaisers, namentlich bei der Vertretung des Reiches auswärtigen Staaten gegenüber; er ist der Leiter der gesamten Reichsverwaltung und der Vorgesetzte aller Reichsbehörden; er steht dem Kaiser bei der Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze zur Seite; durch ihn werden die erforderlichen Vorlagen nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesrats im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht. Alle Anordnungen und Verfügungen des Kaisers bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, der dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt; dies gilt auch für die Verkündigung von Reichsgesetzen. Nicht berührt werden von dieser Vorschrift die rein militärischen Befehle, die der Kaiser in seiner Eigenschaft als Bundesfeldherr erteilt.
Jene Verantwortlichkeit des Reichskanzlers ist übrigens vorwiegend eine politische; ein Verantwortlichkeitsgesetz fehlt; ein Anklagerecht des Reichstags besteht nicht. Wie aber die Machtstellung des Bundespräsidiums darauf beruht, dass es mit dem mächtigsten Staate verbunden ist, so ist auch die Übereinstimmung, wenn nicht sogar die Einheitlichkeit der ministeriellen Leitung des Deutschen Reiches und Preußens eine Bedingung der Stärke und des Einflusses der Reichsregierung. Rechtlich notwendig war die Vereinigung der Stellung des Reichskanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten in Einer Person keineswegs, wohl aber politisch zweckmäßig, wenn nicht unentbehrlich. Durch Reichsgesetz vom 17. März 1878 ist bestimmt, dass für den gesamten Umfang der Geschäfte und Obliegenheiten des Reichskanzlers ein Generalstellvertreter (Reichsvizekanzler) allgemein ernannt werden kann. Auch können für diejenigen einzelnen Amtszweige, die sich in der eignen und unmittelbaren Verwaltung des Reiches befinden, die Vorstände der dem Reichskanzler untergeordneten obersten Reichsbehörden mit der Stellvertretung des Kanzlers im ganzen Umfang oder in einzelnen Teilen ihres Geschäftskreises beauftragt werden. Doch kann der Reichskanzler jede Amtshandlung auch während der Dauer einer Stellvertretung selbst vornehmen. Das Büro, das den amtlichen Verkehr mit den Vorständen der einzelnen Reichsämter (Reichsbehörden) vermittelt, heißt Reichskanzlei. Erster Reichskanzler vom 18. Januar 1871 bis 20. März 1890 war Otto von Bismarck.
Otto von Bismarck
* 01.04.1815 Schönhausen/Elbe (Reg.-Bez. Magdeburg),
† 30.07.1898 Gut Friedrichsruh in Sachsenwald (bei Hamburg).
Reichskanzler des Norddeutschen Bundes (1867 – 1870) und des Deutschen Reichs (1871 – 1890)
Otto von Bismarck gilt als der eigentliche Gründer des Deutschen Reichs und war als Reichskanzler, zuvor schon im Norddeutschen Bund, fast ein viertel Jahrhundert im Amt. Nach der Einheit 1871 galt sein ganzes Bestreben dem Zusammenwachsen des Reiches, der Friedenssicherung und das Kräfteverhältnis in Europa durch Isolation Frankreichs in der Zusammenarbeit mit Russland und Österreich-Ungarn zu sichern. Als Wilhelm II. 1888 den Thron bestieg kam es zwischen dem alten erfahren Reichskanzler und dem jungen selbstbewussten Kaiser zum Konflikt, der nun seinerseits seine Vorstellungen von einem modernen Deutschland durchsetzen wollte. Die unwürdige Form seiner Entlassung brachte Bismarck in offenen Gegensatz zum „Neuen Kurs“ des Kaisers.
Leo Graf von Caprivi de Montecuccoli
* 24.02.1831 in Charlottenburg,
† 06.02.1899 in Skyren (Brandenburg);
zweiter Reichskanzler vom 20.03.1890 bis 26.10.1894
Als Nachfolger Bismarcks hatte man allgemein den General von Waldersee erwartet, aber Kaiser Wilhelm II. entschloss sich für General Caprivi. Als erste Handlung seiner rund vierjährigen Amtszeit verlängert er den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht und so kam es zur Annäherung zwischen Frankreich und Russland. Caprivi gelang es nicht nun seinerseits die Beziehungen zu Frankreich zu verbessern. Mit Großbritannien, das er für „den einzigen natürlichen Verbündeten“ hielt, schloss er am 1. Juli 1890 den Helgoland-Sansibar-Vertrag, der Deutschland u.a. die Insel Helgoland wiederbrachte. Da er die gegen England gerichtete Flottenaufrüstung nicht mittragen wollte, reichte er sein Abschiedsgesuch ein, was der Kaiser auch sofort annahm.
Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst
* 31.03.1819 in Rotenburg an der Fulda,
† 06.07.1901 Bad Ragaz (Sankt Gallen, Schweiz);
dritter Reichskanzler vom 29.10.1894 bis 17.10.1900
Hohenlohe-Schilligsfürst war bereits 75 Jahre als Kaiser Wilhelm II. ihn zum dritten Reichskanzler ernannte. Zuvor war er von 1866 bis 1870 Ministerpräsident in Bayern, galt als preußenfreundlich und unterstützte die Gründung des Deutschen Reichs. Ende Oktober 1894 zum Reichskanzler ernannt, erwarb er sich durch seine auswärtige Politik schnell das Vertrauen der Deutschen. Trotz seines Alters weiß er genau was er will und kann sich auch durchsetzen. Die Besetzung von Kiautschau 1897, die Erwerbung Samoas 1898, der Kauf der Karolinen-, Palau- und Marianneninseln von Spanien 1899 vollzogen sich unter seiner Kanzlerschaft. Außenpolitisch steht er zwischen England und Frankreich/Russland. Hohenlohe-Schilligsfürst ist nicht nur mit der Kaiserin Auguste Viktoria verwandt, sondern auch ein Vetter der Queen Victoria, die ihn lobend „My much cherished cousin“ nennt. Am 17. Oktober 1900, im Alter von 81 Jahren, zog er sich ins Privatleben zurück.
Bernhard Fürst von Bülow
* 03.05.1849 in Klein-Flottbek bei Altona,
† 28.10.1929 in Rom;
vierter Reichskanzler vom 17.10.1900 bis 14.07.1909
Bernhard Fürst von Bülow sollte nach dem Willen Kaiser Wilhelms II. „mein Bismarck werden„. 1874 trat Bülow ins Auswärtige Amt ein und erkannte 1878-84 an die Pariser Botschaft versetzt frühzeitig die Unversöhnlichkeit Frankreichs. 1888 wurde er Gesandter in Bukarest und 1893 Botschafter in Rom. Er stand dem „Neuen Kurs“ des Kaisers, besonders aber dessen Freund Philipp Eulenburg und Geheimrat Holstein sehr nahe. Bülow galt als sehr geschmeidig und selbstsicher, sprach mehrere Sprachen und war ein hervorragender Unterhalter, aber auch ein Opportunist reinster Prägung und ein Blender par excellence. Als Reichskanzler unterstützte er die Flottenaufrüstung von Tirpitz ebenso wie die verhängnisvolle Balkanpolitik Österreich-Ungarns. Nach der „Daily Telegraph“-Affäre ist seine Stellung schwer erschüttert und er auch nach rund 9 Jahren amtsmüde. Als der Reichstag das Erbschaftssteuergesetz in zweiter Lesung ablehnt tritt Bernhard von Bülow am 14. Juli 1909 als Reichskanzler zurück.
Theobald von Bethmann Hollweg
* 29.11.1856 in Hohenfinow (Brandenburg),
† 01.01.1921 in Hohenfinow;
fünfter Reichskanzler vom 14.07.1909 bis 13.07.1917
Bethmann Hollweg war 1899 Oberpräsident von Brandenburg, 1905 preußischer Innenminister, 1907 Staatssekretär des Reichsamtes des Inneren, als ihn Kaiser Wilhelm II. am 14. Juli 1909 zum fünften Reichskanzler ernennt. In seinem Amt gibt er sich sowohl in der Innen- wie auch der Außenpolitik wenig entschlussfreudig und meist ziellos; seine völlig falsche Auffassung von der Weltlage führte trotz aller friedlichen Politik, besonders in der Verständigungsbereitschaft mit Großbritannien, zum Verhängnis für Deutschland als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach. Bethmann Hollweg war gleichfalls nicht in der Lage die Probleme, vor die ihn der Krieg stellte, zu meistern und so musste er am 13. Juli 1917 insbesondere auf Betreiben General Ludendorffs zurücktreten.
Georg Michaelis
* 08.09.1857 Haynau (Schlesien),
† 24.07.1936 in Bad Saarow (Brandenburg);
sechster Reichskanzler vom 14.07.1917 bis 01.11.1917
Georg Michaelis, seit 1879 im preußischen Staatsdienst, 1909 Unterstaatsekretär, 1915 Leiter der Reichsgetreidestelle, 1917 Staatskommissar für Volksernährung folgte am 14. Juli 1917 als sechster Reichskanzler. Michaelis war den gewaltigen Aufgaben in der Kriegszeit in keiner Weise gewachsen und seine Berufung durch Kaiser Wilhelm II. eine Notlösung. Als er anlässlich der Erörterung der Meuterei in der Kaiserlichen Marine die USPD-Abgeordneten als Vaterlandsverräter brandmarkte, forderten die Mehrheitsparteien seinen Rücktritt und der Kaiser ließ ihn nach dreieinhalb Monaten im Amt fallen.
Georg Graf von Hertling
* 31.08.1843 in Darmstadt,
† 04.01.1919 in Ruhpolding;
siebenter Reichskanzler vom 01.11.1917 bis 30.09.1918
Georg Graf von Hertling, ein katholischer Philosoph und Politiker, war von 1912 – 1917 Ministerpräsident in Bayern, ehe er am 1. November 1917, mitten im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918), von Kaiser Wilhelm II. zum siebenten Reichskanzler ernannt wurde. Er missbilligte den Frieden von Brest-Litowsk mit Sowjetrussland, konnte sich aber gegen die Oberste Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff nicht durchsetzen. Am 30. September 1918 wurde Georg Graf von Hertling nach elf Monaten im Amt vom Kaiser entlassen.
Max von Baden
* 10.07.1867 in Baden-Baden,
† 06.11.1929 in Salem (Baden);
achter Reichskanzler vom 03.10.1918 bis 09.11.1918
Max von Baden war bis November 1918 Thronerbe, bis 1911 im aktiven Militärdienst, im Ersten Weltkrieg bis Herbst 1914 im Generalstab des 14. Armeekorps an der Front, dann in der Gefangenenfürsorge, besonders im Gefangenenaustausch, tätig. Aufgrund dieser Tätigkeit und seiner liberalen Einstellung wurde er als geeignet angesehen, das von der Obersten Heeresleitung verlangte Waffenstillstandsangebot durchzuführen. So ernannte ihn Kaiser Wilhelm II. zum achten und letzten Reichskanzler des Kaiserreichs. Seiner Gesinnung entsprechend begann Max von Baden die Parlamentarisierung der Reichsregierung, betrieb die Entlassung General Ludendorffs und erließ widerstrebend das Waffenstillstandsangebot vom 5. Oktober 1918 aufgrund der 14 Punkte des US-amerikanischen Präsidenten Wilson. Max von Baden war aber Wilsons Skrupellosigkeit nicht gewachsen und ließ sich immer weiter von der ursprünglichen Verhandlungsgrundlage abdrängen. Hinzu kam eine schwere Grippeerkrankung in den entscheidenden Tagen. Als die Sozialdemokraten (MSPD), um den Unabhängigen (USPD) den Wind aus den Segel zu nehmen, die Abdankung des Kaisers verlangten, ließ Max von Baden am 9. November 1918 die Abdankung Kaiser Wilhelms II. ohne dessen Genehmigung verkünden und beging damit einen Staatsstreich. Er übergab das Amt des Reichskanzlers an Friedrich Ebert (MSPD), der es bis 13. Februar 1919 als „Volksbeauftragter“ fortführte, und verließ Berlin. Zurück in Baden zog er sich nach Schloss Salem zurück, wo er unterstützt von seinem Berater Kurt Hahn, dem Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie aus Berlin, 1920 die Internatsschule Salem gründete.
Reichskanzler der Weimarer Republik 1919 – 1933
Der Rat der Volksbeauftragten war die vom 10. November 1918 bis zum 13. Februar 1919 amtierende provisorische Regierung Deutschlands, die nach der Novemberrevolution 1918 den Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik gestaltete.
Bis 1918 wurden die Reichskanzler vom Kaiser ernannt und entlassen. Eine parlamentarische Verantwortlichkeit bestand nicht. Erst durch die Weimarer Verfassung wurde der Reichskanzler dem Reichstag verantwortlich, so das dieser ihn zum Rücktritt zwingen konnte. Nach der Verfassung wurde der Reichskanzler vom Reichspräsidenten ernannt und entlassen.
Friedrich Ebert
* 04.02.1871 in Heidelberg,
† 28.02.1925 in Berlin;
am 11. Februar 1919 von der Nationalversammlung in Weimar zum provisorischen Reichspräsidenten gewählt, SPD
Friedrich Ebert war von Beruf Sattler, 1893 Leiter der „Bremer Volkszeitung“, 1905 Vorstandsmitglied der SPD, seit 1913 Mit-Parteivorsitzender der SPD, seit 1916 Mit-Vorsitzender der Reichstagsfraktion. Am 9. November 1918 erhielt er von Max von Baden das Amt des Reichskanzlers übertragen. Neben Hugo Haase (USPD) wurde er am 10. November 1918 der Vorsitzende des „Rats der Volksbeauftragten“. Um die linksradikalen Kräfte in Deutschland niederzuschlagen und eine Revolution wie in Russland 1917 zu verhindern, arbeite er auch mit republikfeindlichen Kräften zusammen. Die Weimarer Nationalversammlung wählte ihn am 11. Februar 1919 zum ersten Reichspräsidenten. Ebert trug als Reichspräsident wesentlich zur Stabilisierung der Weimarer Republik bei.
Philipp Scheidemann
* 26.07.1865 in Kassel,
† 29.11.1939 in Kopenhagen;
Reichskanzler vom 13.02. bis 20.06.1919, SPD
Philipp Scheidemann (SPD) ist von Beruf Buchdrucker, seit 1890 Journalist, 1895 Schriftleiter der „Mitteldeutschen Sonntags-Zeitung“ in Gießen, seit 1903 im Reichstag, 1911 Mitglied des Parteivorstandes der SPD. Unter Reichskanzler Max von Baden wird er im Oktober 1918 Staatssekretär ohne Fachbereich. Am 9. November 1918 ruft er von einem Fenster des Reichstages mit den Worten „Das deutsche Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt…“ die erste deutsche Republik aus. Am 13. Februar 1919 wird er von der Nationalversammlung als „Reichsministerpräsident“ zum Nachfolger Friedrich Eberts gewählt. Da er die Bedingungen des Versailler Vertrags nicht akzeptieren will – „welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legte!“, tritt er am 20. Juni 1919 zurück. Von 1920 bis 1925 war er Oberbürgermeister von Kassel.
Gustav Bauer
* 06.01.1870 in Darkehmen (Ostpreußen),
† 16. 09.1944 in Berlin;
Reichskanzler vom 21.06.1919 bis 26.03.1920, SPD
Gustav Bauer war seit 1884 Anwaltsschreiber und 1893-1902 Kanzeleivorsteher. 1912 kam er als Sozialdemokrat in den Reichstag. Am 31. Oktober 1918 wurde Bauer Staatssekretär des neu errichteten Reichsarbeitsamtes, am 13. Februar 1919 Reichsarbeitsminister und am 22. Juni 1919 Reichsministerpräsident. Als solcher unterschrieb er unter Protest den Versailler Vertrag. Mit Inkrafttreten der Reichsverfassung wurde er Reichskanzler. Nach dem Kapp-Putsch verlor er das Vertrauen seiner Partei (SPD) und legte am 27. März 1920 sein Amt nieder. Unter seinem Nachfolger Hermann Müller wurde er Reichsschatzminister.
Hermann Müller, meist „Müller-Franken“ oder auch „Müller-Breslau“ genannt, war von Beruf Handlungsgehilfe, seit 1899 Schriftleiter der „Görlitzer Volkszeitung“, seit 1906 im Vorstand der SPD und seit 1916 im Reichstag. Als Reichsaußenminister (Juni 1919 bis März 1920) fand er sich bereit den Versailler Vertrag zu unterzeichnen. In seiner ersten Amtszeit als Reichskanzler von März bis Juni 1920 war er nicht einmal 3 Monate im Amt. 1927 wurde Müller in das Wirtschaftskomitee des Völkerbundes gewählt.
Constantin Fehrenbach war von 1885 bis 1887 und 1901 bis 1913 Mitglied der badischen zweiten Kammer (1907 bis 1909 Präsident). Seit 1903 auch im Reichstag, seit August 1917 Vorsitzender des Hauptausschusses. Am 8. Juni 1918 wurde er Präsident des Reichstages, das Präsident der Nationalversammlung (1919-1920). Am 27. Juni 1920 zum Reichskanzler gewählt, nahm er an den Konferenzen in Spa (5. bis 16. Juli 1920) und London (März 1921) teil und trat am 4. Mai 1921 zurück. Fehrenbach gehörte dem linken Flügel des Zentrums an, vertrat streng demokratische Grundsätze, hat stets mit den Sozialdemokraten gut zusammengearbeitet und besaß als Vorsitzender der Zentrumsfraktion (seit März 1924) großen Einfluss. Fehrenbach war von Juni 1920 bis Mai 1921 rund elf Monate im Amt des Reichskanzlers.
Joseph Wirth war seit 1908 Mathematik-Professor am Realgymnasium in Freiburg. 1912 wurde er Stadtverordneter, 1913 Mitglied in der Zweiten badischen Kammer, seit 1914 im Reichstag. Von November 1918 bis März 1920 war er badischer Finanzminister, saß 1919/20 in der deutschen Nationalversammlung, seitdem im Reichstag. Von März 1920 bis Oktober 1921 war er Reichsfinanzminister und von Mai 1921 bis November 1922 für rund 18 Monate Reichskanzler, als welcher er das Londoner Ultimatum vom 5. Mai 1921 annahm. Im April 1922 vertrat Wirth neben Rathenau das Deutsche Reich auf der Weltwirtschaftskonferenz in Genua und schloss 1922 mit Sowjetrussland den Vertrag von Rapollo ab, der die Beziehungen beider Staaten normalisierte. 1929 wurde Wirth Minister für die besetzten Gebiete Deutschlands und am 30. August 1930 Reichsinnenminister. Wirth gehörte von jeher dem linken Flügel des Zentrums an, war von August 1925 bis Juli 1926 aus der Zentrumsfraktion ausgetreten und hatte Parteileitung und christliche Gewerkschaften heftig bekämpft. Er galt als Erfüllungspolitiker, strenger Republikaner und war Mitglied des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“.
Cuno arbeitete seit 1907 im Reichsschatzamt, seit 1917 bei der Hamburg-Amerika-Linie (HAPAG) und wurde 1918 deren Generaldirektor. Von November 1922 bis August 1923 übte Cuno rund 9 Monate das Amt des Reichskanzlers aus und bildete ein „überparteiliches Kabinett“. Als 1923 Franzosen und Belgier das Ruhrgebiet militärisch besetzen verkündete er den „passiven Widerstand“. Die Besetzung, Streiks und Arbeitsniederlegungen trieben Deutschland in den finanziellen Ruin (Hyperinflation von 1923, z.B. kostete 1 Ei im Oktober 1923 = 1900 Millionen Mark). Die Sozialdemokraten stellten ein Misstrauensvotum gegen Cuno, worauf er zurücktrat und zur HAPAG zurückkehrte.
Gustav Stresemann war von 1902-1918 Syndikus des Verbandes sächsischer Industrieller, 1914-1923 Geschäftsführendes Präsidialmitglied des deutsch-amerikanischen Wirtschaftsverbandes. Von 1907-1912 und 1914-1918 als Nationalliberaler im Reichstag, war er an der Bildung der Deutschen Volkspartei (nationalliberal) maßgeblich beteiligt und leitete von 1920-1923 deren Reichstagsfraktion. Im August 1923 wurde Stresemann für rund dreieinhalb Monate Reichskanzler einer großen Koalition und war danach von 1923 bis 1929 Reichsaußenminister. Er setzte sich für eine Verständigung mit den Kriegsgegnern ein und beendete den Ruhrkampf. Mit der Annahme des Dawesplans und den Abschluss des Locarnovertrages schuf er die Grundlage einer Verständigungspolitik die zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund führte. Im Jahr 1926 erhielt er zusammen mit dem französischen Politiker Aristide Briand (1862-1932) den Friedensnobelpreis.
Wilhelm Marx war 1906 Oberlandesgerichtsrat in Köln, 1907 in Düsseldorf, vertrat das Zentrum 1899 bis 1920 im preußischen Abgeordnetenhaus, seit 1910 auch im Reichstag und 1919-1920 in der Nationalversammlung in Weimar. Im Jahr 1919 wurde er Generaldirektor des Katholischen Volksvereins, 1920 Vorsitzender der Zentrumspartei und der Zentrumsfraktion im Reichstag. Während seiner ersten Amtszeit war er von November 1923 bis Januar 1925 Reichskanzler. Gestützt auf das Ermächtigungsgesetz vom 4. Dezember 1923 brachte er Deutschland in wirtschaftlich ruhigere Bahnen. Er setzte den Dawes-Plan durch, der die Reparationszahlungen Deutschlands an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges regelte. Marx befürwortete auch den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund. Verdient machte er sich um die Überwindung der Inflation. Als die Deutschnationalen im Januar 1925 in die Reichsregierung eintreten tritt er zurück.
Hans Luther
* 10.03.1879 in Berlin,
† 11.05.1962 in Düsseldorf;
Reichskanzler vom 15.01.1925 bis 12.05.1926, parteilos
Hans Luther war von 1913-1918 Geschäftsführer des deutschen und preußischen Städtetages, 1918-1922 Oberbürgermeister von Essen und Dezember 1922 bis Oktober 1923 Reichsernährungsminister. Als Reichsfinanzminister führte er in Deutschland die Rentenmarkt ein und stabilisierte damit das Finanzsystem. Von Januar 1925 bis Mai 1926 war der parteilose Hans Luther für rund 16 Monate Reichskanzler. Unter Berufung auf Wünsche von Auslandsdeutschen, vor allem in Lateinamerika, gestand er den deutschen Auslandsvertretungen das Recht zu, neben der schwarz-rot-goldenen Flagge auch die schwarz-weiß-rote Handelsflagge (mit kleinem Obereck in SRG) zu zeigen. Die Verordnung löste einen Sturm der Empörung bei SPD, DDP und der Zentrumspartei aus. Nach heftigen Debatten um die neue Flaggenordnung stellte die DDP am 12. Mai 1926 im Reichstag einen Misstrauensantrag gegen Reichskanzler Luther, der mit 177 zu 146 Stimmen angenommen wurde. Noch am gleichen Tag trat Luther mit dem Kabinett zurück. Die Flaggenordnung blieb hingegen in Kraft. 1927 trat Luther in die Deutsche Volkspartei (nationalliberal) ein und war von 1930 bis 1933 Reichsbankpräsident.
Zweite Amtszeit: Im Juli 1926 wurde Wilhelm Marx zum zweiten Mal Reichskanzler und blieb es dieses mal auch als die Deutschnationalen wieder in die Reichsregierung eintraten.
Zweite Amtszeit: Hermann Müller übte das Amt des Reichskanzlers von Juni 1928 bis März 1930 erneut aus. Er nahm den Young-Plan, der letzte der Reparationspläne, die die Zahlungsverpflichtungen des Deutschen Reichs auf Grundlage des Versailler Vertrags regelten, an und setzte dessen Annahme im Reichstag durch, nachdem er das Volksbegehren dagegen bekämpft hatte. Da er seine Partei nicht zur Annahme des unpopulären Moldenhauerschen Steuerplans bringen konnte trat er, bereits schwer erkrankt, 1930 zurück.
Heinrich Brüning
* 26.11.1885 in Münster i. W.,
† 30.03.1970 in Norwich/Vermont (USA);
Reichskanzler vom 30.03.1930 bis 30.05.1932, Zentrum
Heinrich Brüning (Zentrum) wurde am 30. März 1930 von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Gegen die Mehrheit des Parlaments setzte Brüning 44 Notverordnungen durch. Er versuchte die Deutschen mit der Einführung einer 4-Pfennig-Münze, die im Volksmund „Armer Heinrich“ oder „Brüning-Taler“ genannt wurde zur Sparsamkeit anzuregen. Bei jeder Lohnzahlung mussten 2 Mark in 4-Pfennig-Stücken ausgezahlt werden. Brüning versuchte die Weimarer Republik zu wahren und die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zu verhindern. Im Mai 1934 verließ Brüning Deutschland, um seiner drohenden Verhaftung zu entgehen und immigrierte schließlich 1936 in die USA. 1951 kehrte er für wenige Jahre nach Deutschland zurück, um 1955 endgültig in den USA zu leben.
Franz von Papen
* 29.10.1879 in Werl (Westfalen),
† 02.05.1969 in Obersasbach (Baden);
Reichskanzler vom 01.06.1932 bis 17.11.1932, Zentrum, ab 03.06.1932 parteilos
Franz von Papen (Zentrum) war von seinem alten Freund Kurt Schleicher vorgeschlagen worden, da sich Hindenburg weigerte Hitler zum Kanzler zu ernennen, das Amt des Vizekanzlers lehnte Hitler ab. Der Reichspräsident ernannte von Papen am 1. Juni 1932 zum Reichskanzler, aber er besaß noch weniger Rückhalt im Parlament als sein Vorgänger. Von Papen wollte die Verfassung ändern und einen „neuen Staat“ mit noch weniger Demokratie entstehen lassen. Mit dem „Preußenschlag“ (die Regierung Preußens wurde durch einen Reichskommissar ersetzt) brachte er den Freistaat Preußen unter seine Kontrolle. Nach nicht einmal 6 Monaten Amtszeit trat er am 17. November 1932 nach einem verlorenen Misstrauensvotum zurück.
Kurt von Schleicher
* 07.04.1882 in Brandenburg a.d.H.,
† 30.06.1934 in Berlin (ermordet);
Reichskanzler vom 03.12.1932 bis 28.01.1933, parteilos
Da Hindenburg eine Kanzlerschaft Hitlers erneut ablehnte wurde der bisherige Reichswehrminister Kurt von Schleicher zum Reichskanzler ernannt. Schleicher versuchte die Nationalsozialisten zu spalten, was aber scheiterte. Nach nur zwei Monaten im Amt erklärte er am 28. Januar 1933 seinen Rücktritt und empfahl dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg Adolf Hitler zu seinem Nachfolger zu ernennen. Schleicher wurde anderthalb Jahre später im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches erschossen.
Reichskanzler zur Zeit des Nationalsozialismus 1933 – 1945 (Drittes Reich)
Adolf Hitler
* 20.04.1889 in Braunau am Inn,
† 30.04.1945 (Selbstmord) in Berlin;
als „Führer und Reichskanzler“ vom 30.01.1933 bis 30.04.1945, NSDAP
Adolf Hitler wurde am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung ernannt, nachdem der gebürtige Österreicher erst am 25. Februar 1932 durch den Freistaat Braunschweig die Staatsangehörigkeit eines deutschen Bundesstaates verliehen bekam. Während der 18monatigen Phase der Machtergreifung schuf er sich eine unangreifbare Stellung als Diktator. Nach dem Tod Hindenburgs übertrug er sich die Befugnisse des Reichspräsidenten und nannte sich fortan „Führer und Reichskanzler“. Zunächst erzielte er große innen- und außenpolitische Erfolge und wurde vom amerikanischen Nachrichtenmagazin „Time“ 1938 zum „Man of the Year“ gekürt. Beginnend mit dem Überfall auf Polen gilt er als Hauptverantwortlicher für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (1939 – 1945). Mit dem Krieg und seinem Programm zur „Endlösung der Judenfrage“ ist er schuldig am Tod vieler Millionen Menschen. Am 30. April 1945 beging er mit seiner kurz zuvor geheirateten Frau Eva Braun (1912 – 1945) im Bunker der Reichskanzlei Selbstmord.
Hitler bestimmte Josef Goebbels testamentarisch zu seinem Nachfolger im Reichskanzleramt. Zuvor war Goebbels seit 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, sowie Präsident der Reichskulturkammer. In seiner neuen Funktion als Reichskanzler ersuchte er am 1. Mai 1945 die Sowjetunion um einen Waffenstillstand, Stalin beharrte jedoch auf einer bedingungslosen Kapitulation. Daraufhin beging er mit Frau und Kindern Selbstmord. Goebbels gilt als einer der Hauptverantwortlichen für die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes.
Reichspräsident Karl Dönitz ernannte Graf Schwerin von Krosigk am 2. Mai 1945 zum Leiter der „Geschäftsführenden Reichsregierung“ und Außenminister. Am 23. Mai wurde Karl Dönitz mit den übrigen Mitgliedern der in Mürwik bei Flensburg residierenden geschäftsführenden Reichsregierung in Kriegsgefangenschaft genommen. Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk wurde 1949 im „Wilhelmstraßenprozess“ in Nürnberg zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, aber schon 1951 vorzeitig wieder entlassen.
Besatzungszonen 1945 – 1949
Mit der Berliner Deklaration vom 5. Juni 1945 übernehmen die vier Siegermächte, USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich, die Oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Schon am 12. September 1944 hatten die Alliierten die „Neuordnung Deutschlands“ im „Londoner Protokoll“ beschlossen. Das Deutsche Reich wird in 4 Besatzungszonen und Berlin in 4 Sektoren aufgeteilt, in denen die Militärgouverneure nach eigenem Ermessen handeln. Auf der Potsdamer Konferenz, vom 17. Juli – 2. August 1945, einigen sich die Vier Mächte auf politische Grundsätze für die Behandlung Deutschlands: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Dezentralisierung, Dekartellisierung und Demokratisierung. Außerdem wird beschlossen, die deutschen Gebiete östlich von Oder und Lausitzer Neiße bis zu einem Friedensvertrag unter polnische sowie sowjetische Verwaltung zu stellen und die dortige deutsche Bevölkerung ebenso wie die Deutschen aus der Tschechoslowakei und Ungarn auszusiedeln; 12 Millionen Deutsche werden so aus ihrer Heimat vertrieben. Als Folge des Kalten Krieges schreitet nun auch die politische Teilung Deutschlands voran.
Mit den „Frankfurter Dokumenten“ fordern die Westmächte die Ministerpräsidenten der 1946/47 gegründeten Länder am 1. Juli 1948 auf, mit der Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung die Gründung eines westdeutschen Staates einzuleiten. Die Ministerpräsidenten wollen jedoch nur einen provisorischen Staat mit lediglich einem Grundgesetz statt einer Verfassung schaffen. Mit der Ausarbeitung dieses Grundgesetzes wird ein Parlamentarischer Rat beauftragt, der am 1. September 1948 in Bonn zusammentritt. Nach der Genehmigung durch die Militärgouverneure und der Zustimmung der Länderparlamente (mit Ausnahme des bayerischen) tritt das Grundgesetz dann am 24. Mai 1949 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland ist gegründet. In der Sowjetischen Besatzungszone kommt die Gründung eines separaten Staates 1949 zum Abschluss. Aus der „Volkskongressbewegung für Einheit und gerechten Frieden“ geht im März 1948 der 1. Deutsche Volksrat hervor, der die Verfassung einer Deutschen Demokratischen Republik ausarbeitet und am 19. März 1949 formell beschließt. Der 2. Deutsche Volksrat, der am 7. Oktober zusammentritt, erklärt sich zur provisorischen Volkskammer und beauftragt Otto Grotewohl mit der Regierungsbildung. Damit ist als zweiter deutscher Staat die DDR gegründet.
Vorsitzende des Ministerrates (Ministerpräsidenten) der DDR 1949 – 1990
Otto Grotewohl
* 11.03.1894 in Braunschweig,
† 21.09.1964 in Berlin;
Ministerpräsident vom 12.10.1949 bis 21.09.1964, SED
Otto Grotewohl war von 1925 bis 1933 Mitglied des Reichstages (SPD). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde er 1938 inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) war er Vorsitzender der SPD in Berlin und Mitgründer und Mitvorsitzender der SED, der Vereinigung aus SPD und KPD. Grotewohl war bis zu seinem Tod 1964 fast 15 Jahre Ministerpräsident der DDR.
Willi Stoph, von Beruf Maurer, war seit 1931 Mitglied der KPD. Seit 1953 Mitglied des Politbüros der SED, 1952 bis 1955 Innenminister, 1956 bis 1960 Verteidigungsminister wurde er 1959 Armeegeneral. Von 1964 bis 1973 war seine erste Amtzeit als Vorsitzender des Ministerrates (Ministerpräsident) der DDR. 1973 wurde er Vorsitzender des Staatsrates der DDR.
Horst Sindermann war seit 1967 Mitglied des Politbüros der SED und von 1973 bis 1976 Vorsitzender des Ministerrates der DDR. Seit 1976 Präsident der Volkskammer verlor er nach der friedlichen Revolution 1989 alle politischen Ämter und wurde aus der SED ausgeschlossen. Als er 1990 starb wurde grade ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.
Willi Stoph war von 1973 bis 1976 Vorsitzender des Staatsrates der DDR. 1976 begann seine zweite Amtszeit als Vorsitzender des Ministerrates der DDR. Nach der friedlichen Revolution 1989 verlor er alle politischen Ämter und wurde aus der SED ausgeschlossen. 1992 wurde wegen der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze Anklage gegen ihn erhoben.
Hans Modrow war von Beruf Schlosser, seit 1949 Mitglied der SED und 1967 bis 1989 Mitglied des ZK der SED. Von 1973 bis 1989 war er 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden. 1989 wurde er der letzte Vorsitzender des Ministerrates der DDR und verlor nach den ersten freien Wahlen 1990 in der DDR sein Amt. 1990 wurde er Ehrenvorsitzender der PDS, war von 1990 bis 1994 als Abgeordneter der PDS Mitglied im Bundestag und von 1999 bis 2004 Mitglied im Europaparlament.
Lothar de Maizière
* 02.03.1940 in Nordhausen (Thüringen)
Ministerpräsident vom 12.04.1990 bis 02.10.1990 (CDU)
Lothar de Maizière trat 1956 in die CDU der DDR ein. Seit 1975 war er als Rechtsanwalt tätig und engagierte sich in der evangelischen Kirche. Nach der friedlichen Revolution von 1989 in der DDR war er von November 1989 bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 Vorsitzender der CDU (Ost). Vom 12. April bis 2. Oktober 1990 war er der erste demokratisch gewählte und zugleich letzte Ministerpräsident der DDR. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD am 3. Oktober 1990 wurde er Bundesminister für besondere Aufgaben. Nachdem das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am 10 Dezember d.J., veröffentlichte, dass de Maizière bei der Staatssicherheit der DDR als „inoffizieller Mitarbeiter“ (IM Czerni) geführt worden sei, trat er am 19. Dezember d.J. zurück.
Am 3. Oktober 1990 wird der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Art. 23 wirksam. Damit endet die Existenz der DDR. Nach 45 Jahren (1945 – 1990) ist die staatliche Einheit Deutschlands wieder hergestellt.
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland seit 1949
Konrad Adenauer war als Zentrumspolitiker von 1917 bis 1933 Oberbürgermeister von Köln, als ihn 1933 die Nationalsozialisten des Amtes enthoben. 1934 bis 1944 zeitweise inhaftiert, wurde er 1945 erneut Oberbürgermeister von Köln. Adenauer wurde als 73jähriger 1949 erster Bundeskanzler der Bundesrepublik (Westdeutschland). Er betrieb eine konsequente Politik der Westintegration, schlug Stalins Angebot auf ein neutrales Gesamtdeutschland nach Vorbild Österreichs aus und begründete den Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland im Ausland. Adenauer betrieb eine Politik: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb“ und bezeichnete die DDR stets als „Sowjetzone“. Dreimal (1953, 1957 und 1961) wurde er zum Kanzler wiedergewählt.
Ludwig Erhard von Beruf Volkswirt war 1945/46 bayerischer Wirtschaftsminister. Mit der Währungsreform und seiner „sozialen Marktwirtschaft“ legt er den Grundstein zu den Wirtschaftswunderjahren. Von 1949 bis 1963 Bundeswirtschaftsminister, seit 1957 Vizekanzler wurde er am 16.10.1963 gegen Adenauers Willen dessen Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers. Er setzte die westliche Integrationspolitik und die Wiedergutmachungspolitik gegenüber Israel (1965 Aufnahme diplomatischer Beziehungen) fort. Wegen Unstimmigkeiten mit dem Koalitionspartner FDP im Oktober 1966 blieb Erhard bis zum 1. 12.1966 Kanzler einer Minderheitsregierung.
Kurt Georg Kiesinger
* 06.04.1904 in Ebingen (Württemberg)
† 09.03.1988 in Tübingen;
dritter Bundeskanzler vom 01.12.1966 bis 20.10.1969, CDU
Kurt Georg Kiesinger von Beruf Anwalt war 1949 bis 1958 und 1969 bis 1980 Mitglied im Bundestag. 1958 bis 1966 Ministerpräsident von Baden-Württemberg wurde er 1966 Bundeskanzler einer Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. In seiner Amtszeit kam es zur Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zu den sozialistischen Staaten Rumänien und Jugoslawien. Nach den Studentenunruhen 1968 wurden 1969 die Notstandsgesetze verabschiedet.
Geboren als Herbert Ernst Karl Frahm, nannte er sich seit 1933 Willy Brandt. Seit 1931 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei emigrierte er 1933 nach Norwegen und 1940 nach Schweden. Von 1957 bis 1966 war er Regierender Bürgermeister von (West-)Berlin. 1966 wurde er in der Großen Koalition Stellvertreter des Bundeskanzlers und 1969 bis 1974 Bundeskanzler. Mit seiner Versöhnungs- und Entspannungspolitik im Osten ermöglichte er den Abschluss des Viermächteabkommens über Berlin (1971). Mit der DDR suchte Brand ein „geregeltes Nebeneinander“ herbeizuführen (Grundvertrag 1972). 1970 trifft er sich mit dem DDR-Ministerratsvorsitzenden Willi Stoph in Erfurt, wo er von einer jubelten Menschenmenge begrüßt wurde. 1973 reist Brandt als erster deutscher Bundeskanzler nach Israel. Nach der Enttarnung seines engsten Mitarbeiters Günter Guillaume als DDR-Spion übernahm er die politische Verantwortung und trat am 6. 5. 1974 zurück.
Helmut Schmidt von Beruf Diplom-Volkswirt von 1953 bis 1962 und 1965 bis 1987 Mitglied des Bundestages. Von 1961 bis 1965 war er Innensenator von Hamburg. Von 1974 bis 1982 war er Bundeskanzler einer Koalition aus SPD und FDP. In seiner Amtszeit macht er sich als Krisenmanager einen Namen, muss Rezession und wirtschaftliche Krisen bewältigen, versucht in Zeiten des Kalten Krieges eine Eskalation zu verhindern und führt den Kampf gegen die Terrororganisation „Rote Armee Fraktion“. 1981 reist Schmidt zum innerdeutschen Gipfeltreffen und trifft sich mit dem DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker am Werbellinsee und in Güstrow. 1982 vollzog die FDP einen Koalitionswechsel von der SPD zur CDU/CSU und stürzte so Schmidt als Bundeskanzler.
Helmut Kohl
* 03.04.1930 in Ludwigshafen,
† 16.06.2017 in Ludwigshafen;
sechster Bundeskanzler vom 01.10.1982 bis 27.10.1998, CDU
Helmut Kohl promovierte in Geschichte und war von 1969 bis 1976 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Nach dem Sturz Schmidts bildete er eine Koalitionsregierung aus CDU/CSU und FDP. Hauptaufgaben war die Sanierung des Staatshaushaltes, die Belebung der Wirtschaft und die Anpassung der sozialen Leistungen an die wirtschaftlichen Möglichkeiten. Gegen große innenpolitische Widerstände setzte er den NATO-Doppelbeschluss von 1979 durch. Nach der friedlichen Revolution von 1989 in der DDR realisiert die Regierung Kohl gegen starke innen- und außenpolitische Widerstände die deutsche Einheit 1990. Kohl wurde so zum ersten gesamtdeutschen Kanzler und gewann die ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen am 2. Dezember 1990. Helmut Kohl war 16 Jahre Bundeskanzler und wurde viermal wiedergewählt.
Gerhard Schröder
* 07.04.1944 in Mossenberg, Landkreis Detmold;
siebenter Bundeskanzler vom 27.10.1998 – 22.11.2005, SPD
Gerhard Schröder von Beruf Rechtsanwalt war 1990 bis 1994 Ministerpräsident von Niedersachsen in einer Koalition aus SPD und Grünen. Am 27. Oktober 1998 wird Schröder Bundeskanzler einer Koalition aus SPD und Grünen. Vizekanzler und Außenminister wird Joschka Fischer (Grüne). Gegen große Widerstände setzt er mit Fischer den Bundeswehreinsatz im Kosovo-Krieg durch, startet den Ausstieg aus der Kernenergie und führt mit der „Agenda 2010“ Arbeitsmarktreformen durch. Außenpolitisch führt er eine Annäherung an Russland und Frankreich durch, was zu einer Verschlechterung der Beziehungen zur USA führt. Nach der Niederlage der SPD im Jahr 2005 bei den Landtagswahlen in NRW und der deutlichen Übermacht von CDU und FDP im Bundesrat, sieht Schröder die Grundlage seiner Politik infrage gestellt und erklärt sein Ziel, Neuwahlen zu erreichen. Schröder stellt am 1. Juli 2005 im Bundestag die Vertrauensfrage, verliert erwartungsgemäß; verliert aber auch die vorgezogenen Bundestagswahlen vom 18.09.2005.
Angela Merkel
* 17.07.1954 in Hamburg;
achter Bundeskanzler vom 22.11.2005 – 08.12.2021, CDU
Angela Merkel, geb. Kasner in Hamburg geboren, aber in der DDR aufgewachsen, ist promovierte Physikerin. 1968 wird sie aktives Mitglied der SED-Jugendorganisation FDJ (Freie Deutsche Jugend). Nach der Wende 1989 trat sie der neu gegründeten Partei „Demokratischer Aufbruch“ bei, die 1990 in der CDU aufging. Im Kabinett Kohl ist sie von 1990 bis 1998 Familien- und Umweltministerin. 1998 bis 2000 CDU-Generalsekretärin, von 2000 bis 2018 CDU-Vorsitzende. 2005 wurde sie als erste Frau Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und blieb es 16 Jahre bis 2021. Merkel profitierte zunächst von den Reformprogrammen ihres Vorgängers und agierte die ersten Legislaturperioden recht erfolgreich. Die großen Krisen (Euro-Währungskrise, die Energiewende, die Flüchtlingskrise und die Coronakrise) während der zweiten Hälfte ihrer Regierungszeit konnte sie dagegen nicht lösen. Durch ihren in den letzten Regierungsjahren hervortretenden präsidentiellen, teilweise autoritären Stil mit oftmals spontanen, eigenmächtigen Entscheidungen kam es sowohl in Deutschland wie auch in Europa zu einer tiefen Spaltung und begünstigten ein Anwachsen radikaler Kräfte. Nach der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen mit den Stimmen der AfD erklärte sie kurzerhand, dass diese zu wiederholen sei. Die CDU verlor unter ihrem Vorsitz fast alle konservativen Positionen und fiel in der Wählergunst von 35,2 % (BTW 2005) auf 24,1 % (BTW 2021) und verlor damit ein Drittel ihrer Wähler.
Olaf Scholz
* 14.06.1958 in Osnabrück;
neunter Bundeskanzler seit 08.12.2021, SPD
Olaf Scholz wurde am 14. Juni 1958 in Osnabrück geboren. Von März 2011 bis März 2018 war er Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Seit dem 8. Dezember 2021 ist Scholz Kanzler einen Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Dabei wurden die Bundesminister erstmalig nicht nach ihrem Können und ihrer Eignung ausgewählt, sondern komplett nur nach einer Quotenreglung vergeben. Die Folge davon ist, dass einige Minister den gewaltigen Aufgaben in den gegenwärtigen Krisenzeiten offensichtlich in keiner Weise gewachsen sind und völlig überfordert wirken.
Parteien
- SPD – Sozialdemokratische Partei Deutschlands (Deutsches Reich und BRD)
- USPD – Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (Deutsches Reich), 1916 abgespaltener Teil (Linke) der SPD (MSPD), Teile gründeten 1919 die KPD
- DVP – Deutsche Volkspartei (Deutsches Reich), Vorläufer der FDP
- DDP – Deutsche Demokratische Partei, linksliberale Partei (Weimarer Republik)
- Zentrum – Deutsche Zentrumspartei – katholische Partei (Deutsches Reich), Vorläufer der CDU
- ADV – Alldeutscher Verband, Deutschnational (Deutsches Reich)
- NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (Deutsches Reich)
- FDP – Freie Demokratische Partei (BRD)
- CDU – Christlich Demokratische Union (BRD und DDR)
- SED – Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (DDR), 1946 Zusammenschluss aus SPD und KPD, 1990 Umbenennung in PDS, seit 2007 „Die Linke“
- KPD – Kommunistische Partei Deutschlands (Deutsches Reich und BRD)
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Meyers Konversations-Lexikon“ 5. Auflage in 17 Bänden 1893 – 1897
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908
- „Meyers Kleines Konversations-Lexikon“, 7. Auflage in 6 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1908
- „Kleine Deutsche Staatskunde“, E. Stutzer – Dresden und Berlin 1910
- „Bertelsmann Universallexikon“, in 20 Bänden Gütersloh 1993
- http://worldstatesmen.org/Germany.html
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Tolle Übersicht!
Kurz und sehr informativ!
Vielen Dank!
Vielen Dank für die tolle Uebersicht!
kurz und bündig, sehr gut!
Endlich mal eine neutrale Berichterstattung ohne geschichtsverfälschende Kommentare .
Sehr detailgetreu ausformuliert. Selbst ich als Kenner der Materie konnte noch dazulernen. Danke allen Verfassern.
Irgendwie wiederholt sich die Geschichte doch – nach jedem Neuanfang hatten wir gute Kanzler, danach wurden sie immer schwächer. Und wo stehen wir jetzt?
Gute Politiker waren immer diejenigen, die eine umfassende humanistische Bildung erfahren hatten. Je besser die bildung, desto weiter der Horizont (und das Gegentiel stimmt natürlich auch)