Napoleon bei Wagram

Rheinbund und Rheinbund 2.0

Die Geschichte des Rheinbundes 1806-1813 und die auffallenden Parallelen zur heutigen Bundesrepublik (Rheinbund 2.0).

Rheinbund (1806 – 1813)

Der Rheinbund (Confédération du Rhin) wurde von Napoleon I., Kaiser der Franzosen, auf den Trümmern des alten Deutschen Reiches (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation) gegründet. Die Konföderation mit dem amtlichen Namen „Rheinische Bundesstaaten“ war ein Staatenbund von Vasallen kleiner und kleinster deutscher Länder. Die damaligen Großmächte Preußen und Österreich, von Napoleon auf ein Minimum reduziert, blieben außenvor.

Napoleons Krönung 1804
Napoleon krönt sich 1804 in Paris im Beisein des Papstes selbst zum Kaiser.

Die Rheinbundfürsten, die zum Teil in beschämender Würdelosigkeit den Korsen umschmeichelten, mussten sich für souverän erklären, sagten sich am 1. August 1806 formell vom Deutschen Reich (HRRDN) los und veranlassten dadurch Kaiser Franz II., seine Würde als Reichsoberhaupt niederzulegen. Damit fand das im Jahre 962 gegründete Reich sein Ende. Diese Rheinbundpolitik Napoleons führte die Politik des französischen Königs Ludwigs XIV. fort, die auf die Zerstückelung des Reiches abzielte. Die Gründung zeigte eindeutig das alte französische Bestreben nach einer Beherrschung des deutschen Westens unter Ausschalten jeder starken Reichsgewalt.

Kaiser Franz I.

Kaiser Franz I.
* 12.02.1768 in Florenz,
† 02.03.1835 in Wien;
römisch-deutscher Kaiser (1792 – 1806),
Kaiser von Österreich (1804 – 1835)

Napoleon bediente sich bei seinen Eroberung einer alten Taktik der Herrschenden mit der die Spanier vor ihm Amerika eroberten und die Briten nach ihm Indien. Er ließ die Bevölkerung der mit Krieg überzogenen Länder gegen sich selbst kämpfen: “Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche. Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen. Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun. Törichter ist kein anderes Volk auf Erden. Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: die Deutschen glauben sie. Um eine Parole, die man ihnen gab, verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde.” Diese gar nicht schmeichelhafte Einschätzung Napoleons veröffentliche der Herausgeber Joseph Görres im Mai 1814 in seiner Zeitung „Rheinischer Merkur“. Sie ist sicherlich zutreffend, aber keinesfalls gesichert und könne auch nur zeitgenössische Propaganda sein.

Napoleon Bonaparte

Napoleon Bonaparte
* 15.08.1769 in Ajaccio auf Korsika,
† 05.05.1821 in Longwood House auf St. Helena,
1804 bis 1814, 1815 Kaiser der Franzosen

Die Dreiteilung Deutschlands

Nach der Niederlage bei Austerlitz 1805 war Österreich und damit auch der deutsche Kaiser geschlagen und Napoleon I. der mächtigste Mann Europas.

Schlacht bei Austerlitz 2. Dezember 1805. (F. W. Putzgers "Historischer Schul-Atlas" 1902)
Schlacht bei Austerlitz 2. Dezember 1805. (F. W. Putzgers „Historischer Schul-Atlas“ 1902)

Durch den Frieden von Preßburg (26. Dezember 1805) konnte er dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation den Todesstoß versetzten. Am 1. August 1806 erklärten 16 deutsche Fürsten (die Könige von Bayern und Württemberg, der Kurfürst-Reichserzkanzler, der Kurfürst von Baden, der neue Herzog von Berg, der Landgraf von Hessen-Darmstadt, die Fürsten von Nassau-Usingen, Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Salm-Salm und Salm-Kyrburg, der Herzog von Arenberg, die Fürsten von Isenburg-Birstein und von Liechtenstein und der Graf von und zu der Leyen) förmlich ihre Trennung vom Reich und begründeten durch die vom 12. Juli 1806 datierte, am 17. Juli zu Paris unterzeichnete Rheinbundsakte (die Vertragssprache ist französisch) vor Europa ihr Bündnis als „rheinische Bundesstaaten“.

Karl Theodor von Dalberg

Karl Theodor von Dalberg
* 08.02.1744 auf Stammschloß Herrnsheim ,
† 10.02.1817 in Regensburg;
letzter Kurfürst von Mainz und Kurerzkanzler

Durch die Rheinbundsakte erhielt der Kurfürst und Erzkanzler Karl Theodor von Dalberg (1744 – 1817) den Titel eines Fürsten-Primas; der Kurfürst von Baden, der Landgraf von Hessen-Darmstadt und der Herzog von Berg empfingen die großherzogliche Würde; Nassau-Usingen nahm den Titel eines Herzogs und der Graf von der Leyen den Rang eines Fürsten an. Zahlreiche fürstliche, reichsgräfliche und reichsritterschaftliche Familien sowie die Städte Frankfurt und Nürnberg wurden mediatisiert (bisher unmittelbar dem Reich unterstehende Herrschaften oder Besitzungen wurden der Landeshoheit unterworfen). Napoleon I. nennt sich „Protektor des Bundes“.

Napoleon bei Jena
Napoleon bei Jena

Preußen stand nun allein da, als es am 14. Oktober 1806 zur Doppelschlacht von Jena und Auerstedt kam, wo das preußische Herr vernichtend geschlagen wurde.

Schlacht bei Jena und Auerstedt 14. Oktober 1806. (F. W. Putzgers "Historischer Schul-Atlas" 1902)
Schlacht bei Jena und Auerstedt 14. Oktober 1806. (F. W. Putzgers „Historischer Schul-Atlas“ 1902)

Die königliche Familie floh nach Königsberg und Napoleon zog am 27. Oktober 1806 in Berlin ein. Am 9 Juli 1807 zwangt er in Tilsit Preußen einen Frieden auf, der die gleiche gnadenlose Härte zeigt wie ein Jahrhundert später der Versailler Vertrag. Preußen verlor die Hälfte seiner Gebiete, Danzig wurde (wie 1920) Freistaat. Ungeheure Kriegskosten wurden willkürlich bestimmt, die Stärke des Heeres wurde soweit herabgesetzt, dass künftiger Widerstand aussichtslos erschien. Und dabei hatte Preußen noch Glück im Unglück, denn wäre es nach den ursprünglichen Plänen Napoleons gegangen, wäre der ganze preußische Staat vernichtet worden.

Napoleon und Königin Luise in Tilsit 1807
Napoleon und Königin Luise in Tilsit 1807

So schreibt der Historiker Heinrich von Treitschke (1834 – 1896) in “Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert”: “Am 7. und 9. Juli 1807 wurde der Friede von Tilsit unterzeichnet, der grausamste aller französischen Friedensschlüsse, unerhört nach Form und Inhalt. Nicht der rechtmäßige König von Preußen trat dem Sieger einige Landesteile ab, sondern der Eroberer bewilligte aus Achtung für den Kaiser aller Reußen die Rückgabe der kleineren Hälfte des preußischen Staates an ihren Monarchen. Und dieser empörende Satz, den die Zeitgenossen nur für eine Ungezogenheit napoleonischen Übermuts ansahen, sagte die nackte Wahrheit. Denn wirklich nur aus Rücksicht auf den Zaren führte Napoleon die fest beschlossene Vernichtung Preußens vorläufig bloß zur Hälfte aus.” Im Frieden versuchten nun die Franzosen die Zerstörung Preußens zu vollenden. Das große alte Reich war nun in die drei Teile Österreich, Rheinbund und Preußen zersplittert worden.

Andreas Hofer im Tiroler Freiheitskampf

Nach Preußen wendet sich Napoleon gegen Spanien um England mit seinem Handel vollkommen vom Kontinent abzuschneiden. Seine Abwesenheit nutzt Österreich 1809, um seine alte Machtstellung wiederzugewinnen, aber nur Tirol erhebt sich. Heldenmütig kämpfen die Tiroler unter Führung Andreas Hofers und Joseph Speckbachers. Erst in der vierten Iselberg-Schlacht erliegen sie den übermächtigen Besatzern und Andreas Hofer wird 1810 in Mantua erschossen. Napoleon schickt nun einen großen Teil der deutschen Soldaten nach Spanien, wo sich die Bevölkerung im Kampf gegen ihn auflehnt.

Die französische Exklave Erfurt

Mitten im Zentrum des Rheinbundes liegt die alte Hauptstadt ThüringensErfurt, Ende des 16. Jahrhunderts mit 60.000 Einwohnern noch eine europäische Handels- und Großstadt, ist sie Anfang des 19. Jahrhunderts durch veränderte Handelswege auf 20.000 Einwohner herabgesunken. Ihre Lage in der Mitte des Rheinbundes, Kreuzung alter Handels- und Heerstraßen, sowie mit starken Festungsanlagen machen sie zu einer Idealen Basis für den Kaiser der Franzosen. 1806 wurde Erfurt kampflos besetzt und mit der Kleinstadt Blankenhain von 1807 bis 1814 als „domaine réservé à l’Empereur“ (kaiserlichen Domäne) Teil Frankreichs. 

Napoleon I. und Zar Alexander treffen sich vor den Toren Erfurts, 1808
Napoleon I. und Zar Alexander treffen sich vor den Toren Erfurts, 1808

Als sich 1808 Napoleon im Beisein fast aller deutschen Landesfürsten mit dem russischen Kaiser (Zaren) Alexander I. zum Erfurter Fürstenkongress trifft, bringt dies für wenige Tage Glanz in die Stadt. “Ich will Deutschland durch Pracht und Glanz in Erstaunen setzen.” Jubelbänder schmücken Sprüche wie: “Gäbs jetzt noch einen Göttersohn – So wär‘s gewiss Napoleon.” Die finanziellen Belastungen der Franzosenzeit treiben Erfurt, wie viele andere Städte auch, in den wirtschaftlichen Ruin. Tatsächlich hatte der Stratege Napoleon Erfurt sehr gut ausgewählt, 1813 musste es eine harte Belagerung der Preußen auszuhalten, die es im November d. J. beschossen und fast 200 Häuser, unter ihnen auch das alte Benedictinerkloster mit dem Grabmal des berühmten Grafen von Gleichen (er hatte zwei Ehefrauen gleichzeitig), niederbrannten. Die französische Besatzung musste noch im Dezember die Stadt übergeben, zog sich aber in die Zitadelle auf dem Petersberg zurück, die sie erst nach dem Pariser Frieden von 1814 räumte, worauf Erfurt an das Königreich Preußen fiel.

Geld und Soldaten für Frankreich

Der erste deutsche Fürst, der nach der Gründung aufgenommen wurde, war der Kurfürst von Würzburg, der den Titel „Großherzog“ annahm und am 30. September 1806 beitrat; der Kurfürst von Sachsen wurde nach dem Posener Frieden am 11. Dezember 1806 unter Annahme des Königstitels Mitglied. Am 15. Dezember folgten die fünf sächsischen Herzöge und am 18. April 1807 die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen, die drei Herzöge von Anhalt, die Fürsten von Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe und die Fürsten von Reuß ältere Linie und Reuß jüngere Linie. Auch das Königreich Westfalen wurde am 15. November 1807 von Napoleon zum Rheinbundstaat erklärt, und am 18. Februar 1808 traten der Herzog von Mecklenburg-Strelitz, am 21. März der Herzog von Mecklenburg-Schwerin und am 14. Oktober 1808 der Herzog von Oldenburg bei.

Wesel, Erschießung der 11 Schillschen Offiziere 16.Sep.1809
Erschießung der 11 Schillschen Offiziere, Wesel 16. Sepember 1809

Alle Mitglieder, Frankreich mit inbegriffen, sollten „einer für alle und alle für einen stehen“. Zu diesem Zweck sollte Bayern 30.000 Mann, Württemberg 12.000, Baden 8000, Berg 5000, Hessen-Darmstadt 4000 und die übrigen Bundesfürsten zusammen 4000 Mann. Selbst die Kleinstaaten Lippe-Detmold 500 Mann und Lippe-Schaumburg 150 Mann hatten ihr Kontingent zu erfüllen. Das große Frankreich dagegen sollte nur 200.000 Mann stellen. In Napoleons 610.000 Mann starker „Grande Armée“, die 1812 in Russland einfiel befanden sich lediglich 30 % Franzosen. Das größte Kontingent stellten die Deutschen, fast 90 % kamen um. Insgesamt soll Napoleon für den Tod von geschätzten 2 Millionen Deutschen verantwortlich sein. Nach Berechnungen des sowjetischen Bevölkerungswissenschaftler Boris Zesarewitsch Urlanis kosten die Napoleonischen Kriege 3,5 Millionen das Leben (Spiegel 21.11.1966).

Napoleons Feldzug in Russland, 1812
Napoleons Feldzug in Russland, 1812

Ganz Deutschland leistete während der Napoleonischen Fremdherrschaft erdrückende Tributzahlungen, die Länder wurde durch Kontributionen und drückende Steuern regelrecht ausgeplündert, reihenweise gingen Städte bankrott und brauchten später Jahrzehnte um sich wieder zu erholen. So hatte z.B. das künstlich geschaffene Königreich Westfalen, in dem Napoleons Bruder Jerome Bounaparte regierte, im Jahr 1806, 16 Millionen Franken Kontribution und einen jährlichen Tribut von 4.559.000 Franken zu zahlen. Auch wurde unzählige wertvollen Kunstgüter gestohlen und gingen so teilweise für immer verloren, ja selbst die Quadriga vom Brandenburger Tor in Berlin wurde als Trophäe nach Frankreich entführt.

Um die Kontinentalsperre gegen England rigoros durchsetzten zu können erlitt der Rheinbund im Jahr 1810 eine Verkleinerung, indem der gesamte Nordwesten von Frankreich annektiert wurde. Ohne vorhergegangene Verhandlungen und trotz der in der Bundesakte verbürgten Selbständigkeit, durch ein kaiserliches Dekret vom 10. Dezember wurden das Herzogtum Oldenburg, die Länder des Herzogs von Haus Arenberg, der Fürsten von Salm-Salm und Salm-Kyrburg, sowie ansehnliche Teile vom Königreiche Westfalen und Großherzogtum Berg, nebst anderen deutschen Gebieten mit Frankreich vereinigt, sodass der Rheinbund 1811 nur noch 36 Staaten umfasste.

Rheinbund, Übersicht 1810/13
Rheinbund, Übersicht 1810/13

Der Kaiser des Abendlandes in Mission für Europa

Im April 1810 vermählte Napoleon sich mit der Tochter des Kaisers Franz von Österreich, Marie Luise, nachdem er sich von seiner ersten Frau hatte scheiden lassen. Im selben Jahr legte sein Bruder Ludwig, der König von Holland, seine Krone nieder, weil er es mit seinem Gewissen nicht vereinbar fand, sein Land durch die Kontinentalsperre völlig zu Grunde richten zu lassen. Napoleon machte daraufhin kurzen Prozess, erklärte die Niederlande für eine „Anschwemmung französischer Flüsse“, folgerichtig für französisches Nationaleigentum, das er nun Frankreich einverleibte. Auch der Nordwesten des Rheinbundes, ein großer Teil des Königreichs Westfalen, das Großherzogtum Berg, Ostfriesland, Oldenburg und die Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck, sowie der schweizerische Kanton Wallis wurden nun Frankreich zugeschlagen. 

Napoleon I. - Kaiser der Franzosen
Napoleon I. – Kaiser der Franzosen

Napoleon betrachtete sich nun als Kaiser des Abendlandes und sprach gern von seiner Mission für Europa; aber natürlich nur unter der Führung Frankreichs. Zu seinem Polizeiminister Fouche sagte er: „Ich habe meine Aufgabe noch nicht erfüllt, und ich will vollenden, was ich begonnen habe. Wir brauchen ein europäisches Gesetzbuch, ein oberstes europäisches Gericht, einheitliche Währung, Maße und Gewichte. Die gleichen Gesetze müssen für ganz Europa gelten. Ich werde alle seine Nationen zusammenschweißen“. War nun Napoleon ein Vordenker der europäischen Idee, oder vollendet die heutige EU napoleonische Träume? Während der höchsten Blüte des Napoleonischen Kaiserreichs im Jahr 1811 an Länderbestand und Volkszahl enthielt der Rheinbund: 4 Königreiche, 5 Großherzogtümer, 11 Herzogtümer, 16 Fürstentümer, zusammen 325.752 km² (5916 Quadratmeilen) mit 14.608.877 Einwohner und einem Kontingent (Heer) von 119.180 Mann.

Europa 1812, der Rheinbund nach der Annexion des Nordwestens durch Frankreich
Europa 1812, der Rheinbund nach der Annexion des Nordwestens durch Frankreich

Von den Staatsmännern und Publizisten der Rheinbundstaaten, aber auch von vielen aufrichtigen Patrioten wurde der Rheinbund als die Wiedergeburt Deutschlands, seine Verfassung als die Bürgschaft einer glücklichen und mächtigen Zukunft gepriesen, während der Rheinbund in Wirklichkeit ganz der Willkürherrschaft Napoleons preisgegeben war. Das Jahr 1813 machte dem Rheinbund dann endlich ein Ende. Die Herzöge von Mecklenburg-Schwerin und von Mecklenburg-Strelitz sagten sich bereits los, als Preußen sich mit Russland gegen Napoleon vereinigte. Der König von Sachsen und der Fürst-Primas, der Präsident des Bundes, blieben bis zuletzt getreu. Der König von Westfalen und der Großherzog von Berg gingen auf dem Wiener Kongress 1815 ihrer Throne verlustig, Würzburg kam an Bayern, die Fürsten von Isenburg und von und zu der Leyen, der Herzog von Arenberg und die Fürsten von Salm wurden mediatisiert, die übrigen Mitglieder des Bundes als souverän anerkannt.

Der Rheinbund als Mustervorlage für das heutige Deutschland?

Rheinbund und Bundesrepublik im Vergleich
Rheinbund und Bundesrepublik im Vergleich

Schaut man sich den Rheinbund „Rheinische Bundesstaaten“ etwas genauer an, so fallen sofort gewisse Ähnlichkeiten mit der heutigen Bundesrepublik Deutschland auf:

  • Der Rheinbund war 325.752 km², die Bundesrepublik ist heute 357.376 km² groß.
  • Damals wie heute ist Preußen draußen, 1806 geschlagen, seit 1947 amtlich für Tot erklärt.
  • Österreich ist, damals wie heute, ein eigener Staat.
  • Die Westgrenze bildet der Rhein (die Bundesrepublik jetzt aber mit einem linksrheinischen Gebiet) .
  • Die Ostgrenze ungefähr die Neisse (lediglich Brandenburg ragte als Teil Preußens in den Rheinbund hinein). Heute bilden im Osten die Flüsse Oder und Neisse die Grenze.
  • Zwischen Deutschland und Russland liegt, damals wie heute, ein großes Polen.
  • Der Rheinbund war, die Bundesrepublik ist ein föderaler Staat mit kleinen Ländern ohne eine starke Zentralgewalt.
  • Die Verfassung wurde nicht vom Volk bestimmt, sondern von den Siegern vorgegeben.
  • Beide staatlichen Gebilde besitzen nur eine eingeschränkte Souveränität. (Wolfgang Schäuble am 18.11.2011: „Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.https://www.youtube.com/watch?v=YWfy63Wmdlw)
  • Das Heer im Rheinbund, mit 17 Millionen Einwohnern bei rund 120.000, die Bundeswehr in der Bundesrepublik mit 80 Millionen Einwohnern (2018) 180.000.

Man könnte die Liste sicherlich noch weiter fortsetzen, aber belassen wir es hierbei.

„Und wir in Deutschland sind seit dem 8. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.“

Wolfgang Schäuble am 18.11.2011

Einen großen und entscheidenden Unterschied gibt es aber doch: Napoleon unterließ es auf Rücksicht auf den russischen Zaren 1807 Preußen endgültig zu zerschlagen und so konnte sich, zunächst von Ostpreußen heraus im Verein mit Russland, der Widerstand formieren – es war der Beginn des Befreiungskrieges: Schon zu Beginn des Herbstfeldzuges 1813 zeigte sich ein völliger Wandel bei den Verbündeten: Die preußische Landwehr unter Bülow überrennt die Franzosen bei Großbeeren, Blücher gewinnt die Schlacht an der Katzbach. Napoleon siegt zwar noch einmal bei Dresden, dann folgt aber Schlag auf Schlag: Kulm, Dennewitz, Wartenburg. 

Blüchers Sieg an der Katzbach
Blüchers Sieg an der Katzbach

Mitte Oktober zieht sich der „Kaiser des Abendlandes“ auf Leipzig zurück. Die drei Armeen der verbündeten Russen, Preußen und Österreicher umklammern ihn. Napoleon nimmt dennoch den Entscheidungskampf an. Vom 16. bis 18. Oktober tobt die Völkerschlacht bei Leipzig, anfangs für ihn erfolgreich, aber am 18. Oktober bricht sein Widerstand zusammen. Der Rückzug der Franzosen ist fluchtartig. Ende des Jahres ist Deutschland bis zum Rhein von französischer Fremdherrschaft befreit. Zu Beginn des Jahres 1814 marschieren die Armeen der Verbündeten auf Paris. Napoleon erringt mehrfache Erfolge. Erst Blüchers Sieg bei Laon öffnet den Weg auf Paris, das von ihm am 30. März 1814 genommen wird. Napoleon entsagt am 11. April dem Thron und geht nach Elba. 1815 kehrt er kurzzeitig zurück, wird aber dann bei Waterloo von Wellington und Blücher endgültig erledigt.

Leipzig, Einzug der Monarchen am 19. Oktober 1813 (Kaiser Franz I. von Österreich, Zar Alexander I. von Rußland und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen)
Leipzig, Einzug der Monarchen am 19. Oktober 1813

Der Rheinbund allein hätte sich ohne Preußen, und Preußen ohne die Waffenbrüderschaft mit Russland, niemals selbst befreien können, Österreich wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Diese kraftvolle deutsch-russische Allianz von 1814 hat einen tieferen Eindruck hinterlassen als wir uns heute vorstellen können. 

So kann man auch das Statement (2015) des Stratfor-Chefs George Friedman besser verstehen:

„Also, das primäre Interesse der Vereinigten Staaten durch das letzte Jahrhundert hindurch – also im Ersten, Zweiten und im Kalten Krieg – sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gewesen, denn vereinigt wären diese beiden die einzige Macht, die uns bedrohen könnte – und daher sicherzustellen, dass das nicht passiert.“ 

Stratfor-Chef George Friedman im Jahr 2015

Wer sich die wichtigsten Sequenzen seiner Aussagen in deutscher Übersetzung anhören möchte, kann das hier tun: https://youtu.be/vln_ApfoFgw

Leipzig, Völkerschlachtdenkmal
Leipzig, Völkerschlachtdenkmal

Napoleons Nachfolger haben aus diesem schweren Fehler gelernt, nur so ist es zu verstehen warum Preußen nach dem Ersten Weltkrieg im Versailler Vertrag so drastisch beschnitten wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg, zuvor von den Nationalsozialisten schon zerlegt und 1945 de facto völlig erledigt, noch einmal formell durch das Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 für aufgelöst erklärt wurde. Man wollte sicherstellen, dass es wirklich tot ist und nicht später wieder auferstehen kann.

Deutscher Krieg 1866 (ein Preuße, der französische Kaiser Napoleon III., ein Österreicher)
Napoleon III. im Jahr 1866 „Einem eben so dunklem als unverbürgten Gerücht zufolge sollen sich zwei Deutsche Gladiatoren gefunden haben, welche vor dem neuen Cesar einen Wettkampf zu dessen alleinigem Vergnügen zu veranstalten beabsichtigen.“ (zeitgenössische Karikatur)

Nun versteht man auch warum Napoleon III. (eine Neffe Napoleons I.) 1866 Preußen und Österreicher noch zusätzlich zum Krieg anheizte, nicht wie von Österreich erhofft in den Krieg eingriff und bei allem wortstarken Getöse auch nicht wirklich traurig war, als nach dem Deutschen Krieg das Deutschland des Deutschen Bundes wieder in drei Teile (Norddeutscher Bund, Süddeutschland und Österreich) zersplittern war. 1870 glaubte Napoleon III. daher auch, wie sein Onkel 1806, mit Preußen alleine fertig werden zu können, ein Irrtum in jeder Beziehung der ihm seinen Thron kostete.

Rheinbund 2.0

Am Rheinbund lässt sich sehr anschaulich die Deutschlandpolitik Frankreichs nachvollziehen. Schon 1915, als das Deutsche Reich noch 540.857,6 km² groß war, forderte Frankreich ein Deutschland von der Größe des Rheinbundes. 1945 bzw. 1989 war es dann passiert, Deutschland ist wieder so groß wie der ehemalige Rheinbund.

Deutschland nach französischen Plänen 1915
Deutschland nach französischen Plänen von 1915 mit Rhein- und Oder-Neisse-Grenze

1989 trafen sich Margret Thatcher, von 1979 bis 1990 Premierministerin des Vereinigten Königreichs, die für ihre Skepsis zur deutschen Wiedervereinigung bekannt war und François Mitterrand, von 1981 bis 1995 französischer Staatspräsident, der seine Befürchtungen etwas besser verbergen konnte, zu einen Gespräch, um zu beratschlagen ob und wie eine Wiedervereinigung verlangsamt, wenn schon nicht verhindert werden könne. Mitterand meinte, Deutschland werde seinen Wunsch nach Wiedervereinigung erfüllen und Österreich in die damalige Europäische Gemeinschaft bringen und gipfelte in der Aussage: „Sie können mehr Territorium gewinnen, als sie unter Hitler hatten.“ Siehe auch https://www.tagesspiegel.de/politik/historie-die-deutschen-gewinnen-mehr-territorium-als-unter-hitler/1597586.html

Die Aussage wurde zwar vom früheren französischen Außenminister Roland Dumas in einem Spiegel-Interview bestritten, steht aber genau so in den Akten des britischen Außenministeriums aus jener Zeit. Siehe auch http://www.spiegel.de/politik/ausland/mitterrands-angeblicher-hitler-vergleich-beleidigend-und-historisch-falsch-a-648618.html

"So wollten unsere Feinde Europa nach dem Kriege gestalten." Extra-Ausgabe der "Wiener Zeitung" vom 23. Mai 1915.
„So wollten unsere Feinde Europa nach dem Kriege gestalten.“ Extra-Ausgabe der „Wiener Zeitung“ vom 23. Mai 1915.

Mitterrand schrieb schon 1938 in Politique, S. 6.: „L’Autriche est allemande! L’Autriche, c’est la culture allemande! L’Autriche, c’est le complément nécessaire d’un Empire germanique.“ Eine Aussage die man auch ohne Französischkenntnisse verstehen kann.

Der langjährige EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) meinte am 9. Dezember 2010 bei „Maybrit Illner“ (eine Talkshow im ZDF), dass das ganze Projekt „Europäische Einheit“ nur wegen Deutschland notwendig geworden sei. Es sei darum gegangen und gehe noch immer darum, „Deutschland einzubinden, damit es nicht zur Gefahr wird für andere„.

…dass das ganze Projekt „Europäische Einheit“ nur wegen Deutschland notwendig geworden sei. Es sei darum gegangen und gehe noch immer darum, „Deutschland einzubinden, damit es nicht zur Gefahr wird für andere„.

Günter Verheugen (SPD) im Jahr 2010

Wer nun also immer noch meint Napoleons Rheinbund sei Schnee von gestern versteht die geschichtlichen Zusammenhänge nicht.

Quellenhinweise:

  • „Meyers Konversations-Lexikon“ 5. Auflage in 17 Bänden 1893 – 1897
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908
  • „Meyers Kleines Konversations-Lexikon“, 7. Auflage in 6 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1908
Tinte

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