Alfred Graf von Waldersee, preußischer General und Oberbefehlshaber in China 1900/01
Das Geschlecht der Grafen von Waldersee, nach dem Schloss Waldersee bei Dessau in Anhalt genannt, stammt von einem unehelichen Sohn des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (* 10.08.1740 – † 09.08.1817) ab, der von König Friedrich Wilhelm II. von Preußen in den preußischen Grafenstand versetzt wurde. Dessen Sohn, Graf Franz Heinrich von Waldersee (* 25.04.1791 – † 16.01.1873), war General der Kavallerie, sein Bruder, Graf Friedrich von Waldersee (* 21.07.1795 – † 15.01.1864), von 1854–58 preußischer Kriegsminister, war auch ein bekannter Militärschriftsteller.
Alfred Graf von Waldersee wurde am 8. April 1832 als Sohn des Generals Grafen Franz Heinrich von Waldersee in Potsdam geboren. Er trat 1850 aus dem Kadettenkorps in die Gardeartillerie ein, wurde 1862 Hauptmann und 1865 Adjutant des Prinzen Karl. Während des Deutschen Krieges 1866 wurde er in den Generalstab versetzt, machte im Hauptquartier den böhmischen Feldzug mit und kam darauf als Major zum Generalkommando in Hannover.
Während des Deutsch-Französischen Krieges wurde er 1870 Militärattaché in Paris und, nachdem er zuerst im großen Hauptquartier, dann als Generalstabschef des Großherzogs von Mecklenburg tätig war, 1871 Kommandeur des 13. Ulanenregiments in Hannover.
1873 wurde er Chef des Generalstabes des 10. Korps, 1876 Generalmajor, 1881 Generalquartiermeister im Großen Generalstab und 1882 Generalleutnant. Im Jahr 1888 wurde Waldersee Moltkes Nachfolger in der Stelle Chef des Generalstabes und General der Kavallerie. Nach Bismarcks Entlassung 1890 wurde allgemein erwartet (und auch von Waldersee erhofft) Nachfolger im Amt des Reichskanzler zu werden, aber Kaiser Wilhelm II. entschied sich für General von Caprivi. Bei den Herbstmanövern 1890 besiegte Waldersee den Kaiser und tadelte ihn anschließend streng und zwar vor zahlreichen Generalen, fremden Militärattaches und Bundesfürsten. Nach privaten Differenzen mit Kaiser Wilhelm II. tritt Waldersee 1891 als Generalstabschef zurück und wird Kommandierender General des 9. Armeekorps in Altona. 1895 Generaloberst der Kavallerie geworden, erhielt er 1898 die 3. Armeeinspektion in Hannover.
Im August 1900 übernahm er das Oberkommando über das internationale Aufgebot zur Unterdrückung des Boxeraufstandes in China. Am 22. September 1900 landete er in Schanghai, traf am 17. Oktober in Peking ein und trat nach Auflösung des Ostasiatischen Expeditionskorps am 23. Juni 1901 die Heimreise an. Das Ergebnis des Auslandseinsatzes fiel recht dürftig aus, da Russen und Japaner den Aufstand bereits fast niedergeschlagen hatten. Waldersee erreichte China nur noch rechtzeitig, um bei den Friedensverhandlungen dabeizustehen und von den Streitigkeiten Englands und Russlands um die Shanhaikwan-Eisenbahn geplagt zu werden.
Nach der Heimkehr übernahm Waldersee wieder die Geschäfte des Generalinspekteurs in Hannover. Alfred Graf von Waldersee starb am 5. März 1904 im Alter von 71 Jahren in Hannover. Seine Leiche wurde in Waterneverstorff in Holstein beigesetzt.
Vermählt war Waldersee seit 14. April 1874 mit der US-Amerikanerin Mary Esther Lee (1837-1914), verwitwete Fürstin von Noer.
Um Alfred Graf von Waldersee ranken sich eine Vielzahl von Legenden. Man erzählte sich, dass er zum Übungen und Manövern nie ein Messtischblatt mitnahm. „Man soll nicht den Kopf in den Karten haben, sondern die Karten im Kopf!“ Und tatsächlich kannte er, ohne einen Blick auf die Karte zu werfen, jedes Bahnwärterhaus und jeden trigonometrischen Punkt im Gelände. Eine weitere Merkwürdigkeit beschreibt Jochim von Kürenberg, der Verfasser einer Biografie Kaiser Wilhelms II., in „War alles falsch?“: „Waldersee besaß einen Raben, der während sein Herr im Roten Haus am Königsplatz arbeitete, auf einem Stein im Hofe des Gebäudes saß und wartete bis Waldersee erschien; dann setzte sich der schwarze Vogel auf das goldene Schulterstück seines Herrn, der so mit ihm den Hof verließ, während die Wachen vor Beiden präsentierten. Dieser Rabe ließ sich von niemand anfassen, auch nicht vom Kaiser, der sich vergeblich um seine Gunst bemühte.“
Kürrenberg beschreibt auch Waldersees Hang zur Bigotterie (Scheinheiligkeit), „von Frömmigkeit konnte man nicht mehr reden. Von seiner Frau war er in eine religiöse Sekte eingeführt worden… In Berlin hielt man die Gräfin, die unter „Erscheinungen und Eingebungen“ litt, allgemein für übergeschnappt.“
Alfred Graf von Waldersee konnte sein militärisches Genie nie wirklich unter Beweis stellen. Mehrfach brachte er bei Kaiser Wilhelm II. einen Präventivkrieg gegen Russland bzw. Frankreich ins Gedankenspiel, den der Kaiser aber immer ablehnte. Nachfolger Waldersees wurde General von Schlieffen, nach dessen Plan, den Schlieffen-Plan, versuchten die Deutschen 1914 vergeblich den Zweifrontenkrieg für sich zu entscheiden.
HAPAG-Dampfer Graf Waldersee
Am 10. Dezember 1898 erfolgte der Stapellauf des Dampfers Graf Waldersee auf der Werft Blom & Voss in Hamburg. Die Jugfernfahrt des mit 12.830 BRT und 179,4 Meter langen Schiffes der HAPAG erfolge am 2. April 1899 nach New York. 1922 wurde das Schiff in Hamburg abgewrackt.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908
- Fotos aus „Woche“ Berliner August Scherl Verlag, Ausgaben 1900 – 1904
- „War alles falsch?“, Joachim von Kürenberg, Athenäum-Verlag – Bonn 1951
- Dampfer Graf Waldersee
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