S.M.S. Hertha (1897), Großer Kreuzer der Kaiserlichen Marine, technische Angaben und Geschichte in alten Postkarten.
S.M.S. Hertha (1897) – Angaben
Name: | Hertha |
Namensherkunft: | Hertha, nach der germanischen Gottheit Nerthus, auch Sagengestalt auf Rügen |
Stapellauf: | 14.04.1897 in Stettin (AG Vulkan) |
Schiffsklasse: | Victoria Louise-Klasse, Großer Kreuzer |
Schwesterschiffe: | S.M.S. Hansa (1898), S.M.S. Vineta (1897), S.M.S. Freya (1897), S.M.S. Hertha (1897), S.M.S. Victoria Louise (1897) |
Besatzung: | ca. 465 Mann |
Maße: | Länge 105 m, Breite 17 m, Tiefgang 6,3 m |
Wasserverdrängung: | 5660 Tonnen |
Maximale Geschwindigkeit: | 19 kn |
Bewaffnung: | 2 Schnellfeuerkanonen Kaliber 21 cm, 8 Schnellfeuerkanonen Kaliber 15 cm, 10 Schnellfeuerkanonen Kaliber 8,8 cm, 10 Maschinenkanonen 3,7 cm, Torpedos |
Ende: | 1920 abgewrackt |
S.M.S. Hertha (1897) – Geschichte
Von 1895 an wurden die großen Kreuzer der „Victoria Louise“-Klasse gebaut. Hier zeigte sich der französische Einfluss auf die Formgebung der Schiffe in Gestalt des hohen Rumpfs mit glockenförmigem Querschnitt, Geschützerker und Schwalbennester, stark gegliederte Gefechtsmasten und Rammbug.
Die Bewilligung der Mittel im Reichstag für die Kreuzer der Victoria Louise-Klasse erfolgte erst nach heftigen Auseinandersetzungen der Parteien. Reichskanzler von Caprivi erreichte ein günstiges Ergebnis der Budget-Kommission nur Dank der Unterstützung von 16 Abgeordneten der polnischen Reichstagsfraktion unter ihres Fraktionsführers von Koszielski. Die durch Zugeständnisse erkaufte Zustimmung trug von Koszielski den Spitznamen „Admiralski“ ein und S.M.S. Hertha den Spitznamen „Koscielka“.
Der Stapellauf des Kreuzers II. Klasse erfolgte am 14. April 1897 in Stettin (A. G. Vulcan). Die Schiffstaufe vollzog der Sohn des Prinzregenten Luitpold von Bayern, der spätere König Ludwig III. Am 20. April 1998 begann die Abnahmeprobefahrt von Stettin nach Kiel. Die Kreuzer der Victoria Louise-Klasse wiesen nach ihrer Fertigstellung erheblich Mängel in der Kesselanlage auf. Eine zu kurze Flammenführung zwischen den Röhren führte zu einer starken Überhitzung der Rauchfänge und Schornsteine, was deren starkes Zusammensacken zur Folge hatte. Trotzdem begleitete S.M.S. Hertha neben S.M.S. Hela das Kaiserpaar auf der Kaiserliche Yacht S.M.S. Hohenzollern auf ihrer Reise in den Nahen Osten. Über Gibraltar und Venedig besuchte der Verband Konstantinopel (Istanbul), Haifa, Jaffa und Port Said. Nach einem Einsatz auf der Insel Kreta ging der Kreuzer am 14. November 1998 nach Genua um die dringend notwendigen Reparaturarbeiten an den Kesselanlagen durchzuführen.
Nach Beendigung der Reparaturarbeiten verließ S.M.S. Hertha am 11. April 1899 die Werft, um sich dem in Ostasien stationierten Kreuzergeschwader anzuschließen. Über Singapore erreichte das Schiff am 8. Juni 1899 Tsingtau im deutschen Pachtgebiet Kiautschou, wo es S.M.S. Kaiser (1874) ablösen konnte. Am 17. Februar 1900 setzte Vizeadmiral Bendemann seine Flagge auf S.M.S. Hertha und übernahm das Geschwaderkommando. Das Kreuzergeschwader bestand zu diesem Zeitpunkt aus S.M.S. Hertha, S.M.S. Hansa, S.M.S. Kaiserin Augusta, S.M.S. Gefion, S.M.S. Irene, S.M.S. Iltis und S.M.S. Jaguar.
Nach Ausbruch des Boxeraufstandes in China spitze sich die Lage der ausländischen Gesandten in Peking dramatisch zu. Unter dem britischen Vizeadmiral Seymour versuchte ein internationaler Truppenverband über Tientsin (Tianjin) nach Peking zu gelangen, um die inzwischen eingeschlossenen Gesandtschaften zu befreien. S.M.S. Hertha stellte unter Kapitän zur See von Usedom als Führer des Verbandes 4 Offiziere und 120 Unteroffiziere und Mannschaften.
Guido von Usedom
* 02.10.1854 in Quanditten (Ostpreußen)
† 24.02.1925 in Schwerin
Kommandant S.M.S. Pfeil, S.M.S. Jagd, S.M.S. Hagen, S.M.S. Hertha, S.M.S. Hohenzollern.
1908 Vizeadmiral, 1915 Pour le Mérite, 1916 Admiral.
Der internationale Truppenverband kam jedoch nach zahlreichen Angriffen der „Boxer“ nur bis Langfang. Bei den Kämpfen gab Vizeadmiral Seymour seinen berühmten Befehl „The Germans to the front!“ den der Maler Carl Röchling in einem Gemälde glorifizierend darstellt. Die Deutschen gingen in die vorderste Kampflinie und kämpften den Rückweg frei. Usedom ersetzte damals den verletzten Führer der britischen Kampflinie , Capitain Jellicoe, den späteren Führer der britischen Seestreitkräfte in der Seeschlacht vor dem Skagerrak 1916.
Die internationalen Verbände konnten mit den eingeschlossen Gesandtschaften keine Nachrichtenverbindung mehr aufnehmen, nach Meldungen der britischen Zeitung „Daily Mail“ sollten alle Ausländer und tausende chinesischer Christen umgebracht worden sein. In London setzte das britische Königshaus eine große Trauerfeier in der St. Pauls Kathedrale an und Kaiser Wilhelm II. hielt unter dem Eindruck dieser Zeitungsente seine berühmt berüchtigte „Hunnenrede„.
Als die internationalen Truppen Gerüchte von der Ermordung des deutschen Botschafters Freiherr von Kettler erhielten und befürchten mussten, dass weitere Botschaftsangehörige in Lebensgefahr schwebten, marschierten sie, dieses Mal besser vorbereitet, am 4. August 1900 Richtung Peking. Vizeadmiral von Bendemann entsandte daraufhin 200 Mann von S.M.S. Hansa und 150 Mann der „Hertha“ unter dem Kommando des Hansa-Kommandanten Kapitän zur See Hugo Pohl zur Unterstützung. Diese trafen aber erst 4 Tage nach den internationalen Truppen am 18. August in Peking ein. Nach dem Eintreffen des neuen Panzerkreuzer S.M.S. Fürst Bismarck stieg Vizeadmiral von Bendemann auf sein neues Geschwaderflaggschiff über und S.M.S. Hertha brachte den aus Deutschland eingetroffen Generalfeldmarschall Graf von Waldersee nach Taku-Reede, wo das Schiff den Rest des Jahres ankerte.
Am 8 /19. Juni 1901 brachte S.M.S. Hertha Graf von Waldersee nach Kobe zum Besuch des japanischen Kaisers. Nach längerer Zeit in Tsingtau/Kiautschou brachte das Schiff Vizeadmiral von Bendemann nach Singapore, wo er am 19. Februar 1902 seinen Nachfolger, Vizeadmiral Geißler, die Führung des Geschwaders übergab. Vom 25. März bis zum 5. Mai 1902 wurde S.M.S. Hertha in Uraga (Japan) einer Grundreparatur unterzogen und begab sich anschließend wieder nach Tsingtau/Kiautschou. Am 9. August 1902 geriet das Schiff östlich von Formosa (Taiwan) in einen schweren Taifun, was zu einem schweren Wassereinbruch im Schiff führte. Anfang 1903 unterzog man S.M.S. Hertha in Nagasaki der Jahresüberholung. Im Jahr 1904 befuhr man gemeinsam mit S.M.S. Fürst Bismarck den Jangtsekiang bis Hankau (Wuhan) 586 sm stromaufwärts.
Am 31. Dezember 1904 begab sich S.M.S. Hertha über Port Mahe und Daressalam in Deutsch-Ostafrika ins Mittelmeer, wo das Schiff sich vom 5. bis 8. April 1905 mit S.M.S. Hohenzollern traf. Am 15. Mai 1905 erreichte der Kreuzer Kiel, wo er außer Dienst gestellt wurde. Alle Schiffe der Victoria Louise-Klasse wurden nun zu Seekadettenschiffen umgebaut. Der Umbau von S.M.S. Hertha erfolgte von 1906 bis 1908. Durch den Einbau neuer Schiffsmaschinen änderte sich die Silhouette der Schiffe durch das Entfernen eines Schonstein wesentlich. Am 7. April 1908 wurde S.M.S. Hertha wieder in Dienst gestellt und fuhr mit dem Taufpaten, Prinz Ludwig von Bayern, über Bornholm nach Swinemünde. Von hier ging es über Bremerhaven, Norwegen, Schottland, Irland, die Kanarischen Inseln, die Balearen in das Mittelmeer. Dort traf S.M.S. Hertha mit dem Schwesterschiff S.M.S. Victoria Louise am 30. Dezember 1908 vor Korfu zusammen.
Kurz zuvor hatte in der Straße von Messina, der Meerenge zwischen Kalabrien und er Insel Sizilien, ein sehr schweres Erdbeben stattgefunden. Beladen mit 20 Tonnen Lebensmittel, mehreren hundert Decken, Mäntel und weiteren Hilfsmitteln ankerte S.M.S. Hertha am 31. Dezember 1908 vor dem völlig zerstörten Messina. Neben dem Schwesterschiff S.M.S. Victoria Louise beteiligten sich auch 6 britische, 5 russische, 5 französische und 1 dänisches Kriegsschiff an der Vororthilfe, da die italienischen Behörden anfänglich völlig überfordert waren. Rund 1000 Überlebende brachten die beiden NDL-Dampfer „Therapia“ und „Bremen“ nach Neapel. Die italienische Königin besuchte anschließend S.M.S. Hertha und sprach der Besatzung ihren Dank aus. Nach Abschluss der Hilfeleistungen trat das Schiff am 23. Januar 1909 die Heimreise nach Kiel an, wo es am 15. März eintraf.
Die Ausbildungsreise 1909 führte über Norwegen, New York (Teilnahme an der Hudson-Fulton-Feier) in die Karibik. Die folgende Fahrt 1910 führte über Norwegen in die Ostsee und am 15. August in das Mittelmeer und endete am 7. März 1911 in Kiel. Die Reise 1911 führte über Stockholm, Norwegen und Schottland und endete in Wilhelmshaven. Die nächste Reise starte am 21. August 1911, führte zu den westindischen Inseln und endete am 11. März 1912. Nach Ausbruch des Balkankrieges erhielt S.M.S. Hertha am 2. November 1912 den Befehl nach der Levante im östlichen Mittelmeer zu gehen und die dortigen Deutschen zu beschützen. Bis Mitte Februar 1913 war das Schulschiff kurzzeitig Teil der neu gebildeten Mittelmeer-Division unter dem Flaggschiff S.M.S. Goeben. Nach einer Überholung in Kiel begann die nächste Ausbildungsfahrt am 29. Mai 1913 und führte bis nach Norwegen.
Die letzte große Atlantikreise starte am 15. August 1913 und führte zunächst nach Halifax (Neuschottland, Kanada), weiter nach Vera Cruz (Mexiko) und die Antillen. Am 13. März 1914 ankerte S.M.S. Hertha wieder in Kiel. Die letzte Ausbildungsfahrt mit 75 Seekadetten führte über die westliche und mittlere Ostsee zunächst nach Norwegen. Als letztes Schiff der Kaiserlichen Marine in Friedenszeiten besuchte S.M.S. Hertha vom 22 bis 25. Juli 1914 in Edinburgh einen britischen Hafen vor Kriegsausbruch.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 28. Juli 1914 wurde S.M.S. Hertha der V. Aufklärungsgruppe in der Nordsee zugeteilt. Da die Schulschiffe der Victoria Louise-Klasse wegen ihrer ungenügenden Panzerung für den Kriegseinsatz völlig ungeeignet waren, wurden es bereits am 16. November 1914 wieder außer Dienst gestellt. Bis Kriegsende diente das Schiff noch als Wohnschiff in Flensburg, wurde am 6. Dezember 191 aus der Liste der Kriegsschiffe gestrichen und 1920 in Audorf bei Rendsburg abgewrackt.
Während des Boxeraufstandes in China gefallene Besatzungsmitglieder:
Seymour-Expedition im Jahr 1900
- Matrose Jakob Baatz aus Oberweiß, Kreis Bitburg, am 18. Juni, 1 Schuss in die Brust, 2 Schüsse in den Unterleib
- Matrose Heinrich Grafe aus Holsterhausen, Kreis Gelsenkirchen verwundet am 18. Juni, gestorben am 28. Juni, Lungenschuss
- Matrose Heinrich Herkenrath aus Rheydt, verwundet am 22. Juni, verstorben 29. Juni, Schuss in den rechten Oberschenkel
- Matrose Paul Woyack aus Holländer, Kreis Friedeberg V.-M, verwundet am 21. Juni, gestorben am 2. Juli, Schuss in den rechten Unterarm
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Das Buch von der Deutschen Flotte“, von R. Werner, Verlag von Velhagen und Klasing – Bielefeld und Leipzig 1880
- „Deutschlands Seemacht“ von Georg Wislicenus – Verlag Friedrich Wilhelm Grunow, Leipzig 1896
- „Die Heere und Flotten der Gegenwart – Deutschland“ 1898
- „Bilder aus der deutschen Seekriegsgeschichte“ von Vizeadmiral a.D. Reinhold Werner – München 1899
- „Nauticus – Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen“ 1899-19
- „Überall“ Illustrierte Zeitschrift für Armee und Marine, Jahrgänge
- „Das Buch von der Deutschen Flotte“, von R. Werner, Verlag von Velhagen und Klasing – Bielefeld und Leipzig 1902
- „Deutschland zur See“ von Victor Laverrenz, Berlin 1900
- „Marine-Album“ Berlin 1910
- „Deutschland zur See“ Illustrierte Wochenschrift, Zeitschrift des Vereins „Marinedank“, Berlin, Jahrgänge
- „Der Völkerkrieg – Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1.Juli 1914“ Verlag von Julius Hoffmann, Stuttgart 1914-1922
- „Taschenbuch der Kriegsflotten“, J.F. Lehmann’s Verlag, München Jahrgänge von 1900 bis 1936
- „Kennung der deutschen Kriegsschiffe und Torpedoboote“ – Admiralstab der Marine 1917
- „Das Reichsarchiv“ Band 1 – 36, Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1924
- „Unsere Marine im Weltkrieg 1914-1918“ Vaterländischer Verlag Berlin 1927
- „Deutsche Seefahrt“ – von Trotha und König, Otto Franke/ Verlagsgesellschaft Berlin – Birkenwerder 1928
- „Marinearchiv“ Band I und II Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1931
- „Unsere Marine – Schiffsbilder“, Bilder der Reichsmarinesammlung im Museum für Meereskunde zu Berlin (1930)
- „So war die alte Kriegsmarine“ von Eberhard von Mantey – Berlin 1935
- „Die deutschen Kriegsschiffe“, Groener 1966
- „Die Deutschen Kriegsschiffe“, Hildebrand/Röhr/Steinmetz
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