Das Großherzogtum Hessen (1806 – 1918) in detaillierter Übersicht, Geschichte in alten Ansichtskarten.
Darmstadt ist die Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Hessen.
Großherzogtum Hessen 1806 – 1918
Das Großherzogtum Hessen ist ein deutscher Bundesstaat, besteht aus zwei durch preußisches Gebiet getrennten Hauptteilen nebst elf kleinern Exklaven und liegt mit seinen Hauptteilen zwischen 7°51´ und 9°39´ östlicher Länge und 49°24´ und 50°50´ nördlicher Breite.
Das südliche Hauptgebiet wird durch den Rhein in die Provinzen Starkenburg und Rheinhessen getrennt und grenzt nördlich an Preußen, östlich an Bayern und Baden, südlich an Baden, westlich an die bayrische Rheinpfalz und Rheinpreußen; der nördliche Hauptteil umfasst die Provinz Oberhessen und wird gänzlich von Preußen umschlossen.
Von den Exklaven sind die größten die zusammenhängenden Gemarkungen Wimpfen a. Berg, Wimpfen i. Tal und Hohenstadt, an Baden und Württemberg grenzend, die mit Baden gemeinschaftliche Gemarkung Kürnbach und die Gemarkung Helmhof mit Forstbezirk, beide von Baden umschlossen, sowie die von Preußen umschlossene Gemarkung Steinbach, sämtlich zur Provinz Starkenburg gehörig. Die zur Provinz Oberhessen gehörenden Parzellen (mehrere Walddistrikte) liegen südwestlich von dieser Provinz in preußischem Gebiet. Enklaven fremder Staaten (Preußen und Baden) sind acht von hessischem Gebiet eingeschlossen.
Das Großherzogtum Hessen ist zusammengesetzt teils aus den älteren Ländern, nämlich der Obergrafschaft Katzenelnbogen (1567) und dem größern Teil von Oberhessen (1584 und 1627), teils aus den seit 1803 zur Entschädigung und durch Tausch hinzugekommenen Teilen von Kurpfalz und Kurmainz, dem Bistum Worms, der Abtei Seligenstadt, den ehemaligen Reichsstädten Worms, Friedberg und Wimpfen und einem Teil des ehemaligen französischen Departements Donnersberg (Provinz Rheinhessen, ferner den Standesherrschaften Isenburg, Solms, Schlitz, Stolberg, Erbach, Löwenstein-Wertheim etc. sowie den reichsritterschaftlichen Besitzungen der Familien Riedesel, Löw, Wambolt, Gemmingen etc.
Neben dem Großherzogtum Hessen existiert im Deutschen Reich (Kaiserreich) die preußische Provinz Hessen-Nassau mit Kassel als Verwaltungshauptstadt.
Wappen:
- Das große Staatswappen des Großherzogtums Hessen ist ein Schild je zweimal gespalten und geteilt mit Mittelschild, der das kleine Staatswappen zeigt. Oben die Felder mit den Figuren von Hessen, Mainz und Worms, zu Seiten des Mittelschildes Ziegenhain und Katzenelnbogen, unten Büdingen, Hanau und Nidda. Auf dem Schilde stehen die Helme von Hessen, Mainz. Katzenelnbogen, Ziegenhain und Hanau. Als Schildhalter dienen zwei gekrönte, rot bewehrte, auf Rasen stehende Löwen.
- Das kleine Staatswappen des Großherzogtums Hessen ist ein in Blau ein von Silber und Rot zehnfach quergestreifter, golden gekrönter und bewehrter, schwert schwingender Löwe. Auf dem Schilde ruht eine zwei bügelige Königskrone.
Landesfarben Hessens:
Die Farben des des Großherzogtums Hessen sind Rot und Weiß.
Orden:
Orden und Ehrenzeichen des Großherzogtums Hessen sind:
- der Ludwigsorden
- der goldene Löwenorden
- das Militärverdienstkreuz
- das Militärsanitätskreuz
- der Verdienstorden Philipps des Großmütigen
- die Verdienstmedaille für Wissenschaft, Kunst, Industrie und Landwirtschaft
- ein allgemeines Ehrenzeichen
- ein Ehrenzeichen für Verdienste während der Wassersnot 1882/83
- ein Ehrenzeichen für Hof- und Militärdienst für 25 und 50 Dienstjahre
- die Militärdienstalterszeichen für 9,10,15,20 und 21 Dienstjahre
- die Landwehrdienstauszeichnung
- das militärische Erinnerungszeichen an den Großherzog Ludwig I.
- das Felddienstzeichen und die Rettungsmedaille
Bundesrat:
3 Stimmen
Reichstag:
9 Abgeordnete
Landesparlament:
Das Großherzogtum Hessen ist eine konstitutionelle Monarchie mit einem 2 Kammersystem:
- Die Erste Kammer besteht aus den Prinzen des großherzoglichen Hauses, den Häuptern der standesherrlichen Familien, dem Senior der freiherrlichen Familie von Riedesel, einem protestantischen Geistlichen, welchen der Großherzog auf Lebenszeit mit der Würde eines Prälaten ernennt, dem katholischen Landesbischof, dem Kanzler der Landesuniversität, 2 von dem angesessenen Adel aus seiner Mitte gewählten Mitgliedern und aus höchstens 12 vom Großherzog auf Lebenszeit berufenen ausgezeichneten Staatsbürgern.
- Die Zweite Kammer besteht aus 10 Deputierten der Städte (Darmstadt 2, Mainz 2, Gießen, Offenbach, Friedberg, Alsfeld, Worms, Bingen je 1) und 40 Abgeordneten der kleineren Städte und Landgemeinden. Die Ernennung der Abgeordneten für die Zweite Kammer geschieht durch indirekte Wahl.
Der Großherzog beruft, vertagt und löst die Ständeversammlung auf oder schließt dieselbe, die wenigstens alle drei Jahre einberufen werden muss. Erfolgt die Auflösung derselben, so wird binnen sechs Monaten eine neue einberufen, zu welcher neue Wahlen stattfinden müssen. Ohne Zustimmung der Stände kann weder eine direkte noch indirekte Steuer ausgeschrieben oder erhoben werden. Das Finanzgesetz wird auf drei Jahre festgelegt und muss zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt werden, welche die Beschlüsse zu fassen hat, die von der Ersten Kammer nur im ganzen angenommen oder verworfen werden können. Im letzteren Fall wird das Finanzgesetz in einer gemeinschaftlichen Sitzung beider Kammern, unter dem Vorsitz des Präsidenten der Ersten, diskutiert und der Beschluss nach absoluter Stimmenmehrheit gefasst. Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz, auch in Beziehung auf das Polizeiwesen, gegeben, aufgehoben oder abgeändert werden. Das Recht der Initiative steht dem Großherzog zu, während die Stände nur auf dem Weg der Petition auf neue Gesetze oder auf Abänderung und Aufhebung bestehender antragen können. Den Präsidenten der Ersten Kammer ernennt der Großherzog, den der Zweiten wählt derselbe aus drei ihm hierzu vorgeschlagenen Kandidaten. Die Sitzungen der Kammern sind öffentlich. Die Minister sind verantwortlich und können von den Ständekammern in Anklagestand versetzt werden.
Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Jedem ist vollkommene Gewissensfreiheit zugesichert, und die Freiheit der Person und des Eigentums ist keiner anderen Beschränkung unterworfen, als welche Recht und Gesetz bestimmen. Die Verschiedenheit des Religionsbekenntnisses hat keine Verschiedenheit in den politischen und bürgerlichen Rechten zur Folge. Niemand soll seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Die früheren Vorrechte der Standesherren etc., welche in der Ausübung von Hoheitsrechten bestanden, sind seit 1848 erloschen.
Hauptstadt des Großherzogtums Hessen:
Darmstadt = 83 385 Einwohner (1905) = 49. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
Größe des Großherzogtums Hessen:
7688,82 km² (139,51 Quadratmeilen)
Gerichtsbarkeit:
Im Großherzogtum Hessen bestehen (1888) ein Oberlandesgericht in Darmstadt (letzte Instanz, insofern nicht als solche das Reichsgericht in Leipzig zuständig ist), drei Landgerichte in Darmstadt, Gießen und Mainz (für jede Provinz eins), Schwurgerichte in Darmstadt, Gießen und Mainz, Kammern für Handelssachen in Darmstadt, Offenbach, Gießen, Mainz und Worms, 49 Amtsgerichte, ein Rhein-Schifffahrtsgericht zu Mainz, ferner eine kaiserliche Disziplinarkammer in Darmstadt sowie Militärgerichte.
Das Großherzogtum Hessen bildet (1910) des Bezirk des Oberlandesgerichts Darmstadt, zu welchem 3 Landgerichte mit 53 Amtsgerichten gehören:
Oberlandesgericht Darmstadt
- Landgericht Darmstadt mit den Amtsgerichten Beerfelden, Bensheim, Darmstadt I, Darmstadt II, Dieburg, Fürth (Odenwald), Gernsheim, Großgerau, Großumstadt, Kirchhorn (Neckar), Höchst (Odenwald), Lampertheim, Langen (Bz. Darmstadt), Lorsch (Hessen), Michelstadt, Offenbach (Main), Richelsheim (Odenwald), Reinheim (Hessen), Seligenstadt (Hessen), Wald-Michelbach, Wimpfen und Zwingenberg (Hessen).
- Landgericht Gießen mit den Amtsgerichten Alsfeld, Altenstadt (Hessen), Bad Nauheim, Büdingen, Butzbach, Friedberg (Hessen), Gießen, Grünberg (Hessen), Herbstein, Homberg (Oberhessen), Hungen, Laubach (Hessen), Lauterbach (Hessen), Lich, Nidda, Ortenberg (Hessen), Schlitz, Schotten, Ulrichstein und Vilbel.
- Landgericht Mainz mit den Amtsgerichten Alzey, Bingen (Rhein), Mainz, Niederolm, Oberingelheim, Oppenheim, Osthofen (Rheinhessen), Pfeddersheim, Wöllstein (Hessen), Wörrstadt und Worms.
Zur Strafverbüßung dienen: ein Landeszuchthaus in Marienschloß, eine Zellenstrafanstalt in Butzbach, je ein Gefängnis in Darmstadt und Mainz, 3 Provinzialarresthäuser in Darmstadt, Mainz und Gießen, 47 Haftlokale (Untersuchungs- und Strafanstalten) an den Amtsgerichtssitzen (4 weitere Haftlokale sind mit den Provinzialarresthäusern vereinigt), ein Arbeitshaus in Dieburg und ein Filialarbeitshaus in Gießen, zur Verbüßung von Nachhaft.
Einwohner:
Die Bevölkerung betrug nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 = 1.282.123 Einwohner:
- 639.252 männlich
- 642.871 weiblich
Klima:
Besonders mild in der Rheinebene und in der Wetterau; rau im Vogelsberg
Gewässer:
Rhein, Untermain, Nidda mit Wetter; Schwalm, in der Ost-Ecke die Fulda.
Bewohner:
Die Bewohner des Großherzogtums gehören der Abstammung nach (mit Ausnahme weniger germanisierter Franzosen und Wallonen) dem hessischen oder westfränkischen Zweig des oberdeutschen Stammes an. Franken vom Stamm der Chatten (Rheinfranken im Hauptland und Hessen in Oberhessen).
Bevölkerungsdichte:
158/km²
Bildung:
Die Bildung im Großherzogtum Hessen ist vorbildlich organisiert. Von den 49 025 in den Jahren 1868-85 in das Militär eingestellten Mannschaften waren nur 141 Personen = 0,29 Prozent ohne Schulbildung. Die oberste Landesbehörde für Schulsachen ist das Ministerium des Innern und der Justiz, mit einer besondern Abteilung für Schulangelegenheiten (an Stelle der aufgehobenen Oberstudiendirektion), unter welcher die 18 Kreisschulkommissionen in den einzelnen Kreisen stehen. Die Kosten für die Volksschulen werden in der Regel von den Gemeinden bestritten. Anfang 1885 zählte man im Land 987 Volksschulen mit 81 962 Schülern und 82 888 Schülerinnen; daneben 875 Fortbildungsschulen mit 21 283 Schülern, 3 Schullehrerseminare in Friedberg, Bensheim, beide verbunden mit Taubstummenanstalten, und in Alzey, ein Lehrerinnenseminar (verbunden mit der höheren Mädchenschule in Darmstadt), 3 Schullehrer Präparandenanstalten in Lindenfels, Lich und Wöllstein. Waisenhäuser bestehen in Mainz (2) und Sandbach (1), auch sorgt eine Landeswaisenanstalt (mit beträchtlichen Fonds) für die Unterkunft der Waisen. Höhere Mädchenschulen (mit staatlicher Anerkennung) bestehen in Darmstadt, Offenbach, Gießen und Worms. Gymnasien gibt es 7: in Darmstadt, Bensheim, Gießen, Büdingen, Laubach (Privatgymnasium), Mainz und Worms, letzteres verbunden mit einer Realschule; Realgymnasien 4: in Darmstadt, Offenbach, Gießen und Mainz, sämtlich mit Realschulen verbunden; außer den genannten 5 Realschulen gibt es noch 8 weitere: in Groß-Umstadt, Michelstadt, Wimpfen, Alsfeld, Friedberg, Alzey, Bingen und Oppenheim. Die Landesuniversität ist in Gießen. Außerdem bestehen eine technische Hochschule (in Darmstadt), ein Predigerseminar (in Friedberg, seit 1803), ein bischöfliches Seminar (in Mainz), ein landwirtschaftliches und ein Forstinstitut (mit der Universität Gießen verbunden), 4 Ackerbauschulen (landwirtschaftliche Winterschulen), 2 Wiesenbauschulen, 3 Obstbauschulen, 2 Brauerschulen, Handelsschulen, Industrieschulen und zahlreiche Handwerker-Fortbildungsschulen.
Religion:
Das Verhältnis des Staats zur Kirche ist durch die Kirchengesetze vom 23. April 1875 geregelt:
1) Gesetz, betreffend die rechtliche Stellung der Kirchen- und Religionsgemeinschaften im Staat.
2) Gesetz, betreffend den Missbrauch der geistlichen Amtsgewalt.
3) Gesetz, betreffend die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen.
4) Gesetz, betreffend die Orden und ordensähnlichen Kongregationen
.5) Gesetz, betreffend das Besteuerungsrecht der Kirchen- und Religionsgemeinschaften.
Nach der Kirchenverfassung vom 6. Januar 1874 umfasst die evangelische Landeskirche sämtliche evangelische (lutherische, reformierte und unierte) Gemeinden des Großherzogtums Hessen. Das Kirchenregiment wird von dem evangelischen Landesherrn nach Maßgabe der Verfassung durch die oberste Kirchenbehörde, das Oberkonsistorium, ausgeübt. Jede Kirchengemeinde verwaltet innerhalb der verfassungsmäßig bestimmten Grenzen ihre Angelegenheiten selbst, und zwar zunächst durch die Gemeindevertretung und den Kirchenvorstand. Die Gesamtheit der evangelischen Kirchengemeinden eines Dekanats (23) findet ihre Vertretung in der in der Regel einmal jährlich zusammentretenden Dekanatssynode, bestehend aus sämtlichen Geistlichen des Dekanats und ebenso vielen von den Gemeindevertretungen gewählten weltlichen Mitgliedern. Vorsitzender ist der Dekan, welcher von der Dekanatssynode für 6 Jahre gewählt und von dem Großherzog bestätigt wird. Die Gesamtheit der evangelischen Kirche wird durch die Landessynode vertreten. Dieselbe tritt regelmäßig alle 5 Jahre zusammen und besteht aus je einem geistlichen und je einem weltlichen von jeder Dekanatssynode gewählten Abgeordneten, dem evangelischen Prälaten und 7 (3 geistlichen und 4 weltlichen) von dem evangelischen Landesherrn zu ernennenden Mitgliedern. Der Landessynode steht das Gesetzgebungsrecht in allen kirchlichen Angelegenheiten in Gemeinschaft mit dem Landesherrn zu. Die katholische Landeskirche (Landesbistum Mainz) bildet einen Bestandteil der oberrheinischen Kirchenprovinz und steht unter einem Bischof (mit Domkapitel), dem wiederum 16 katholische Dekanate und 158 Pfarreien untergeordnet sind. Für den israelitischen Kultus bestehen 7 Rabbinate (1880: 26 746 Israeliten).
Militär:
Das Militär des Großherzogtums ist nach der Konvention vom 13. Juni 1871 als geschlossene Division (großherzoglich hessische [25.] Division) vom 1. Januar 1872 an in den Etat und in die Verwaltung des Reichsheeres und zwar speziell in den Verband der preußischen Armee (jetzt des 18. Armeekorps) eingetreten. In der Festung Mainz mit Kastel steht dem Reich das Besatzungsrecht zu. Das hessische Kontingent behält im Frieden Garnison innerhalb des Großherzogtums; ausgenommen sind außerordentliche Fälle.
Wirtschaft:
Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind abgesehen vom Vogelsberggebiet günstig.
Landwirtschaft ist ausgezeichnet (Getreide und Wein). Bergbau nur in Oberhessen von einiger Bedeutung (Braunkohlen und Eisen) Industrie einige Industriezweige von europäischer Bedeutung (Leder- und chemische Industrie). Wagenbau in Offenbach. Handel ist sehr lebhaft, Haupthandelsplatz ist Mainz.
Postwesen und Briefmarken:
Gemäß der Aufstellung der Generalverordnung vom 30. Dezember 1861 besorgte die Thurn und Taxissche Post auf Grund von Beschlüssen des Wiener Kongresses (1815) den Postdienst im Großherzogtum Hessen. Ab 1867 gehörte die Provinz Oberhessen zum Norddeutschen Bund (Norddeutscher Postbezirk). Das Gesetz zum Posttaxwesen im Gebiet des Norddeutschen Bundes war auch in den nicht zum Bund gehörenden Provinzen Starkenburg und Rheinhessen gültig. Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 bestimmte u.a. dass die unmittelbare Posthoheit, mit Ausnahme des inneren Verkehrs im Königreich Bayern und im Königreich Württemberg, dem Deutschen Reich (Reichspost) zusteht.
Währungen und Münzen:
Durch das Reichsmünzgesetz vom 4. Dezember 1871 für das Deutsche Reich wurde für das Großherzogtum Hessen, mit einer Übergangszeit bis 1. Januar 1875, die Goldwährung und Markrechnung eingeführt.
- bis Ende 1874 = 1 Gulden = 60 Kreuzer = 240 Pfennige
- ab 1875 = 1 Mark = 100 Pfennig
Regenten:
Hessische Großherzöge 1806 – 1918
Titel: Großherzog von Hessen und bei Rhein (ab 7.Juli 1816)
regierendes Fürstenhaus: Brabant, Ahnherr Graf Reginar († 915)
Das souveräne Großherzogtum Hessen bildet laut Verfassungsurkunde vom 17. Dezember 1820, die durch Landes- und Reichsgesetzgebung mannigfache Abänderungen erfahren hat, als ein unter ein und derselben Verfassung stehendes Ganze eine unteilbare konstitutionelle Monarchie. Der Landesherr, der den Titel „Großherzog von Hessen und bei Rhein“ mit dem Prädikat „Königliche Hoheit“ führt, ist das Oberhaupt des großherzoglichen Hauses wie auch der evangelischen Kirche des Landes und bezieht eine Zivilliste von 1.265.000 Mark, die, gleich den übrigen Bedürfnissen des Hofes, vorzugsweise auf die als schuldenfreies unveräußerliches Familieneigentum des großherzoglichen Hauses anerkannten zwei Drittel der Domänen angewiesen ist. Die Regierung ist im großherzoglichen Haus erblich nach Erstgeburt und Linealerbfolge, auf Grund der Abstammung aus ebenbürtiger, mit Bewilligung des Großherzogs geschlossener Ehe. In Ermangelung eines durch Verwandtschaft oder Erbverbrüderung zur Nachfolge berechtigten Prinzen geht die Regierung auf das weibliche Geschlecht über, nach dem Übergang gilt wiederum der Vorzug des Mannesstammes. Beim Erlöschen des Mannesstammes würden auf Grund der Erbverbrüderung vom 9. Juni 1373 folgende fürstliche Linien in der angegebenen Reihenfolge zur Thronfolge berufen sein: Königreich Sachsen, Großherzogtum Sachsen-Weimar, Herzogtum Sachsen-Meiningen, Herzogtum Sachsen-Altenburg, Herzogtum Sachsen-Coburg Gotha. Eine weitere Erbverbrüderung wurde zwischen Hessen und dem sächsischen und brandenburgischen Fürstenhaus am 27. Mai 1457 geschlossen und am 30. und 31. März 1614 erneuert.
Großherzöge von Hessen und bei Rhein 1806 – 1918:
- 06.04.1790 – 06.04.1830 Großherzog Ludwig I., bis 13.08.1806 mit Titel Landgraf zu Hessen, als Ludwig X. (1753 – 1830)
- 06.04.1830 – 16.06.1848 Großherzog Ludwig II. (1777 – 1848)
- 16.06.1848 – 13.06.1877 Großherzog Ludwig III. (1806 – 1877)
- 13.06.1877 – 13.03.1892 Großherzog Ludwig IV. (1837 – 1892)
- 13.03.1892 – 09.11.1918 Großherzog Ernst Ludwig (25.11.1868 – 09.10.1937)
- Ehe: Hochzeit am 09.04.1894 mit Victoria Melita von Sachsen-Coburg und Gotha (25.11.1876 – 01.03.1936), Scheidung am 21.12.1901
- Ehe: Hochzeit 1905 mit Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich
Organisation der Verwaltungsbehörden:
Die oberste Staatsbehörde bildet das Staatsministerium. Innerhalb des Staatsministeriums bestehen das Ministerium des Innern und der Justiz und das Ministerium der Finanzen. Der Präsident des Staatsministeriums ist zugleich Minister des großherzoglichen Hauses und des Äußern.
- Ministerium des Innern und der Justiz
- Sektion für innere Verwaltung
- Ministerialabteilungen für Schulangelegenheiten (an Stelle der früheren Oberstudiendirektion)
- Ministerialabteilungen für öffentliche Gesundheitspflege (früher Obermedizinaldirektion)
- Sektion für JustizverwaltungAbteilung für Bauwesen (früher Oberbaudirektion)
- Ministerium der Finanzen
- Abteilung für Forst- und Kameralverwaltung (früher Oberforst- und Domänendirektion)
- Abteilung für Steuerwesen (früher Obersteuerdirektion)
Administrative Gliederung des Großherzogtums Hessen:
An der Spitze der einzelnen Kreise stehen Kreisämter, welche die Aufsicht über Stadt- und Landgemeinden führen. In den Städten Alzey, Bad Nauheim, Bensheim, Bingen, Darmstadt, Friedberg (Hessen), Gießen, Offenbach und Worms ist die städtische Verfassung eingeführt, auf alle andere Städte findet die Landgemeindeordnung Anwendung. Die Gemeindebehörden sowohl in den Städten als in den Landgemeinden führen die Bezeichnung „Großherzogliche Bürgermeisterei“.
Das Großherzogtum Hessen gliedert sich in 3 Provinzen:
(Petzolds „Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“ 1911)
- Provinz Starkenburg mit einer Fläche von 3019 km² (54,83 Quadratmeilen) und 489.512 Einwohnern (Jahr 1900), gliedert sich in: Sitz der Provinzialdirektion in Darmstadt mit den Kreisen Bensheim, Darmstadt, Dieburg, Erbach, Groß-Gerau, Heppenheim, Offenbach
- Provinz Rheinhessen mit einer Fläche von 1375 km² (24,96 Quadratmeilen) und 348.334 Einwohnern (Jahr 1900), gliedert sich in: Sitz der Provinzialdirektion in Mainz mit den Kreisen Alzey, Bingen, Mainz, Oppenheim, Worms
- Provinz Oberhessen mit einer Fläche von 3287 km² (59,72 Quadratmeilen) und 282.047 Einwohnern (Jahr 1900), gliedert sich in: Sitz der Provinzialdirektion in Gießen mit den Kreisen Alsfeld, Büdingen, Friedberg, Gießen, Lauterbach, Schotten
Geschichte Hessens:
Das alte Land Hessen, zu verschiedenen Zeiten mit verschiedener Begrenzung, gehörte zum Herzogtum Franken und bildete bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts mehrere Grafschaften. Besonders hervorzuheben sind dabei die Grafen von Gudensberg, die den nördlichen Teil Hessens beherrschten. 1137 erwarb Ludwig I. von Thüringen durch seine Heirat mit Hedwig von Gudensberg ansehnliche Güter in Hessen, dessen größter Teil fortan mit Thüringen vereinigt war. Als die thüringischen Landgrafen 1247 ausstarben, entstand um ihr Erbe der thüringische Erbfolgekrieg zwischen Heinrich dem Erlauchten von Meißen und Sophie, der Tochter Ludwigs des Heiligen und Gemahlin des Herzogs Heinrich von Brabant. Der Krieg endete 1265 mit einer Teilung und Sophie erhielt für ihren Sohn Heinrich I., das Kind von Brabant, Hessen. Hessen, das bald zu einer besondern Landgrafschaft und 1292 vom König Adolf zu einem erblichen Reichsfürstentum erhoben wurde, vergrößerte sich durch Boyneburg und Eschwege. Bei Heinrichs Tod, 1308, teilten seine Söhne Otto I. (Niederhessen mit Kassel) und Johann I. (Oberhessen mit Marburg) das Erbe unter sich auf.
Doch starb Johann schon 1311, und Otto I. erhielt ganz Hessen, zudem er 1327 Gießen erwarb. Sein Sohn Heinrich der Eiserne (1328-1377) vergrößerte das Land um Treffurt und einen Teil von Itter und Schmalkalden und erhielt 1373 von Karl IV. die Belehnung mit ganz Hessen als Reichsfürstentum. Ihm folgte, da sein Sohn Otto der Schütz, der nach der Sage als Schützenhauptmann unerkannt um seine Braut Elisabeth von Kleve geworben, schon vor ihm gestorben war, sein Neffe Hermann I. (1377-1413). Seine Regierung war fortwährend durch Fehden mit den Ritterbünden und den Nachbarn gekennzeichnet, aber dennoch für Begründung der Landesherrschaft nicht ohne Gewinn. Sein Sohn Ludwig I., der Friedsame (1413-1458), erwarb 1450 die Grafschaften Ziegenhain und Nidda und gehörte zu den mächtigsten Reichsfürsten. Seine Söhne Ludwig II. (1458-71), der Freimütige, und Heinrich III. (1458-83), der Reiche, teilten Hessen wieder in zwei Linien, Kassel und Marburg. Letzterer erwarb 1479 durch seine Gemahlin die Grafschaft Katzenelnbogen sowie durch Kauf Dietz, Klingenberg und Eppenstein.
Mit seinem Sohn Wilhelm III., dem Jüngern, starb 1500 die Marburger Linie wieder aus, und ihre Besitzungen fielen an die Kasseler Linie. 1471 folgten auf Ludwig II. seine Söhne Wilhelm I., der Ältere, und Wilhelm II., der Mittlere. Ersterer, auf einer Fahrt nach Palästina trübsinnig geworden, dankte 1493 ab, und so vereinigte Wilhelm II. seit 1500 alle hessischen Besitzungen, die er 1505 durch Homburg vergrößerte. Er starb aber schon 1509 und hinterließ das Land seinem fünfjährigen Sohn Philipp dem Großmütigen (1509-67), der anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter Anna von Mecklenburg, seit 1518 selbstständig regierte. Unter ihm spielte Hessen in der weltlichen und kirchlichen Geschichte des Reichs eine bedeutende Rolle. Er bekämpfte Sickingen und den Bauernaufstand. Schon seit 1521 Luthers Anhänger und seit 1526 mit Johann von Sachsen verbündet, führte er die Reformation in seinem Land ein und stiftete die erste protestantische Universität in Marburg. Seit 1531 eins der Häupter des Schmalkaldischen Bundes, wurde er 1547 gefangen genommen und erst 1552 freigelassen. Bei seinem Tode teilte er aber Hessen unter seine Söhne Wilhelm IV., der Niederhessen mit Ziegenhain uund Schmalkalden, Ludwig, der Oberhessen nebst Nidda und Eppstein, Philipp, der Niederkatzenelnbogen mit Rheinfels und St. Goar, und Georg, der Oberkatzenelnbogen mit Darmstadt erhielt. Doch starben Philipp schon 1583, Ludwig 1604, und ihre Gebiete fielen an die Linien Kassel und Darmstadt, in welche Hessen fortan geteilt blieb. Von jener zweigten sich die Seitenlinien Rotenburg (bis 1658), Eschwege (bis 1655), Rheinfels-Rotenburg (bis 1834) und Rheinfels-Wanfried (bis 1755), ferner Philippsthal und Philippsthal-Barchfeld, die noch bestehen, ab, während von der Linie Hessen-Darmstadt die Linie Hessen-Homburg abstammte, die 1866 erlosch. Als souveränes Fürstenhaus besteht nun nur noch die Linie Hessen-Darmstadt.
Hessen war seit Jahrhunderten in eine Kassler und eine Darmstädter Hauptlinie getrennt. 1806 wurde Landgraf Ludwig X. als Ludwig I. Großherzog von Hessen und bei Rhein. Im Wiener Kongresses von 1814/15 trat er das Herzogtum Westfalen an Preußen ab und erhielt das Fürstentum Rhein-Hessen. Von 1815 bis 1866 gehörte das Großherzogtum dem Deutschen Bund an. 1866 kämpfte es im Deutschen Krieg an der Seite Österreichs. Nach der Niederlage Österreichs floh Großherzog Ludwig III. nach Worms und das Großherzogtum musste die Landgrafschaft Hessen-Homburg und den Kreis Biedenkopf an Preußen abtreten. Am 3. September 1866 trat der nördlich vom Main gelegener Teil des Großherzogtums, die Provinz Oberhessen dem Norddeutschen Bund bei. 1867 schloss es unter Großherzog Ludwig III. eine Militärkonvention mit Preußen. Mit dem Vertrag vom 15. November 1870 – Ratifizierung am 29. Januar 1871 in Berlin wurde das ganze Großherzogtum Hessen ein Bundesstaat im Deutschen Reich. Das Großherzogtum Hessen ist in zwei Teile, durch das Gebiet um Frankfurt/M getrennt. Im südlichen Hauptland links vom Rhein Rheinhessen (Mainz), rechts Starkenburg (Darmstadt); das nördliche Stück bildet Oberhessen (Gießen).
Das südliche Hauptgebiet wird durch den Rhein in die Provinzen Starkenburg und Rheinhessen getrennt und grenzt nördlich an Preußen, östlich an Bayern und Baden, südlich an Baden, westlich an die Rheinpfalz und Rheinpreußen; der nördliche Hauptteil umfasst die Provinz Oberhessen und wird vollständig von Preußen umschlossen. Von den Exklaven sind die größten die zusammenhängenden Gemarkungen Wimpfen und Hohenstadt, an Baden und Württemberg grenzend, die Gemarkung Helmhof, von Baden umschlossen, und der größere Teil der Gemarkung Steinbach, sämtlich zur Provinz Starkenburg gehörig. Die zur Provinz Oberhessen gehörenden Parzellen (mehrere Walddistrikte) liegen südwestlich von dieser Provinz in preußischem Gebiet. Enklaven fremder Staaten (Preußen und Baden) sind acht von hessischem Gebiet eingeschlossen.
Das Großherzogtum Hessen ist zusammengesetzt teils aus den altern Ländern, der Obergrafschaft Katzenelnbogen (1567) und dem größeren Teil von Oberhessen (1584 und 1627), teils aus den seit 1803 zur Entschädigung und durch Tausch hinzugekommenen Teilen von Kurpfalz und Kurmainz, dem Bistum Worms, der Abtei Seligenstadt, den ehemaligen Reichsstädten Worms, Friedberg und Wimpfen und einem Teil des ehemaligen französischen Departements Donnersberg (Provinz Rheinhessen), ferner den Standesherrschaften Isenburg, Solms, Schlitz, Stolberg, Erbach, Löwenstein-Wertheim etc. sowie den reichsritterschaftlichen Besitzungen der Familien Riedesel, Löw, Wambolt, Gemmingen etc.
Gegen Ende des Ersten Weltkrieg (1914-1918) kam es im November 1918 zur Revolution. In Hessen-Darmstadt wurde nach der Absetzung des Großherzogs Ernst Ludwig am 9. November 1918 der „Volksstaat Hessen“ gegründet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurde das Land zwischen den Besatzungsmächten Frankreich und USA aufgeteilt. Der linksrheinische Teil (etwa deckungsgleich mit Rheinhessen) kam zur französischen Zone, während die übrigen Gebiete Teil der US-amerikanischen Zone wurden. Am 19. September 1945 gründete die amerikanische Besatzungsmacht den neuen Staat „Groß-Hessen“, der den rechtsrheinischen Teil des Volksstaates Hessen sowie den größeren Teil der Provinz Hessen-Nassau umfasste, die Hauptstadt wurde Wiesbaden. Das linksrheinische Rheinhessen dagegen wurde, wie die französisch besetzten Teile Nassaus, ein Gebiet des von den Franzosen künstlich geschaffenen Landes Rheinland-Pfalz. Groß-Hessen wurde am 1. Dezember 1946 in „Land Hessen“ umbenannt und ist seit 1949 ein Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Hessen aktuell:
Das heutige Land Hessen mit der Hauptstadt Wiesbaden besteht aus:
- dem ehemaligen Großherzogtum Hessen, ohne die Provinz Rheinhessen. Diese gehört durch Verordnung Nr. 57 der französischen Militärregierung zum 1946 künstlich geschaffenen Land Rheinland-Pfalz.
- der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau, ohne den Regierungsbezirk Schmalkalden (seit 1944 zu Thüringen) und ohne die Kreise Ober- und Unterwesterwald, Unterlahn und Sankt Goarshausen. Diese gehören durch Verordnung Nr. 57 der französischen Militärregierung zum 1946 künstlich geschaffenen Land Rheinland-Pfalz.
- dem Regierungsbezirk Wetzlar der ehemaligen preußischen Provinz Rheinland (seit 1. Oktober 1932)
- dem ehemaligen Fürstentum Waldeck und Pyrmont, Waldeck schloss sich nach einer Volksabstimmung 1929 der Provinz Hessen-Nassau an (Pyrmont bereits 1922 an Westfalen).
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Quellenhinweise:
- „Harms Vaterländische Erdkunde“ 1906
- „Andree’s Handatlas“, 1881 und 1914
- „Das Deutsche Reich – Vaterlandskunde“, Prof. Dr. J.W. Otto Richter, Verlag Otto Spamer Leipzig, Zweite Auflage, ca. 1890
- Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
- „Die Heere und Flotten der Gegenwart – Deutschland“, 1898
- „Spamers Großer Hand-Atlas“ Leipzig, 1900
- „Großes Lehrbuch der Geographie“ E. von Seydlitz, Königliche Universitäts- und Verlagsbuchhandlung Breslau, 1902
- „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
- „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
- „Meyers Konversations-Lexikon“ Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Kleine Deutsche Staatskunde“, E. Stutzer – Dresden und Berlin, 1910
- „Deutschland als Weltmacht – Vierzig Jahre Deutsches Reich“ Berlin, 1911
- „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
- „Oberstufen-Altas für höhere Lehranstalten“ Gotha Justus Perthes 1914
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