Worms im Großherzogtum Hessen, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Worms 44.288 Einwohner – 1905 = 94. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
Worms im Großherzogtum Hessen
Worms, ehemals freie Reichsstadt und Sitz eines gleichnamigen Bistums, jetzt Kreisstadt im Großherzogtum Hessen, Provinz Rheinhessen, liegt links am Rhein, über den hier eine Straßen- und eine Eisenbahnbrücke führen, im sogenannten Wonnegau und 86 – 102 Meter über dem Meer.
Worms ist in den älteren Teilen unregelmäßig gebaut und zum Teil noch mit alten Mauern und Türmen umgeben. Hauptplätze sind der Markt, der Domplatz, der Luther- und Ludwigsplatz.
Unter den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Gebäuden (6 evangelische und 5 katholische Kirchen und zwei Synagogen) steht der katholische Dom obenan.
Er ist eine große Pfeilerbasilika romanischen Stils, an Stelle eines älteren Gebäudes zu Anfang des 11. Jahrhunderts vom Bischof Burkhart erbaut; wiederholt beschädigt und den Einsturz drohend, wurde er wiederhergestellt und 1181 abermals geweiht. Im 14. und 15. Jahrhundert entstanden mehrere gotische Anbauten, Kapellen, Portal etc. Der durch die beiden Kuppeln und die vier Türme vorteilhaft gegliederte Bau wird an beiden Enden durch Chorbauten abgeschlossen.
Das Innere ist 109 Meter lang und 27 Meter (im Querschiff 36 Meter) breit und imponiert durch großartige Einfachheit. Bemerkenswert ist auch die außerhalb der inneren Stadt liegende Liebfrauenkirche, ein Bau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit schönem Portal. Um die Kirche befinden sich Rebenpflanzungen, welche die bekannte „Liebfraumilch“ liefern.
Ebenfalls zu nennen sind noch die evangelische Kirche im Stadtteil Hochheim mit altem romanischen Turm und die katholische Kirche, ein Rest des Klosters Himmelskron mit Grabdenkmälern des 13. und 14. Jahrhunderts, die evangelische Dreifaltigkeitskirche im Barockstil (1725). Eine der Synagogen ist eins der ältesten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland; der Judenkirchhof ist reich an alten Inschriften. Andere bemerkenswerte Bauwerke sind das Stadthaus, das Paulusmuseum (in der ehemaligen Pauluskirche) mit vielen vorgeschichtlichen, römischen und fränkischen Altertümern, das Volkstheater mit Festspielhaus;
auf dem Unterbau des ehemaligen Bischofshofes (Sitz des Reichstages von 1521), auf der Nordseite des Doms, steht gegenwärtig das ältere Heylsche Haus, in dessen sehenswertem Garten sich Treibhäuser befinden. Bemerkenswert sind auch die Hafenanlagen. An Denkmälern ist besonders hervorzuheben das großartige Lutherdenkmal, entworfen von Rietschel, ausgeführt 1868 von Kietz, Donndorf und Schilling.
Außerdem hat Worms noch ein Bismarck-, ein Krieger-, ein Hagen- und ein Küchlerdenkmal und einen Monumentalbrunnen. Im Jahr 1905 leben hier mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 118) 43.841 Einwohner, der Großteil sind Evangelische, 14.048 sind Katholiken und 1307 Juden. Die Industrie besteht in Fabrikation von Leder (5000 Arbeiter), Maschinen (für Brauereien), Kunstwolle, Tuch, Wasserglas, Schmierseife, Kaffeesurrogaten, Knochenpräparaten, Schiefertafeln, Öl, Malz, Mühlenfabrikaten,
Buchdruckpressen, Drahtwaren, Konserven, Kunststeinen, Möbeln, Schaumwein, alkoholfreiem Wein etc., auch hat die Stadt ein Elektrizitätswerk, Dampfmühlen, Farbwerke, Bierbrauerei und berühmten Weinbau. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Nebenstelle der Reichsbank, ist besonders bedeutend in Leder, Wein, Getreide, Holz, Kohlen, Mühlenfabrikaten etc.
Im dortigen Hafen kamen 1905 an: 3778 Schiffe mit 301.630 Tonnen Ladung; es gingen ab: 3306 Schiffe mit 31.388 Tonnen Ladung. Den Verkehr in der Stadt vermittelt eine elektrische Straßenbahn. Für den Eisenbahnverkehr ist sie Knotenpunkt der preußisch-hessischen Staatsbahnlinien Mainz-Worms, Worms-Bingen, Darmstadt-Worms, Worms-Bensheim, Worms-Gundheim u. a. Worms hat ein Gymnasium, eine Oberrealschule, 2 höhere Mädchenschulen, eine Gewerbeschule für Hochbau,
Maschinenbau und Kunstgewerbe, eine Akademie für Bierbrauer, ein Technikum für Müllerei, Mühlen- und Maschinenbau, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein Konservatorium für Musik etc., ein Museum, einen Altertumsverein und ein Theater. Von Behörden finden sich dort: ein Kreisamt, ein Amtsgericht, ein Hauptsteueramt und eine Oberförsterei; die städtischen Behörden zählen 11 Magistratsmitglieder und 36 Stadtverordnete.
Worms Geschichte
Worms ist ein in der deutschen Heldensage vielgenannter Ort und Schauplatz der Nibelungensage; ein Distrikt jenseits des Rheins heißt der „Rosengarten“. In den letzten Jahren ist im Norden von Worms, nur 200 Meter westlich vom Rhein, ein großes Gräberfeld aufgedeckt worden, desgleichen an der Südseite zahlreiche Gräber und Wohnstätten aus der Zeit des Übergangs von der Steinzeit zur Bronzezeit,
sowie vier Grabfelder aus römischer Zeit (2. u. 4. Jahrhundert n. Chr.) und zwei aus der fränkischen Zeit (4.–7. Jahrhundert). Worms, das alte Borbetomagus, zu Ariovists Zeiten Hauptstadt der Vangionen, wurde von Drusus befestigt, im 5. Jahrhundert Residenz der burgundischen Könige, von den Hunnen zerstört und von den Merowingern wieder aufgebaut.
Früh Bischofssitz und seit dem 8. Jahrhundert Stätte einer königlichen Pfalz, fiel Worms bei der Teilung von 843 an Ludwig den Deutschen, war aber um 1000 bereits eine bischöfliche Stadt. Burchard I. zerstörte die Stammburg des salischen Geschlechts und baute ein Münster. Die Feindschaft der Städter gegen ihren Stadtherrn offenbarte sich in der Parteinahme für Heinrich IV. 1073, der sie am 18. Januar 1074 durch einen Freibrief belohnte
und auf einer Synode zu Worms 1076 Papst Gregor VII. absetzen ließ. Heinrich V. kam durch das Würzburger Abkommen (1121) in den Besitz der Stadt, baute im Norden davon eine Burg und verlieh Worms Privilegien, die Friedrich I. bestätigte. Trotz dauernder Versuche der Bischöfe, sich die Stadt wieder zu unterwerfen, blieb Worms bis 1801 Freie Stadt.
Unter den Reichstagen, die in Worms gehalten worden, sind der von 1495 unter Maximilian I., auf dem der Ewige Landfriede verkündet und das Reichskammergericht gestiftet wurde, und der von 1521 unter Karl V., auf dem Luther verhört wurde, die berühmtesten. Hier fanden 1540 und 1557 Religionsgespräche statt. 1632 eroberten die Schweden und 1635 die Kaiserlichen Worms; 1644 nahmen es die Franzosen durch Kapitulation ein; am 31. Mai 1689 legten es die Franzosen unter Mélac in Asche.
Am 13. September 1743 schlossen hier England, Österreich und Sardinien den Wormser Traktat, ein Offensivbündnis. Zu Anfang Oktober 1792 nahmen die Franzosen unter Custine die Stadt durch Überfall. 1801 kam Worms an Frankreich, 1814 wieder an Deutschland und 1815 durch den Wiener Kongress an Hessen-Darmstadt. Am 29. Mai 1849 wurde die von badischen Freischärlern besetzte Stadt durch Mecklenburger und Preußen erstürmt.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Worms durch zwei alliierte Bombenangriffe am 21. Februar und 18. März 1945 weitgehend zerstört. Ab 5. Juni 1945 war hier die französische Besatzungsmacht zuständig, die am 30. August 1946 das Land Rheinland-Pfalz errichtete.
Worms ist heute eine kreisfreie Stadt im südöstlichen Rheinland-Pfalz mit rund 83.500 Einwohnern (2020).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
- „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
- „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
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