Reichsgericht in Leipzig, höchster Gerichtshof des Deutschen Reichs mit Sitz in Leipzig

Das Reichsgericht ist vom 1. Oktober 1879 bis 30. Oktober 1945 der höchste Gerichtshof des Deutschen Reichs mit Sitz in Leipzig.
Im alten Deutschen Reich (HRRDN) waren als Reichsgerichte das Reichskammergericht und der Reichshofrat tätig. Im neuen Deutschen Reich hatte bis zum 1. Oktober 1879 in Handelssachen das Reichsoberhandelsgericht zu entscheiden, dessen Befugnisse gingen auf das Reichsgericht übergingen.
Im übrigen bildeten den obersten Gerichtshof in den einzelnen Bundesstaaten Landesgerichte, die meistens als Oberappellationsgerichte, manchmal auch als Obertribunale bezeichnet wurden. Sie wurden mit Ausnahme des bayrischen obersten Landesgerichts 1879 aufgehoben.

Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (§§ 125-141) werden der Präsident, die Senatspräsidenten und Räte auf Vorschlag des Bundesrats vom Kaiser ernannt; die Zahl der Zivil- und Strafsenate (1906: 7 und 4) bestimmt der Reichskanzler. Zuständig ist das Reichsgericht:
- in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über die Rechtsmittel der Revision und der Beschwerde gegen Endurteile und Entscheidungen der Oberlandesgerichte;
- in Strafsachen, wo die staatsanwaltlichen Funktionen durch einen Oberreichsanwalt und durch mehrere Reichsanwälte wahrgenommen werden, als erste und letzte Instanz bei Hoch- und Landesverrat gegen Kaiser und Reich und für die Entscheidung über die Revision gegen die Urteile der Landgerichte (soweit nicht die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte begründet ist) und der Schwurgerichte;
- in der Berufung gegen Entscheidungen des Patentamtes im Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit oder wegen Zurücknahme eines Patents;
- in Streitfragen zwischen Senat und Bürgerschaft von Hamburg.

Der Präsident und fünf Mitglieder des Reichsgerichtes fungieren zugleich im Disziplinarhof. Der Präsident und drei Mitglieder gehören dem Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte an.
Durch besondere Gesetze wurde dem Reichsgericht noch die Entscheidung bzw. vieler anderer Angelegenheiten übertragen; z. B. diejenige über die Beschwerden und Berufungen der Konsulargerichte und über die Berufung gegen Entscheidungen des Patentamts etc. Zu dem Disziplinarhof für Reichsbeamte und elsaß-lothringische Landesbeamte gehören der Präsident und mindestens 5 weitere Mitglieder des Reichsgerichts, dem Ehrengerichtshof für Rechtsanwälte der Präsident und 3 andere Mitglieder desselben an.
Der Präsident, die Senatspräsidenten und die Räte des Reichsgerichts werden, ebenso wie der Oberreichsanwalt und die Reichsanwälte, vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats ernannt. Zum Mitglied des Reichsgerichts darf nur ernannt werden, wer die Fähigkeit zum Richteramt in einem Bundesstaat erlangt und das 35. Lebensjahr vollendet hat. Die Versetzung in den Ruhestand kann gegen den Willen des betreffenden Mitgliedes des Reichsgerichts nur durch Plenarbeschluss des Reichsgerichts erfolgen. Ebenso ist ein solcher erforderlich, wenn die Enthebung eines Mitgliedes von seinem Amt wegen strafbarer Handlungen eintreten soll.

Als Oberreichsanwalt und als Reichsanwalt darf nur ein zum Richteramt befähigter Beamter ernannt werden. Diese (nichtrichterlichen) Beamten können durch kaiserliche Verfügung jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden (Gerichtsverfassungsgesetz § 127–131 und § 143, 149, 150).
Präsidenten des Reichsgerichtes
Name | Lebensdaten | Amtszeit |
---|---|---|
Eduard von Simson | 1810 – 1899 | 01.10.1879 – 01.02.1891 |
Otto von Oehlschläger | 1831 – 1904 | 01.02.1891 – 01.11.1903 |
Karl Gutbrod | 1844 – 1905 | 01.11.1903 – 17.04.1905 |
Rudolf Freiherr von Seckendorff | 1844 – 1932 | 18.06.1905 – 01.01.1920 |
Heinrich Delbrück | 1855 – 1922 | 01.01.1920 – 03.07.1922 |
Walter Simons | 1861 – 1937 | 16.10.1922 – 01.04.1929 |
Erwin Bumke | 1874 – 1945 | 01.04.1929 – 20.04.1945 |
Das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland hat seit 1951 seinen Sitz in Karlsruhe. Das Gebäude des ehemaligen Reichsgerichtes in Leipzig beherbergt seit 1997 das Bundesverwaltungsgericht.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924

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