Das Gefecht auf der Doggerbank – The Battle of the Dogger Bank – am 24. Januar 1915.
Das Gefecht auf der Doggerbank in der Nordsee fand während des Ersten Weltkrieges am 24. Januar 1915 zwischen den Kriegsschiffen der Kaiserlichen Marine und der Royal Navy statt.
Die Doggerbank ist eine große, flache Sandbank in der zentralen Nordsee zwischen England im Westen und Dänemark im Osten. Sie ist durchschnittlich etwa 65 Kilometer (stellenweise bis zu 100 Kilometer) breit und fast 300 Kilometer lang. Die Wassertiefe im Bereich der Doggerbank beträgt allgemein weniger als 37 Meter, vor der englischen Küste sogar nur etwas über 15 Meter. Seit Jahrhunderten wird die Sandbank als wichtiges Fischfanggebiet genutzt; vor allem Kabeljau, Schollen und Heringe werden hier gefangen. Während der letzten Eiszeit bildete die Doggerbank den südlichen Rand der Nordsee, die Mündung des Rheines lag damals an ihrer Westseite.
Mitte Januar 1915 mussten Teile der Hochseeflotte zu Übungen in die westliche Ostsee geschickt werden, gleichzeitig waren für einige Schiffe Instandsetzungsarbeiten erforderlich. Um diesen Zustand vorübergehender Schwäche der Bereitschaft zur See zu verschleiern, beabsichtigte der Chef der Hochseeflotte Admiral von Ingenohl einen Vorstoß der Schlachtenkreuzergruppe gegen die Doggerbank, der eine offensive Tätigkeit der deutschen Streitkräfte vortäuschen sollte.
Am 23. Januar 1915 erhielt der Befehlshaber der deutschen Aufklärungsschiffe, Vizeadmiral Hipper, den Befehl, mit der 1. und 2. Aufklärungsgruppe gegen die Doggerbank vorzustoßen und sie von feindlichen Streitkräften zu säubern. Das Unternehmen war so angelegt, dass ein Zusammentreffen mit schweren britischen Streitkräften nicht zu erwarten war; es konnte dies auch nicht in der Absicht der Leitung liegen, da in diesen Tagen das 3., das modernste deutsche Geschwader sich zu Übungen in der Ostsee aufhielt. So standen zur Unterstützung der Aufklärungsgruppe nur das 1. und das aus veralteten Linienschiffen bestehende 2. Geschwader zur Verfügung. Der Befehlshaber der Aufklärungsschiffe sollte in der Nacht auslaufen, so dass er bei Tagesanbruch am 24. Januar einen bestimmten Punkt auf der Doggerbank erreicht hatte, sollte dann kehrtmachen und wieder nach Wilhelmshaven zurückkehren. Nach Einbruch der Dunkelheit verließen die deutschen Aufklärungsstreitkräfte die Schillig-Reede und traten den Vormarsch nach Westen an.
Kriegsschiffe der Kaiserlichen Marine
Die 1. Aufklärungsgruppe bestehend aus den Großen Kreuzern:
- S.M.S. Seydlitz als Flaggschiff Hippers mit Kommandant Kapitän zur See von Egidy
- S.M.S. Derfflinger mit Kommandant Kapitän zur See von Reuter
- S.M.S. Moltke mit Kommandant Kapitän zur See von Levetzow
- S.M.S. Blücher mit Fregattenkapitän Erdmann
Die 2. Aufklärungsgruppe bestehend aus den Kleinen Kreuzern:
- S.M.S. Graudenz mit Fregattenkapitän Püllen
- S.M.S. Stralsund mit Kapitän zur See Harder
- S.M.S. Rostock Flaggschiff des 1. Führers der Torpedoboote, Kapitän zur See Hartog
- S.M.S. Kolberg mit Kapitän zur See Wiedenmann
Es fehlten also von jeder Aufklärungsgruppe eine Einheit, der Schlachtenkreuzer S.M.S. von der Tann und der Kleine Kreuzer S.M.S. Straßburg, die beide, wie schon erwähnt, wegen wichtiger Instandsetzungsarbeiten in der Werft lagen.
Jedem dieser 4 Kreuzer ist eine Halbflottille von 5 Torpedobooten beigegeben (einige Quellen berichten von 18 Torpedobooten); es sind die beiden Halbflottillen der
- V. Flottille von Chef Korvettenkapitän von der Knesebeck
- 15. Halbflottille unter Korvettenkapitän Weißenborn
- Halbflottille unter Kapitän Tillessen.
Die hinteren Schornsteine der Torpedoboote wurden rot angestrichen, um sie jederzeit als eigene kenntlich zu machen. Die Funkentelegraphie wird nicht genutzt, alles Licht ist nach außen abgeblendet, die notwendigen Signale werden mit lichtschwachen Morselaternen gegeben.
Sir David Beatty
* 17.01.1871 in Stapeley
† 12.03.1936 in London;
Admiral und Oberkommandierender der Grand Fleet
Was die Deutschen zu dieser Stunde nicht erahnen konnten, ist die Tatsache, dass die britische Admiralität bereits am frühen Nachmittag des 23. Januar 1915 dem Flottenchef in Scapa Flow, sowie dem Chef des II. Schlachtgeschwaders, beide in Rosyth im Firth of Forth, und dem dem Befehlshaber der Torpedoboote in Harwich folgendes Telegramm übersandten: “ 4 deutsche Schlachtenkreuzer, 6 leichte Kreuzer und 22 Zerstörer werden heute Abend in See gehen , um gegen die Doggerbank aufzuklären. Rückkehr wahrscheinlich morgen Abend. Alle verfügbaren Schlachtenkreuzer, leichten Kreuzer und Zerstörer von Rosyth sollen vorstoßen nach einem Treffpunkt in 55° 13′ N 3° 12′ O; Ankunft dort morgen 8 Uhr vormittags; der Befehlshaber der Torpedoboote hat mit allen verfügbaren Zerstörern und leichten Kreuzern von Harwich vorzustoßen und sich dem Vizeadmiral auf Schlachtenkreuzer „Lion“ (Vizeadmiral Beatty) um 8 Uhr vormittags in obigem Treffpunkt anzuschließen. Wenn der Feind durch die Harwich-Zerstörer gesichtet wird, während diese seinen Vormarschkurs kreuzen, soll er angegriffen werden.„
Es scheint bis heute nicht restlos aufgeklärt, woher die Briten so genau über die deutschen Unternehmung wussten. Lange Zeit hat man angenommen, dass sie im Besitz der Signalbücher und der Dechiffriermittel waren, die mit S.M.S. Magdeburg verloren gegangen waren. Kapitän zur See Richard Foerster (Teilnehmer an der Schlacht auf der Doggerbank) schreibt über die späteren Ereignisse nach dem Verlust der „Magdeburg“ 1927 in „Unsere Marine im Weltkrieg 1914-1918“: „Es ist heute bekannt, … daß die englische Admiralität über unsere Pläne (Vorstoß zur Doggerbank A.d.R.) und operativen Befehle schon seit längerer Zeit genau unterrichtet war. Beim Untergang des Kleinen Kreuzers Magdeburg, … waren die geheimen Chiffriermittel der Vorschrift entsprechend von dem Adjutanten verbrannt worden. Nach Erzählungen eines russischen Offiziers sollen die Russen aber bei der Leiche eines Mannes noch die zuletzt gebrauchten Signalchiffren gefunden und daraus unser Geheimsystem entwickelt haben.“
Im „Marinearchiv“ Band 2 von 1930 wird das Ereignis wie folgt beschrieben: „…Die Geheimbücher waren sämtlich vorschriftsmäßig verbrannt worden, damit die nicht in Feindeshand fielen. Nur ein einziges Signalbuch, welches zur Verbindung mit eigenen Streitkräften, um diese herbeizurufen, dienen mußte, wurde mit dem dazugehörigen Chiffreschlüssel zurückbehalten. Als aus dem Nebel überraschend der Feind auftrat, wurde dies Signalbuch, welches mit Blei beschwert ist, über Bord geworfen. Beim Absuchen des Grundes haben die Russen nur dieses Buch gefunden, nicht aber den Chiffreschlüssel (das Buch war nicht wie Phantasten berichten, in den Armen einer Leiche). Den Russen fiel mit dem Signalbuch etwas in die Hände, was sie durch ihre Spionage schon vor dem Kriege besaßen. Da der Chiffreschlüssel aber nicht im Besitz der überlebenden und von einem deutschen Torpedoboot geretteten Mannschaft war, wurde von unserem Admiralstabe noch am gleichen Tage der Chiffreschlüssel gesperrt, so daß der Feind mit dem Signalbuch allein nur sehr wenig anfangen konnte. Dieses Signalbuch haben die Russen den Engländern ausgehändigt. Da alle Signale aber geschlüsselt waren, der Schlüssel von jetzt ab aber dauernd gewechselt wurde, ist ein nennenswerter Schaden daraus nicht vorhanden. Die kriegsgerichtliche Untersuchung hat das durchaus militärisch korrekte Benehmen des Kommandanten, des Signal- und Funkpersonals ausdrücklich festgestellt. Es ist im vorstehenden auf diesen Fall besonders eingegangen, weil in weiten Kreisen über den Verlust von Geheimbüchern der „Magdeburg“ völlig falsche Gerüchte im Umlauf waren.“ Das englische Buch „Jane’s WAR AT SEA 1897-1997/ 100 YEARS OF JANE’S FIGHTING SHIPS“ London 1997 schreibt zu dieser Frage: „…Entscheidend war die nachrichtendienstliche Arbeit von „Room 40“ in der Admiralität. Im Besitze der wichtigsten deutschen Schlüssel konnten die Briten die abgehörten deutschen Funksprüche entschlüsseln und auf diese Weise von den Operationsbefehlen und Absichten Kenntnis erlagen.„
„Room 40“ (Zimmer 40) war während des Ersten Weltkriegs (1914 – 1918) eine nachrichtendienstliche Abteilung der britischen Admiralität.
Während also die deutsche Kreuzergruppe unter allen Vorsichtsmaßnahmen die Nordsee nach Westen kreuzte, zogen sich weit überlegene britische Streitkräfte von dorther gegen sie zusammen. Von Scapa Flow lief die große Flotte 19 Linienschiffe stark, von Firth of Forth das I. Schlachtenkreuzergeschwader, 5 Schlachtenkreuzer, und das III. Schlachtenkreuzergeschwader, 7 ältere Linienschiffe stark und von Harwich 3 leichte Kreuzer mit etwa 20 Zerstörern aus. (Zahlenangaben nach deutschem Marinearchiv Ausgabe 1931, sie differieren geringfügig mit nachfolgenden britischen Angaben)
Kriegsschiffe der Royal Navy:
I. Schlachtgeschwader
- H.M.S. Lion (Vizeadmiral Beatty)
- H.M.S. Princess Royal
- H.M.S. Tiger
II. Schlachtgeschwader
- H.M.S. New Zealand (Rear-Admiral Moore)
- H.M.S. Indomitable
I. Leichte Kreuzer Geschwader
- H.M.S. Southampton (Commodore Goodenough)
- H.M.S. Birmingham
- H.M.S. Nottingham
- H.M.S. Lowestoft
Harwich Zerstörer:
- H.M.S. Arethusa (Commodore Tyrrwhit)
Beigefügte Zerstörer (spätere zehnte Zerstörerflottille)
- H.M.S. Meteor (Commander Meade)
- H.M.S. Mastiff
- H.M.S. Mentor
- H.M.S. Miranda
- H.M.S. Milne
- H.M.S. Minos
- H.M.S. Morris
Erste Zerstörerflottille
- H.M.S. Aurora (Captain Nicholson)
- H.M.S. Acheron
- H.M.S. Ariel
- H.M.S. Attack
- H.M.S. Defender
- H.M.S. Druid
- H.M.S. Forester
- H.M.S. Goshawk
- H.M.S. Hornet
- H.M.S. Hydra
- H.M.S. Jackall
- H.M.S. Lapwing
- H.M.S. Phoenix
- H.M.S. Sandfly
- H.M.S. Tigress
Dritte Zerstörerflottille
- H.M.S. Undaunted (Captain St. George)
- H.M.S. Laertes
- H.M.S. Landrail
- H.M.S. Lark
- H.M.S. Laurel
- H.M.S. Lawford
- H.M.S. Legion
- H.M.S. Liberty
- H.M.S. Lookout
- H.M.S. Louis
- H.M.S. Lucifer
- H.M.S. Lydia
- H.M.S. Lysander
Die 8 deutschen Kreuzer fuhren also gradewegs in eine gigantische Falle. Am Morgen des 24. Januar, etwas nach 8.00 Uhr, kurz bevor der angegebene Punkt auf der Doggerbank erreicht war, sichtete S.M.S. Kolberg in westlicher Richtung einen Kleinen (engl. „Leichten“) Kreuzer und Zerstörer; die von dem Kleinen Kreuzer ( H.M.S. Aurora) mit Scheinwerfern gegebenen Erkennungssignale beantwortet „Kolberg“ mit einem beliebigen Scheinwerferzeichen und eröffnet sofort das Feuer. Die meisten britischen Schiffe hatten planmäßig ihren Treffpunkt erreicht, nur ein Kreuzer und 13 Zerstörer aus Harwich waren im Nebel aufgehalten worden. Admiral Beatty will grade Befehl geben, nach Nordosten, also von den deutschen Schiffen weg, aufzuklären, da blitzen im Südosten Schüsse auf, und H.M.S. Aurora meldet. „Bin im Gefecht mit der Hochseeflotte„. Es kommt zwischen den beiden Kreuzer zu einem kurzem Gefecht, in dem S.M.S. Kolberg zwei Treffer erhielt, die dem Schiff keinen wesentlichen Schaden taten, durch die aber zwei deutsche Matrosen getötet wurden. Eine halbe Stunde verging, ehe H.M.S. Aurora zusammen mit H.M.S. Arethusa und H.M.S. Southampton Fühlung an den deutschen Schiffen genommen hatten und dem Befehlshaber im Südosten Schlachtenkreuzer und links davon leichte Fahrzeuge melden konnten. Admiral Beattys war bestens über die genaue Stärke und das Ziel des Gegner informiert.
Sein Plan bestand daher darin, den deutschen Schiffen den Rückweg zu verlegen, sie zwischen sich und die von Norden heranmarschierenden „Großen Flotte“ zu bringen und zu vernichten. Während also dem britischen Admiral das Zusammentreffen erwartet kam, war es für die Deutschen eine böse Überraschung. Zwischen 8.00 und 9.00 Uhr folgten sich die Meldungen seiner Vorpostenkreuzer S.M.S. Kolberg und S.M.S. Stralsund über den Feind. Sie ergaben für Admiral Hipper das Bild, dass er wahrscheinlich das II. britische Schlachtgeschwader (Großkampf-Linienschiffe), also eine mehr als doppelte Überlegenheit sich gegenüber habe. Entsprechend einem alten Grundsatz für Kreuzer machte er erst einmal kehrt, um einen Überblick zu gewinnen. Kleine Kreuzer und Torpedoboote wurden wiederum nach vorn gezogen, um den Schlachtkreuzern das Schussfeld frei zu geben. Das letzte Schiff der Schlachtkreuzerlinie S.M.S. Blücher, kann aber noch 9.19 Uhr nicht mehr melden als: „Achteraus in Sicht 7 feindliche Kreuzer und bis jetzt 26 Zerstörer. Weitere Rauchwolken dahinter.„
S.M.S. Blücher erhält die Erlaubnis, nach eigenem Ermessen das Feuer zu eröffnen. Auch ohne weitere Einzelheiten erkannt zu haben, weiß Admiral Hipper für sein Verhalten genug. Die Anwesenheit so zahlreicher leichter Streitkräfte deutet auf die Nähe schwerer, ihm überlegener Schiffe hin. Er muss also, da die deutsche Linienschiffsflotte nicht in See ist und ihm keinen Rückhalt gewähren kann, zunächst näher an die Deutsche Bucht heran, um nicht abgeschnitten zu werden. Um 9.20 Uhr versuchten vier Zerstörer unter der Führung von H.M.S. Meteor einen Torpedoangriff auf die am Schluss fahrende S.M.S. Blücher zu starteten. „Blücher“ eröffnete um 9.25 Uhr das Feuer. Die britischen Schiffe drehen unter diesen Beschuss sofort wieder ab. Inzwischen ist es heller Tag geworden und die Sichtweite für Nordseeverhältnisse ganz ungewöhnlich groß. Die Schlachtenkreuzer stehen auf beiden Seiten so gestaffelt, dass alle Schiffe alle Geschütze einer Seite benutzen können.
Beatty hat zwischen 9.00 und 10.00 Uhr die Geschwindigkeit seiner Schiffe von 24 sm auf 29 sm gesteigert, um sein Ziel, den Deutschen den Weg abzuschneiden, zu erreichen. Er nahm dafür in Kauf, dass die langsamen Schlachtenkreuzer H.M.S. New Zealand und H.M.S. Indomitable bald zurückblieben und dass die leichten Kreuzer und Torpedoboote die gewünschte Stellung an der Spitze nicht einnehmen konnten. Tatsächlich kamen sie nicht weiter zum Einsatz. Der weitere Kampf wurde also allein zwischen 4 deutschen und 5 britischen Schlachtenkreuzern ausgefochten. Den 40 schweren deutschen Geschützen vom Kaliber 30,5; 5; 28 und 21 cm mit einem Geschossgewicht ihrer Breitseiten von 10.144 kg stehen ebenfalls 40 schwere englische Geschütze, aber vom Kaliber 34,4- und 30,5 cm mit einem doppelt so großen Geschossgewicht (20.320 kg) gegenüber. Mit der Höchstgeschwindigkeit kommen die Briten den Deutschen schnell näher, denn diese können mit Rücksicht auf die Torpedoboote, die gegen die See mehr an Fahrt verlieren als die großen Schiffe, nur 21 sm laufen. 9.52 Uhr fällt der erste Schuss vom britischen Flaggschiff H.M.S. Lion auf ca. 20 km Entfernung in Richtung S.M.S. Blücher. Zwar lagen die Treffer noch 2 km zu kurz, aber die Deutschen waren von der Entfernung überrascht, da sie bei ihren Übungen und Vorbereitungen mit einer Entfernung bis höchstens 15 km gerechnet hatten. Sie waren dementsprechend mit ihren Befehlsübermittlungsapparaten auch nur auf diese Entfernungen eingerichtet.
10.05 Uhr kann Beatty das Signal zum allgemeinen eröffnen des Feuers geben, aber erst 10.09 konnte Hipper dasselbe für die deutschen Schiffe tun. 10.11 Uhr eröffnete S.M.S. Derfflinger mit seinen 30,5 cm Geschützen das Feuer auf deutscher Seite. Die anderen Schiffe konnten nicht so weit schießen wie die britischen. Das lag aber nicht daran, dass die deutschen Schiffe schlechter gebaut waren, sondern nur daran, dass die deutschen Schiffskonstrukteure mit Absicht und aus gutem Grunde das dafür notwendige Gewicht nicht zur Verfügung gestellt hatten. Der Preis des Weiterschiessens war die Geschütze höher richten, dies hatte wiederum eine Gewichtszunahme der Lafetten bedeutet. Dieses Gewicht hätte man anderen Stellen, vor allem an der Panzerung einsparen müssen. Ein Wetter wie am 24. Januar 1915 ist aber in der Nordsee äußert selten und es erschien den deutschen Planern nicht richtig, für diese Ausnahme an der Panzerung zu sparen, nur um 1 – 2 km weiter schießen zu können. Tatsächlich hat sich das weitere Gefecht auf einer Entfernung von 16,5 km herum abgespielt, so dass die Deutschen nur in der ersten Viertelstunde des Gefechts etwas spürten. Die Briten vereinigten ihr Feuer anfangs auf die als Schlusslicht fahrende S.M.S. Blücher. Hipper befiehlt dagegen von vornherein: „Feuerverteilung von links„, d.h., jedes Schiff soll dasjenige Schiff der Briten unter Feuer nehmen, welches von ihm links gesehen wird.
10.12 Uhr erzielt H.M.S. Lion seinen ersten Treffer auf S.M.S. Blücher. 2 Minuten später kann es mit seinen Geschützen auch andere Schiffe erreichen und geht deshalb mit dem Feuer auf S.M.S. Moltke über, während H.M.S. Tiger und H.M.S. Princess Royal weiter auf S.M.S. Blücher schießen. Bald erwidern alle deutschen Schiffe das Feuer, S.M.S. Blücher von 10.18 Uhr, S.M.S. Seydlitz von 10.19 Uhr und S.M.S. Moltke von 10.20 Uhr an. Bei der großen Entfernung und dem dicken Qualm zwischen beiden Linien kann beiderseits das Geschützfeuer nicht genau innegehalten werden, wie beabsichtig ist. Zeitweise ist von den deutschen Schiffen aus nur das britische Spitzenschiff H.M.S. Lion zu sehen, zeitweise verschwindet auch dieses, zeitweise können nur die achteren Geschütze das Ziel bekommen. Die deutschen Torpedoboote stehen zu dieser Zeit vor der Kurslinie der Briten, die britischen dagegen weit hinter deren Schlachtkreuzern. Aus den Bewegungen der deutschen Torpedoboote entnimmt nun Beatty, dass sie einen Angriff auf ihn vorhaben.
Zur Abwehr eines solchen fehlen ihm aber seine leichten Kreuzer und Zerstörer. 10.21 Uhr erhält H.M.S. Lion seinen ersten Treffer. Kurz zuvor, um 10.20 Uhr gabt er zwar dem Befehlshaber der Torpedoboote, Kommandant Tyrrwhit, den Befehl, sich mit äußerster Kraft an die Spitze der Linie zu setzen, aber bei der hohen Fahrt der Schlachtenkreuzer gelingt dies nicht einmal den 4 besonders schnellen Zerstörern der M-Klasse. Deshalb wendet Beatty zwei Strich vom Feind ab. Zunächst tobt das Geschützfeuer trotz zunehmender Entfernung unvermindert weiter. Die Briten geben die Feuervereinigung mehrerer Schiffe auf S.M.S. Blücher, die keine gute Wirkung erzielt hat, auf und verteilen ihr Feuer, Schiff gegen Schiff, wie Hipper es von vornherein befohlen hat.
Magnus von Levetzow
* 08.01.1871 in Flensburg
† 13.03.1939 in Berlin
Konteradmiral, Kommandant S.M.S. Moltke 09/1911 – 01/1915
Das britische Schlussschiff H.M.S. Indomitable hat indessen mit den schnelleren Schiffen vor ihm nicht Schritt halten können und ist zu weit weg, um am Gefecht teilnehmen zu können. So nimmt H.M.S. New Zealand S.M.S. Blücher, H.M.S. Prinzcess Royal S.M.S. Derfflinger und HMS Lion S.M.S. Seydlitz unter Beschuss. H.M.S. Tiger aber rechnet H.M.S. Indomitable als Teilnehmer mit und glaubt deshalb ebenfalls auf S.M.S. Seydlitz feuern zu müssen. So kommt es, das S.M.S. Moltke unbeschossen bleibt. H.M.S. Tiger verliert bald darauf sein Ziel S.M.S. Seydlitz aus den Augen und schießt zu weit. 10.43 Uhr wird S.M.S. Derfflinger Steuerbord achtern getroffen, Wasser dringt in das Schiff, kann jedoch nach wenigen Minuten aufgehalten werden.
Da trifft eine 34,4 cm Granate den hintersten Turm D auf S.M.S. Seydlitz, unglücklicherweise an einer Stelle, wo zwei Panzerplatten zusammenstoßen, die Munitionskammern der beiden hinteren Geschütztürme (C und D) geraten in Brand, nach wenigen Sekunden schoss aus dem Hinterschiff in eine blaue Stichflamme empor, die unbeweglich bis zur Höhe der Mastspitzen stand. Fast alle Bedienungsmannschaften waren augenblicklich tot, sie starben einen grausamen Tod: „… ein Tod ohne Blut, ohne Leichen. Nachdem die Stichflamme zusammengefallen ist, gehen weiche, schwarze Flocken nieder.„, schrieb später Theodor Plievier über derartige Explosionen. Der erste Artillerieoffizier des Flaggschiffes, Korvettenkapitän Foerster handelte sofort und gab Befehl Abteilung III des Schiffes, das ist die Abteilung des Schiffes, in dem die beiden Türme mit ihren Kammern liegen, zu fluten.
Ludwig von Reuter
* 09.02.1869 in Guben
† 18.12.1943 in Potsdam;
Kommandant S.M.S. Derfflinger 9/14 – 9/15. Vizeadmiral und Befehlshaber der in Scapa Flow internierten Hochseeflotte 1919.
Viele glaubten, dass das Ende von S.M.S. Seydlitz gekommen sei. Inzwischen war der erste Offizier, Korvettenkapitän Hagedorn, mit dem Feuerwerker Müller und Pumpenmeister Hering in die Abteilung III vorgedrungen, da wo die Ventile zum Unterwassersetzen der Abteilung lagen. Mit Todesverachtung stürzten die drei in die Abteilung zu den Flutventilen. In rasender Eile reißen sie ein Ventil nach dem anderen auf, die Handräder sind glühend, sie erleiden schwere Verbrennungen an den Händen, aber der Brand in den Kammern wird dadurch gelöscht. Vom Nachbarturm E dringt nun eine Abteilung unter Leutnant zur See Walter gegen das brennende Holzdeck vor. S.M.S. Seydlitz ist in undurchdringlichen Qualm gehüllt. In wenigen Minuten waren 6000 kg Pulver abgebrannt.
Kurz nach dem folgenschweren Treffer auf S.M.S. Seydlitz, der 2 von 5 schweren Geschützen außer Gefecht setzte und 165 Mann tötet, wird das britische Flaggschiff H.M.S. Lion dreimal hintereinander getroffen. Ein schweres Geschütz fällt aus, eindringendes Wasser setzt die Stromversorgung für den achteren Leitstand und die leichte Artillerie außer Gefecht. Kurz darauf beobachten sie, wie aus H.M.S. Tiger Flammen empor schlagen und deren Geschütze verstummen. Doch jetzt lässt infolge der zunehmenden Entfernung die Heftigkeit des Feuers nach. Gleichzeitig muss Hipper vorübergehend auch gegen die 4 leichten Kreuzer des Kommodore Goodenough, die sich bis auf 14 km Backbord genähert haben kämpfen, aber ein paar schwere Salven genügen um sie zum Abdrehen zu bewegen.
Christoph Moritz von Egidy
* 27.07.1870 in Pirna/Sachsen
† 05.01.1937 in Langfeld bei Flensburg
Kapitän zur See, Kommandant S.M.S. Seydlitz 5/13 – 11/17
Indessen kann S.M.S. Blücher die Geschwindigkeit jetzt nicht mehr halten, während Beatty wieder auf nähere Entfernung herandreht. Kaum ist er wieder auf Gefechtsentfernung, da wird sein Flaggschiff H.M.S. Lion um 11.18 Uhr von zwei schweren Granaten gleichzeitig getroffen. Die Erschütterung ist so groß, dass man glaubt von einem Torpedo getroffen zu sein. Die eine Granate drückt den Gürtelpanzer ein, die vorderen Kohlenbunker an Backbordseite laufen voll Wasser. Die andere durchschlägt den Panzer, krepiert im Torpedoraum und setzt diesen sowie die Nachbarräume augenblicklich unter Wasser. Beatty will, um seine Feuerwirkung zu steigern näher herankommen, aber er wagt sich nicht in das Kielwasser der deutschen Torpedoboote hinein, weil er fälschlicherweise annahm, sie würfen Minen. Sein Ziel bleibt es, in weitem Ausholen nach Süden durch seine überlegene Geschwindigkeit die Deutschen zu überflügeln und abzuschneiden. Die Entfernung von Helgoland beträgt noch über 100 sm (185 km).
Inzwischen bemerken die Briten, dass S.M.S. Blücher unter dem Feuer schwer leidet. Hier hat um 11.30 Uhr ein feindlicher Treffer eine verhängnisvolle Wirkung. Er ist in die tief im Schiff liegende Munitionstransportbahn gedrungen und hat etwa 40 Kartuschen entzündet. Stichflammen schlagen in zwei Türme, denen es ebenso, wie auf S.M.S. Seydlitz oben beschrieben, ergeht. Alle Befehlsübermittlungseinrichtungen für Schiffsführung und Artillerie fallen in einem Augenblick aus. Gleichzeitig durchschlagen Splitter die Hauptdampfrohrleitungen im dritten Heizraum, der Dampfdruck in der Maschine fällt, das Schiff kann nur noch 17 sm laufen. Den Versuch näher an den Feind heranzukommen und eine Entscheidung zu erzwingen, muss Beatty wegen zu starken Beschuss wieder aufgeben. Zwischen 11.35 Uhr und 11.50 Uhr schlagen 6 Treffer von S.M.S. Seydlitz und S.M.S. Moltke auf dem englischen Flaggschiff H.M.S. Lion ein. Deren Panzer wird erneut durchschlagen, neue Kohlenbunker laufen voll Wasser, eine Granate krepiert im Vorraum zur Munitionskammer des vorderen Turmes, die Kammer gerät in Brand und wird nur durch rechtzeitiges Fluten gerettet. Gegen 11.50 Uhr durchschlägt ein Treffer den Gürtelpanzer in Höhe der Kesselräume, treibt ihn nach innen und beschädigt die Backbordmaschine so, dass sie stoppen muss und das Schiff nur noch 15 sm laufen kann. Gleichzeitig fällt durch einen Kurzschluss die elektrische Stromversorgung des ganzen Schiffes aus. Die Schlagseite nach Backbord nimmt bis zu 10° zu. H.M.S. Lion muss mit Admiral Beatty an Bord die Kampflinie verlassen. Zum Überfluss, aber fälschlicherweise, werden nun auch noch deutsche U-Boote an Steuerbord gemeldet. Die Ursache für diese Falschmeldung ist wahrscheinlich ein merkwürdiger Zufall gewesen. Das deutsche Torpedoboot V 5, unter Kapitänleutnant Eichhorn, hatte die Geschwindigkeit der Kreuzer nicht mithalten können und war daher immer mehr zwischen den feuernden Linien geraten.
Fregattenkapitän Alexander Erdmann
* 16.11.1870
† 15.02.1915
Kommandant von S.M.S. Blücher 1913-1915
Gegen 11.00 Uhr wurde es von einem feindlichen Schlachtenkreuzer heftig beschossen. Der Kommandant von V 5 glaubte, sich nicht mehr lange halten zu können und drehte deshalb zum Angriff auf die feindlichen Linien zu. Die Entfernung war für einen Torpedoschuss zwar viel zu groß, aber er wollte lieber diese schwache Aussicht wahrnehmen, als sich ohne Kampf abschießen zu lassen. So schoss er auf das zweite Schiff der britischen Linie, auf 7 km, einen Torpedo. Zwar traf dieser nicht, aber die Blasenbahn des Torpedos führte wohl zu Annahme der Briten, deutsche U-Boote seien ganz in der Nähe. Beatty befiehlt also eine gleichzeitige Wendung um 8 Strich (entspricht 90°) ungeachtet dessen, dass infolge dieses Hackenschlages Hipper einen wertvollen Vorsprung gewinnen musste. Sich dessen bewusst wird bereits nach 2 Minuten um 3 Strich auf Kurs Nord-Ost zurückgewendet. In dem Trubel geht aber nun die Leitung der Schlacht auf britischer Seite verloren. Bevor die zerschossenen H.M.S. Lion mit Admiral Beatty an Bord aus Sicht kommt, will dieser durch Flaggensignale seine weiteren Anweisungen an den zweiten Admiral Moore auf H.M.S. New Zealand geben, der jetzt den Kampf weiterleiten muss. Da alle anderen Nachrichtenmittel unbrauchbar sind, muss Beatty Flaggensignale benutzen. Es stehen ihm zwei Flaggenleinen, zwei Flaggensignale zur Verfügung. An der ersten Flaggenleine geht das Signal hoch: „Die feindlichen Schlussschiffe angreifen!“ Aber gleichzeitig weht noch das Kurssignal: „Nord-Ost„. Infolgedessen fassen die britischen Schiffe das Signal so auf: Feindliche Schlussschiffe, die in der Richtung Nord-Ost stehen angreifen.
Diese Auffassung war aber von Beatty nicht beabsichtigt, denn so bezog sich das Signal auf S.M.S. Blücher. Das zweite Signal bedeutete: „Näher an den Feind ran!“ Es steht also im Widerspruch der ersten Signalmeldung, aber es soll so ungünstig ausgeweht worden sein, dass es von keinem Schiff abgelesen wurde. Infolgedessen fasst der zweite Admiral Moore auf H.M.S. New Zealand, seine Aufgabe dahin auf, S.M.S. Blücher zu vernichten und lässt von allen anderen deutschen Kreuzern ab. S.M.S. Blücher lag nun im konzentrischen Feuer der Briten, das bis auf ein Geschütz des achteren Turms alle anderen Geschütze außer Gefecht setzte. Danach konnten auch die britischen Leichten Kreuzer und Zerstörer zum Angriff mit Torpedos übergehen. Den Endkampf der „Blücher“ schildert ein britischer Augenzeuge von H.M.S. Arethusa so: „Das Schiff war kaum zu verfehlen, da es fast still lag. Ein zweiter Torpedo traf die Blücher voll mittschiffs. Die Mannschaft hielt sich schneidig bis zum letzten Augenblick. Wir sahen die Besatzung auf Deck aufgestellt und salutierend. Es war ein packender Anblick. Jeder, der ein Gefühl besaß, mußte eine solche Kaltblütigkeit bewundern. Als wir den zweiten und letzten Torpedo losgelassen hatten, wußten wir, daß das Ende schnell kommen mußte, und fuhren bis auf 200 Meter an die Blücher heran. Die Mannschaft wäre stramm salutierend in den Tod gegangen, wenn wir nicht Sirenenwarnsignale gegeben hätten. Einer der Offiziere rief auf deutsch hinüber, was vor sich ging. Die Deutschen verstanden es und schwenkten die Mützen, riefen Hurra und sprangen über Bord. Wir verloren keinen Augenblick, sondern warfen sofort zahlreiche Planken über Bord, an denen sich sich festhielten, bis sie unsere Boote auffischten. Inzwischen hatte unser Torpedo sein Ziel erreicht, das Schiff versank in den Fluten. Der Kommandant der Blücher, Kapitän zur See Erdmann, der sich unter den Geretteten befand, starb wenige Tage darauf an Lungenentzündung. Er wurde in Edinburgh mit militärischen Ehren beigesetzt.„
Admiral Hipper hatte beobachtet, wie H.M.S. Lion kurz vor 12.00 Uhr aus der Linie ausgeschert war. Seine Gedanken zu dieser Zeit fasste er im Kriegstagebuch in folgende Worte: „Da seit einiger Zeit ‚Blücher‘ stark gesackt war, da andererseits das Verhalten des Gegners auf eingetretene Beschädigung schließen ließ, so entschloß ich mich, nunmehr sofort, heranzugehen und die Torpedoboote anzusetzen. 11.58 Uhr wurde, nachdem die Linie vorher auf Süd-Ost-zum-Süd gelegt worden war, auf diesen Kurs gewendet. 12 Uhr wurde das Signal zum Angriff der Torpedoboote gegeben.“ In der selben Minute aber, in der Hipper seine Boote angesetzt, wendet Beatty vor dem vermeintlichen U-Boote 8 Strich nach Backbord und vereitelt dadurch, ungewollt, aber so wirksam den Angriff, dass man von deutscher Seite überzeugt ist, die Wendung der Briten sei eine Folge des drohenden Torpedobootsangriff. Es war nach dieser Wendung ausgeschlossen, dass die deutschen Torpedoboote zum Gegner kamen, da sie um ein Torpedo zu schießen, eine „vorliche Stellung“, d.h. Vorsprung in der Kursausrichtung haben muss, weil der Torpedo nicht so schnell wie ein Kanonenschuss (600 – 900 m/s), sondern nur 20 m/s ( 70 km/h) durch das Wasser zurücklegt. Das Ziel lauft mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 km/h. So muss Hipper schon 12.07 Uhr die Boote wieder zurückrufen. Mit den Schlachtenkreuzern selbst dreht er aber weiter dem Feind nach, um S.M.S. Blücher zu helfen. Da wird ihm gemeldet, dass die „beiden hinteren Geschütztürme auf S.M.S. Seydlitz nicht mehr gefechtsbrauchbar gemacht werden können und endgültig ausgefallen sind. Die übrigen haben nur noch 200 Schuß Munition; 600 T Wasser sind im Schiff„. Über den nunmehr zu fassenden Entschluss schreibt Admiral Hipper im Kriegstagebuch: „Die weitere Unterstützung S.M.S. Blücher im Kreisgefecht würde die erste Aufklärungsgruppe zwischen die englischen Schlachtkreuzer und die dahinter vermuteten Linienschiffgeschwader gebracht haben. Sie hätte zudem die eigene Spitze, nachdem im Kreisgefecht allmählich nördliche Kurve erreicht worden wären, in höchst ungünstige Stellung zu den feindlichen Zerstörern geführt. … Auch der Gedanke, S.M.S. Blücher eine Halbflottille zu Hilfe zu senden, ist erwogen worden. Er wurde jedoch verworfen, weil die Halbflottille, wenn sie auch die großen Schiffe vielleicht zeitweise zum Abdrehen von S.M.S. Blücher veranlasst haben würde, doch durch die Kleinen Kreuzer und Zerstörer schnell erledigt worden wäre, ohne daß S.M.S. Blücher wirklich wirksame Hilfe damit zuteil geworden wäre.„
Heute wissen wir, dass Hipper recht hatte mit seiner Überzeugung, dass hinter den Kreuzern und Torpedobooten von Beatty noch andere Kampfgeschwader standen. Wie nahe oder wie weit sie waren, konnte er nicht wissen. Unterstützung durch die eigene Flotte hatte er nicht zu erwarten. Unter diesen Umständen glaubte er es nicht verantworten zu können, den Kampf, den die Briten abgebrochen hatten, seinerseits zu suchen. Schweren Herzens überließ er S.M.S. Blücher seinem Schicksal und nahm den Kurs auf die Deutsche Bucht wieder auf.
Beatty auf H.M.S. Lion wusste in diesem Augenblick natürlich von dieser Entscheidung nichts. Er nahm natürlich an, dass die drei letzten Befehle, die er durch Signal an seine Schlachtkreuzer gegeben hat:
- Kurs Nordost steuern!
- Die feindlichen Schlussschiffe angreifen!
- Näher an den Feind heran!
in seinem Sinn verstanden sind und dass der Kampf fortgeführt wird. Er steigt deshalb von seinem Flaggschiff, welches schwer beschädig dem Sinken nahe ist, auf ein schnelles Torpedoboot über und jagt seinen Schlachtkreuzern nach.
Er ist sehr erstaunt, als er sie bereits nach 10 Minuten in Sicht bekommt. Er geht auf H.M.S. Princess Royal an Bord und sieht, dass der Kampf abgebrochen ist. Das Versäumte lässt sich auch nicht mehr einholen. Er sammelt sein Geschwader und richtet nun sein Hauptaugenmerk darauf, das beschädigte Flaggschiff gegen etwaige Angriffe kleiner feindlicher Fahrzeuge zu sichern. H.M.S. Lion kann zunächst noch 12 sm laufen, muss aber bald, da die letzte Maschine anfängt zu versagen, auf 8 sm heruntergehen und um 16.30 Uhr von H.M.S. Indomitable in Schlepp genommen werden. Als Beatty bald darauf mit der großen Flotte zusammentrifft, befiehlt der Flottenchef Jellicoe, dass alle Flottillen ohne Ausnahme den unmittelbaren Schutz des Schleppzuges gegen U-Boots- und Torpedobootsangriffe übernehmen sollen. Das I. und II. leichte Kreuzergeschwader soll indes zwischen dem Schleppzug und Helgoland eine weitere Rückendeckung für erstere bilden.
Ein Angriff leichter Streitkräfte auf den abziehenden Feind ist von der deutschen Flotte erwogen worden. Die Torpedoboote, die den Vorstoß der Schlachtkreuzer mitgemacht hatten, kommen dafür nicht mehr in Frage, weil sie nicht mehr genügend Brennstoff haben. Die Torpedoboote aber, die der Flottenchef selbst mit herausbringt, als er mit dem I. und II. Linienschiffgeschwader gegen 17.00 Uhr die Schlachtkreuzer bei Norderney aufnimmt, hält er teils für nicht schnell genug, um die Briten noch einholen zu können, teils wegen der mondhellen Nacht durch feindliche Kreuzer zu sehr gefährdet, um sie ohne gleichwertige Kreuzer entsenden zu können. Auch gibt ihm eine Luftschiffmeldung über den Verbleib des Gegners keinen Anhalt dafür, dass H.M.S. Lion mit verminderter Geschwindigkeit, ja sogar im Schlepp der „Indomitable“ zurückkehren muss. Er nimmt nach den übereinstimmenden Meldungen mehrerer Schiffe, die am Gefecht teilgenommen haben, an, dass der britische Schlachtkreuzer H.M.S. Tiger gesunken ist.
Diese Annahme rührt daher, dass auf S.M.S. Moltke um 13.23 Uhr mehrere Personen an verschiedenen Stellen des Schiffes unabhängig voneinander beobachtet haben, wie ein feindlicher Schlachtkreuzer, außerhalb der Linien fahrend, unter gewaltigen Entzündungserscheinungen von der See verschwunden ist. Die riesigen Dampf- und Wasserwolken sind auch von S.M.S. Kolberg gesehen worden. Dazu kommt, dass „V 5“ etwa 12.15 Uhr einen Torpedo auf H.M.S. Tiger abgefeuert hatte. Der Torpedo musste die Entfernung von 7 km in etwa 8 Minuten zurückgelegt haben. Was lag unter diesen Umständen näher als die Annahme, dass das in die Luft geflogene Schiff der von „V 5“ angegriffene H.M.S. Tiger war? Man sah ja auch seitdem nicht mehr 5, sondern nur noch 4 Schlachtkreuzer; den H.M.S. Lion hatte gerade zu dieser Zeit den Kampfplatz verlassen. Wie sollte man sich all das anders erklären, als dass H.M.S. Tiger gesunken war? Man war so fest davon überzeugt, dass man es veröffentlichte.
Und doch ist weder H.M.S. Tiger noch ein anderer britischer Schlachtkreuzer gesunken. Durch einen weiteren Zufall erhält um 12.23 Uhr der britische Zerstörer „Meteor“, der genau in der Verbindungslinie zwischen S.M.S. Moltke und H.M.S. Tiger steht, aber wegen seiner niedrigen Aufbauten bei der großen Entfernung von den schweren Schiffen nicht gesehen wird, von S.M.S. Blücher, der ja schon näher an der britischen als an der deutschen Linie steht, einen Treffer in den Ölkesselraum. Dieser Treffer erzeugt natürlich ein ganz außergewöhnliche Qualmentwicklung aus brennendem Heizöl und entweichendem Wasserdampf. So entsteht dieser begreifliche Irrtum, der restlos erst aufgeklärt werden kann, als Jahre nach dem Krieg die amtlichen deutschen und britischen Darstellungen dieser Kriegszeit mit genauen Karten veröffentlicht worden sind.
Die Briten irrten sich ihrerseits ebenfalls. Nach ihren Veröffentlichungen war S.M.S. Kolberg durch Weitschüsse der britischen Schlachtkreuzer gesunken. Ferner nahmen sie die Schäden von S.M.S. Seydlitz als erheblich schwerer an, als sie waren, während die Deutschen die Schäden von H.M.S. Lion weit unterschätzten.
Die Vorstellung, die der deutsche Flottenchef von den Briten hatte, als er am Nachmittag des 24. 01. bei Norderney die Meldung seines Kreuzeradmirals und seiner Unterführer entgegengenommen hatte, war also die, dass wohl ein britischer Kreuzer gesunken sei, dass aber die anderen ihre Bewegungsfähigkeit nahezu uneingeschränkt besäßen. Das entsandte Luftschiff hatte die Briten aus der Sicht verloren. Unter diesen Umständen erschien ein Erfolg von Torpedobooten gegen sie so gut wie ausgeschlossen. An U-Booten hatten die Chefs der II. und III. U-Flottille gegen 14 Uhr fünf gegen den Feind entsandt, aber keins von ihnen traf auf die feindliche Flotte oder den Schleppzug mit H.M.S. Lion. Bei den Briten war indessen die Sorge vor den deutschen U-Booten so groß, dass sie erst am 25. Januar nach Anbruch der Dunkelheit wagten, sich Scapa Flow und dem Firth of Forth zu näheren. Nur das (ältere) III. Geschwader war schon im Laufe des Tages, am 25. Januar, nach Rosyth, dem Flottenstützpunkt im Firth of Forth, eingelaufen. Hierbei war das Linienschiff „Britannia“ (wurde am 09.11.18 letztes Opfer des Seekrieges) auf Grund gelaufen und hatte so schwere Beschädigungen erlitten, dass es für längere Zeit ausfiel. Erst am 26. Januar waren also die Schiffe, die am Gefecht teilgenommen hatten, in ihren Häfen.
Fazit
Die Öffentlichkeit war auf beiden Seiten schwankend in ihrem Eindruck und Urteil. Doch neigte man allgemein mehr dazu, den Erfolg auf britischer Seite zu sehen. Überdies warben die britischen Minister mit Nachdruck für eine günstige Beurteilung der öffentlichen Meinung. Der erste Lord der Admiralität, Winston Churchill, behauptete in einer großen Unterhausrede, die britischen Geschütze und Granaten hätten sich den deutschen weit überlegen gezeigt.
Winston Churchill
* 30.11.1874,
† 24.01.1965,
Erster Lord der Admiralität 1911 -1915, britischer Premierminister (1940–1945 und 1951–1955)
Die eigene Schießfertigkeit sei besser gewesen, als man geglaubt habe, die Geschwindigkeit der Schiffe sei vorzüglich gewesen, der britische Schlachtkreuzer habe sich im Vergleich zum deutschen von neuem, wie schon in der Seeschlacht bei den Falklandinseln, glänzend bewährt. Die britische Schießkunst in der Doggerbank-Schlacht konnte bezweifelt werden, da die leichten Kreuzer selbst beobachtet hatten, wie H.M.S. Tiger sein Ziel ein Zeitlang dauernd überschoss, obwohl es die damals modernste Feuerleitungsanlage von allen Schiffen besaß. Die Versenkung von S.M.S. Blücher konnte nicht der höheren Schießkunst zugeschrieben werden. Abgesehen davon, dass er kleiner und schwächer gepanzert als die anderen Kreuzer war, war durch den Treffer um 11.30 Uhr seine Geschwindigkeit herabgesetzt worden. Das musste in einem (Rückzugs-) Gefecht, in dem die deutschen Schlachtenkreuzer mangels genügenden Rückhalts an den Linienschiffsgeschwadern sich zurückziehen mussten, verhängnisvoll werden, gleichgültig ob die Briten besser schossen oder nicht.
Wichtiger war schon ein Vergleich der übrigen Trefferergebnisse. Die Briten standen in „Lee“, auf der dem Wind abgekehrten Seite, infolgedessen in der für das Artillerieschießen günstigeren Stellung, da ihnen der Wind das Schussfeld immer schnell wieder frei macht. Trotzdem und obwohl ihre Geschütze etwa 2 km weiter schießen konnten, erhielt S.M.S. Moltke keinen, S.M.S. Derfflinger einen unwirksamen und S.M.S. Seydlitz zwei Treffer. Von den britischen Schiffen dagegen wurde H.M.S. Tiger zweimal, H.M.S. Lion achtzehnmal getroffen; es war nur ein Zufall, dass es nicht das gleiche Schicksal erlitt, das in der Seeschlacht vor dem Skagerrak drei britischen Schlachtkreuzer ereilte. Auch waren die deutschen Geschütze besser als die britischen. Die Kaiserliche Marine hatte zugunsten der Sinksicherheit den Nachteil schwächeren Geschützkalibers bewusst in Kauf genommen und ihn durch größere Wirksamkeit der Granate auszugleichen erstrebt. So hatte man einen Granatzünder gefunden, der die Granate erst nach einer gewissen Zeit sprengte. In dieser Zeit konnte die Granate einen feindlichen Panzer durchschlagen und ihre verheerende Wirkung also erst innerhalb der durch Panzer geschützten Räume geltend machen. Das musste auch mit einem schwächeren Kaliber zum Erfolg führen, denn gerade die Panzerung war ja ein schwacher Punkt der britischen Schiffe. Die Maßnahmen der deutschen Marine waren also in der Tat klug auf die Verhältnisse beim Gegner berechnet gewesen. Haben die Tatsachen am 24. Januar 1915 dieser Berechnung entsprochen? Die Mündungsfeuerenergie der britischen Geschosse war dank ihrem stärkerem Kaliber fast doppelt so groß wie die der deutschen.
Trotzdem hat der deutsche Panzer, anscheinend sogar auf S.M.S. Blücher, alle Treffer im Feuergefecht von dem Schiffsinneren ferngehalten. Selbst bei dem verhängnisvollen Treffer gegen S.M.S. Seydlitz zeigt sich, dass die feindliche Granate selbst außerhalb des Panzers geborsten war. Die Wirkung war nur dadurch zustande gekommen, dass an dem Panzerplattenstoß, auf den die Granate traf, Stücke des Panzers losgebrochen und mit solcher Gewalt ins Innere getrieben waren, dass sich an ihnen die Munition entzündet hatte. Bei den Briten war dagegen der Panzer von H.M.S. Lion mindestens zweimal, auf 16 und 15 km Entfernung, durchschlagen worden. Marineminister Churchill wollte dennoch einen makellosen Sieg vorweisen. Er verhinderte deshalb eine Untersuchung jener Mängel, die während des Kampfes auf britischer Seite aufgetreten waren. Die Folge davon war, dass, während der Seeschlacht vor dem Skagerrak 1916 drei britische Schlachtkreuzer infolge von Kartuschenbränden explodierten und 3300 Mann mit in die Tiefe rissen.
Die Schlacht auf der Doggerbank machte vorläufig Überfälle auf britische Küstenstädte und Truppenlandungen in Großbritannien unmöglich. Nach dem 24. Januar 1915 hielt es die britische Führung nicht mehr für nötig, Truppen in demselben Umfang wie bisher in der Heimat zurückzuhalten. Vier Tage nach dem Gefecht wurde der endgültige Endschluss zum Angriff auf die Dardanellen in der Türkei gefasst.
Gefecht auf der Doggerbank
24. Januar 1915
S.M.S. Blücher gesunken
954 deutsche Tote – 14 britische Tote
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Das Buch von der Deutschen Flotte“, von R. Werner, Verlag von Velhagen und Klasing – Bielefeld und Leipzig 1880
- „Deutschlands Seemacht“ von Georg Wislicenus – Verlag Friedrich Wilhelm Grunow, Leipzig 1896
- „Die Heere und Flotten der Gegenwart – Deutschland“ 1898
- „Bilder aus der deutschen Seekriegsgeschichte“ von Vizeadmiral a.D. Reinhold Werner – München 1899
- „Nauticus – Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen“ 1899-19
- „Überall“ Illustrierte Zeitschrift für Armee und Marine, Jahrgänge
- „Das Buch von der Deutschen Flotte“, von R. Werner, Verlag von Velhagen und Klasing – Bielefeld und Leipzig 1902
- „Deutschland zur See“ von Victor Laverrenz, Berlin 1900
- „Marine-Album“ Berlin 1910
- „Deutschland zur See“ Illustrierte Wochenschrift, Zeitschrift des Vereins „Marinedank“, Berlin, Jahrgänge
- „Der Völkerkrieg – Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1.Juli 1914“ Verlag von Julius Hoffmann, Stuttgart 1914-1922
- „Taschenbuch der Kriegsflotten“, J.F. Lehmann’s Verlag, München Jahrgänge von 1900 bis 1936
- „Kennung der deutschen Kriegsschiffe und Torpedoboote“ – Admiralstab der Marine 1917
- „Das Reichsarchiv“ Band 1 – 36, Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1924
- „Unsere Marine im Weltkrieg 1914-1918“ Vaterländischer Verlag Berlin 1927
- „Deutsche Seefahrt“ – von Trotha und König, Otto Franke/ Verlagsgesellschaft Berlin – Birkenwerder 1928
- „Marinearchiv“ Band I und II Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1931
- „Unsere Marine – Schiffsbilder“, Bilder der Reichsmarinesammlung im Museum für Meereskunde zu Berlin (1930)
- „So war die alte Kriegsmarine“ von Eberhard von Mantey – Berlin 1935
- „Die deutschen Kriegsschiffe“, Groener 1966
- „Die Deutschen Kriegsschiffe“, Hildebrand/Röhr/Steinmetz
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Was für ein umfangreicher Artikel!
Aber nicht immer leicht zu lesen. Habe ich das richtig verstanden, die Briten feuerten den entscheidenden Schuss auf die Blücher und schmissen gleichzeitig Planken, damit die Deutschen nicht ersaufen mussten?