Böhmen als Kronland des österreichischen Kaiserstaates in detaillierter Übersicht, Geschichte in alten Ansichtskarten.
Prag ist die Hauptstadt Böhmens
Königreich Böhmen als Kronland des österreichischen Kaiserstaates
Böhmen (tschechisch Čechy, lateinisch Bohemia) ist Königreich und Kronland des österreichischen Kaiserstaates. Es liegt zwischen 48°34’–51°3′ nördlicher Breite und 12°7′ bis 16°50′ östlicher Länge, grenzt südwestlich an das Königreich Bayern, nordwestlich an das Königreich Sachsen, nordöstlich an Königreich Preußen (Provinz Schlesien), südöstlich an Mähren und Niederösterreich, südlich an Oberösterreich und umfasst ein Areal von 51.948 km² (943,4 Quadratmeilen), also 17,3 Prozent des österreichischen Staates.
Erwerbung für die deutsche Linie der Habsburger im Jahr 1526
Wappen:
Das Wappen Böhmens ist ein gekrönter, goldbewehrter und gezungter silberner Löwe mit Doppelschwanz in rotem Feld.
Landesfarben:
Die Landesfarben Böhmens sind Weiß und Rot
Größe Böhmens:
51.948 km²
Einwohner Böhmens:
- 1772: 2.314.795
- 1857: 4.705.527
- 1880: 5.560.819
- 1890: 5.843.094
- 1900: 6.318.697
- 1910: 6.769.548
Gewässer Böhmens:
Elbe, Moldau, Eger
Bewohner Böhmens:
In Bezug auf die Zahl der Bevölkerung nimmt Böhmen unter den österreichischen Ländern die zweite Stelle (nach Galizien), in Bezug auf die Bevölkerungsdichte die dritte (nach Niederösterreich und Österreichisch Schlesien) ein. Das Königreich war am Ende des Dreißigjährigen Krieges von kaum 800.000 Menschen bewohnt; 1772 zählte man 2.314.795, 1857: 4.705.527 Einwohner. 1880 betrug die Bevölkerung 5.560.819, 1890: 5.843.094 und Ende 1900: 6.318.697 Seelen. Die Vermehrung betrug in der Periode 1857–80 jährlich 0,74, 1880–90 jährlich 0,52 und 1890–1900 jährlich 0,81 Prozent. 1900 kamen auf 1000 Bewohner 8 Trauungen, 35 Lebendgeborene und 24 Sterbefälle; auf 1000 Geburten kamen 132 Uneheliche und 34 Totgeborene. Die Dichtigkeit der Bevölkerung beträgt 1900 = 122/km² Bewohner. Am dichtesten sind die nördlichen, am dünnsten die südlichen Bezirkshauptmannschaften bevölkert. Die Bevölkerung Böhmens verteilte sich 1900 in 7415 Gemeinden und 12.846 Ortschaften mit 772.552 Häusern.
Der Nationalität nach sind 37,3 % der Bevölkerung Deutsche, 62,7 % Slawen (Tschechen). Letztere nehmen den mittleren sowie den östlichen und südöstlichen Teil des Landes ein, während die Deutschen vor allem die Grenzgebiete, namentlich im Norden und Westen, bewohnen. Außerdem bilden die Deutschen zahlreiche Sprachinseln im tschechischen Gebiet, so die der Schönhengstler und die von Stecken im Osten an der mährischen Grenze, von Budweis, Prag und Umgebung u. a., während die Tschechen sich in neuerer Zeit in größerer Zahl in den deutschen Bergbau- und Industriebezirken angesiedelt haben. Dem religiösen Bekenntnis nach gehören 96 % der Bevölkerung (6.067.012) dem Katholizismus an, 2,8 % (144.658) den evangelischen Konfessionen (der helvetischen die größere Hälfte); die Bekenner der Augsburger Konfession sind am zahlreichsten im ehemaligen Egerer, die der helvetischen im Chrudimer Kreis; 1,5 % (92.745) sind Israeliten. (Angaben 1905)
- 4.241.918 Böhmisch-mährisch-slowakisch (slawische Tschechoslowaken)
- 2.467.724 Deutsch
- 1.541 Polnisch
- 1.062 Ruthenisch (Ukrainisch)
- 292 Slowenisch
- 190 Serbisch-kroatisch
- 136 Italienisch-ladinisch
- 33 Rumänen
- 48 Ungarn
Bevölkerungsdichte:
130,5 Einwohner/km² (Volkszählung von 1910)
Bildungswesen:
Das Unterrichtswesen steht in Böhmen auf hoher Stufe. 1900 bestanden 5509 öffentliche Volks- und Bürgerschulen (2351 deutsche, 3158 tschechische) mit zusammen 24.640 Lehrern, 1.091.156 schulpflichtigen und (mit Einschluss der 230 Privatschulen) 1.093.948 schulbesuchenden Kindern. Gymnasien und Realgymnasien zählte das Land 1900: 61 (27 mit deutscher, 33 mit tschechischer Unterrichtssprache), zusammen mit 1144 Lehrern und 14.477 Schülern; Realschulen 30 (12 mit deutscher und 18 mit tschechischer Unterrichtssprache), zusammen mit 643 Lehrern und 10.096 Schülern. Ferner bestehen 17 Lehrer- und 7 Lehrerinnenbildungsanstalten in Böhmen. Hochschulen sind die Universität zu Prag (1348 gestiftet), von der 1882 eine besondere tschechische Universität abgetrennt wurde (die deutsche 1900 mit 189 Lehrern und 1321 Hörern, die tschechische mit 196 Lehrern und 3143 Hörern), die deutsche und die tschechische technische Hochschule zu Prag (erstere mit 49 Lehrern und 560 Hörern, letztere mit 86 Lehrern und 1179 Hörern); Spezialschulen sind: die Bergakademie zu Přibram, die Kunstakademie zu Prag, 4 theologische Lehranstalten, 5 Mittelschulen für Landwirtschaft und 2 für Forstwirtschaft, 56 niedere landwirtschaftliche Schulen, 96 Handels- und 421 Gewerbeschulen, 2 Bergschulen, 1 Hebammenschule, 270 Musik-, 134 weibliche Arbeitsschulen und 130 sonstige spezielle Lehr- und Erziehungsanstalten. Zur Förderung höherer Bildung wirken auch das 1818 gestiftete Nationalmuseum und die Böhmische Kaiser Franz Joseph-Akademie der Wissenschaften, der Literatur und Kunst. Die periodische Presse umfasste 1901 = 696 Blätter (237 deutsche, 448 tschechische), davon 243 politische Zeitschriften und von diesen 21 Tagesblätter. Ende 1900 bestanden in Böhmen 19.916, d. h. 33 % sämtlicher in Österreich vorhandenen Vereine. An Wohltätigkeitsanstalten gab es 1899 = 166 Krankenhäuser mit 9756 Betten und 104.460 behandelten Kranken im Jahr, 6 Irrenhäuser mit 6476 behandelten Kranken, 1 Gebär- und 1 Findelanstalt, 4 Taubstummen- und 2 Blindeninstitute mit 421, resp. 213 Zöglingen, 15 Krippen, 136 Kinderbewahranstalten und 224 Kindergärten (zusammen mit 39.441 Kindern), 50 Waisenhäuser, 1 Idiotenanstalt, 1 Arbeitshaus und 518 Versorgungshäuser.
Religion: 1915
- römisch Katholisch 6.475.835
- Griechisch-katholisch 1.691
- Armenisch-katholisch 10
- Altkatholisch 14.631
- Griechisch-orientalisch 824
- Armenisch-orientalisch 8
- Evangelisch (A.B.) 98.379
- Evangelisch (H.B.) 78.562
- Herrnhuter 891
- Anglikaner 173
- Mennoniten 4
- Unitarier 20
- Lippowaner 9
- Juden 85.826
- Islamiten 14
- Andere Konfessionen 1.467
- Konfessionslose 11.204
Wirtschaft:
Die Nahrungszweige der Bevölkerung sind außerordentlich vielseitig. Obenan steht der Ackerbau, der in dem fruchtbaren Boden und den klimatischen Verhältnissen günstige Bedingungen vorfindet. Unproduktiv sind 3 % des Gesamtareals; über 50 % des Bodens sind Ackerland, 11 % Wiesen und Gärten, 5 % Weiden, 29 % Wald, der Rest hauptsächlich Teiche. Die Ernte belief sich 1900 auf folgende Mengen: Weizen 3.047.498, Roggen 3.475.920, Gerste 5.711.909, Hafer 5.766.682 metrische Zentner, Hülsenfrüchte 712.619 hl, Raps 143.125, Mohn 13.061, Flachs 141.707, Zichorie 370.075, Kartoffeln 29.532.354, Zuckerrüben 33.916.835, Futterrüben 4.054.109, Kraut 577.553, Kleeheu 7.346.256, Grasheu 11.895.244, Hopfen (hauptsächlich bei Saaz und Auscha) 72.010 metrische Zentner, Wein (im Elbtal auf einer Fläche von 870 Hektar) 9450 hl, Obst, insbes. Äpfel und Pflaumen, 973.371 metrische Zentner. Der Viehstand belief sich Ende 1900 auf 229.564 Pferde, 2.258.338 Rinder, 228.307 Schafe, 688.822 Schweine und 316.834 Ziegen. Hiernach herrscht die Rindviehzucht, die meistens durch den rotbraunen Landschlag vertreten ist, vor. Die Schafzucht ist in starkem Rückgang begriffen (1880 wurden noch 761.264 Stück gezählt), wogegen die Schweinezucht eine erhebliche Vermehrung (seit 1880 um 266.817 Stück) aufweist. Von Bedeutung ist auch die Bienenzucht (1900: 199.604 Stöcke) und die Geflügelzucht (7.445.330 Stück); außer Hühnern werden insbesondere Gänse in ganzen Herden gehalten.
Die Waldungen umfassen 1.507.325 Hektar, wovon der größte Teil (1.368.331 Hektar) auf Nadelholz entfällt. Etwa zwei Drittel sind Eigentum des Großgrundbesitzes. Der durchschnittliche jährliche Holzzuwachs beträgt 3.603.044 Festmeter, wovon 59 % auf Nutz- und 41 % auf Brennholz kommen. Die Jagd liefert in Böhmen noch immer eine große Ausbeute. 1896 wurden an Nutzwild 17.575 Stück großes und 346.877 Stück kleines Haarwild, dann 385.014 Stück Federwild, an Raubwild 15.784 Stück Haarwild und 43.404 Stück Federwild geschossen. Sehr groß ist der Ertrag der Teichfischerei, namentlich an Karpfen.
Bergbau: Die Produkte des Mineralreiches sind in Böhmen sehr reich und mannigfaltig; nur Salz fehlt gänzlich. 1901 wurden im Staatswerke zu Pribram 213.628 metrische Zentner Silbererz, bez. 39.150 kg Silber gewonnen. Eisenerz wird hauptsächlich in den Lagern von Krušnahora und Nučic, 1901 in einer Menge von 6.759.909 metrische Zentner, gefördert; die Hüttenwerke (10 Hochöfen, die bedeutendsten zu Königshof und Kladno) lieferten 2.873.586 metrische Zentner Roheisen. Außerdem wurde gewonnen: Blei (23.560 metrische Zentner nebst 13,172 metrische Zentner Glätte, hauptsächlich zu Přibram), Zinn (zu Graupen, 486 metrische Zentner), Antimon (Milleschau bei Tabor, 1137 metrische Zentner), Uran (135 metrische Zentner Uranpräparate zu Joachimsthal), Vitriol- und Alaunschiefer (25.508 metrische Zentner), Graphit (bei Krumau, 117.595 metrische Zentner), Mineralfarben (14.282 metrische Zentner), Porzellanerde, feuerfester Ton, Edel- und Halbedelsteine (darunter die böhmischen Granaten), Werksteine etc. Das wichtigste Bergwerksprodukt ist die Kohle. 1901 wurden gefördert: 40.051.352 metrische Zentner Steinkohle, wovon 23,8 Millionen auf das Kladno-Buschtěhrader und 12,3 Millionen auf das Pilsen-Radnitzer Kohlenbecken entfielen, dann 183.468.670 metrische Zentner Braunkohle, wovon 116,4 Millionen auf das Brüxer und 30,2 Millionen auf das Teplitzer Becken kamen. Der Gesamtwert der Bergwerks- u. Hüttenproduktion (nach Abzug des Wertes der verhütteten Erze) belief sich im genannten Jahr auf 162.717.464 Kronen (d. h. 50 % des Gesamtwertes für Österreich). Bei den 297 Bergbau- und 25 Hüttenunternehmungen waren im ganzen 70.124 Arbeiter beschäftigt. Die Torfausbeute, die hauptsächlich im südöstlichen Teile des Kronlandes ihren Sitz hat, betrug 1895: 322.160 metrische Zentner.
In gewerblicher Tätigkeit leistet Böhmen so Bedeutendes, dass es hierin nicht bloß (mit Niederösterreich) den obersten Rang in ganz Österreich einnimmt, sondern den ersten Industrieländern Europas beigezählt werden muss. Nach der letzten Erhebung für 1890 zählte Böhmen 130.806 Industrial- und 94.367 Handelsgewerbe. Unter den ersteren befanden sich 3769 Fabriken mit einer motorischen Kraft von 185.407 Pferdekräften und 353.684 Arbeitern.
Die Metallindustrie liefert Schweiß- und Flusseisen sowie Flussstahl, Eisengusswaren, Eisendraht, Schwarz- und Weißblech, Stahlschienen und sonstiges Eisenbahnmaterial, Nägel und Drahtstifte, Drahtseile, eiserne Röhren, Kochgeschirre u. a., ferner Kupfer-, Blei- und Zinnwaren, Lampen, Gold- und Silberwaren. Die Maschinenfabriken (hauptsächlich in Prag und Umgebung, Reichenberg und Pilsen) liefern besonders Dampfmaschinen und -Kessel, landwirtschaftliche Maschinen, dann Einrichtungen für Zuckerfabriken, Bierbrauereien, Mühlen etc. Eisenbahnwagen werden in einem großen Etablissement bei Prag, musikalische Instrumente in Prag, Reichenberg, Königgrätz, Graslitz und Schönbach hergestellt. Die Glasindustrie, die sich in B. schon im 13. Jahrhundert von Venedig aus einbürgerte, beschäftigt 82 Glashütten, 41 Glasraffinerien und 95 fabrikmäßige Werkstätten für Glaskurzwaren mit zusammen 13.869 Arbeitern, nebst zahlreichen hausindustriellen Betrieben für die Kristallglasraffinerie im Haida-Steinschönauer, für die Glaskurzwarenindustrie und Gürtlerei im Gablonzer Bezirk. In der keramischen Industrie blüht besonders die Porzellanindustrie, für welche 42 Fabriken, davon 22 bei Karlsbad-Elbogen, bestehen. Von großer Bedeutung ist in Böhmen ferner die Textilindustrie.
Die Tuchfabrikation ist am stärksten in Reichenberg, die Kammgarnweberei in Aussig, Asch, Böhmisch-Aicha etc., die Leinenindustrie in der Gegend von Trautenau, Hohenelbe, Georgswalde vertreten. Außerdem wird die Wirkerei in Asch und Teplitz, die Erzeugung von orientalischen Kappen (Fessen) in Strakonitz, die Stickerei, Spitzenklöppelei und Posamentierwarenerzeugung im Erzgebirge betrieben. Sehr umfangreich ist die Industrie in Nahrungs- und Genussmitteln. Hierher gehört die Rübenzuckerindustrie, insbesondere in der Ebene der mittleren Elbe. In der Kampagne 1899/1900 bestanden 138 Fabriken, die mit 46.697 Arbeitern 5 Millionen metrische Zenter Zucker (d. h. ca. 61 % der Gesamterzeugung Österreichs) produzierten. Es bestanden ferner 649 Bierbrauereien, die 9.228.362 hl Bier erzeugten. Am bekanntesten ist das Pilsener Bier. Zu erwähnen sind ferner die Spiritusindustrie (251 Brennereien mit einer Produktion von 399.000 hl), die Malz- und Preßhefenerzeugung, die Schokolade- und Kanditenfabrikation, die Kaffeesurrogaterzeugung, die Likör- und Essigproduktion, das Mühlengewerbe. Andere erwähnenswerte Industriezweige sind noch die Fabrikation von Papier (65 Etablissements mit 66 Papiermaschinen), von Leder, Schuhwaren, Handschuhen, Hüten, Knöpfen, Kinderspielzeug, Tinte, Bleistiften, chemischen Produkten (insbes. zu Aussig. Kralup, Prag), Stärke, Öl, Seifen und Kerzen, raffiniertem Petroleum, Sprengpulver, Zündhütchen und Patronen, Zündhölzern, Tabak und Zigarren (7 ärarische Fabriken mit 8791 Arbeitern), die Buch- und Steindruckerei (Prag) und Photographie. Organe zur Förderung der Industrie sind die Handels- und Gewerbekammern (zu Prag, Reichenberg, Eger, Pilsen, Budweis).
Hand in Hand gehend mit dem regen Gewerbeleben ist auch der Handel Böhmens bedeutend, dessen Mittelpunkt Prag ist. Das Eisenbahnnetz hatte Ende 1900 eine Ausdehnung von 5927 km erreicht und ist das dichteste in der ganzen Monarchie. An Straßen besitzt Böhmen 29.162 km (davon 4294 km Reichsstraßen). An Wasserstraßen sind nur Elbe und Moldau von Belang. Erstere ist von Pardubitz ab flößbar und wird von Leitmeritz an mit Dampfschiffen befahren; auf der Moldau verkehren Dampfer von Stĕchowitz bis Prag. Die böhmisch-sächsische Grenze passierten auf der Elbe 1900 in der Talfahrt 11.710 Schiffe (nebst 2225 Flößen) mit 23,1 Millionen metrische Zentner Waren (meist Braunkohle und Zucker). Dem Post- und Telegraphenverkehr dienen 1489 Post- und 796 Telegraphenanstalten. Für die Bedürfnisse des Geld- und Kreditverkehrs sorgen die Börse in Prag, 11 selbständige Banken, 47 Filialen anderer Banken, 1846 Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und 200 Sparkassen mit einem Einlagestand von 1167 Millionen Kronen.
Volkslied:
Altes Volkslied, Verfasser unbekannt
Böhmen, bleibe treu,
Du alte Krone, feste Burg
Tausend Jahre, tausend Wetter
Hat dein Trotz bestanden.
Böhmen, verzage nicht,
Du Burg im deutschen Lande.
Böhmen, werde wach!
Es rufen deine Berge dich,
Brausend schlagen deine Wasser
An die alten Tore.
Böhmen, verzage nicht,
Du Tor vor Deutschlands Herzen!
Verfassung und Verwaltung Böhmens:
Die Landesvertretung von Böhmen wird vom Landtag gebildet, der aus
- dem Erzbischof,
- den 3 Bischöfen,
- den beiden Universitätsrektoren,
- 16 Abgeordneten des Fideikommißbesitzes,
- 54 Abgeordneten des übrigen Großgrundbesitzes,
- 10 Abgeordneten der Hauptstadt,
- 15 Abgeordneten der fünf Handelskammern,
- 62 Abgeordneten der Städte und Industrieorte und
- 79 Abgeordneten der Landgemeinden,
zusammen aus 242 Abgeordneten (auf 6 Jahre gewählt) zusammengesetzt ist. Der Vorsitzende (Oberstlandmarschall) wird vom Kaiser auf 6 Jahre ernannt. Organ des Landtags ist der aus 8 Mitgliedern bestehende Landesausschuss. In den Bezirken sind für die Selbstverwaltung Bezirksvertretungen tätig. Die politische Verwaltung üben die k. k. Statthalterei und die ihr untergeordneten 94 Bezirkshauptmannschaften sowie die Kommunalämter der Städte Prag und Reichenberg aus. Die Rechtspflege besorgen 16 Gerichtshöfe erster Instanz (ein Landes-, ein Handelsgericht, 14 Kreisgerichte) und 225 Bezirksgerichte. Die zweite Instanz bildet das Oberlandesgericht in Prag. Für die staatliche Finanzverwaltung besteht die Finanzlandesdirektion in Prag nebst 10 Finanzbezirksdirektionen. In militärischer Hinsicht gliedert sich das Land in 2 Korpsbezirke mit je einem Korpskommando (zu Prag und Josefstadt) und 16 Ergänzungsbezirke.
Politische Verwaltung und Einteilung Böhmens:
Als Vorsitzender des Landtages waltet der vom Kaiser ernannte Oberstlandmarschall, der auch dem Landesausschuss vorsteht, einer Behörde, welche aus den Landtagsabgeordneten (8) gebildet wird und das Vollzugs- und Repräsentationsorgan des Landes ist. Die politische Verwaltung üben aus die k. k. Statthalterei mit dem Sitz in Prag und die ihr unterstehenden 102 Bezirkshauptmannschaften und 2 Kommunalämter (Städte mit eigenem Statut).
Städte mit eigenem Statut | Ortschaften | Ortsgemeinden |
---|---|---|
Stadt Prag | 1 | 1 |
Stadt Reichenberg | 1 | 1 |
Bezirkshauptmannschaften | Ortschaften | Ortsgemeinden |
---|---|---|
Asch | 18 | 24 |
Aussig | 93 | 133 |
Beneschau | 117 | 311 |
Bischosteinitz | 105 | 170 |
Blatna | 105 | 148 |
Böhmisch-Brod | 72 | 104 |
Böhmisch-Leipa | 88 | 146 |
Brandeis an der Elbe | 55 | 73 |
Braunau in Böhmen | 60 | 83 |
Brüx | 41 | 71 |
Budweis | 113 | 215 |
Caslau | 109 | 157 |
Chotebor | 78 | 139 |
Chrudim | 107 | 246 |
Dauba | 68 | 109 |
Deutschbrod | 81 | 122 |
Deutsch-Gabel | 31 | 50 |
Dux | 34 | 103 |
Eger | 55 | 145 |
Falkenau | 87 | 121 |
Friedland | 39 | 50 |
Gablonez a. d. N. | 31 | 45 |
Graslitz | 20 | 28 |
Hohenelbe | 35 | 54 |
Hohenmauth | 108 | 162 |
Horowitz | 90 | 133 |
Humpoletz | 52 | 74 |
Jicin | 134 | 200 |
Jungbunzlau | 90 | 124 |
Kaaden | 61 | 128 |
Kammitz a. d. Linde | 60 | 92 |
Kaplitz | 78 | 284 |
Karlsbad | 47 | 60 |
Karolinenthal | 39 | 50 |
Kladno | 45 | 57 |
Klattau | 131 | 241 |
Königsgrätz | 96 | 130 |
Königinhof | 86 | 127 |
Königliche Weinberge | 44 | 118 |
Kolin | 90 | 119 |
Komotau | 83 | 104 |
Kralowitz | 90 | 122 |
Krumau | 75 | 282 |
Kuttenberg | 104 | 184 |
Landskron | 60 | 68 |
Laum | 59 | 70 |
Lebec | 80 | 224 |
Leitmeritz | 177 | 248 |
Leitomischel | 58 | 100 |
Luditz | 96 | 120 |
Marienbad | 39 | 49 |
Melnik | 64 | 92 |
Mies | 128 | 155 |
Moldauthein | 37 | 60 |
Mühlhausen | 90 | 142 |
Münchengrätz | 63 | 128 |
Nachod | 56 | 81 |
Neubydzow | 89 | 106 |
Neudek | 29 | 43 |
Neuhaus | 88 | 117 |
Neupaka | 103 | 146 |
Neustadt a.d. Mettau | 83 | 136 |
Pardubitz | 136 | 184 |
Pilgram | 90 | 187 |
Pilsen | 103 | 119 |
Pisek | 115 | 215 |
Plan | 87 | 120 |
Podjebrad | 107 | 136 |
Podersam | 92 | 105 |
Policka | 33 | 60 |
Prachatitz | 105 | 242 |
Preßnitz | 20 | 31 |
Prestitz | 103 | 125 |
Pribram | 85 | 157 |
Rakonitz | 70 | 88 |
Raudnitz | 84 | 93 |
Reichenau a. d. Knezna | 70 | 131 |
Reichenberg (Landbezirk) | 56 | 78 |
Rokitzan | 86 | 107 |
Rumburg | 9 | 20 |
Saaz | 71 | 81 |
St. Joachimsthal | 24 | 43 |
Schlan | 12 | 173 |
Schluckenau | 23 | 42 |
Schüttenhofen | 69 | 167 |
Selcan | 79 | 353 |
Semil | 61 | 127 |
Senftenberg | 79 | 130 |
Smichow | 88 | 126 |
Starkenbach | 43 | 64 |
Strakonitz | 148 | 237 |
Tabor | 137 | 269 |
Tauchau | 77 | 115 |
Taus | 73 | 119 |
Tepl | 62 | 69 |
Teplitz | 35 | 58 |
Tetschen | 87 | 153 |
Trautenau | 72 | 95 |
Turnau | 63 | 197 |
Warnsdorf | 11 | 19 |
Wittingau | 78 | 90 |
Zizkow | 44 | 77 |
Geschichte Böhmens
Der Name Böhmen (Bojohämum, Boihämum) leitet sich von den ältesten Bewohnern des Landes, den keltischen Bojern ab, die bis ins 1. Jahrhundert hier siedelten. Danach lebten mehrere Jahrhunderte Markomannen und andere germanische Völker in dieser Region.
Infolge der Awarenzüge ließen sich im 6. Jahrhundert slawische Stämme in Böhmen nieder, die nach ihrem mythischen Stammvater Czech als Czechen (Tschechen) zusammengefasst werden. Im 7. Jahrhundert machte Samo, ein fränkischer Einwanderer, Böhmen zum Mittelpunkt eines slawischen Reiches, das nach seinem Tod (658) zerfiel. 906 zerstörten die Ungarn das Großmährische Reich. Im gemeinsamen Kampf gegen die Ungarn entstand ein Lehensverhältnis zum deutschen König.
973 errichtete der deutsche Kaiser Otto I. das Bistum Prag. 1029 fiel Mähren an Böhmen, blieb aber eine eigene Markgrafschaft. Im 12. Jahrhundert förderten die Przemysliden die Einwanderung deutscher Kaufleute, Handwerker, Bergleute, Priester, Mönche und Bauern. 1306 erlosch mit Wenzel III. das Geschlecht der Przemysliden und die böhmischen Stände wählten Graf Johann von Luxemburg zum König. Durch diese Wahl kam auch das ursprünglich zum bairischen Nordgau gehörende Egerland zu Böhmen. Unter Johanns Sohn, dem späteren deutschen Kaiser Karl IV. wurde Prag zum Mittelpunkt des alten Reiches. 1348 gründete Karl in Prag die erste deutsche Universität. Sein Sohn Wenzel zeichnete sich durch Unfähigkeit und Grausamkeiten aus. Durch die Einschränkung der nichtböhmischen „Nationen“ (an der der tschechische Prediger Jan Hus mit seinen nationalen Parolen einen bedeutsamen Anteil hatte) beim Stimmrecht an der Prager Universität kam es 1409 zum Auszug der deutschen Magister und Studenten; diese gründeten am 2. Dezember 1409 die Universität Leipzig. 1415 wurde Jan Hus in Konstanz als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. 1419 mündeten die daraufhin entstandenen Unruhen in den Hussitenaufstand.
Am 30. Juni stürmten radikale Hus-Anhänger das Prager Rathaus und warfen einige Ratsherren aus dem Fenster. Dieser erste „Prager Fenstersturz“ bildete den Auftakt zu mehreren Kriegen, in denen die Hussiten bis 1436 verwüstend durch Schlesien, Oberungarn, Österreich, die Oberpfalz, Franken, die Marken Meißen sowie Brandenburg zogen. Unter der Bevölkerung von Deutsch-Brod und Prachatitz richteten sie ein furchtbares Gemetzel an. Die radikalen Taboriten wurden 1434 durch eine Koalition von gemäßigten Utraquisten mit altkirchlichen Katholiken bei Böhmisch Brod besiegt. Aufgrund des Habsburger/Jagiellonen-Erbvertrages von 1515 fielen Böhmen, Mähren und Schlesien 1526 unter Ferdinand I. an Habsburg. Unter Matthias (1611-19) brachen wegen Verletzung der Religionsfreiheit in Prag die Unruhen aus, welche den Beginn des Dreißigjährigen Krieges bezeichneten. Dem kurzen Regiment des Königs Friedrich von der Pfalz folgte nach der Schlacht am Weißen Berge (8. November 1620) die furchtbarste Reaktion. Der Protestantismus wurde unterdrückt und die ständischen Rechte durch die Ferdinandeische Landesordnung aufgehoben. Nach dem Tode Karls VI. (1740) erhob Karl Albrecht von Bayern Anspruch auf Böhmen, doch behauptete Maria Theresia im Österreichischen Erbfolgekriege das Land. Die freiheitlichen Regungen des Jahres 1848 ließen den nationalen Gegensatz zwischen Deutschen und Tschechen zum Ausbruch kommen. Während Juni 1848 ein Slawenkongreß in Prag tagte, kam es zu einem Aufstand, der von Windisch-Grätz unterdrückt wurde. Als 1861 Österreich wieder in konstitutionelle Bahnen einlenkte, erlangten die Tschechen in dem neukonstituierten böhmischen Landtage das Übergewicht. Nach dem misslungenen Versuch, im Abgeordnetenhaus eine slawische Majorität zustande zu bringen, verließen sie 1863 dasselbe unter Protest und setzten 1868 durch Verlassen des böhmischen Landtags ihre passive Opposition fort, während sie gleichzeitig in öffentlichen „Deklarationen“ die Selbständigkeit der böhmischen Krone und die Wiederherstellung des böhmischen Staatsrechts forderten.
Das Ministerium Hohenwart, das sich diesen in den sogenannten „Fundamentalartikeln“ zusammengefassten tschechischen Ansprüchen geneigt zeigte, kam darüber im Oktober 1871 zu Fall. Unter dem verfassungstreuen Ministerium Auersperg übte die Spaltung der tschechische Partei in die konservativen „Alttschechen“ und die radikalen „Jungtschechen“, die 1878 wieder im Landtage erschienen, eine Lähmung auf die Tätigkeit der Partei aus. Unter dem föderalistischen Ministerium Taaffe traten die Tschechen 1879 in den Reichsrat ein, wo sie mit den Polen und Klerikalen die Regierungspartei bildeten und große Zugeständnisse (tschechische Universität, Sprachenverordnung, Abänderung der Wahlordnung) erlangten.
1883 gewannen sie die Majorität im Landtage und veranlassten 1886 durch ihr schroffes Verhalten die Deutschen zum Austritt, die erst 1890 infolge von Zugeständnissen wieder in den Landtag eintraten. Doch hielten die Tschechen, unter denen die Jungtschechen die Oberhand gewonnen hatten, nicht an den Vereinbarungen fest, so dass die nationalen Gegensätze eine immer schroffere Form annahmen, besonders nachdem 5. April 1897 der Ministerpräsident Graf Badeni zwei Sprachenverordnungen erlassen hatte, wodurch für alle Staatsbehörden in Böhmen Doppelsprachigkeit eingeführt wurde. Nach dem Sturz Badenis (28. November 1897) ersetzte sein Nachfolger von Gautsch am 5. März 1898 die Sprachverordnungen durch andere, wonach deutsche, tschechische und gemischtsprachige Amtsbezirke unterschieden wurden; diese wurden 17. Oktober 1899 unter dem Ministerium Clary ebenfalls aufgehoben. Spätere Versuche zur Regelung der Sprachenfrage verliefen ergebnislos.
Am 3. Juli 1866 fand bei Königgrätz in Böhmen in der Schlacht bei Königgrätz, die Entscheidung im Deutschen Krieg statt. Am 28. Oktober 1918 erfolgte die Proklamation der Tschechoslowakei, die in Böhmen aber nur das tschechisch besiedelte Land umfasste. Einen Tag später, am 29. Oktober erklärten die aus Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien stammenden Reichsratsabgeordneten die Bildung von Deutschböhmen und Sudetenland.
Am 11. November 1918 begann die völkerrechtswidrige Besetzung der Gebiete durch tschechische Truppen, die bis Februar 1919 andauerte. Auf Betreiben Frankreichs wurde am 27. Februar 1919 der Anschluss Deutschböhmens und Sudetenlands an die Tschechoslowakei durchgesetzt. Die darauf folgenden Protesten in verschieden Städten wurden mit Waffengewalt niedergeschlagen, wobei 54 Menschen getötet und ca. 1000 verletzt wurden. Nach dem Friedensdiktat von Saint Germain vom 10. September 1919 erfolgte am 5. November 1919 die staatsrechtliche Anerkennung dieser Annexion. Das Münchner Abkommen vom 29. September 1938, unterzeichnet von Großbritannien, Frankreich, Italien und dem Deutschen Reich, bestimmte den Anschluss der deutsch besiedelten Sudetengebiete an das Deutsche Reich.
Im März 1939 wurde das restliche Staatsgebiet der Tschechoslowakei von deutschen Truppen kampflos besetzt und das „Protektorat Böhmen und Mähren“ gegründet. Die Slowaken gründeten daraufhin ihre eigene „Slowakische Republik“. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde die Tschechoslowakei in den Grenzen von 1919, ausgenommen die Karpatoukraine (Sowjetunion), wiederhergestellt. Rund drei Millionen Sudetendeutsche werden nun aus ihrer Heimat vertrieben. Hass und Rachegefühle der Tschechen gegenüber den Deutschen entladen sich, egal ob sie mit den Nazis kooperiert hatten oder nicht. In der Tschechoslowakei gelten rund 272.000 Deutsche (8 % der deutschen Einwohner) als „Nachkriegsverluste“, also als nach dem Krieg ermordet, in Lagern verhungert, in der Verschleppung umgekommen oder vermisst. Die entschädigungslosen Enteignungen der Deutschen wird durch die bis heute gültigen Beneš-Dekrete legitimiert.
Böhmen bildet gemeinsam mit Mähren und dem ehemaligen Österreichisch-Schlesien das Staatsgebiet der heutigen Tschechien Republik (Česká republika).
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Quellenhinweise:
- „Allgemeines Ortschaften-Verzeichnis der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“, Wien 1902
- „Andrees neuer allgemeiner und österreichisch-ungarischer Handatlas“, 1904
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Österreichs Hort – Geschichts- und Kulturbilder aus den Habsburgischen Erbländern“, 1908
- „Österreichische Bürgerkunde – Handbuch der Staats und Rechtskunde“ um 1910
- „Mein Österreich – Mein Heimatland“ 1915
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