Vorgeschichte zum Boxeraufstand, der Krieg in China 1900/01
China war von jeher ein reizvolles Ziel für den Handel aus aller Welt. Um größere Handelsvorteile zu gewinnen, suchten die führenden Handelsstaaten sich in China im 19. Jahrhundert Handelsplätze und Freihäfen zu sichern, und diese enge Berührung, in Verbindung mit dem Eindringen europäischer Kultur und Mission, führte zwangsläufig zu Konflikten. Die Umstände führten wiederholt zu Kriegen mit England und Frankreich.
Opiumkrieg
Seit 1729 versuchten die chinesischen Kaiser vergeblich den Opiumimport zu verbieten. Die Drogensucht der Chinesen stieg durch den massiven englischen Import aus Indien 1833 auf etwa 2 Millionen Süchtige an, immer mehr Edelmetall als Gegenleistung für die Opiumimporte floss nach Großbritannien. Damals wie heute, stellte der Drogenhandel eine gigantische Geldquelle dar. Im Jahre 1840 erließ die chinesische Regierung ein Verbot des Handels mit Opium. Das war der Anlass zur formellen Kriegserklärung. „Der große Opiumkrieg zwischen England und China brach aus, nicht um die Chinesen an der Ausfuhr ihres eigenen Opiums zu hindern, sondern um sie zur Einfuhr von fremdem Opium zu zwingen; um sie zu zwingen, in Indien angebautes englisches Opium im Austausch gegen Seide, Tee und Porzellan zu kaufen.“ (Zitat aus „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, München 2000).
Eine britische Flotte von ca. 80 Schiffen blockierte Amoy und Ningpo, während Generalmajor Sir Hugh Gough mit Land und Seemacht am 24. Mai 1841 vor Kanton erschien; die Stadt zahlte jedoch 6 Millionen Pfund Lösegeld. Bald darauf erfolgte die Einnahme von Amoy, Tinghai, Tschinhai und Ningpo. Im Juli 1842 schritt man zur Belagerung und Einnahme Tschinkiang. Schon standen die Engländer vor Nanking, als die Chinesen Friedensverhandlungen einleiteten. Der Friede von Nanking, als die vom 27. August 1842 brachte Großbritannien als willkommenen Zuwachs die Insel Hongkong. „Ende des 19. Jahrhunderts rauchten die Chinesen rund 20.000 Tonnen Opium pro Jahr; in manchen Provinzen rauchten mehr als die Hälfte aller Männer regelmäßig Opium, auf tausend Einwohner kam eine Opiumhöhle“ (Zitat aus „Das neue Lexikon der populären Irrtümer“, München 2000).
Der „Friede von Nanking“ legte weiterhin fest:
- Abtretung Hongkongs
- Zahlung von 21 Millionen Silberdollar
- Öffnung der Häfen Fouschou, Amoy, Shanghai und Ningpo (bisher nur Kanton)
- Einheitliche Einfuhrzölle
1842 sicherte sich Großbritannien in einem Zusatzvertrag die Meistbegünstigungsklausel, wonach die einem anderen Staat eingeräumten Handelsprivilegien automatisch auch Großbritannien zufallen sollten. Kaum 15 Jahre später brachen die Feindseligkeiten zwischen England und China von neuem los, als China versuchte die erniedrigenden Bedingungen des Friedensvertrages mit den Engländern wieder aufzuheben. 1857 wurde Kanton durch die verbündete Flotte der Engländer und Franzosen mit Gewalt genommen. Als diese sich gegen die Peihomündung wandte und die Forts vor derselben erobert hatte, gab China nach und schloss in Tientsin 1858 einen Frieden, in welchem dem europäischen Handel und den Missionen Zutritt in das Innere des Landes gewährt und zum ersten Male stehende Gesandtschaften in Peking gestattet wurde. Wieder erhoben sich die Chinesen und versuchte England mit Gewalt dagegen vorzugehen. Am 25. Juni 1859 beschossen die Engländer die Befestigung der Chinesen am Peiho und versuchten sie zu zerstören, es kam zu mörderischen Kämpfen. Die Engländer erlitten empfindliche Verlusten von 464 Toten und Verwundeten und mussten sich zurückziehen.
1860 kooperierte England wieder mit Frankreich und 12.600 Briten rückten mit 7500 Franzosen unter General Cousin-Montauban gegen die Takuforts vor. Die fielen aber ohne einen Schuss den Verbündeten in die Hände. Danach zogen die Truppen den Peiho hinauf, eroberten auch die anderen Befestigungen auf beiden Seiten des Flusses und drangen vor bis Tientsin. Da der Winter bevorstand, beschloss man, eilig nach Peking zu marschieren. Aber unterwegs sahen die Alliierten die Straße durch 50.000 Tataren verlegt. Im „Treffen von Palikao“ am 21. September 1860 wurden diese, da den europäischen Waffen deutlich unterlegen, vollständig geschlagen. Nun stand der Weg nach Peking offen. Prinz Kong, der jüngere Bruder des Kaisers, erschien jetzt mit Friedensangeboten, da aber die Chinesen die sofortige Freigabe der Gefangenen verweigerten, zerschlugen sich die Verhandlungen. Peking wurde, da völlig leer, ohne einen Schwertstreich von den Alliierten eingenommen; der Kaiserliche Palast von den Franzosen geplündert, wobei sich der französische General Cousin „über das Maß der Bescheidenheit hin beteiligte„. Den Sommerpalast übergab Lord Elgin zur „Sühne für die grausame Behandlung der Gefangenen den Flammen„.
Trotzdem begann die Lage der Verbündeten misslich zu werden, als am 25. Oktober 1860 dank den Bemühungen des Prinzen Kong und der Vermittlung des russischen Gesandten Ignatiew der Friede zustande kam. Der Russe sprach den europäischen Mächten das Recht zu, Gesandte in Peking zu halten, öffnete Tientsin und andere Städte dem Handel, gewährte eine Kriegsentschädigung von 48 Millionen Mark, ließ die Auswanderung aus China zu und trat das Gebiet von La-lun an England ab. Da kurze Zeit darauf, im August 1861, Kaiser Hiengsong starb, so gab Prinz Kong, der die Regentschaft führte, das alt-chinesische System der Absperrung auf und schloss auch mit den anderen Staaten, u.a. mit Preußen im Namen des Zollvereins am 14. Januar 1863 Handelsverträge ab. Im Jahre 1884 kam es wegen Tonkin zum Krieg zwischen Frankreich und China. Admiral Courbet erzwang die Einfahrt in den Hafen von Futschou, vernichtete mehrere Kriegsschiffe und zerstörte das Arsenal. Ferner setzten sich die Franzosen auf Formosa (Taiwan) fest, und es kam zu zahlreichen Kämpfen, die aber nicht sämtlich ungünstig für China endeten. 1885 schloss Frankreich unter englischer Vermittlung den Frieden von Tientsin, worin es die Oberherrschaft über Anam sowie Tonkin erhielt.
Die Ausbeutung Chinas setzte ab 1890 in größerem Umfang ein. Im gleichen Jahrzehnt erlitt ein vorsichtiges Reformprogramm der Regierung einen Rückschlag durch die Niederlage im Chinesisch-Japanischen Krieg von 1894-95. Da ihm die Kraft zu direktem Widerstand fehlte, ermutigte das Regime der Kaiserwitwe Cixi das Anwachsen einer Widerstandsbewegung im Volk, der „Gesellschaft der Einträchtigen Fäuste“ (allgemein bekannt als die Boxer), und trug dazu bei, unter ihren jugendlichen Mitgliedern antieuropäische Gefühle anzuheizen. Die Boxer hassten alles Ausländische, vor allem das von Missionaren gepredigte Christentum, und sie entwickelten eine quasimystische Ideologie, der zufolge sie gegen ausländische Gewehrkugeln immun waren. Kleinere Angriffe auf Ausländer und ihre chinesischen Partner nahmen in ganz Nordchina zu.
Im Taifun am 23. Juli 1898 strandet Kanonenboot S.M.S. Iltis (Nr.1) am Kap Schantung nördlich des Promontory Leuchtturms.
Am 1. November 1897 wurden die deutschen katholischen Missionare Nies und Henle ermordet. Kaiser Wilhelm II. gibt den Befehl zur sofortigen Besetzung der Kiautschou-Bucht. Das ostasiatische Geschwader, bestehend aus S.M.S. Kaiser, S.M.S. Prinzeß Wilhelm, S.M.S. Arkona (2) und S.M.S. Cormoran, später noch S.M.S. Irene begab sich unter Befehl des Konteradmirals von Diederichs nach Kiautschou um die dortige Bucht nebst Befestigungen zu besetzten. Die Aktion war keinesfalls eine spontane Reaktion auf die Ermordung der Deutschen, sondern nur der offizielle Vorwand eines über Jahre sorgfältig vorbereiteten Unternehmens.
Am 6. März 1898 schließt das Deutsche Reich mit China einen Pachtvertrag für 99 Jahre. Die Verwaltung des Pachtgebietes Kiautschou übernimmt das Reichsmarineamt.
Besetzt waren 1900 in China:
- von Russland: Manschurei und Port Arthur
- von England: Hongkong und Weihaiwei
- von Frankreich: Anam und Tongking
- von Portugal: Macao
- von Japan: Formosa (Taiwan)
- von Deutschland: Bucht von Kiautschou
Boxeraufstand
Der chinesische Boxeraufstand von 1900 war also sowohl das Ergebnis lang andauernder europäischer Einmischung in die chinesische Wirtschaft und des Zerfalls der korrupten und ineffizienten Ching-Dynastie als auch die kurzfristige Folge des Versuchs der Regierung, die verständlichen Ressentiments der Bevölkerung gegen koloniale Niederlassungen auszunutzen. Die „Boxer“ – Mitglieder des Geheimbundes Yi-he quan („Faust für Recht und Einigkeit“) – bekämpfen Missionierung und Industrialisierung Chinas durch Fremde und haben die Unterstützung der Kaiserin-Witwe Tzu Hsi.
Am 27. Januar 1900 verlangten die europäischen Mächte die unverzügliche Auflösung der Bünde „Jhochuan“ und „Dadauhui“, da beide staatsgefährlich seien.
Am 14. April erging von der chinesischen Regierung eine entsprechende Verfügung, welche aber nicht konsequent umgesetzt wurde. Eine bereits Ende März 1900 beabsichtigte gemeinsame europäische Flottendemonstration verschärfte die Situation zusätzlich. Da sich mit wenigen Ausnahmen alle wichtigen Bahnlinien im Besitz europäischer Gesellschaften befanden, unterbrachen die „Boxer“ diese an verkehrstechnisch bedeutsamen Punkten. Da den Gesandtschaften in Peking nun drohten isolieren zu werden, beantragen sie eilig bei ihren Regierungen die Entsendung von Marineabteilungen.
Am 31. Mai rückten englische, amerikanische, französische, italienische, russische und japanische Abteilungen in Stärke von 340 Mann in Peking ein.
Am 3. Juni traf das deutsche Detachement (militärische Abteilung mit einer besonderen Aufgabe) unter Führung des Oberleutnants von Soden mit 50 Mann des III. Seebataillons dort ein, das österreichisch-ungarische Detachement folgte noch am gleichen Tage.
Bis zum 9. Juni verschärfte sich die Lage mehr und mehr. Außer der in Tsingtau stationierten Truppe verfügte Deutschland im Fernen Osten noch über das Kreuzergeschwader unter dem Befehl des Vizeadmirals Bendemann. Zu diesem Geschwader gehörten die Schiffe Große Kreuzer S.M.S. Hertha, S.M.S. Hansa, S.M.S. Kaiserin Augusta, die Kleinen Kreuzer S.M.S. Irene, S.M.S. Gefion, und das Kanonenboot S.M.S. Iltis.
Am 4. Juni war der Kommandant der „Iltis„, Kapitän Lans, vom deutschen Konsul in Tientsin um Waffenhilfe zum Schutze der dortigen Niederlassungen gebeten worden. Kapitän Lans entsprach dem Ansuchen und schickte eine Abteilung mit 2 Offizieren und 30 Mann.
Am 6. Juni musste diese Abteilung um weitere 30 Mann von der „Kaiserin Augusta“ verstärkt werden.
Am 9. Juni fand eine Sitzung der Befehlshaber aller vor Taku anwesenden internationalen Streitkräfte statt, in deren Verlauf der deutsche Admiral Bendemann ein sehr ungünstiges Bild von der Lage in Peking und Tientsin bekam. An Bord seines Flaggschiffes „Hertha“ zurück, gab Bendemann an alle Schiffe seines Geschwaders den Befehl, am kommenden Morgen Landungsabteilungen in Stärke von je 100 Mann auszuschiffen, deren Aufgabe es war, Tientsin und Peking zu besetzen. Das Landungskorps wurde dem Kommandanten der „Hertha„, Kapitän zur See von Usedom, unterstellt. Gleichzeitig erhielt der deutsche Gesandte, Freiherr von Ketteler, telegraphische Nachricht von diesen Maßnahmen, mit der Bitte um Bericht über die augenblickliche Lage in Peking.
In der Nacht vom 9. zum 10. Juni erhielt Vizeadmiral Bendemann vom Chef des englischen Geschwaders, Vizeadmiral Seymour, ein dringliches Schreiben mit der Abschrift eines Telegramms der britischen Gesandtschaft in Peking: „Die Lage hier ist sehr ernst. Wenn nicht Anordnungen zum sofortigen Vormarsch auf Peking getroffen werden, wird es zu spät sein.“ Seymour empfahl sofortiges Handeln und bat Bendemann um Unterstützung.
Ausführliche Beiträge zum Thema Boxeraufstand, der Krieg in China 1900/01
- Boxeraufstand
- Vorgeschichte – Der Krieg in China 1900/01
- Panoramakarte des Aufstandsgebietes
- The Germans to the front
- Die Eroberung der Taku-Forts
- S.M.S. Iltis (1898)
- S.M.S. Taku (1898)
- Die Ermordung des Freiherrn Klemens von Ketteler
- Die Belagerung der Gesandtschaften in Peking
- Die Hunnenrede
- Boxeraufstand chronologische Zusammenfassung
- Alfred Graf von Waldersee
Quellenhinweise:
- Kiautschou – Deutschlands Erwerbung in Ostasien, Verein der Bücherfreunde – Leipzig 1901
- Fritz Vogelsangs Kriegsabenteuer in China 1900, Paul Lindenberg – Berlin 1901
- Die Wirren in China, (Boxeraufstand) Alfred von Müller – Berlin 1902
- Meine Kriegs-Erlebnisse in China, Korvetten-Kapitän Schlieper – Minden in Westfalen 1902
- Meyers Großes Konversations-Lexikon 6. Auflage 1905 – 1909
- Der Krieg in China (Boxeraufstand), J. Scheibert, Verlag Weller – Berlin 1909
- Die Eroberung der Welt, Verlag Ullstein & Co Berlin und Wien 1912
- Unsere Kolonien und Schutztruppen, Kyffhäuser Verlag – Berlin 1934
- Zeitgenössische Postkarten, Briefmarken und Landkarten zum Boxeraufstand
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