Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal in Berlin. Entstehung und Geschichte in zeitgenössischen Ansichtskarten.
Kaiser Wilhelm I.
* 22.03.1797 in Berlin,
† 09.03.1888 in Berlin;
1861 – 1888 König von Preußen und 1871 – 1888 Deutscher Kaiser
Am 22. März 1897 feiert man überall im Deutschen Reich den 100. Geburtstag Kaiser Wilhelms I., der wegen seiner Verdienste zur Reichseinigung von seinem Enkel Kaiser Wilhelm II. zu „Kaiser Wilhelm der Große“ verklärt wird. Am 30. Januar 1889 erfolgte die Ausschreibung für die Errichtung eines zentralen Nationaldenkmals zu Ehren des alten Kaisers in Berlin.
Der Standort für das neue Denkmal ist auf der Spreeinsel genau gegenüber dem Königlichen Schloss geplant. Eine erste Ausschreibung des Reichstages gewann der Architekt Bruno Schmitz, der auch das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser, das Denkmal an der Porta Westphalica, das Denkmal am deutschen Eck bei Koblenz und später das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig entworfen hatte.
Vermutlich fand der Entwurf von Bruno Schmitz nicht den Gefallen Kaiser Wilhelms II. und so wurde 1891 eine zweite beschränkte Ausschreibung durchgeführt. Am 22. August 1891 sprach der Kaiser dem Bildhauer Reinhold Begas den ersten Preis im Wettbewerb um die Errichtung des Reiterstandbildes zu.
Reinhold Begas
* 31.07.1831 in Berlin
† 03.08.1911 in Schöneberg;
Bildhauer und Schöpfer des Reiterstandbildes des Nationaldenkmals
Reinhold Begas ist seit 1866 dauernd in Berlin tätig, von 1876 bis 1903 ist er Leiter eines Meisterateliers an der Akademie. Seine Hauptwerke sind: Schillerstandbild (Marmor, Berlin), Raub der Sabinerin (Bronze), Merkur die Psyche entführend (1878, Berlin), Neptunbrunnen vor dem Berliner Schloss (1891), Sarkophag Kaiser Friedrichs III. und der Kaiserin Viktoria (1892), Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms I. (1897) und Bismarckstandbild in Berlin (1901), einige Gruppen in der Siegesallee, sowie zahlreiche Porträtbüsten.
Kaiser Wilhelm II.
* 27.01.1859 in Berlin,
† 04.06.1941 in Doorn (Niederlande);
1888 – 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen
Mit dem architektonischen Teil der Anlage wurde der Stuttgarter Architekt Gustav Halmhuber beauftragt. Die Grundsteinlegung des Nationaldenkmals erfolgte am 18. August 1895 durch Kaiser Wilhelm II.
Das von Reinhold Begas geschaffene Denkmal Kaiser Wilhelms I. ist 9 Meter hoch. Zur Linken begleitet wird das Kaiserstandbild von einem weiblichen Genius des Friedens mit einem Palmenwedel über die linke Schulter tragend.
Die Ähnlichkeiten zum Kaiser Wilhelm I. – Standbild am Deutschen Eck in Koblenz sind unverkennbar, wobei die Hauptfigur in der Berliner Version eine einfache Uniform mit Mantel und Pickelhaube trägt.
Der Denkmalsockel wird von 4 großen Bronzelöwen flankiert. Über 150 weitere menschliche und tierische Figuren schmücken, dem damaligen Zeitgeist entsprechend, opulent, ja fast schon überladen das Denkmal.
Die Baukosten betrugen die damals stolze Summe von 4 Millionen Mark, was dem heutigen Wert von ca. 80 Millionen Euro entspricht. Feierlich enthüllt wurde das Berliner Nationaldenkmal anlässlich des 100. Geburtstages Wilhelm I. am 22. März 1897.
Diese Szene wurde auf der Reichspostausgabe vom 2. August 1900 zu 3 Mark dargestellt, in der Kaiser Wilhelm II. auf einem Pferd sitzend der feierlichen Enthüllung beiwohnt.
Während der Kämpfe in der Novemberrevolution 1918 wird das Denkmal schwer beschädigt, später aber wieder hergestellt.
Den Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) mit den besonders schweren Bombardierungen und Straßenkämpfen in Berlin überstand das Denkmal unbeschadet, bis es, kurz nach Gründung der DDR, 1949 abgerissen wurde. Die stalinistische Doktrin, wonach die Mitte Berlins auch die politische Mitte zu sein habe, und die politische Programmatik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED, die heutige „Die Linke“) mussten sich zwangsläufig mit dem Eifer von Bilderstürmerei eben gegen diese Zeugnisse der alten Hoheitsmitte richten.
Am 6. Dezember 1949 wurde mit der Demontage des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals begonnen. Im September 1950 wurde dann auch die Ruine des Berliner Schlosses gesprengt, so wie es das DDR-Staatsoberhaupt Walter Ulbricht im Sinne der sozialistischen Propaganda forderte: „Das Zentrum unserer Hauptstadt, der Lustgarten und das Gebiet der jetzigen Schlossruine, muss zu dem großen Demonstrationsplatz werden, auf dem Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes Ausdruck finden können.“
Zwei unverfängliche Löwenpaare aus dem Denkmal überlebten bis heute im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde, ohne dass den meisten Besuchern klar ist woher die Figuren eigentlich stammen. Ein Adler des Denkmals steht im Innenhof des Märkischen Museums. Im Jahr 2000 forderten rund 100 Bundestagsabgeordnete die Bundesregierung auf, den Bau eines Denkmals für die „friedliche Revolution“ von 1989 und die deutsche Einheit zu erstellen. Als Ort schlägt die Initiative den Sockel des Denkmals auf der Schlossfreiheit vor. Laut dem Bundestagsabgeordneten Günter Nooke (CDU) hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung aber „kein Interesse an solch einem positiven deutschen National-Denkmal„.
Am 11.11.2001 melden die Nachrichtenagenturen: „Kein Nationaldenkmal auf dem Berliner Schlossplatz. Den Antrag von 177 Abgeordneten zur Errichtung eines Nationaldenkmals auf dem ehemaligen Standort der Reiterstatue Wilhelms I. ist von der Mehrheit des Bundestages abgelehnt worden. Schon der Kulturausschuss des Bundestages hatte sich gegen ein derartiges Denkmal ausgesprochen. Die Befürworter wollten mit diesem Denkmal ein neues nationales Selbstvertrauen der Weltöffentlichkeit präsentieren.„
An einen Wiederaufbau des Denkmals, so wie 1993 in Koblenz mit dem „Deutschen Eck“ geschehen, denkt in Berlin momentan niemand. Finanzmittel für Denkmalrestaurationen sind offensichtlich reichlich vorhanden, so wurden 2004 rund 5 Millionen Euro für den Erhalt des sowjetischen Ehrenmals in Berlin-Treptow verwendet.
Am 09.11.2007 beschließt der Deutsche Bundestag in der Mitte Berlins ein Denkmal für Freiheit und Einheit Deutschlands zu errichten. Das neue Denkmal soll auf dem Sockel des einstigen Kaiser-Wilhelm-Denkmals errichtet werden. Mit dem Bau des neuen Denkmals wurde im Mai 2020 begonnen. Der 2011 gekürte Entwurf „Bürger in Bewegung“ des Stuttgarter Büros Milla und Partner zeigt eine begehbare Schale, die sich bei Begehung neigen kann und deshalb auch oft „Einheitswippe“ genannt wird.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
- 2010 Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Gestaltungswettbewerb für ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin
- Deutsche Gesellschaft e.V., Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals
- Nooke.de – Freiheits- und Einheitsdenkmal: Bürger in Bewegung
- Bundeszentrale für politische Bildung – 1950: Das Berliner Stadtschloss wird gesprengt
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