Die Kaiserliche Schutztruppen in Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika.
Kaiserliche Schutztruppen
In den Schutzgebieten Deutsch-Ostafrika, Kamerun und Deutsch-Südwestafrika bestehen Kaiserliche Schutztruppen; sie bilden einen vom Reichsheer und der Kaiserlichen Marine unabhängigen Teil der Wehrmacht des Deutschen Reiches.
Die Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika wurde durch das Reichsgesetz vom 22. März 1891, die Schutztruppen für Kamerun und Deutsch-Südwestafrika durch das Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 errichtet. Die zusammenfassende Regelung der Rechtsverhältnisse der Kaiserlichen Schutztruppen in den genannten afrikanischen Schutzgebieten erfolgte durch das Reichsgesetz vom 7. / 18. Juli 1896 (RGBl. S. 653) (Schutztruppengesetz). Die Erhaltung dieser Truppen liegt dem betreffenden Schutzgebiete ob (Reichsgesetz über die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete vom 30. März 1892, RGBl. S. 369).
Die Schutztruppen werden zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in den afrikanischen Schutzgebieten verwendet; ihr oberster Kriegsherr ist der Kaiser. Gebildet werden die Schutztruppen aus Offizieren, Sanitäts- und Veterinäroffizieren, Beamten und Unteroffizieren, und soweit die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika in Betracht kommt, auch aus Gemeinen des Heeres und der Kaiserlichen Marine, welche auf Grund freiwilliger Meldung den Schutztruppen zugeteilt werden; ferner aus angeworbenen Farbigen. Die den Schutztruppen zugeteilten deutschen Militärpersonen und Beamten scheiden aus dem Heere (Marine) aus; ihnen bleibt jedoch der Rücktritt bei Wahrung ihres Dienstalters unter der Voraussetzung ihrer Tauglichkeit vorbehalten. Die den Schutztruppen zugeteilten Beamten gelten als Militärbeamte.
Die zur Ausführung des Schutztruppengesetzes von 1896 ergangene Schutztruppenordnung vom 25. Juli 1898 enthält den weiteren organisatorischen Ausbau der Schutztruppen. Nächst dem Kaiser als oberstem Kriegsherrn der Schutztruppen unterstehen diese dem Reichskanzler (Staatssekretär des Reichskolonialamts); der Staatssekretär wird bei Behinderung durch den Unterstaatssekretär des Reichskolonialamts vertreten.
Dem Staatssekretär untersteht das Kommando der Schutztruppen in Berlin, welchem die einzelnen Schutztruppen unterstellt sind. In jedem Schutzgebiet steht die oberste militärische Gewalt dem Gouverneur zu; er kann die Schutztruppe oder Teile derselben nach eigenem Ermessen zu militärischen Unternehmungen verwenden.
Zu Zwecken der Zivilverwaltung darf er nach Anhörung des Kommandeurs Teile der Schutztruppe so weit verwenden, als die militärischen Rücksichten nicht entgegenstehen; er erlässt seine Weisungen an den Kommandeur, nur ausnahmsweise direkt an einzelne Personen oder Unterabteilungen der Truppe unter gleichzeitiger Mitteilung an den Kommandeur. In allen Angelegenheiten der Truppe, welche an sich eine höhere Entscheidung, als sie dem Gouverneur nach diesen seinen Befugnissen zusteht, erfordern, ist durch Vermittlung und unter Äußerung des Gouverneurs vom Kommandeur an den Reichskanzler (Staatssekretär des Reichskolonialamts) zu berichten. Für die Leistungsfähigkeit der Truppe zur Erfüllung der ihr zugewiesenen Aufgaben, für die Disziplin, die Ausbildung, den inneren Dienst und die Verwaltung ist ausschließlich der Kommandeur verantwortlich, diese Gebiete sind der obersten militärischen Gewalt des Gouverneurs entzogen. Hat der Kommandeur in militärischer Beziehung gegen militärische Angelegenheiten betreffende Anordnungen des Gouverneurs Bedenken, so ist er verpflichtet, dieselben zur Sprache zu bringen.
Beharrt der Gouverneur auf seinen Anordnungen, so hat der Kommandeur sie auszuführen, kann aber die Entscheidung des Reichskanzlers (Staatssekretär des Reichskolonialamts) anrufen. Gegen dessen Entscheidung steht sowohl dem Gouverneur wie dem Kommandeur der Rekurs an den Kaiser zu. Im allgemeinen sind die Obliegenheiten der übrigen Dienststellen dieselben wie die der entsprechenden Dienststellen im Heere; das einzelne enthalten die Vorschriften der Schutztruppenordnung bzw. besondere Anordnungen des Kommandeurs der Schutztruppe. Werden Angehörige einer Schutztruppe zu Zwecken der Zivilverwaltung verwendet, so haben sie für diese Zwecke den Anordnungen des Chefs der betreffenden Zivilverwaltung Folge zu leisten. In militärischer Hinsicht bleiben sie dem militärischen Vorgesetzten unterstellt, welcher die militärischen Chargen nach Bedarf und ihrer Stellung entsprechend als Aufsichtspersonal hierbei verwendet. Dieser Dienst der Schutztruppenangehörigen ist Zivildienst, auf ihn finden die Vorschriften der militärischen Disziplinarstrafordnung und der Beschwerdeordnung keine Anwendung.
Die Schutztruppen gliedern sich nach Maßgabe der Etats der einzelnen Schutzgebiete in Personen des Soldatenstandes und in Militärbeamte. Zu den ersteren gehören die Offiziere (Sanitäts-, Veterinär-, Feuerwerksoffiziere), Unteroffiziere und Gemeinen. Die Unteroffiziere zerfallen in Unteroffiziere mit Portepee (Unterzahlmeister, Unterärzte, Unterveterinäre, Wallmeister, Oberfeuerwerker, Feldwebel, Wachtmeister, Sanitätsvizefeldwebel) und in Unteroffiziere ohne Portepee (Sergeanten, Sanitätssergeanten, Feuerwerker, Zeugsergeanten, Unteroffiziere, Fahnenschmiede, Oberbäcker, Oberschlächter, Sanitätsunteroffiziere). Zu den Gemeinen gehören die Gefreiten, Schießer, Sanitätsgefreite, Gemeine (Reiter), Bäcker, Schlächter, Sanitätssoldaten, Krankenwärter.
Die Militärbeamten, die im Offiziersrange stehen, sind obere Militärbeamte, alle anderen Militärbeamten sind untere Militärbeamte.
Die Dienstgrad- und Rangverhältnisse entsprechen denen des Reichsheeres. Die Unterzahlmeister, Unterärzte, Unterveterinäre, Wallmeister, Oberfeuerwerker bilden eine besondere Klasse der Unteroffiziere. Hinsichtlich der Versorgung stehen sie den Feldwebeln gleich.
Deutsche Militärpersonen gehen den Farbigen ohne Rücksicht auf den Dienstgrad stets vor; die deutschen Unteroffiziere, Mannschaften und unteren Militärbeamten stehen zu den farbigen Offizieren in keinerlei Unterordnungsverhältnis. Ebenso wenig sind die farbigen Offiziere „als im Dienstrange Höhere“ zu betrachten. Auch farbige Posten sind nicht militärische Vorgesetzte der weißen Angehörigen der Schutztruppen. Letztere sind jedoch verpflichtet, den von diesen Posten in Bezug auf ihren Dienst erteilten Weisungen Folge zu leisten.
Die Stärke der Schutztruppen, die Gliederung in Unterabteilungen und die Art und Zahl der Chargen richtet sich nach den Etats der einzelnen Schutzgebiete. Den Führer und die Stärke der für eine militärische Unternehmung notwendigen Abteilung bestimmt nach Anhörung des Kommandeurs der betreffenden Schutztruppe der Gouverneur, die Zusammensetzung der Abteilung der Kommandeur. Die Verteilung der Schutztruppe und deren Unterbringung auf den Stationen ordnet der Kommandeur nach den Bestimmungen des Gouverneurs an.
Die Ergänzung der Schutztruppen erfolgt hinsichtlich der weißen Angehörigen auf Grund freiwilliger Meldungen durch mehrjährige Verpflichtungen bzw. Kapitulationen. Diese umfassen für die Schutztruppe von Kamerun den Zeitraum von zwei Jahren, für die ostafrikanische Schutztruppe den Zeitraum von 2 ½ Jahren, für die südwestafrikanische Schutztruppe den Zeitraum von 3 ½ Jahren. Die Kapitulation gilt seitens der Schutztruppe mit der Einberufung zum Dienst als abgeschlossen, ohne dass es einer besonderen Bestätigung bedarf. Hierdurch werden die Vorschriften über die Ableistung der Wehrpflicht bei den Schutztruppen nicht berührt. Die Ergänzung der farbigen Schutztruppenangehörigen findet in den Schutzgebieten durch Werbungen (Werbekontrakte mit der Schutztruppe) statt. Werbungen in anderen Ländern unterliegen der Genehmigung des Reichskanzlers.
Bezüglich des strafgerichtlichen Verfahrens gegen Schutztruppenangehörige, der Militärstrafgesetze (einschließlich des Disziplinarstrafrechts) für Angehörige der Schutztruppen vergleiche diese Artikel. Die Vorschriften über die Beschwerdeführung der Personen des Soldatenstandes des Heeres vom Feldwebel abwärts vom 14. Juni 1894, sowie Vorschriften über die Beschwerdeführung der Offiziere, Sanitäts- und Veterinäroffiziere und Beamten des Heeres vom 30. März 1895 finden bei den Kaiserlichen Schutztruppen sinngemäße Anwendung; der Reichskanzler (Staatssekretär des Reichskolonialamts) ist ermächtigt, die hierbei durch die afrikanischen Verhältnisse gebotenen Abweichungen zu bestimmen und Erläuterungen zu geben.
Die Angehörigen der Schutztruppen haben innerhalb der Dauer ihrer Dienstverpflichtung Anspruch auf einen Heimaturlaub von 4 Monaten unter Belassung der vollen afrikanischen Geldbezüge. In den Urlaub wird die zur Hin- und Rückreise von bzw. nach dem nächsten europäischen Hafen im Durchschnitt erforderliche, vom Reichskolonialamts festzusetzende Zeit nicht eingerechnet. Zuständig zur Erteilung des Heimaturlaubs ist für Stabsoffiziere der Reichskanzler (Staatssekretär des Reichskolonialamts), für die übrigen Militärpersonen der Kommandeur der Schutztruppe. Der Heimaturlaub kann zur Wiederherstellung der Gesundheit oder ausnahmsweise aus anderen wichtigen Gründen für Stabsoffiziere durch den Reichskanzler (Staatssekretär des Reichskolonialamts, für die übrigen Militärpersonen durch das Kommando der Schutztruppe bis auf neun Monate verlängert werden; über weitergehende Beurlaubungen von Offizieren entscheidet der Kaiser.
Während schwebender Untersuchungen und während einer Strafverbüßung finden Beurlaubungen nicht statt. Mit dem Ausscheiden aus der Schutztruppe vor Ablauf der Dienstverpflichtung fällt jeder Anspruch auf Heimaturlaub fort. Urlaub in Afrika darf an alle Schutztruppenangehörigen der Kompaniechef usw. bis zu 14 Tagen, der Kommandeur bis zu 30 Tagen, der Gouverneur bis zu 45 Tagen erteilen. Der Kommandeur einer Schutztruppe hat ferner die Befugnis, Schutztruppenangehörige, die sich zur Ansiedlung im Schutzgebiet nach Ablauf ihrer Dienstperiode verpflichten, mit Zustimmung des Gouverneurs 6 Monate vor dem letztgenannten Zeitpunkte ohne Gebührnisse zu beurlauben.
Die Stammrollen über die deutschen Militärpersonen der Schutztruppen werden beim Kommando der Schutztruppen im Reichskolonialamt und bei den einzelnen Schutztruppen geführt.
Das Ausscheiden aus den Schutztruppen erfolgt nach Ablauf der Dienstverpflichtung bzw. der Kapitulation; vor diesem Zeitpunkte bei körperlicher Unbrauchbarkeit, wenn die Wiederherstellung für den afrikanischen Dienst durch eine Beurlaubung nach Europa nicht erfolgt ist, bzw. nicht in Aussicht steht; ferner bei Verurteilung zu einer Ehrenstrafe; ferner wenn der Kommandeur das Ausscheiden beantragt, weil er aus besonderen Gründen den Betreffenden zur Verwendung in der Schutztruppe für ungeeignet hält und der Gouverneur sowie der Reichskanzler (Staatssekretär des Reichskolonialamts) diesen Gründen zustimmen. Ausscheiden auf Grund gegenseitiger Einwilligung ist nur in Südwestafrika statthaft. Bei Mannschaften kann die Entlassung vor Ablauf der Kapitulationszeit verfügt werden bei Bestrafung wegen einer Straftat, die einen Mangel an ehrliebender Gesinnung bekundet, bei Bestrafung mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Wochen.
Die Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika besteht aus
- 2 Stabsoffizieren,
- 17 Hauptleuten,
- 49 Oberleutnants und Leutnants,
- 42 Sanitätsoffizieren,
- 1 Intendanturrat,
- 2 Intendantursekretären,
- 1 Zahlmeister,
- 8 Unterzahlmeistern,
- 4 Oberfeuerwerkern und Feuerwerkern,
- 8 Waffenmeistern,
- 60 Unteroffizieren,
- 66 Sanitätsunteroffizieren,
- 2472 farbigen Soldaten.
- Die Schutztruppe ist in 14 Kompanien eingeteilt, außerdem gehört zu ihr ein Rekrutendepot und eine Signalabteilung.
Die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika besteht aus
- 6 Stabsoffizieren,
- 13 Hauptleuten,
- 70 Oberleutnants und Leutnants,
- 2 Feuerwerksoffizieren,
- 9 Veterinäroffizieren,
- 1 Kriegsgerichtsrat,
- 1 Kriegsgerichtssekretär,
- 2 Intendanturräten,
- 5 Intendantursekretären,
- 1 Intendanturbausekretär,
- 4 Proviantamtsinspektoren,
- 2 Bekleidungsamtsinspektoren,
- 2 Stabsapothekern,
- 1 Zahnarzt,
- 1 Waffenrevisor,
- 11 Waffenmeistern,
- 4 Magazinaufsehern,
- 20 Unterzahlmeistern,
- 5 Oberfeuerwerkern und Feuerwerkern,
- 2 Schirrmeistern,
- 342 Unteroffizieren,
- 1444 Mannschaften.
- Die Schutztruppe gliedert sich in 9 Kompanien, 3 Batterien und 2 Verkehrszüge.
Die Schutztruppe für Kamerun besteht aus
- 2 Stabsoffizieren,
- 16 Hauptleuten,
- 44 Oberleutnants und Leutnants,
- 17 Sanitätsoffizieren,
- 2 Zahlmeistern,
- 10 Unterzahlmeistern,
- 3 Oberfeuerwerkern und Feuerwerkern,
- 8 Büchsenmachern,
- 70 Unteroffizieren,
- 28 Sanitätsunteroffizieren,
- 1550 farbigen Soldaten.
- Die Schutztruppe zerfällt in 12 Kompanien und ein Artilleriedetachement.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika – Auf Grund amtlichen Material bearbeitet von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung I des Großen Generalstabes“ Enst Siegfried Mittler und Sohn Berlin 1906 Band I und II.
- „Deutschlands Kolonien“ von Rochus Schmidt Verlag des Vereins der Bücherfreunde Schall & Grund 1898
- „Großes Lehrbuch der Geographie“ E. von Seydlitz, Königliche Universitäts- und Verlagsbuchhandlung Breslau 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“ 7. Auflage Braunschweig und Leipzig Hellmuth Wollermann 1906
- „Konversationslexikon“, Leipzig und Wien 1909
- „Die deutschen Kolonien“ Geographie, E. von Seydlitz – Königliche Universitäts- und Verlagsbuchhandlung Breslau 1910
- „Deutschlands Kolonien“ von W. Scheel Verlagsanstalt für Farbfotographie Weller & Hüttich 1912
- „Die deutschen Kolonien“ Herausgegeben von Kurd Schwabe Nationalausgabe – Band I/II 1914
- „Deutsches Kolonial-Lexikon“ Leipzig 1920
- „Der Kampf um unsere Schutzgebiete – Unsere Kolonien einst und jetzt“ von P. Jos. M. Abs Düsseldorf 1926
- zeitgenössische Postkarten mit ihren originalen Bildunterschriften.
Ähnliche Beiträge