Niederösterreich (Österreich unter der Enns) als Kronland des österreichischen Kaiserstaates in detaillierter Übersicht, Geschichte in alten Ansichtskarten.
Landeshauptstadt Wien. Erst im Jahr 1986 wurde St. Pölten nach einem Volksentscheid Landeshauptstadt von Niederösterreich.
Niederösterreich (Erzherzogtum Österreich unter der Enns) als Kronland des österreichischen Kaiserstaates
Niederösterreich (Österreich unter der Enns) ist ein Erzherzogtum und österreichisches Kronland. Es bildet mit Oberösterreich das Stammland des österreichischen Kaiserstaates, grenzt im Norden an Böhmen und Mähren, im Osten an Ungarn, von dem es durch die March und Leitha getrennt wird, im Westen an Oberösterreich, von diesem durch die Enns geschieden, und an Böhmen und hat ein Areal von 19.824 km² (390,04 Quadratmeilen).
Der Lauf der Donau teilt das Land in eine nördliche und eine südliche Hälfte. Den südlich von der Donau gelegenen Teil des Landes erfüllen die Österreichischen Alpen mit der Schneeberggruppe (2075 m), den Höllensteiner Alpen (1769 m), den Hohenberger Alpen (1399 m), der Thermengruppe (1222 m) und dem Wiener Wald (893 m). Östlich von der Einsattelung des Semmering (980 m) erhebt sich als Eckpfeiler der Cetischen Alpen der Wechsel (1738 m) und an der ungarischen Grenze zieht sich das Leithagebirge (480 m) hin. Nördlich von der Donau breitet sich das granitische Berg- und Hügelland der mährischösterreichischen Terrasse aus, die im Weinsberger Wald 1039 m, im Paulstein 1060 m erreicht. Weiter östlich senkt sich der Gföhlerwald (722 m) und der Manhartsberg (536 m) zur Donau ab.
Die letzten südöstlichen Ausläufer dieses Berglandes enden mit dem Bisamberg (360 m) vor Wien, gegenüber dem Kahlengebirge. Das Haupttal des Landes ist das der Donau, das sich zwischen den zwei Becken von Tulln und Wien ausbreitet. Alle übrigen Flüsse, mit Ausnahme der Lainsitz im Nordwesten, die der Moldau zueilt, ergießen sich in die Donau. Aus dem nördlichen Hochland rinnen ab: Krems, Kamp und Thaya. Letztere ergießt sich in die March, die aus dem Hügelland die Zaya empfängt und Grenzfluss ist. Aus den Alpen kommen Enns, Ybbs, Erlaf, Traisen und östlich vom Wiener Wald die parallelen Flüsschen: Schwechat, Fischa, Leitha. Außer der Donau sind nur die Enns und die March schiffbar. Unter den wenigen kleinen Alpenseen sind der Erlafsee an der steirischen Grenze und der Lunzer See bemerkenswert. Das Klima ist im allgemeinen gemäßigt und gesund, besonders im Donautal und im Hügelland, obwohl großen Temperaturwechseln ausgesetzt. Unter den Mineralquellen sind die warmen Schwefelquellen von Baden die berühmtesten; auch die eisenhaltigen Quellen zu Pirawarth, die Schwefelquellen von Deutsch-Altenburg und die in differente Therme von Vöslau werden viel besucht.
Wappen:
Das Landeswappen Niederösterreichs ist ein blauer, mit dem Erzherzogshut bedeckter Schild mit fünf goldenen Adlern.
Landesfarben:
Die Landesfarben Niederösterreichs sind Blau und Gelb.
Landespatron Niederösterreichs:
Leopold der Heilige
Größe Niederösterreichs:
19.825 km²
Einwohner:
Die Bevölkerung betrug 1890: 2.661.799 und 1900: 3.100.493 Seelen. Auf 1 km² kommen im Jahr 1900 = 156 Bewohner, die größte Volksdichtigkeit unter allen österreichischen Kronländern.
- 1890: 2.661.799
- 1900: 3.100.493
- 1910: 3.531.814
Gewässer:
Donau, Krems, Kamp, Thaya, Enns, Ybbs, Erlaf, Traisen, Schwechat, Fischa, Leith
Bewohner:
Die Bewohner sind überwiegend Deutsche (95 %); doch sind in Wien auch die anderen Nationalitäten vertreten, darunter hauptsächlich die Tschechen (4,7 %).
- Deutsche 3.130.536 = 95,5 % (Volkzählung von 1910)
- Tschechen 122.329 = 3,75 % (Volkzählung von 1910)
Bevölkerungsdichte:
178,1 Einwohner/km² (Volkzählung von 1910)
Religion:
In kirchlicher Hinsicht umfasst Niederösterreich das katholische Erzbistum Wien und das diesem untergeordneten Bistum St. Pölten. Wien hat 4 Stadtdekane, das übrige Niederösterreich gliedert sich in 51 Dekanate. Stifte gibt es 11, Männer- und Frauenklöster verschiedener Orden in großer Zahl. Die evangelische Kirche A.B. umfasst 11 Pfarrgemeinden. Die Wiener Superintendantur erstreckt sich aber nicht nur über Niederösterreich, sondern auch über die Steiermark, Kärnten, Krain, Triest, Görz und Istrien. Niederösterreich bildet ein Seniorat.
Die evangelische Kirche H.B. besitzt nur eine selbstständige Gemeinde in Wien. In Wien besteht eine griechisch-orientalische Pfarre, eine serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde. Altkatholiken haben eine Gemeinde in Wien. Insgesamt 10 israelitische Kultusgemeinden bestehen in Wien und in mehreren großen Städten und Märkten.
Nach der Volkzählung von 1910:
- römisch Katholisch 3.241.697 = 91,7 %
- Juden 184.779 = 5,23 %
- Evangelisch A.B. 79.895 = 2,26 %
- Evangelisch H.B. 12.725 = 0,36 %
- Griechisch orientalisch 5.263 = 0,18 %
- Andere 9.579 = 0,18 %
Wirtschaft:
Die Urproduktion des Landes ist neben der Industrie von geringerer Bedeutung, ihr Ertrag genügt dem Bedürfnis der starken Bevölkerung nicht. Von der Bodenfläche sind 96,4 % produktiv; auf Ackerland kommen 43,4 %, auf Weinland 1,9 %, auf Gärten und Wiesen 13,2 %, auf Weiden und Alpen 3,6 % und auf Waldungen 34,3 %. Die wichtigsten Bodenprodukte sind Getreide und zwar Weizen (1904: 1.139.421 metrische Zentner), Roggen (3.112.234 metrische Zentner), Gerste (1.157.755 metrische Zentner), Hafer (1.421.700 metrische Zentner), ferner Mais (155.066 metrische Zentner), Hülsenfrüchte (101.244 metrische Zentner), Kartoffeln (2.882.441 metrische Zentner), Zuckerrüben (1.253.426 metrische Zentner), Raps (3723 metrische Zentner), Flachs (10.258 metrische Zentner), Zichorie (12.688 metrische Zentner), Futterrüben (3.276.668 metrische Zentner), Kraut (224.413 metrische Zentner). Von Wichtigkeit ist der Weinbau (1.097.784 hl), namentlich liefern die sonnigen Ausläufer des Wiener Waldes gesuchte Weinsorten, während die Hügellandschaften unter dem Manhartsberg sogenannten Landwein (geringere Sorte) liefern. Der Viehstand umfasste 1900: 141.101 Pferde, 606.938 Rinder, 80.379 Ziegen, 61.490 Schafe und 530.231 Schweine. Der Bergbau ist nicht von großer Bedeutung; er liefert Steinkohlen (1904: 624.919 metrische Zentner) und Braunkohlen (43.970 metrische Zentner) im Gebiet der Voralpen, dann Graphit (7131 metrische Zentner) bei Mühldorf.
Hinsichtlich der Industrie nimmt Niederösterreich neben Böhmen und Mähren die erste Stelle unter den Kronländern der Monarchie ein. Der Zentralpunkt dieser reichgestalteten gewerblichen Tätigkeit ist Wien, doch ist auch auf dem flachen Lande die Industrie von hoher Bedeutung. 1902 bestanden in Niederösterreich 100.504 Erzeugungsgewerbe mit 567.184 tätigen Personen, nebst 43.872 Heimarbeitern. Die Zahl der Motorenbetriebe belief sich auf 6552 mit 227.559 Pferdestärken. Die Fabrikindustrie umfasst die Erzeugung von Metallen und Metallwaren aller Art, die Maschinenindustrie einschließlich der Fabrikation von Waggons, Wagen, Instrumenten, Beleuchtungs- und Wasserleitungsgegenständen; die Industrie in Steinen, Erden, Ton und Glas; die Industrie in Holz, Bein, Kautschuk; die Lederindustrie; die Textilindustrie, insbes. die Seidenweberei, Kammgarn- und Baumwollspinnerei, Baumwollweberei und -Druckerei, Erzeugung von Teppichen, Bändern, Wirkwaren, Vorhängen, Schnüren und Borten, die Hanf- und Jutemanufaktur, Färberei und Appretur; die Bekleidungs- und Putzwarenindustrie; die Papierindustrie; die Industrie in Nahrungs- und Genussmitteln, insbesondere den Mühlenbetrieb, die Fabrikation von Zucker, Schokolade, Kanditen, die Bierbrauerei, Branntweinbrennerei und Tabakfabrikation; die chemische Industrie; das Bau- und Kunstgewerbe.
Der Handel ist in Niederösterreich sehr bedeutend, da Wien der Zentralpunkt des ganzen österreichischen Handelsverkehrs ist. 1902 bestanden in Niederösterreich 69.989 Handels- und Verkehrsbetriebe mit 175.993 tätigen Personen. Zur Förderung des Handels dienen 13.161 km Landstraßen, 2275 km Eisenbahnen, 319 km Wasserstraßen (wovon 202 km von Dampfschiffen befahren werden). An Unterrichtsanstalten besitzt Niederösterreich außer der Universität, der Technischen Hochschule, der Hochschule für Bodenkultur, der Akademie der bildenden Künste und der Exportakademie, sämtlich in Wien, 5 theologische Lehranstalten, 32 Gymnasien und Realgymnasien, 19 Realschulen, 6 Lehrer- und 8 Lehrerinnenbildungsanstalten, 38 Handelsschulen, 5 Staatsgewerbeschulen, 11 Fachschulen für einzelne gewerbliche Zweige, 225 gewerbliche Fortbildungsschulen, 3 landwirtschaftliche Mittelschulen, 16 niedere land- und forstwirtschaftliche Schulen, eine Tierarzneischule, eine Hebammenschule etc. und 1899 Volks- u. Bürgerschulen, die von 97,5 % der schulpflichtigen Kinder besucht werden.
Politische Verwaltung und Einteilung Niederösterreichs:
Die Verwaltung des Landes wird einerseits durch staatliche, andererseits durch Landesbehörden besorgt. Die Landesbehörden sind die Organe der Selbstverwaltung und finden ihre Spitze im Landtag, der teils gesetzgeberische, teils ausübende Aufgaben erfüllt. Der Zuständigkeit, des Landtages unterstehen alle jene Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich durch die Reichsverfassung dem Reichsrate vorbehalten sind. Der niederösterreichische Landtag geht aus einer nach Interessengruppen, so genannten Wahlkurien, vorgenommenen Wahl hervor. Die Zahl der Landtagsabgeordneten beträgt 116 und verteilt sich auf die einzelnen Wahlkurien folgendermaßen:
- 3 Virilisten (Fürsterzbischof von Wien, Bischof von St. Pölten und Rektor der Wiener Universität)
- 16 Großgrundbesitz
- 4 Handels- und Gewerbekammer
- 15 Städte und Märkte, Industrieorte und Orte
- 31 Landgemeinden
- 57 Allgemeine Wählerklasse
Der Landtag wählt als ausführende Behörde seiner Beschlüsse den aus 7 Gliedern bestehenden Landesausschuss. Den Vorsitz im Landtag führt der vom Kaiser ernannte Landmarschall, bzw. der Landmarschall-Stellvertreter. Der Landtag hat seinen Sitz in Wien.
Die leitende politische Behörde des Landes ist die k.k. Statthalterei in Wien, an deren Spitze der Statthalter steht. Der Statthalterei untergeordnete Behörden sind der k.k. niederösterreichische Landesschulrat und der k.k. niederösterreichische Landes-Sanitätsrat, überdies gibt es noch sehr viele minder wichtige k.k. Landesbehörden. Ebenfalls der Statthalterei unterstellt sind die Sicherheitsbehörden, wie die k.k. Polizeidirektion in Wien und das k.k. Gendarmeriekommando.
In Niederösterreich gibt es 3 Städte mit eigenem Statut, 23 politische Bezirke, 70 Gerichtsbezirke, 1601 Ortsgemeinden und Gutsgebiete, 4043 Ortschaften. Die politische Einteilung des Landes:
Städte mit eigenem Statut | Gerichtsbezirke | Einwohnerzahl der politische Bezirke | Dichte |
---|---|---|---|
Wien | 22 | 2031498 | 7308 |
Weidhofen a. Y. | I | 4884 | 977 |
Wiener Neustadt | I | 32874 | 539 |
Amstetten | Amstetten, Haag, St. Peter in der Au, Waidhofen an der Ybbs | 79653 | 66 |
Baden | Baden, Pottenstein | 84211 | 150 |
Bruck a. L. | Bruck a. L., Hainburg, Schwechat | 76953 | 119 |
Floridsdorf (Umgebung) | Großenzersdorf, Wolkersdorf | 38728 | 64 |
Gänserndorf | Marchegg, Matzen, Zistersdorf | 62026 | 67 |
Gmünd | Gmünd, Litschau, Schrems, Weitra | 67653 | 70 |
Hietzing (Umgebung) | Liesting, Neulengbach, Purkersdorf | 85410 | 160 |
Horn | Eggenburg, Geras, Horn | 41025 | 53 |
Korneuburg | Korneuburg, Stockerau | 57237 | 98 |
Krems | Gföhl, Krems, Langenlois, Mautern, Spitz | 83309 | 84 |
Lilienfeld | Hainfeld, Lilienfeld | 30958 | 33 |
Melk | Mank, Melk, Ybbs | 50106 | 76 |
Mistelbach | Felsberg, Laa, Mistelbach, Poysdorf | 92442 | 72 |
Mödling | Ebreichsdorf, Mödling | 71423 | 146 |
Neunkirchen (N.Ö.) | Gloggnitz, Neunkirchen | 70543 | 102 |
Oberhollabrunn | Haugsdorf, Oberhollabrunn, Ravelsberg, Retz | 76309 | 76 |
Pöggstall | Ottenschlag. Persenbeug, Pöggstall | 34518 | 42 |
St. Pölten | Herzogenburg, Kirchberg a. P., St. Pölten | 92226 | 92 |
Scheibbs | Gaming, Scheibbs | 35683 | 34 |
Tulln | Atzenbrugg, Kirchberg am Wagram, Klosterneuburg, Tulln | 73546 | 99 |
Waidhofen a. d. Thaya | Dobersberg, Raabs, Waidhofen a. d. Thaya | 38070 | 59 |
Wiener Neustadt (Land) | Aspang, Gutenstein, Kirchschlag, Wiener Neustadt | 71644 | 56 |
Zwettl | Allentsteig, Groß-Gerungs, Zwettl | 48891 | 49 |
Niederösterreich ist heute ein Bundesland der Republik Österreich mit rund 1,7 Millionen Einwohnern (2021).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Allgemeines Ortschaften-Verzeichnis der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“, Wien 1902
- „Andrees neuer allgemeiner und österreichisch-ungarischer Handatlas“, 1904
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Österreichs Hort – Geschichts- und Kulturbilder aus den Habsburgischen Erbländern“, 1908
- „Österreichische Bürgerkunde – Handbuch der Staats und Rechtskunde“ um 1910
- „Mein Österreich – Mein Heimatland“ 1915
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