Freie und Hansestadt Lübeck, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Lübeck (Stadt) 91.501 Einwohner – 1905 = 46. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
Lübeck (Stadt) im Deutschen Reich 1871 – 1918 (Kaiserreich)
Lübeck ist die Hauptstadt des gleichnamigen Freistaates, Freie und Hansestadt Lübeck, und einst Haupt des Hansabundes.
Lübeck ist an der Mündung der Wakenitz und des Elbe-Travekanals in die Trave gelegen, bildet den Knotenpunkt der Eisenbahnen Eutin-Lübeck, Lübeck-Büchen, Lübeck-Hamburg, Lübeck-Travemünde und Lübeck-Schlutup sowie der Linie Lübeck-Strasburg der Mecklenburgischen Friedrich Franz-Bahn und besteht aus der eigentlichen Stadt und drei Vorstädten. Der alte Wall zwischen der Trave und dem früheren Stadtgraben ist seit 1802 zu Promenaden umgeschaffen, zum Teil abgetragen worden. Die Straßen der inneren Stadt sind meistens breit und freundlich, gut gepflastert und kanalisiert. Der in der Mitte der Stadt liegende Marktplatz sowie der Klingenberg sind mit sehenswerten Brunnenmonumenten geschmückt.
Auf dem Geibelplatz erhebt sich ein schönes, dem Dichter Emanuel Geibel 1889 errichtetes Denkmal, auf dem Bahnhofsvorplatz ein solches für den Fürsten Otto von Bismarck (errichtet 1903). Die Häuser der Innern Stadt haben meist ein altertümliches Aussehen und zeigen oft reiche architektonische Ornamente, doch gibt es auch zahlreiche Gebäude im modernen Stil. Unter den öffentlichen Gebäuden stehen die Kirchen voran. Namentlich ist die Marienkirche, 1163–70 gegründet (der jetzige Bau stammt aus den Jahren 1276–1310), eine der schönsten frühgotischen Kirchen Deutschlands. Sie ist 102 m lang, 56,7 m breit und hat zwei 124 m hohe Türme, drei Schiffe (das mittlere 38,5 m hoch), mehrere sehenswerte Kapellen (darunter eine mit berühmtem Totentanz, ursprünglich im 15. Jahrhundert auf Holz gemalt, 1701 in jetziger Gestalt auf Leinwand übertragen) und Grabdenkmäler,
einen Hochaltar (1697 von Th. Quellinus gearbeitet) und eine Kanzel von schwarzem Marmor, eine Anzahl von Meisterwerken der altern deutschen Skulptur, ein künstliches Uhrwerk (von 1565), Gemälde von Overbeck (Einzug Christi in Jerusalem und die berühmte Grablegung Christi), von Mostaert (1518) und Orley sowie eine vorzügliche Orgel. Die Domkirche, 1173 gegründet und im 14. Jahrhundert um die Hälfte vergrößert, mit zwei 120 m hohen Türmen, enthält schöne Sarkophage, wertvolle Kunstschätze, darunter ein treffliches Altarbild von Memling (von 1491), und eine neue Orgel (seit 1893). Die Jakobikirche (vor 1227 gegründet), mit einem schlanken, 96,5 m hohen Turm, und die Petrikirche (vor 1170 gegründet), mit einem durch vier Nebenspitzen gezierten Turm von fast 87 m Höhe, enthalten ebenfalls sehenswerte Kunstdenkmäler. Erwähnung verdienen nach die Ägidienkirche, mit 76,5 m hohem Turm, sowie die nicht mehr zum Gottesdienst benutzte schöne Katharinenkirche. Die St. Jürgenkapelle (von 1645) ist von geringerem Umfang, aber ansprechendem Stil.
Unter den weltlichen Gebäuden ist besonders das Rathaus, ein großes, aus roten und schwarzen verglasten Backsteinen zu verschiedenen Zeiten errichtetes Gebäude, bemerkenswert; es ist im Innern neuerdings einem durchgreifenden Umbau unterworfen (schönes Treppenhaus). Unter dem Rathaus befindet sich der schon im 13. Jahrhundert angelegte Ratsweinkeller, ein interessantes Bauwerk mit hohen, seit 1900 durch den Ausbau des sogenannten Germanistenkellers fast verdoppelten Gewölben, von Einheimischen und Fremden viel besucht. Die Kriegsstube im Rathaus sowie das Fredenhagensche Zimmer (im Hause der Kaufmannschaft) enthalten sehenswerte Schnitzwerke aus Holz und Alabaster. Ein zierlicher Bau aus dem 13. Jahrhundert ist das Hospital zum Heiligen Geist, mit alten Malereien und kunstvollen Schnitzaltären.
Beachtung verdienen ferner das Holstentor von 1476 und das Burgtor sowie das Haus der Schiffergesellschaft. In dem 1893 vollendeten Museumsgebäude sind die wertvollen, der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit gehörenden Sammlungen vereinigt, nämlich das Museum Lübeckischer Kunst- und Kulturgeschichte, die Sammlung vorgeschichtlicher Altertümer, das Gewerbemuseum, das Naturhistorische Museum, das Handelsmuseum und die Sammlung von Gemälden, Kupferstichen und Gipsabgüssen. Von Interesse sind noch das neue Schlachthaus mit der Quarantäneanstalt, das städtische Wasserwerk, die Markthalle, das Elektrizitätswerk, das neue Gerichtsgebäude und das Gebäude der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte.
Im Jahr 1904 leben hier mit der Garnison (Infanterieregiment Lübeck, 3. Hanseatisches Nr. 162 und Stab der 81. Infanterie-Brigade) ca. 91.300 Einwohner, der Großteil sind Evangelische. Die Industrie umfasst folgende Hauptzweige: Branntweinbrennereien, Bier- und Essigbrauereien, Zigarren- und Zigarettenfabriken und Seifensiedereien, Konserven-, Weißwarenfabriken, Konditoreien, Eisengießereien, Blechemballagen-, Emaillierwerke, Maschinen- und Schiff- und Baggerbauanstalten, Ziegeleien, Portefeuille-, Galanteriewaren- und Mineralwasserfabriken, Fabriken für Präzisions- und hygienische Apparate sowie mehrere bedeutende Säge- und Hobelwerke und die hochentwickelte Fischindustrie. Bei weitem wichtiger aber sind Handel und Schifffahrt. Lübeck ist ein bedeutender Speditionsplatz für die Ostsee und vermittelt in großartigem Maßstab den Handel zwischen Hamburg und dem Innern Deutschlands einer- und den Ostseeküsten anderseits. Nach dem Eintritt der Stadt in den Zollverein (1868) sowie infolge der Ausdehnung ihres Eisenbahnnetzes hat der Handel bedeutend zugenommen.
Die Einfuhr zur See belief sich 1903 auf 83.006.585, die Ausfuhr auf 173.011.867 Mark. Die wichtigern Einfuhrartikel sind: aus Rußland Getreide, Butter, Eier, Holzwaren, Pottasche, Teer, Petroleum, Hanf und Hanföl, Kupfer, Talg; aus Schweden Bauholz, Bretter, Eisen, Kupfer, Stahl; aus Preußen Getreide, Spirituosen, Käse; aus Dänemark Getreide, Fettwaren, Ölsamen, Butter; aus Großbritannien Steinkohlen, Steingut, Roh- und Stangeneisen, Eisenwaren, Leinöl; aus Frankreich Wein, Spirituosen; aus Nordamerika Petroleum etc. Von hervorragendster Bedeutung ist die Einfuhr von Bau- und Nutzholz aus dem Norden.
Die Schifffahrt Lübecks geht größtenteils nach europäischen Ländern, vornehmlich nach Schweden, Dänemark und Russland, dann nach Großbritannien, Preußen und Frankreich. Dampfschifffahrtsverbindung wird durch regelmäßige Fahrten nach verschiedenen Orten der russischen, schwedischen, dänischen und schleswig-holsteinischen Küste unterhalten, besonders nach Kopenhagen, Malmö, Gotenburg, Stockholm, Kalmar, Helsingfors, Wasa, Abo, Hangö, Wiborg, Riga, Reval, Petersburg, Stettin, Königsberg, Danzig, den Rheinhäfen etc. Die die Wasserverbindung zwischen Lübeck und der Ostsee vermittelnde Trave ist seit 1878 mit bedeutendem Kostenaufwand bis zur Stadt selbst auf 7,5 m vertieft worden (bis spätestens 1912 soll die Tiefe 8,5 m erreichen), so dass infolgedessen schon jetzt die größten Seeschiffe an die Stadt gelangen können.
Die Hafenanlagen haben in den letzten Jahren großartige Erweiterungen erfahren, an denen im Anschluss an den 1900 vollendeten Bau des Elbe-Travekanals noch fortgesetzt gearbeitet wird. Die lübeckische Reederei ist in starkem Aufschwung begriffen. Während sie noch 1901 nur 25 Schiffe mit 24.792 m³ Nettoraumgehalt zählte, weist sie Anfang 1905 bereits 49 Dampfschiffe und ein Segelschiff mit zusammen 113.007 m³ auf. Zur Unterstützung des Handels dienen: eine Handels- und eine Gewerbekammer, eine allgemeine und eine Produktenbörse, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 925,9 Millionen Mark), drei Privatbanken, zwei Sparkassen, mehrere Versicherungsanstalten etc.; den Verkehr in der Stadt vermitteln zwei elektrische Straßenbahnen.
An Schulen und Bildungseinrichtungen bestehen in Lübeck: das seit alters berühmte Katharineum (im ehemaligen Katharinenkloster, Gymnasium, verbunden mit Realgymnasium), ein Reformrealgymnasium, das Johanneum, 2 Realschulen (eine davon Privatanstalt), eine staatliche sowie mehrere private höhere Mädchenschulen, 2 staatliche Haushaltungsschulen, eine Frauengewerbeschule, 4 Mittelschulen, 23 Volksschulen, eine Gewerbeschule, eine Baugewerkschule, eine kaufmännische Fortbildungsschule, mehrere Privathandelslehranstalten, eine Navigationsschule, eine Seedampfschiffsmaschinistenschule, ein staatliches Schullehrer- und ein Lehrerinnenseminar, ein Privat-Lehrerinnenseminar, eine Schule für taubstumme und schwachbefähigte Kinder etc.
Ferner hat Lübeck eine Stadtbibliothek mit 153.000 Bänden, einen Ärztlichen Verein mit einer Bibliothek von 30.000 Bänden, eine öffentliche Lesehalle, einen Landwirtschaftlichen Verein, einen Kunstverein, zwei Theater etc. Das Armenwesen ist musterhaft geordnet; unter den Wohltätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die Armenanstalt mit bedeutendem Grundbesitz und einem Kapitalvermögen von etwa 1.450.000 Mark, das St. Johannis-Jungfrauenkloster und die Brigittenstiftung (Versorgungsanstalten für weibliche Personen), das Hospital zum Heiligen Geist (mit 156 Pfleglingen), die Irrenanstalt, das Waisenhaus, die Kinderpflegeanstalt, das allgemeine Krankenhaus, das Kinderhospital, außerdem zahlreiche Privatstiftungen. Das Gesamtvermögen der letztern (ohne den Grundbesitz) wurde 1904 auf 6.569.000 Mark berechnet, wogegen das der öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten zu derselben Zeit 4.187.000 Mark betrug.
Lübeck ist Sitz der Staatsbehörden, eines Hauptzollamtes, der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte für die Invalidenversicherung und vieler auswärtiger Konsulate.
Geschichte:
Eine Stadt namens Lübeck (Liubice) wird zuerst unter dem christlichen Wendenfürsten Gottschalk († 1066) erwähnt; sie lag an der Mündung der Schwartau in die Trave und wurde 1138 von Race, Fürsten der Rugier, erobert und verwüstet. Graf Adolf II. von Holstein erbaute 1143 ein neues Lübeck auf einem Werder zwischen Trave und Wakenitz, und dieses gewann so rasch an Bedeutung, dass die Kaufleute aus Bardowiek nach Lübeck übersiedelten. Heinrich der Löwe erkannte die günstige Lage, erwirkte 1157 von dem Grafen Adolf die Abtretung der Stadt und widmete der jungen Ansiedelung eifrige Fürsorge.
Er gab ihr städtische Verfassung und ein eignes Recht und lud die Städte und Reiche des Nordens zum Handelsverkehr mit Lübeck ein, verlegte 1163 den Bischofssitz aus Oldenburg dahin und erbaute den Dom. Die Stadt hing ihm auch nach seiner Ächtung treu an, bis Friedrich I. 1181 mit einem Heer Gehorsam erzwang. Er bestätigte und erweiterte die Gerechtsame der Stadt durch eine Urkunde von 1188. Heinrich der Löwe gewann 1189 die Herrschaft noch einmal, konnte sie aber nicht behaupten. Die Eroberung Holsteins durch Waldemar II., König von Dänemark, brachte 1201 auch Lübeck unter dessen Gewalt. Nachdem es sich der dänischen Herrschaft entledigt hatte (1225), erhob es Kaiser Friedrich II. 1226 zur Reichsstadt (civitas imperii).
Waldemars Versuch, die nordalbingischen Lande wiederzugewinnen, vereitelte die Schlacht bei Bornhövede (22. Juli 1227); einen in Verbindung mit dem Grafen Adolf IV. gegen Lübeck gerichteten Angriff wehrte die Stadt selbst ab und gewann an der Mündung der Warnow 1234 den ersten Seesieg über die Dänen. Sie gelangte dann rasch zu großer und dauernder Blüte und trat an die Spitze des allmählich sich bildenden Hansabundes (Hause). Unter den Kriegen, die Lübeck in Verbindung mit der Hanse während des 14. Jahrhunderts führte, ist der bedeutendste der mit Waldemar IV. von Dänemark. Er begann 1361 und endete mit der Einnahme von Kopenhagen und mit dem ruhmvollen Frieden zu Stralsund 24. Mai 1370, in dem der dänische Reichsrat die Wahl eines Königs von der Zustimmung der Hanse abhängig machte.
Das Jahr 1408 brachte eine Revolution: der alte patrizische, sich selbst ergänzende Rat musste sein Amt niederlegen und die Stadt verlassen; ein neuer demokratischer Rat trat an seine Stelle. Als aber Kaiser Siegmund Ernst machte, die über die Stadt ausgesprochene Acht zu vollstrecken, auch König Erich von Dänemark drohte, trat der neue Rat freiwillig zurück, und der alte Rat, an der Spitze der Bürgermeister Jordan Pleskow, zog 1416 wieder ein. Der größtenteils aus Patriziern bestehende Rat regierte dann noch ein Jahrhundert mit Erfolg, bis die Reformation neue Bewegung brachte. Der Bürgermeister Nikolaus Brömse verhalf dem jungen Gustav Wasa zur schwedischen Königskrone; die von den Dänen besetzte Stadt Stockholm ergab sich 1523 den Anführern der lübeckischen Flotte, Berend Bomhauer und Hermann Plönnies, und von diesen empfing Gustav Wasa seine Hauptstadt.
Durch ein Bündnis mit Lübeck (5. Februar 1523) sicherte sich Friedrich I., Herzog von Holstein, als er nach Christians II. Vertreibung die Berufung auf den dänischen Königsthron annahm Gegen Brömse, der zugleich eifrig katholisch war, erhob sich wieder eine Volksbewegung, die ihn zur Flucht nötigte. Die Reformation wurde durch Bugenhagen seit 1530 eingeführt, und Jürgen Wullenweber trat auf kurze Zeit an die Spitze der Stadt. Er wollte noch einmal die Herrschaft über Dänemark gewinnen, wurde aber gestürzt; die Stadt erlangte einen ehrenvollen Frieden (1535), und zugleich wurde die alte Verfassung nochmals wieder eingeführt. Brömse kehrte zurück. Das Verhältnis mit Dänemark wurde nach der Thronbesteigung Friedrichs II. durch den Vertrag von Odense 1560 neu geordnet, und dieser König wurde dann der Verbündete Lübecks in einem Kriege mit Schweden.
Zwar wurde der Stadt im Frieden zu Stettin 1570 eine Entschädigungssumme zugesprochen, aber niemals bezahlt. Seitdem führte Lübeck keinen Krieg mehr, die politische Größe war vorüber. Auch der Handel, die Grundlage der Macht, verlor seine frühere Bedeutung und ging auch absolut zurück. Am 12. Mai 1629 wurde hier zwischen Kaiser Ferdinand II. und König Christian IV. von Dänemark der das zweite Viertel des Dreißigjährigen Kriegs beendende Friede geschlossen. In der Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden neue bürgerliche Unruhen, und nun erlangte die Bürgerschaft durch die Rezesse von 1665 und 1669 eine wirkliche Teilnahme an der Regierung der Stadt, die dauernd unter den Kriegen der nordischen Mächte und durch die Belästigungen der mächtiger gewordenen Nachbarn litt. Doch schwebte immer noch ein Glanz um den Namen der Hanse und sicherte ihr eine ehrenvolle Stellung. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts hob sich der Verkehr wieder und erzeugte einen steigenden Wohlstand, ja die Blockade der Elbe 1803 veranlasste sogar einen großen Teil des hamburgischen Handels zum Übergang nach Lübeck.
Lübeck suchte, wie in früheren Kriegen, Neutralität zu bewahren, aber eine Abteilung (20.000 Mann) des bei Jena geschlagenen preußischen Heeres unter Blücher besetzte es am 5. November 1806, wurde jedoch schon tags darauf von Bernadotte, Soult und Murat vertrieben, worauf die im Sturm genommene Stadt drei Tage lang der Plünderung preisgegeben wurde. 1810 wurde sie dem Departement der Elbmündung einverleibt. Im Frühjahr 1813, während der Befreiungskriege, durch die Russen für kurze Zeit befreit, bildete Lübeck die hanseatische Legion mit, wurde abermals von den Franzosen okkupiert und erhielt vom Kronprinzen von Schweden am 5. Dezember die Selbständigkeit und Freiheit zurück, worauf die frühere Verfassung wiederhergestellt wurde. In der folgenden Friedenszeit war das Hauptaugenmerk der Regierung auf Belebung des Verkehrs zu Wasser und zu Lande gerichtet. Die Pariser Februarrevolution ging auch an Lübeck nicht spurlos vorüber. Man ging aus eigenem Antrieb an eine Reform der immer noch in Kraft gebliebenen Rezesse von 1665 und 1669.
Schon am 11. März 1848 wurde durch Senatsbeschluss die Pressefreiheit eingeführt, und am 8. April trat eine zwischen Senat und Bürgerschaft vereinbarte neue Verfassung in Kraft, und die neu konstituierte Bürgerschaft wurde zum ersten Mal am 2. Juni 1848 vom Senat zusammenberufen. Am 30. Dezember 1848 wurde die revidierte Verfassung in ihrer neuen Form publiziert, aber durch die vom 29. Dezember 1851 (revidiert 7. April 1875) außer Geltung gesetzt. Als See- und Handelsstadt empfand Lübeck die Rückwirkungen des Krieges mit Dänemark (1849), mit dem es in besonders lebhaftem Handelsverkehr gestanden hatte, schwer, aber die Regierung bahnte dem Verkehr, besonders durch Handelsverträge mit fremden Mächten, neue Wege. Am 18. August 1866 trat Lübeck dem Bündnisvertrag zwischen Preußen und den übrigen Staaten des Norddeutschen Bundes bei, nachdem es schon mit seinem Kontingent, einem Bataillon Infanterie, in der oldenburgisch-hanseatischen Brigade an den Operationen der preußischen Mainarmee teilgenommen hatte.
Am 27. Juni 1867 schloss Lübeck eine Militärkonvention mit Preußen und trat am 11. August 1868 in den Zollverein, nachdem ihm mehrere Erleichterungen, namentlich für den bedeutenden Weinhandel und das nordische Geschäft, vertragsmäßig zugesichert worden waren. Zur Hebung des Schiffsverkehrs haben die Erbauung des 1900 eröffneten Elbe-Travekanals für 23 Millionen Mark sowie beträchtliche Hafenerweiterungen beigetragen; gegenwärtig beträgt der Tiefgang bis an die Stadt 7,5 m. Als Bundesstaat ist Lübeck im Bundesrat vertreten und unterhält mit Bremen und Hamburg gemeinsam die hanseatische Gesandtschaft in Berlin, wie ebenfalls das hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg und die Versicherungsanstalt für die Invaliditäts- und Altersversicherung in Lübeck den drei Städten gemeinsam ist.
Ende 1904 wurde eine Lotteriegemeinschaft mit Preußen abgeschlossen, derzufolge die preußischen Lose ausschließlich im Lübecker Staatsgebiet zugelassen sind und Lübeck eine jährliche Entschädigung von 200.000 Mark bekommt. Seit 1904 trägt das 3. hanseatische Infanterieregiment Nr. 162 den Namen „Lübeck“. In seiner „Bürgerschaft“ hatte Lübeck am 1. Januar 1905 keinen Sozialdemokraten: eine seltene Ausnahme innerhalb der einzelstaatlichen Parlamente des Deutschen Reiches. Um diesen Zustand zu erhalten, wurde 1905 eine Verfassungsänderung durchgeführt.
1937 verlor Lübeck durch das Groß-Hamburg-Gesetz seine 711 Jahre alte territoriale Eigenständigkeit und wurde Teil der preußischen Provinz Schleswig-Holstein.
Lübeck ist heute eine Großstadt in Schleswig-Holstein mit rund 216.000 Einwohnern (2020).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
- „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
- „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
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