Chemnitz, Neues Rathaus

Chemnitz

Chemnitz im Königreich Sachsen, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Chemnitz 244.405 Einwohner – 1905 = 13. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.

Chemnitz, Denkmäler am Markt (Bismarck-, Kaiser Wilhelm I. und Moltke-Denkmal)
Chemnitz, Denkmäler am Markt (Bismarck-, Kaiser Wilhelm I. und Moltke-Denkmal)

Chemnitz im Königreich Sachsen

Chemnitz (sprich kémm-) ist eine Stadt im Königreich Sachsen und Hauptstadt der gleichnamigen Kreishauptmannschaft.

Landkarte Königreich Sachsen, Thüringische Staaten
Landkarte Königreich Sachsen, Thüringische Staaten

Chemnitz liegt 300 Meter über dem Meer, am Fuß des Erzgebirges, in einem Kesseltal am Fluss Chemnitz und ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinie Dresden-Chemnitz und zahlreicher anderer Linien.

Chemnitz Stadtplan 1900 (Meyers Konversations-Lexikon 6. Auflage)
Chemnitz Stadtplan 1900 (Meyers Konversations-Lexikon 6. Auflage)

Den Mittelpunkt der im letzten Jahrzehnt durch die Eingemeindung der Nachbarorte Altchemnitz, Kappel, Altendorf und Gablenz bedeutend erweiterten Stadt bildet der Hauptmarkt mit dem alten Rathaus und den Denkmälern Kaiser Wilhelms I., Bismarcks und Moltkes. An anderen Plätzen und an Anlagen sind bemerkenswert der an den Hauptmarkt rechtwinkelig anstoßende Neumarkt mit einem Springbrunnen,

Chemnitz, Neues Rathaus
Chemnitz, Neues Rathaus

der Roßmarkt mit dem Saxoniabrunnen, der Körnerplatz mit dem Körnerdenkmal, der Schillerplatz in der Nähe des Bahnhofs, mit schönen Anlagen, der Rosenplatz, Kaiserplatz, Stadtpark, die Schloßteichanlagen etc. Chemnitz hat 11 evangelische Kirchen, darunter die gotische Jakobikirche mit schönem Portal, die Johanniskirche, die neue Petri- und die neue Nikolaikirche etc., ferner eine Kirche der separierten Lutheraner, eine römisch-katholische, eine Methodistenkirche und eine Synagoge.

Chemnitz, König Albert-Museum - Neues Stadttheater
Chemnitz, König Albert-Museum – Neues Stadttheater

Von anderen Gebäuden sind namentlich die neuen Schulbauten und das neue Rathaus (in der Poststraße) zu nennen. Im Jahr 1900 leben in Chemnitz mit der Garnison (zwei Infanterieregimenter Nr. 104 u. 181) 206.913 Einwohner, der Großteil sind Evangelische, 9939 sind Katholiken und 1136 Juden. Die Industrie ist großartig; nicht mit Unrecht nennt man Chemnitz das „sächsische Manchester“. Bedeutend ist zunächst die Metallbearbeitungsbranche mit (1902) 90 Fabriken und 18–20.000 Arbeitern, dann die Spinnerei, Zwirnerei, Nähfaden-, Web- und Wirkwarenfabrikation.

Chemnitz, Johannisplatz mit Äußere Johannisstraße
Chemnitz, Johannisplatz mit Äußere Johannisstraße

Die Zahl der in den Spinnereien, Zwirnereien und Webereien beschäftigten Arbeiter beläuft sich auf ca. 9000, wovon auf die Spinnereien etwa 3000, auf die Webereien 5000, auf die Zwirnereien 1000 entfallen. Von den größeren Fabriken in Chemnitz zählt die Aktienspinnerei ca. 800 Arbeiter und 117.000 Spindeln, die Sächsische Maschinenfabrik (vormals Hartmann) 4–5000, die Webstuhlfabrik 1100–1400, die Werkzeugmaschinenfabrik (vormals Joh. Zimmermann) 1000–1200 Arbeiter.

Chemnitz, Falkeplatz
Chemnitz, Falkeplatz

Die Maschinenfabriken in Chemnitz liefern Lokomotiven und andere Dampfmaschinen, Werkzeugmaschinen, Dampfkessel, Spritzen, Pumpen etc., mechanische Webstühle, Spinnerei- und Stickmaschinen, Näh-, Strick-, Wasch-, Garntrocken- und Brauereimaschinen. Die Gesamtproduktion des Maschinenbaues wird auf 50–60 Millionen Mark geschätzt (1851: 4 Millionen Mark). Die Webereien fertigen Möbel- und Kleiderstoffe, Tischdecken, Tücher, Baumwollensamt, halbseidene Zeuge und Bänder.

Chemnitz, Nikolaibrücke
Chemnitz, Nikolaibrücke

Die Wirkwarenfabrikation, die auch die Umgegend beschäftigt, liefert Strumpfwaren, Trikotagen und Handschuhe. Daneben fabriziert man Leder und Maschinenriemen, Steingut- und Zementwaren, Chemikalien, Kopierpressen, Tafel- und Brückenwagen, Geldschränke, Metalldrahtgewebe, Wachstuch, Tapeten, Tinte, Orseille- und Anilinfarben etc.; ferner gibt es ein Elektrizitätswerk, Färbereien, bedeutende Appreturanstalten, große Bleichen, Bierbrauereien, Ziegelbrennereien.

Chemnitz, Hauptpostamt, Poststraße
Chemnitz, Hauptpostamt, Poststraße

Der Handel in Chemnitz wird unterstützt durch eine Handelskammer, ein Konsulat der Vereinigten Staaten, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1901: 1174,4 Millionen Mark), eine Stadtbank, einen Bankverein, eine Viehmarktsbank, Filialen der Dresdener Bank, der Allgemeinen deutschen Kreditanstalt zu Leipzig, des Dresdener Bankvereins und der Sächsischen Bank zu Dresden etc.

Chemnitz, Neues Rathaus und Denkmäler Kaiser Wilhelms I. Bismarcks und Moltkes
Chemnitz, Neues Rathaus und Denkmäler Kaiser Wilhelms I. Bismarcks und Moltkes

Dem Verkehr in Chemnitz dienen die zahlreichen Eisenbahnlinien sowie eine elektrische und eine Pferdebahn für die Stadt und die unmittelbar anliegenden Ortschaften. An Bildungsanstalten besitzt Chemnitz ein Gymnasium, ein Realgymnasium, eine Realschule, eine Handelslehranstalt, eine königliche Gewerbeakademie, ferner eine Baugewerk-, eine Maschinenbau-, eine Färber- und eine Gewerbezeichenschule (die letzteren vereinigt unter dem Namen Technische Staatslehranstalten),

Chemnitz, Automat
Chemnitz, Automat

ferner eine höhere Web-, eine landwirtschaftliche, eine Handwerker- und eine Wirkschule, Fachschulen für Musiker, Weber, Schneider, Barbiere, Friseure etc., ein Theater, eine Kunsthütte mit dauernder Ausstellung, eine Stadtbibliothek (35.000 Bände), ein Museum für Chemnitzer Geschichte und eine wertvolle naturwissenschaftliche Sammlung.

Chemnitz, Neues Stadttheater
Chemnitz, Neues Stadttheater

Zahlreich sind die Wohltätigkeitsanstalten, darunter die u. Zimmermannsche Naturheilanstalt, ein Waisenhaus, ein Haus für Obdachlose, mehrere Hospitäler, Krankenhäuser etc. Von Behörden haben ihren Sitz in Chemnitz, eine Amtshauptmannschaft, ein Landgericht mit Kammer für Handelssachen, ein Amtsgericht, ein Hauptsteueramt, der Stab der 7. Infanteriebrigade, eine Eisenbahnbetriebsdirektion und eine Berginspektion; die städtischen Behörden zählen 33 Magistratsmitglieder und 57 Stadtverordnete. Die städtischen Einnahmen und Ausgaben beliefen sich 1901 auf 12,25 Millionen Mark; die Stadtschuld beträgt 23,2 Millionen Mark, das Kämmereivermögen 47 Millionen Mark.

Chemnitz, Königliche Gewerbe-Akademie
Chemnitz, Königliche Gewerbe-Akademie

Mit der Stadt Chemnitz ist das ehemalige Dorf Schloß-Chemnitz (jetzt Sitz des königlichen Meteorologischen Instituts) verbunden, von dessen einstigem, von Kaiser Lothar um 1125 gegründetem, 1546 aufgehobenem Benediktinerkloster die Klosterkirche noch vorhanden ist. Rings um die Stadt liegen dichtbevölkerte Industriedörfer, wie Schönau, Siegmar, Rabenstein, Furth, Harthau etc. Zum Landgerichtsbezirk Chemnitz gehören die 17 Amtsgerichte zu: Annaberg, Augustusburg, Burgstädt, Chemnitz, Ehrenfriedersdorf, Frankenberg, Jöhstadt, Limbach, Mittweida, Oberwiesenthal, Penig, Rochlitz, Scheibenberg, Stollberg, Waldheim, Wolkenstein und Zschopau.

Chemnitz, Kronenstraße, Reichsbank
Chemnitz, Kronenstraße, Reichsbank

Chemnitz (älteste Namensform Kaminizi) wurde mit Erlaubnis Kaiser Lothars durch den Abt des von ihm und seiner Gemahlin Richenza um 1136 gestifteten Bergklosters erbaut und erhielt 1143 Marktrecht. Chemnitz gehörte zum Pleißnerland und stand im 13. Jahrhundert unter einem Reichsrichter, doch erhielt es noch vor 1298 städtische Verfassung (Bürgermeister und Stadtrat), war Reichsstadt, wurde aber im 14. Jahrhundert wiederholt verpfändet und kam so 1330 an die Mark Meißen.

Chemnitz, Hauptbahnhof
Chemnitz, Hauptbahnhof

Schon seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ist es die erste Industriestadt des Meißener Landes. Sie verdankt diesen Aufschwung vornehmlich dem Bleichmonopol (1357), infolgedessen sie ein Hauptplatz für den Garn- und Leinwandhandel wurde; sie erhielt das Salzmonopol, und eine Papierfabrik wurde errichtet.

Chemnitz, Kaserne
Chemnitz, Kaserne

Bei der Teilung der wettinischen Lande von 1485 fiel Chemnitz der Albertinischen Linie zu und nahm 1539 die Reformation an, worauf das Kloster 1546 aufgehoben wurde. Der Dreißigjährige Krieg vernichtete die Blüte der Stadt völlig, die 1632 und 1634 fast ganz niederbrannte. Hier besiegte Banér am 14. April 1639 die Kaiserlichen und Sachsen unter Marzini. Erst im Anfang des 18. Jahrhunderts regte sich wieder neues Leben. Bald standen Strumpfwirkerei, Zeug- und Leinweberei, Baumwollweberei etc. und Bleicherei wieder in schwunghaftem Betrieb; die besonders im 16. Jahrhundert blühende Tuchmanufaktur geriet in Verfall, aber 1770 wurde die erste Zeugdruckerei und 1826 der Maschinenbau begründet.

Chemnitz, Küchwaldschenke
Chemnitz, Küchwaldschenke

Die Kreishauptmannschaft Chemnitz, 1900 aus früher zur Kreishauptmannschaft Zwickau gehörigen Amtshauptmannschaften gebildet, umfasst 2071 km² (37,61 Quadratmeilen) mit im Jahr 1900 = 792.393 Einwohner (darunter 763.750 Evangelische, 23.753 Katholiken und 1427 Juden) und besteht aus den sechs Amtshauptmannschaften: Annaberg, Chemnitz, Flöha, Glauchau, Marienberg und Stollberg.

Chemnitz ist heute eine kreisfreie Stadt im Südwesten des Freistaates Sachsen mit rund 244.500 Einwohnern (2020).

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
  • „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
  • „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
  • „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
  • „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
Reichsadler 1889-1918

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