Lemberg Hauptstadt des Königreichs Galizien im Kaisertum Österreich, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Lemberg 159.877 Einwohner, Städte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie
Lemberg in Galizien im Kaisertum Österreich
Lemberg (Löwenberg, polnisch Lwów, ukrainisch Lwiw) ist die Hauptstadt des österreichischen Kronlandes Galizien.
Lemberg liegt unter 49°50´ nördlicher Breite und 24° östlicher Länge, 278 Meter über dem Meer, in einem von bewaldeten Hügeln umgebenen, gegen Norden geöffneten Talkessel, am Peltew (Nebenfluss des Bug) und an den Staatsbahnlinien Krakau-Lemberg-Podwoloczyska, Lemberg-Czernowitz, Lemberg-Stryj-Lawoczne, Lemberg-Sambor, Lemberg-Jaworów und Lemberg-Belzec.
Lemberg ist in fünf Bezirke eingeteilt und zwar die mit Promenaden (an Stelle der ehemaligen Wälle) umgebene innere Stadt mit großem Ringplatz (mit 4 Monumentalbrunnen), die Haliczer, Krakauer, Zolkiewer und Lyczakower Vorstadt.
Lemberg besitzt mehrere öffentliche Anlagen, darunter den Stadtpark, den Kilinski-, Wisnlowski- und Kosciuskopark und den Schlossberg. Unter den öffentlichen Gebäuden sind die hervorragendsten die römisch-katholische Kathedrale (im gotischen Stil 1350–1479 erbaut), mit Fresken; die Dominikanerkirche (mit dem Grabdenkmal der Gräfin Dunin-Borkowska von Thorwaldsen); die griechisch-unierte Kathedrale im Basilikenstil, die armenische Kathedrale im armenisch-byzantinischen Stil (15. Jahrhundert) und die neue Synagoge.
Von weltlichen Gebäuden sind zu erwähnen das Landtagsgebäude, die Technische Hochschule (1877), das Statthaltereigebäude, das neue Gerichtsgebäude, das Rathaus (1828–37 erbaut), mit 80 m hohem Turm, das viertürmige Invalidenhaus, das Ossolinskische Institut, das neue städtische und zwei andere Theater, das Museums- und Ausstellungsgebäude, der neue Zentralbahnhof u.a. Auf der südlich von Lemberg gelegenen Anhöhe erhebt sich die Zitadelle. Lemberg besitzt Denkmäler des Königs Johann Sobieski, der Dichter Mickiewicz, Ujejski, Fredro u.a.
Einwohner
Im Jahr 1900 leben in Lemberg mit dem Militär (10.326 Mann) 159.877 Einwohner, darunter
- 82.597 Römisch-Katholische
- 29.327 Griechisch-Unierte,
- 44.258 Juden;
der Umgangssprache nach
- 120.634 Polen
- 20.409 Deutsche
- 15.159 Ruthenen (Ukrainer)
Als der bedeutendste Gewerbe- und Handelsplatz des Landes hat Lemberg alle Gattungen Gewerbe; namentlich besitzt es eine Eisenbahnwerkstätte, Fabriken für Maschinen, Kessel, Wagen, Eisengusswaren, Ziegel, Öfen, Zementwaren, Kerzen und Seife, kosmetische Artikel, Tapeten, Konserven, geräucherte Fleischwaren, Zuckerwaren, Spirituosen, ferner eine Naphtharaffinerie, eine Dampfmühle und Bierbrauereien.
Anstalten zur Förderung von Handel und Verkehr sind: die Handels- und Gewerbekammer, 5 Kreditaktiengesellschaften (1903 mit 18,8 Millionen Kronen Aktienkapital und 462 Millionen Kronen Pfandbriefumlauf), eine Sparkasse (1903 mit 75,1 Millionen Kronen Einlagen), eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, mehrere Vorschussvereine und ein Lagerhaus.
Lemberg hat elektrische Beleuchtung und Straßenbahn, Gasanstalt und ein Schlachthaus. Wohltätigkeitsanstalten sind ein Taubstummen- und ein Blindeninstitut, 2 Waisenanstalten, ein allgemeines Krankenhaus, eine Gebäranstalt etc. An Bildungsanstalten besitzt die Stadt eine Universität (1784 gegründet, seit 1871 mit polnischer Unterrichtssprache) mit vier Fakultäten (1901: 2060 Hörer),
einer Bibliothek von 125.000 Bänden, einem botanischen Garten mit Gärtnerschule, naturhistorischen Sammlungen etc; eine Technische Hochschule (1901: 760 Studierende), 6 Obergymnasien (4 mit polnischer, je eins mit deutscher und ruthenischer Unterrichtssprache), 2 Oberrealschulen, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, ein Mädchengymnasium, eine Staatsgewerbeschule, Handelsakademie,
forstwirtschaftliche Landeslehranstalt, Gartenbauschule, Tierarzneischule, Kadettenschule, keramische Versuchsanstalt, ein Musikkonservatorium, das Ossolinskische Institut (180.390 Bände, 3000 Handschriften, ferner Zeichnungen, Münzen u.a.), das Dzieduszyckische Museum für galizische Landeskunde und ein städtisches Gewerbemuseum.
Lemberg ist Stadt mit eigenem Statut und Sitz des Landtags und Landesausschusses, der Statthalterei, der Polizeidirektion, einer Bezirkshauptmannschaft (Lemberg-Umgebung), des Oberlandesgerichts und Landesgerichts, der Finanzlandesdirektion und Finanzprokuratur, der Forst- und Domänendirektion, einer Staatsbahndirektion, der Post- und Telegraphendirektion,
eines katholischen, eines griechisch-unierten und eines armenisch-unierten Erzbischofs, des 11. Korpskommandos sowie eines deutschen Berufskonsuls. Nördlich von Lemberg liegt das Dorf Dublany mit landwirtschaftlicher Akademie, Ackerbau- und Brennereischule und im Jahr 1900 = 1244 Einwohner, östlich der Marktflecken Winniki mit Bezirksgericht, ärarischer Tabakfabrik und 3881 Einwohner, südöstlich das Dorf Kulparków mit Landesirrenanstalt und 1823 Einwohnern.
Lemberg Geschichte
Die Stadt Lemberg wurde ursprünglich vom ruthenischen König Daniel für dessen Sohn Leo, Fürsten von Halicz, um 1259 gegründet, 1261 von den Tataren zerstört, dann um 1270 an der heutigen Stelle wieder aufgebaut und zur Residenz erwählt. Kasimir der Große eroberte Lemberg 1340, verbrannte das alte fürstliche Schloss, ließ dafür zwei neue ausführen und erweiterte die Stadt durch Anlegung neuer Stadtteile; auch führte er deutsche Kolonisten in Lemberg ein und verlieh der Stadt das Magdeburger Recht.
Nach Kasimirs Tod (1370) folgte ihm sein Schwestersohn Ludwig, König von Ungarn, der Lemberg samt Russien 1372 seinem Verwandten Wladislaw, Fürsten von Oppeln, zur Verwaltung übertrug. Als Wladislaw 1387 auf die Verwaltung Russiens verzichtete, wurde es von den Ungarn besetzt, doch bald durch Hedwig, die jüngere Tochter Ludwigs und Gemahlin Wladislaw Jagiellos, mit Polen vereinigt.
Den von Ludwig den Großen und Hedwig erteilten und von den folgenden polnischen Königen bestätigten Handelsprivilegien verdankt Lemberg seinen Wohlstand in den folgenden Jahrhunderten. 1412 wurde das 1375 in Halicz errichtete römisch-katholische Erzbistum nach Lemberg verlegt. Lemberg blieb während der ganzen polnischen Periode die Hauptstadt der Provinz Reussen („terrae Russiae“) und galt als ein wichtiges Emporium für den orientalischen Handel.
In neuerer Zeit hatte es 1648 und 1655 Belagerungen durch den Kosakenhetman Chmelnizký und 1672 durch die Türken zu erdulden; 1704 wurde es vom schwedischen König Karl XII. eingenommen. Bei der ersten Teilung Polens (1772) fiel Lemberg an Österreich. In den Unruhen von 1848 erlitt die Stadt durch das Bombardement vom 2. November bedeutenden Schaden.
Die größtenteils von Polen bewohnte Stadt Lemberg liegt mitten im von Ruthenen (Ukrainern) besiedelten Nordosten Galiziens. Bei dem seit 1848 in Österreich herrschenden Nationalitätenkampf versuchten auch die Polen in Galizien eine größere Selbständigkeit zu erringen.
Es gelang ihnen dies auch seit Einführung der Februarverfassung, indem sie den Reichsrat zwar beschickten und sich auch äußerlich reichstreu zeigten, aber ihre Zustimmung zu den Vorlagen der Regierung nur gegen immer neue Zugeständnisse an die Autonomie Galiziens erteilten. So erlangten sie nahezu selbständige Verwaltung durch den Landtag, in dem die Polen die überwiegende Mehrheit hatten. Diese benutzten sie nun, um die Ruthenen (Ukrainer) gänzlich zu unterdrücken, alle Ämter fielen Polen zu. Durch Studentenunruhen an der Lemberger Universität und durch die Herrschaft des polnischen Adels in Galizien kam es immer wieder zu Unruhen.
Im Ersten Weltkrieges (1914-1918) wurde die um Lemberg versammelte österreichisch-ungarische 3. Armee (Grazer, Innsbrucker und Lemberger Korps) am 26.-28. August 1914 bei Przemyslany (erste Schlacht bei Lemberg) von der russischen 3. und 8. Armee auf Lemberg zurückgeworfen. Inzwischen war die österreichisch-ungarische 2. Armeeeingetroffen. Am 29./30. August wurden die 2. und 3. Armee über Lemberg zurückgeworfen. Lemberg wurde Hauptquartier der Russen.
Die bei Komarow siegreiche 4. Armee, die östlich von Tomaszow stand, unternahm den Flankenstoß über Rawaruska. Ihr rechter Flügel gewann am 6. September bei Grodek Fühlung mit der 3. Armee. In der zweiten Schlacht bei Lemberg (7.-10. September 1914) griffen die Österreicher anfangs erfolgreich an, wurden aber durch die russische Übermacht in den Raum zwischen San und Weichsel zurückgedrängt. Nach der von der deutschen 11. und der österreichisch-ungarischen 2. Armee gemeinsam geschlagenen dritten Schlacht bei Lemberg vom 17. bis 22. Juni 1915 wurde Lemberg wieder zurückerobert.
Am 1. November 1918 wurde hier die Westukrainische Volksrepublik gegründet. Im Polnisch-Ukrainischen Krieg von 1918/19 eroberten die Polen die Stadt und verleibten sie Polen ein. Nach der Besetzung Ostpolens durch die Sowjetunion 1939 wurde Lemberg in die Ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert.
Lwiw, Львів, deutsch Lemberg, ist heute eine Stadt im Westen der Ukraine mit rund 730.000 Einwohnern.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Allgemeines Ortschaften-Verzeichnis der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“, Wien 1902
- „Andrees neuer allgemeiner und österreichisch-ungarischer Handatlas“, 1904
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Österreichs Hort – Geschichts- und Kulturbilder aus den Habsburgischen Erbländern“, 1908
- „Österreichische Bürgerkunde – Handbuch der Staats und Rechtskunde“ um 1910
- „Mein Österreich – Mein Heimatland“ 1915
- „Meyers Lexikon“, Siebente Auflage 1927
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