S.M.S. Charlotte (1885), Kreuzerkorvette der Kaiserlichen Marine, technische Angaben und Geschichte in alten Postkarten.
S.M.S. Charlotte (1885) – Angaben
Name: | Charlotte |
Namensherkunft: | Charlotte, Prinzessin von Preußen (1860-1919), ältere Schwester Kaiser Wilhelms II., Gemahlin des Herzogs Bernhard von Sachsen-Meiningen |
Stapellauf: | 05.09.1885 in Wilhelmshaven |
Besatzung: | ca. 480 Mann |
Maße: | Länge: 77 m, Breite: 15 m, Tiefgang: 6,3 m |
Wasserverdrängung: | 3290 Tonnen |
Maximale Geschwindigkeit: | 13 kn |
Bewaffnung: | 12 Kanonen Kaliber 15 cm, 2 Schnellfeuerkanonen Kaliber 8,8 cm |
End: | Ab 1914 Hulk, 1921 abgewrackt |
S.M.S. Charlotte (1885) – Geschichte
Charlotte von Preußen
* 24.07.1860 in Potsdam
† 01.10.1919 in Baden-Baden;
Prinzessin von Preußen (Schwester Kaiser Wilhelms II., Herzogin von Sachsen-Meiningen 1914 – 1918
S.M.S. Charlotte ist das letzte Segelschiff der Kaiserlichen Marine. Der Stapellauf des Schiffes erfolgte am 5. September 1885 auf der Kaiserlichen Werft Wilhelmshaven, die Taufe vollzog der Chef der Admiralität Georg Leo von Caprivi (der spätere zweite Reichskanzler).
Nach Abschluss der Probefahrten Ende Januar 1887 wurde die Kreuzerkorvette im September 1888 in das Schulgeschwader eingereiht. Hier führte die Ausbildungsreise in das Mittelmeer, um u.a. an den Feierlichkeiten zum 25jährigen Thronjubiläum König Georgs I. von Griechenland teilzunehmen. Am 16. April 1889 kehrte S.M.S. Charlotte nach Kiel zurück und wurde am 25. April 1889 in Wilhelmshaven außer Dienst gestellt.
Am 22. April 1897 wurde das Schiff nach einer Grundüberholung wieder in Dienst gestellt. Nach Übungsfahrten in der Ostsee und einem Besuch in Kronstadt (Russland), lief das Schulschiff am 16. September d. J. nach Mittelamerika aus.
Im Oktober 1897 kam es in Port au Prince, der Hauptstadt Haitis zu einem schweren diplomatischen Zwischenfall, als nach einer Auseinandersetzung mit der Polizei der deutsche Kaufmann Lüders verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurde. Die Lage eskalierte dermaßen, dass andere ansässige Deutsche angegriffen und beleidigt wurden. Selbst der deutsche Geschäftsträger für Haiti, Graf von Schwerin, wurde vom Staatspräsidenten völkerrechtswidrig mit Verhaftung gedroht, so dass er nach Puerta Plata (Dominikanische Republik) fliehen musste.
Da Deutschland keine anderen Kampfschiffe zur Verfügung standen, mussten die Schulschiffe S.M.S. Charlotte und S.M.S. Stein in dieser Situation eingreifen. Zunächst nahm S.M.S. Charlotte Graf von Schwerin mit seiner Gattin in Puerto Plata an Bord, dann ankerte sie mit S.M.S. Stein vor der haitianischen Hauptstadt. Hier stellte der Kapitän August Thiele dem Präsidenten Haitis Tirésias Simon-Sam ein Ultimatum zur Zahlung einer Entschädigung von 20.000 $ und der Freilassung Lüders. Nach verstreichen der Frist gingen die beiden deutschen Schiff in Gefechtsposition und nach einem blinden Warnschuss erklärten sich die haitianischen Behörden zur Annahme der Bedingungen bereit.
Da Haiti zum Interessen- und Einflussgebiet der Amerikaner zählt traf am 10. Dezember d. J. ein US-amerikanischer Kreuzer in Port au Prince ein, da man keine weiteren Aktionen der Deutschen Vorort wünschte. Nach dem Eintreffen von S.M.S. Geier als neuen Stationär trat S.M.S. Charlotte am 10. Januar 1898 die Heimreise an und erreichte den Heimathafen Kiel am 25. März d. J.
Anfang September 1898 lief das Schulschiff zur nächsten Ausbildungsreise in den Atlantik aus und besuchte mehrere Inseln. Da die im Januar 1899 ausgebrochenen Unruhen in Marokko die deutschen Wirtschaftsinteressen gefährdeten begab sich das Schulschiff gemeinsam mit S.M.S. Stosch nach der Hafenstadt Tanger. Nachdem sich die Lage wieder entspannt hatte besucht man mehrere nordafrikanische Hafenstädte der Franzosen. Nach einer Umrüstung der Kanonen im März 1899 in Kiel ging es Anfang Juli bis nach der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro, von wo man über Mogador in Marokko am 23. März 1900 wieder in Kiel eintraf.
Mitte September starte die nächste Ausbildungsreise über marokkanische Häfen ins Mittelmeer bis Alexandria. Auf der griechischen Insel Korfu erreichte die Besatzung die traurige Nachricht vom Untergang S.M.S. Gneisenau auf Malaga. Hier angekommen beteiligte man sich an der Bergung der letzten Leichen und barg wertvolle Gegenstände des gesunkenen Schiffes. Anschließend erfüllte das Schiff Aufgaben in Marokko und besuchte italienische Häfen. Am 9. März 1901 erreichte S.M.S. Charlotte den Heimathafen Kiel um sich einer Grundreparatur zu unterziehen.
Nach Beendigung der Arbeiten Mitte April 1901 erfolgte zunächst eine Ostseereise bis Kronstadt in Russland. Mitte August d. J. begann eine Mittelmeerreise mit den Zielen Piräus, Konstantinopel (Istanbul) und Triest. Im Heimathafen Kiel lief das Schulschiff am 16. März 1902 ein, hier wurde es einer Überholung unterzogen.
Nach einer Übungsreise in der Ostsee, Mitte Mai 1902, startete das Schulschiff am 12. Juli auf eine große Reise nach Kronstadt, Bilbao und Häfen in Brasilien, Uruguay und den westindischen Inseln. Während der Unruhen in Venezuela im Jahr 1902 trat S.M.S. Charlotte zur „Ostamerikanischen Kreuzer-Division“ unter dem Flaggschiff S.M.S. Vineta zu. Allerdings brauchte das Schulschiff nicht eingreifen und traf am 23. März 1903 wieder in Kiel ein.
Während der nun folgenden Modernisierungsarbeiten wurden die Kessel und Maschinen erneuert, moderne 8,8 cm Geschütze installiert und die Takelage reduziert. Anfang 1905 waren die Arbeiten abgeschlossen und das Schiff am 1. April d. J. wieder in Dienst gestellt. Die nächste große Reise erfolge um Schottland herum nach Marokko und bis Alexandria in Ägypten.
Am 30. März 1906 erreich man wieder Kiel. Bis 1909 wiederholten sich die verschiedenen Ausbildungsfahrten bis das letzte Segelschiff der Kaiserlichen Marine am 31. März 1909 in Kiel außer Dienst gestellt wurde. Hier diente es fortan als Hulk (Wohnschiff) in Kiel und Flensburg.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 wurde das Schiff kurzzeitig reaktiviert aber, da inzwischen völlig ungeeignet, bereits nach kurzer Zeit wieder außer Dienst gestellt. Nach dem Krieg, im Jahr 1921, wurde das ehemalische Schulschiff nach Hamburg verkauft und dort als Lagerschiff aufgebraucht.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Das Buch von der Deutschen Flotte“, von R. Werner, Verlag von Velhagen und Klasing – Bielefeld und Leipzig 1880
- „Deutschlands Seemacht“ von Georg Wislicenus – Verlag Friedrich Wilhelm Grunow, Leipzig 1896
- „Die Heere und Flotten der Gegenwart – Deutschland“ 1898
- „Bilder aus der deutschen Seekriegsgeschichte“ von Vizeadmiral a.D. Reinhold Werner – München 1899
- „Nauticus – Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen“ 1899-19
- „Überall“ Illustrierte Zeitschrift für Armee und Marine, Jahrgänge
- „Das Buch von der Deutschen Flotte“, von R. Werner, Verlag von Velhagen und Klasing – Bielefeld und Leipzig 1902
- „Deutschland zur See“ von Victor Laverrenz, Berlin 1900
- „Marine-Album“ Berlin 1910
- „Deutschland zur See“ Illustrierte Wochenschrift, Zeitschrift des Vereins „Marinedank“, Berlin, Jahrgänge
- „Der Völkerkrieg – Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1.Juli 1914“ Verlag von Julius Hoffmann, Stuttgart 1914-1922
- „Taschenbuch der Kriegsflotten“, J.F. Lehmann’s Verlag, München Jahrgänge von 1900 bis 1936
- „Kennung der deutschen Kriegsschiffe und Torpedoboote“ – Admiralstab der Marine 1917
- „Das Reichsarchiv“ Band 1 – 36, Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1924
- „Unsere Marine im Weltkrieg 1914-1918“ Vaterländischer Verlag Berlin 1927
- „Deutsche Seefahrt“ – von Trotha und König, Otto Franke/ Verlagsgesellschaft Berlin – Birkenwerder 1928
- „Marinearchiv“ Band I und II Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1931
- „Unsere Marine – Schiffsbilder“, Bilder der Reichsmarinesammlung im Museum für Meereskunde zu Berlin (1930)
- „So war die alte Kriegsmarine“ von Eberhard von Mantey – Berlin 1935
- „Die deutschen Kriegsschiffe“, Groener 1966
- „Die Deutschen Kriegsschiffe“, Hildebrand/Röhr/Steinmetz
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