Das Schweizer Bundesheer, die Armee der Schweiz um das Jahr 1900
Das Bundesheer der Schweiz besteht aus dem Bundes-Auszug (der Mannschaft von 20 – 32 Jahren) und der Landwehr (der Mannschaft von 33 – 44 Jahren). Auszug und Landwehr werden aber nur zu Übungen und im Bedarfsfall zusammengezogen. Ein stehendes Heer gibt es nicht. Am 1. Januar 1879 hatte die Schweizer Armee einen offiziellen Bestand von 215.001 Mann, davon 119.663 Mann im Auszug und 95.338 Mann in der Landwehr. Der Bund bildet und erhält für Auszug und Landwehr je 12 Guiden-, 2 Feuerwerks- und 8 Verwaltungskompanien, je 8 Train- und 8 Geniebataillone und 16 (resp. 8) Parkkolonnen, 8 Feldlazarette für den Auszug und 8 Transportkolonnen für die Landwehr. Die übrigen Truppen werden von den Kantonen gebildet und unterhalten. Für das Heerwesen ist das Territorium der Schweiz in 8 Divisionskreise eingeteilt.
Schweizer Bundesheer
Die Formation der Schweizer Armee ist (Angaben für das Jahr 1878):
Name | Auszug | Landwehr |
Infanterie Füsilierbataillone | 98 | 98 |
Infanterie Schützenbataillone | 8 | 8 |
Kavallerie Dragonerschwadronen | 24 | 24 |
Kavallerie Guidenkompanien | 12 | 12 |
Artillerie Feldbatterien | 48 | 8 |
Artillerie Positionskompanien | 10 | 15 |
Artillerie Parkkolonnen | 16 | 8 |
Artillerie Feuerwerkskompanien | 2 | 2 |
Trainbataillone | 8 | 8 |
Geniebataillone | 8 | 8 |
Feldlazarette | 8 | 5 |
Verwaltungskompanien | 8 | 8 |
Das Bundesgesetz über die Militärorganisation vom 13. November 1874 und mehrere Nachtragsgesetze (hier berücksichtigt: Entwurf einer neuen Organisation vom 10. März 1906) bestimmen, dass jeder Schweizer wehrpflichtig ist. Der Wehrmann erhält seine erste Ausrüstung, Bekleidung und Bewaffnung unentgeltlich. Die Gestellungspflicht beginnt mit dem Kalenderjahr, in dem das 20. Lebensjahr zurückgelegt wird. Die Wehrpflicht endet mit dem vollendeten 44. (Offiziere 48.) Jahr, die Landsturmpflicht liegt zwischen dem 17. und 48. (Offiziere 52.) Jahr. Jeder nicht persönlich Militärdienst leistende Schweizerbürger hat eine Personaltaxe zu entrichten, die je nach Einkommen und Vermögen 3,75–3000 Franken beträgt. Zur Rekrutierung ist die Eidgenossenschaft in acht Divisionskreise eingeteilt. Infanterie, Dragoner, ein Teil der Feld- und Gebirgsartillerie und Positionskompanien werden kantonal, alle übrigen Truppeneinheiten ohne Rücksicht auf Kantonsgrenzen vom Bund assentiert.
Laut Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 besteht das Bundesheer
a) aus den Truppenkörpern der Kantone,
b) allen Schweizern, die zwar nicht zu vorgenannten Truppenkörpern gehören, aber wehrpflichtig sind.
Die Verfügung über das Bundesheer steht der Eidgenossenschaft zu. In Zeiten der Gefahr hat der Bund das ausschließliche und unmittelbare Verfügungsrecht auch über die nicht in das Bundesheer eingestellte Mannschaft und alle übrigen Streitmittel der Kantone. Die Kantone verfügen über die Wehrkraft ihres Gebietes, soweit sie nicht durch verfassungsmäßige oder gesetzliche Anordnungen des Bundes beschränkt sind. In Fällen von Dringlichkeit ist der Bundesrat befugt, sofern die Räte nicht versammelt sind, die erforderliche Truppenzahl aufzubieten und über solche zu verfügen, unter Vorbehalt unverzüglicher Einberufung der Bundesversammlung, sofern die aufgebotenen Truppen 2000 Mann übersteigen oder das Aufgebot länger als drei Wochen dauert. Zur Kriegszeit ist ein General Armeekommandant, im Frieden untersteht das Bundesheer dem Militärdepartement. Durch Verordnung vom 30. Oktober 1891 ist unter Vorsitz des Militärdepartementchefs eine Landesverteidigungskommission aufgestellt, bestehend in 4 Armeekorpskommandanten, Waffenchef der Infanterie, Chef des Generalstabsbureaus, Kommandant der Gotthardbefestigung. Von den Dienstpflichtigen bilden Rekrutenjahrgang und folgende 12 Jahrgänge (20. bis 32. Altersjahr) den Auszug, die nächsten 7 die Landwehr. Die Ausgehobenen machen eine einmalige Rekrutenausbildung durch, die je nach Waffe 60–90 Tage währt, sodann bis zum Übertritt in die Landwehr Wiederholungskurse.
Truppenverbände:
Das Armeekorps hat 2 Divisionen Auszug (à 2 Brigaden zu 2 Regimentern mit je 3 Bataillonen), 1 Landwehrinfanteriebrigade, 1 Kavalleriebrigade nebst Maximgewehrkompanie, 3 Feldartillerieregimentern zu je 2 Abteilungen zu 3 Batterien, je 1 Geniehalbbataillon, Kriegsbrückenabteilung, Telegraphenkompanie, 3 Lazarette, 1 Verpflegungsanstalt. Die Dienstsprache des II. und III. Armeekorps ist Deutsch, des I. Französisch, des IV. Deutsch-Italienisch. Die Sicherheitsbesatzung von St. Gotthard (Division) zählt im Kriege (im Frieden freiwillige Bewachung) 10 Infanteriebataillone, 2 Festungsartillerieabteilungen, 1 Positionsartillerieabteilung (40 Geschütze), 2 Maschinengewehrkompanien, 5 Sappeur-, 1 Telegraphenkompanie, 1 Ambulance; die Sicherheitsbesatzung von St. Maurice 5, 1, 1/2, 1, 2, 1, 1. Im Frieden werden Truppenkörper nur zur Manöverzeit (jährlich 110.000 Waffenübungsmannschaften) aufgestellt. Stärken: Infanteriekompanie: 5 Offiziere, 176 Mann (zu Feldzugsbeginn 32 mehr), 168 Gewehre; Eskadron: 4,124,123 Pferde, 105 Karabiner; Feldbatterie: 6,139,4 Geschütze, 10 Caissons; Gebirgsbatterie: 7 (1 Arzt, 1 Roßarzt) 195,4 Geschütze. Gesamtsumme der Streitkräfte ohne Landsturm 180 Bataillone, 72 Eskadrons, 76 Batterien, 7 Maschinengewehrkompanien, 91 Artillerie- und technische Kompanien. Kriegsstärke mit 1. Jan. 1906: Infanterie 4829 Offiziere, 22.340 Unteroffiziere, 148.350 Soldaten; Kavallerie: 349/1437/7545; Artillerie: 1226/3535/26.625; Genie 9962, Sanitäter 3761, Verwaltung 2291, Radfahrer 124, insgesamt: 232.034 Mann, 500 Gebirgs-, Feld- und Positionsgeschütze, ferner etwa 1/4 Mill. unbewaffnete Landsturmmannschaften. Mangels einer längeren Präsenzdienstpflicht wird der militärische Vorunterricht durch die Turnschule (10.–14. Altersjahr, 4670 Frequenz im Jahre 1904), den Kadettenunterricht in uniformierten Mittelschulen (50 Korps mit 6149 Zöglingen im Jahr 1904), militärische Vereinsübungen (Reiten, Pontonfahren u. a.), sowie das freiwillige Schießwesen bewerkstelligt. 188 Offiziere, 12 Aspiranten, 24 Hilfsinstruktore, 25 Spielleute-Unteroffiziere besorgen als Berufssoldaten die Ausbildung der Eingerückten im Frieden. Zum Generalstabe kommen befähigte Offiziere, welche die zehnwöchentliche Generalstabsschule mit Erfolg beendigt haben, die weitere Schulung geschieht in drei Kursen mit 78tägiger Dauer. Zu Milizoffizieren werden geeignete Unteroffiziere befördert, die nach Verlassen der Unteroffiziersbildungsschule (20–35 Tage) als Instruktore bei Rekruten oder an einem Wiederholungskursus die Offiziersbildungsschule (Infanterie 80, Kavallerie 80, Artillerie 105 Tage) zufriedenstellend absolviert haben.
Bewaffnung:
Infanterie das 7,5 mm-Repetiergewehr M/89/96, System Schmidt-Rubin; Kavallerie Säbel und 7,5 mm-Mannlicher Repetierkarabiner M/93; bei der Feldartillerie ist ein 7,5 cm Kruppsches Rohrrücklaufgeschütz mit Schutzschildern eingeführt worden; die Gebirgsartillerie hat Kruppsche Rohrrücklaufgeschütze, die schwere Artillerie unter andern Kruppsche 12 cm-Rohrrücklaufhaubitzen. Außer der Zentralschule in vier Abteilungen für alle Waffen (3–10 Wochen), Offiziersschießschule, Kavalleriekadreschule, technischen Kursen und andrer Fachausbildung besteht am Polytechnikum in Zürich eine militärische Abteilung mit zwei Semestern für Studenten und einem Semester für Offiziere. Ein Artillerieschießplatz ist in Thun, Gewehrfabriken ebenda, in Basel etc., Zentralremontedepot in Bern. Die Landesbefestigung beschränkt sich auf Sperrung wichtiger Einbruchslinien (Gotthard, Simplon).
Das Militärbudget betrug 1906: 32.775.500 Franken.
Im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) verhielt sich die Schweiz strikt neutral und übernahm im großen Umfang humanitäre Aufgaben, wie die Ermittlung von Vermissten und Kriegsgefangenen, Austausch von Schwerverwundeten und die Beförderung von Gefangenenpost. Nach Kriegsende trat die Schweiz dem Völkerbund bei und Genf wurde Sitz desselben.
Auch im Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) blieb die Schweiz neutral und wirkte an den internationalen Hilfswerken mit.
Schweizer Garde
Eine Besonderheit stellt die Schweizer Garde dar, die den Vatikan bis heute militärisch beschützt. Papst Julius II. gründete im Jahre 1506 die Wachtruppe des Vatikans, die heute aus ca. 100 katholischen Schweizern besteht, die bereits in der Schweizer Armee gedient haben.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Ortslexikon der Schweiz“ von Henry Weber, Verlag von M. Kreutzmann, St. Gallen 1887
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
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