Neuchâtel, Tour de Diesse Château et Collégiale

Neuenburg

Der Kanton Neuenburg (Neuchâtel) in einer Darstellung um 1900, Geschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Hauptort Neuenburg (Neuchâtel)

Neuchâtel, La Château
Neuchâtel, La Château

Kanton Neuenburg

Kanton Neuenburg, Karte 1914
Kanton Neuenburg, Karte 1914

Neuenburg (franz. Neuchâtel) ist ein Kanton der Schweiz, aus dem ehemaligen Fürstentum Neuenburg und der Grafschaft Valangin gebildet, grenzt im Norden an den Kanton Bern, im Süden an Waadt und im Westen an Frankreich, während ihn im Südosten die Thièle und der Neuenburger See von Bern, Freiburg und Waadt trennen. Sein Flächeninhalt beträgt 807,8 km² (14,7 Quadratmeilen). Der Kanton erstreckt sich quer über das hier von Südwesten nach Nordosten ziehende Faltengebirge des Jura von der schmalen Küstenebene am Neuenburger See bis zur tiefen Talfurche des Doubs und teilt sich vom See aus in drei Regionen: le Vignoble (Weingegend, 432 bis 700 m), les Vallées (die Hochtäler Val de Travers und Val de Ruz, 700–900 m) und les Montagnes (900–1050 m). Die höchsten Orte sind Le Locle (925 m), La Chaux-de-Fonds (992 m), La Sagne (1043 m) und La Brévine (1046 m). Der Jura erhebt sich in der Tête de Rang zu 1423, im Creux du Van zu 1465, im Mont Racine zu 1442 m, doch ist der nur 1172 m hohe Chaumont, nördlich von Neuchâtel, zugänglicher und für die Umschau lohnender. Hinsichtlich seiner Bewässerung gehört Neuenburg überwiegend zum Gebiet der Thièle (Neuenburger See, Areuse und Seyon), nur im Nordwesten zum Gebiet des Doubs. Ein großer Teil des Wassers fließt unterirdisch ab und erscheint in reichen Quellen, trägt aber nur teilweise zur Flussbildung bei. Den Höhenabstufungen entsprechend zeigen sich große klimatische Unterschiede. Neuchâtel hat in 488 m Höhe eine mittlere Jahrestemperatur von 8,9° C (Januar -1,0°C, Juli 18,8°C), La Chaux-de-Fonds in 992 m Höhe 6,0°C (Januar -2,8°C, Juli 15,4°C), dort betragen die jährlichen Niederschläge nur 94, hier 143 cm.

Neuchâtel, Vue sur la ville et la trouée de Bourgogne
Neuchâtel, Vue sur la ville et la trouée de Bourgogne

Stadt Neuchâtel (Neuenburg)

Die Stadt Neuchâtel (spr. nȫschatell, Neuenburg) ist die Hauptstadt des Kantons Neuenburg, am Nordwestufer des Neuenburger Sees, Knotenpunkt der Linien Lausanne-Biel und Neuchâtel-Pontarlier der Bundesbahnen und der Eisenbahn Neuchâtel-Chaux-de-Fonds-Locle-Col-des-Roches und Neuchâtel-Bern, steigt stufenartig von 434–580 m am Fuße des Chaumont hinan, eine hübsche, wohlgebaute Stadt, deren gelber Baustein (Neokom) den nahen Steinbrüchen entstammt. Im oberen Stadtteil steht das im 13. und 14. Jahrhundert erbaute Schloss, das einst den preußischen Gouverneuren als Wohnung diente (jetzt Sitz der Kantonsbehörden), sowie die in reinem romanischen Stil ausgeführte Hauptkirche (la Collégiale), seit 1870 renoviert und von neuen, aussichtsreichen Promenaden eingefasst. Sie enthält ein Denkmal der Grafen und Gräfinnen von Neuenburg (seit 1372). Jeder Gang durch die Stadt erinnert an den edlen David Pury, der, als Kaufmann in Lissabon (1786) verstorben, seiner Vaterstadt 4 Millionen Franken zu gemeinnützigen Werken schenkte, ein Vermächtnis, aus dem unter anderem, wie am Piedestal seiner 1855 errichteten Bronzestatue geschrieben steht, das Hôtel de Ville erbaut (1784), das Collège gegründet (1828), der Bergstrom Seyon abgelenkt (1839) wurde.

Neuchâtel, Église catholique
Neuchâtel, Église catholique

Auch das Pourtalès-Hospital und das Waisenhaus sind Stiftungen reicher Bürger. Die Akademie mit vier Fakultäten (Theologie, Jurisprudenz, philosophisch-historische und philosophisch-naturwissenschaftliche Abteilung, 1903: 174 Hörer), einem Seminar für modernes Französisch und das prachtvolle Gymnasium liegen am See, hoch über der Stadt die Strafanstalt und die Sternwarte, während die Irrenanstalt Préfargier (privat, aber mit staatlicher Überwachung) am Unterende des Sees, in der Nähe des Ausflusses der Thièle, liegt. Neuchâtel enthält noch ein Denkmal des Reformators Farel und ein Denkmal für die Proklamation der Republik 1848 (von Heer und Meyer, 1898). Im Jahr 1900 leben hier 21.064 Einwohner, der Großteil sind Protestanten, 3459 sind Katholiken und 80 Israeliten. 15.277 Einwohner mit französischer und 4553 mit deutscher Sprache. Die Uhrmacherei, Fabrikation von Bijouterien, elektrischen Apparaten und der Handel sowie zahlreiche, durch das hochentwickelte Schulwesen begünstigte Institute und Pensionate für Knaben und Mädchen bilden die Haupterwerbsquellen der Stadt Neuchâtel.

Neuchâtel, L'Hôtel de Ville
Neuchâtel, L’Hôtel de Ville

Von öffentlichen Anstalten sind noch die sehr besuchte Handelsschule, das naturhistorische Museum, das ethnographisch archäologische Museum, die Challandesche Sammlung ausgestopfter Alpentiere, die Bibliothèque de la ville (über 100.000 Bände) und insbesondere die Gemäldegalerie mit Werken von Calame, Meuron, den Gebrüdern Robert etc. zu nennen. In der Umgegend, zerstreut an den aussichtsreichen Höhen, manche romantisch über dem rauschenden Seyon gelegen, sind zahlreiche Landhäuser und Erziehungsinstitute. Der Fluss durchströmt das jurassische Val de Ruz und stürzt tosend durch die Schlucht herab zum See, den er mittels eines 1839 gebohrten Tunnels erreicht. Ein beliebtes Ausflugsziel ist die wildromantische Schlucht (Gorge), gebildet durch den Durchbruch der Areuse aus dem Traverstal an das Seegelände, sowie der aussichtsreiche Gipfel des Chaumont (1172 m); am Wege liegt ein gewaltiger (1040 cbm) erratischer Block, die „Pierre à bot“, ein Protogin der Montblanc-Kette. Straßenbahnen führen am See entlang nach St. Blaise und Boudry, in die romantische Seyonschlucht bis Valangin, eine elektrische Zahnradbahn hinauf zum Bahnhof (480 m) und eine Drahtseilbahn zum höheren Vorort Le Plan. Neuchâtel (Novum castellum) wird zum ersten Mal in einer Urkunde König Rudolfs III. von 1011 als einer der burgundischen Königssitze erwähnt. Den Kern der Stadt bildete das Schloss, das um 1150 als Sitz der Grafen von Neuchâtel erscheint.

Neuchâtel, La Château
Neuchâtel, La Château

Aufnahme in die Schweizer Eidgenossenschaft:

Im Jahr 1815 trat Neuenburg als 21. Kanton der Eidgenossenschaft bei. Neuenburg war von 1707-1857 ein Fürstentum des Königreichs Preußen.

Schweizer Kantone, Karte 1914
Schweizer Kantone, Karte 1914

Größe:

Angaben 1880: 807,8 km²

Bevölkerungsdichte:

  • 1879: 130,99 Einwohner/km²
  • 1900: 156 Einwohner/km²

Einwohner:

Die Bevölkerung zeichnet sich durch schönen, kräftigen Körperbau, treffliche Geistesbegabung und Bildung, durch Fleiß und Geschicklichkeit aus, ist solide und bieder und im Durchschnitt von großem Wohlstand.

  • 1879: 105.820
  • 1880: 103.751
  • 1900: 126.600

Gewässer:

Neuenburger See und der Fluss L‘ Areuse

Neuchâtel, Monument de la République
Neuchâtel, Monument de la République

Sprachen:

Durch Industrie und Verkehr hat die Bevölkerung vielfach einen gemischten Charakter angenommen. Man zählte im Jahr 1900:

  • 104.551 Französisch
  •  17.629 Deutsch
  •    3664 Italienisch
  •  13.189 Ausländer

Religionen:

Während im 16. Jahrhundert nur drei katholische Gemeinden mit 1600 Einwohnern bestanden, ist die Zahl der Katholiken 1900 auf 17.731 Seelen gestiegen; Reformierte 107.291, Israeliten 1020. Der Kanton Neuenburg ist ein überwiegend protestantischer Kanton:

  • 107.291 Reformierte
  •   17.731 römisch-katholisch
  •    1.020 Juden
Neuchâtel, Tour de Diesse
Neuchâtel, Tour de Diesse

Wirtschaft:

Von der Bodenfläche sind im Jahr 1904 = 85,7 % produktiv; davon entfallen 450,99 km² auf Äcker, Wiesen und Weiden, 11,57 auf Rebland und 239,68 km² auf Wald. Noch zu Ende des 18. Jahrhunderts betrug das Rebland ca. 1300 Hektar; von 1877–1903 sind aber ca. 120 Hektar durch die Reblaus zerstört worden. Man schätzt den Jahresertrag des Vignoble im Durchschnitt auf 8000 hl Rotwein und 90.000 hl Weißwein (1903: nur 5078, bez. 33.113 hl). Eine kantonale Weinbauschule besteht in Auvernier, eine landwirtschaftliche Schule in Cernier. Während am See Feld-, Garten- und Weinbau blühen, sind die spät, zum Teil erst im 13. und 14. Jahrhundert, besiedelten Montagnes von der Natur auf Alpwirtschaft und Holzarbeit angewiesen. Die Viehzucht der Bergregion ist erheblich. Die Zählung von 1901 ergab für den Kanton 1745 Pferde, 17.446 Rinder, 4740 Schweine, 686 Schafe, 622 Ziegen und 1656 Bienenstöcke. In die drei Fischzuchtanstalten wurden 1902/03: 198.400 Eier von Seeforellen und 1.980.000 Eier von Felchen eingesetzt. Holz und Steinkohlen müssen eingeführt werden, aber es bestehen zahlreiche Steinbrüche für Bausteine und Zementfabrikation. Die Täler von La Sagne und La Brévine liefern viel Torf, und bei Travers werden in 2–8 m mächtigen Bänken jährlich ca. 30.000 Tonnen Asphalt ausgebeutet. Haupterwerbszweige der Bevölkerung sind Gewerbe und Handel, vor allem die beinahe zwei Jahrhunderte bestehende Uhrenindustrie, die von 565 Fabrikanten betrieben wird und 1903: 489.646 goldene u. 261.327 silberne Uhren lieferte. Fachschulen für Uhrmacher bestehen in Le Locle, La Chaux-de-Fonds, Neuchâtel, Fleurier und Couvet. Bemerkenswert sind die Fabrik für elektrische Kabel in Neuchâtel und die großen Schokoladenfabriken von Suchard in Serrières und von Klaus in Le Locle. Die Stadt Neuchâtel hat eine bedeutende Ausfuhr von Wein und Käse, und die großen Fabrikorte im Jura senden ihre Erzeugnisse nach allen Weltgegenden. Die wichtigsten Eisenbahnlinien sind Lausanne-Neuchâtel-Biel, Neuchâtel-Pontarlier, Neuchâtel-Bern, Neuchâtel-Le Locle-Col des Roches. An Banken besitzt der Kanton die 1854 gegründete, 1883 vom Staat übernommene Banque Cantonale Neuchâteloise (mit 4 Millionen Franken Kapital), die Handelsbank (4 Millionen Franken Kapital) und als Hypothekenbank den Crédit foncier de Neuchâtel (mit 4 Millionen Franken aktivem Kapital). Das Schulwesen des Kantons gehört zu den fortgeschrittensten und steigt von der Volksschule, deren Besuch unentgeltlich und obligatorisch ist, zu verschiedenen höheren Lehranstalten auf. Es bestehen im Jahr 1902 = 9 Sekundärschulen, 2 Mittelschulen (Neuchâtel und La Chaux-de-Fonds) mit Anschluss an das akademische Studium, eine Akademie (Neuchâtel), eine staatliche und eine private Lehrerbildungsanstalt, mehrere Fach-, Kunstgewerbe- und Handelsschulen.

Neuenburg - Neuchâtel
Neuenburg – Neuchâtel

Politische Verwaltung und Einteilung:

Nach der Verfassung vom 21. November 1858 (später wiederholt abgeändert) bildet der Kanton Neuenburg einen repräsentativ-demokratischen Freistaat mit fakultativem Referendum (seit 1879) und der Volksinitiative, die 3000 stimmfähige Bürger begehren können. Die Exekutive steht dem auf 3 Jahre gewählten und aus 5 Mitgliedern bestehenden Staatsrat (Conseil d’État) zu, die Gesetzgebung wird vom Großen Rat (Grand Conseil) ausgeübt, der auf 3 Jahre, ein Vertreter auf 1200 Einwohner, gewählt wird (gegenwärtig 107 Mitglieder). Die Rechtspflege üben 18 Friedensrichter und 3 industrielle Schiedsgerichte, vom Volk gewählt, 6 vom Großen Rat gewählte Bezirksgerichte und ein Obergericht, das in Strafsachen auch die Befugnisse eines Kassationshofes hat. Die Amtsdauer währt 3 Jahre, doch ist Wiederwahl stets zulässig. Die Katholiken gehören zur Diözese Lausanne-Genf (mit Bischofssitz in Freiburg). Die Protestanten teilen sich in die Landeskirche (Eglise nationale) und in die Freie Kirche. Politisch gliedert sich der Kanton Neuenburg in 6 Bezirke, bildet den 48. Nationalratswahlkreis mit 6 Mandaten und gehört in militärischer Hinsicht zum 2. Divisionskreis. Die Einnahmen des Staates betrugen 1903: 4.289.606, die Ausgaben 4.846.995 Franken. Die Staatsanleihen auf Obligationen und bei der Sparkasse Neuenburg beliefen sich 1902 auf 28.129.560 Franken, die durch Aktiva mehr als gedeckt wurden; das reine Staatsvermögen betrug 1.492.470 Franken.

Der Schild des Kantonswappens ist von Grün, Silber und Rot senkrecht gespalten und zeigt oben im roten Feld ein silbernes Kreuzchen.

Die Landesfarben sind Grün, Weiß, Rot.

Neuenburg - Neuchâtel
Neuenburg – Neuchâtel

Städte und Gemeinden:

Der Kanton Neuenburg besteht aus 6 Bezirken.Städte und Gemeinden:

Neuchâtel (Neuenburg), La Chaux-de-Fonds, Peseux, Boudry, Colombier

Geschichte:

Das Grafenhaus von Neuenburg, ein altes burgundisches Adelsgeschlecht, dessen Stammsitz wahrscheinlich Fenis am Bieler See war und von dem sich die Nebenlinien von Valangin, Nidau, Straßberg und Aarberg abgezweigt hatten, empfing seinen Namen von der Stadt Neuenburg, in deren Besitz es um 1150 erscheint. Durch das Aussterben der Zähringer (1218) wurden die Grafen von Neuenburg reichsunmittelbar, bis Graf Raoul die mächtigen Grafen von Châlons 1288 als Oberlehnsherren anerkannte. Nach dem Aussterben des alten Grafenhauses 1395 ging Neuenburg durch Erbschaft an einen Seitenverwandten, Konrad von Freiburg, 1457 an die Grafen von Hochberg und von diesen 1504 durch Heirat an den französischen Prinzen Ludwig von Orléans, Herzog von Longueville, über. Nachdem das Land schon durch ein „ewiges Burgrecht“ des Grafen und der Stadt mit Bern (1406) und durch ähnliche Bündnisse mit Solothurn (1369), Freiburg (1495) und Luzern (1501) an die Eidgenossen gekettet worden war, besetzten es diese 1512 infolge des Krieges, den sie mit Frankreich um Mailand führten und regierten es als gemeine Vogtei bis 1529, wo sie es der Herzogin von Longueville zurückstellten.

Neuenburg - Neuchâtel
Neuenburg – Neuchâtel

Unter dem Schutze Berns, das eine Art schiedsrichterlicher Gewalt über Neuenburg ausübte, führte Farel 1530 die Reformation ein. 1584 fiel Valangin an Neuenburg. Im Westfälischen Frieden wurde Neuenburg als souveränes, im Schirm der Eidgenossenschaft stehendes Fürstentum anerkannt. Als das Erlöschen des Hauses Longueville in Aussicht stand, erhoben 15 Prätendenten Ansprüche auf Neuenburg, darunter der Prinz von Conti, der Günstling und Vetter Ludwigs XIV. Allein auf Betreiben des Kanzlers Montmollin, der, im Einverständnis mit Bern, Neuenburg nicht zur französischen Provinz herabsinken lassen wollte, machte Wilhelm III. von Oranien im Frieden von Ryswyk das verschollene, aber nie förmlich aufgegebene Oberlehnsrecht des Hauses Châlons geltend, dessen Erben die Oranier waren und übertrug seine Ansprüche auf König Friedrich I. von Preußen, den Sohn der Prinzessin Luise von Oranien. Nach dem Tode Maries, der Herzogin von Nemours (1695–1707), mit der die vierte Dynastie erlosch, entschied sich der Gerichtshof der drei Stände am 3. November 1707 für die Rechtmäßigkeit der Ansprüche des Königs von Preußen, der bei der Huldigung die Rechte und Privilegien des Fürstentums sowie die alten Bündnisse mit den Eidgenossen bestätigte und im Frieden von Utrecht auch von Ludwig XIV. als Fürst von Neuenburg anerkannt wurde. Im 18. Jahrhundert blühte die von Daniel Jean Richard von La Sagne 1681 begründete Uhrenindustrie in den Bergen von Neuenburg mit erstaunlichem Tempo auf.

Schweiz, 1812
Schweiz, 1812

Die Einführung der Helvetischen Republik 1798 löste das Verhältnis Neuenburgs zur Schweiz. Friedrich Wilhelm III. trat Neuenburg 1806 an Napoleon I. ab, der es 30. März als ein Vasallenfürstentum an den Marschall Berthier verlieh. Berthier, der sein Fürstentum nie besucht hatte, verzichtete nach dem ersten Pariser Frieden durch Vertrag vom 3. Juni 1814 gegen eine lebenslängliche Rente von 34.000 Talern darauf zugunsten des Königs von Preußen. Nach der von letzterem abgegebenen Erklärung, dass Neuenburg ein unveräußerlicher und von der preußischen Monarchie völlig abgesonderter Staat sei, wurde es am 12. September 1814 als 21. Kanton in die Eidgenossenschaft aufgenommen, ein Verhältnis, das die Sanktion des Wiener Kongresses empfing. 1830 regte sich auch in Neuenburg der Wunsch nach Umgestaltung der Verfassung und der König erkannte dies an, indem er durch den Generalmajor von Pfuel die alten Landstände in einen „gesetzgebenden Rat“ umwandeln ließ, in den der Fürst zehn, das Volk aber die übrigen Abgeordneten wählen sollte. Ein Versuch der Republikaner, durch einen Aufstand die völlige Trennung von Preußen zu erzwingen (13. September 1831), wurde durch eidgenössische Truppen unterdrückt und ein zweiter vom 17. Dezember durch Pfuel erstickt und hart bestraft. 1832 machte Neuenburg sogar den Vorschlag, dass das Fürstentum at is dem Bund austreten und nur an der garantierten Neutralität der Schweiz teil haben solle, wurde aber von der Tagsatzung damit zu rückgewiesen und vom König missbilligt. Zugleich schloss es sich den reaktionären Kantonen auf engste an und wenn es nicht förmlich am Sonderbund teil nahm, so stimmte es doch mit diesem auf der Tagsatzung und weigerte sich, sein Kontingent zum eidgenössischen Heer stoßen zu lassen, das ihn auflösen sollte. Dafür wurde Neuenburg nach Beendigung des Feldzugs zur Zahlung von 300.000 Franken verpflichtet, die zu einem Pensionsfonds der in eidgenössischem Dienste Verwundeten verwendet werden sollten. Das Jahr 1848 führte indes einen Umschwung aller Verhältnisse herbei. Unmittelbar nach der Februarrevolution brach in Locle und La Chaux-de Fonds ein republikanischer Aufstand aus (29. Februar); eine Volksversammlung in La Chaux-de-Fonds wählte eine provisorische Regierung, während etwa 1000 bewaffnete Republikaner nach Neuenburg marschierten und ohne Widerstand Besitz vom Schloss nahmen, wo sich die provisorische Regierung, an ihrer Spitze der Advokat Piaget, alsbald installierte (1. März). Der der Abdankung widerstrebende royalistische Staatsrat wurde gefangen gesetzt und die provisorische Regierung vom eidgenössischen Vorort Bern sofort anerkannt. Das Kabinett in Berlin begnügte sich mit einem Protest gegen das Geschehene und der König entband am 5. April die Neuenburger ihrer Verpflichtungen, worauf die gefangenen Staatsräte gegen eine Abdankungserklärung ihre Freiheit zurückerhielten. Unterdessen entwarf ein vom Volke gewählter Verfassungsrat eine republikanische Verfassung, die am 30. April mit 5800 gegen 4400 Stimmen angenommen und von der Tagsatzung gewährleistet wurde.

Neuchâtel, Vue sur la ville et la trouée de Bourgogne
Neuchâtel, Vue sur la ville et la trouée de Bourgogne

Die schweizerischen Bundesbehörden versäumten es jedoch, rechtzeitig König Wilhelm IV. von Preußen zum vollständigen Verzicht auf seine Rechte zu bewegen; im Londoner Protokoll (24. Mai 1852) ließ er sich seine Ansprüche auf Neuenburg von den Mächten anerkennen und eine royalistische Minderheit sann auf Umsturz der neuen Ordnung. Der von ihr zum militärischen Chef ernannte Graf von Pourtalès-Steiger gab 1856 nach der Heimkehr von einer Reise nach Berlin „im Namen des König“ den Befehl zum Losschlagen. In der Nacht vom 2. auf den 3. September wurden gleichzeitig Locle und Neuenburg überrascht, die Regierung gefangen gesetzt und die königliche Fahne aufgepflanzt. Aber alsbald erhoben sich die Republikaner von allen Seiten, erstürmten am Morgen des 4. September das Schloss in Neuenburg nicht ohne Blutvergießen und nahmen 530 Royalisten darin gefangen.

Lebensrettung des Obersten Pourtalès durch den eidgenösischen Oberst Denzler bei der Wiedereinnahme des Einnahme des Neuenburger Schlosses am 4. September 1856
Lebensrettung des Obersten Pourtalès durch den eidgenösischen Oberst Denzler bei der Wiedereinnahme des Einnahme des Neuenburger Schlosses am 4. September 1856

Der schweizerische Bundesrat beschloss, die Urheber des Aufstandes („Neuenburger Putsch„) gerichtlich zu verfolgen; allein Preußen, unterstützt von den Mächten, verlangte sofortige Freilassung aller Gefangenen, welche die Schweiz als unvereinbar mit ihrer Ehre verweigerte. Schon wurde von beiden Seiten zum Kriege gerüstet und nach Ablehnung des von Preußen gestellten Ultimatums schien der Ausbruch der Feindseligkeiten unvermeidlich, als durch die Vermittlung Napoleons III. ein Vergleich zustande kam, wonach die Eidgenossenschaft die gefangenen Royalisten freiließ, sie aber bis zu völligem Ausgang der Sache des Landes verwies, worauf der König von Preußen im Pariser Vertrag vom 26. Mai 1857 für sich und seine Nachfolger unter Vorbehalt des Titels auf seine Rechte an Neuenburg verzichtete und selbst eine anfänglich verlangte Entschädigung von 1 Million Franken fallen ließ. Seitdem erfreute sich der Kanton Neuenburg unter der Herrschaft der Radikalen eines zwar bewegten, aber stets in gesetzlichen Formen verlaufenden politischen Lebens. Am 21. November 1858 wurde eine neue Verfassung angenommen, die das obligatorische Referendum für Ausgaben von über 500.000 Franken einführte, aber seither eine Reihe partieller Revisionen erlitten hat, durch die 1879 das obligatorische Finanzreferendum durch das fakultative Referendum für alle Gesetze und Beschlüsse ersetzt. 1882 die Volksinitiative für Gesetze eingeführt, 1887 die Bürger- und Einwohnergemeinden zu einheitlicher Verwaltung verschmolzen und die Armenunterstützungspflicht auf die Wohnsitzgemeinde übertragen wurde. Infolge eines Kirchengesetzes von 1873, das jeden politisch wahlberechtigten Bürger auch für kirchlich wahlberechtigt erklärte, trat eine große Anzahl Geistlicher und Laien unter der Führung Godets aus der Staatskirche aus und gründete eine streng orthodoxe Freikirche (Église libre).

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • „Ortslexikon der Schweiz“ von Henry Weber, Verlag von M. Kreutzmann, St. Gallen 1887
  • „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
  • „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
  • „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
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