Greifswald in Pommern im Königreich Preußen, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Greifswald 23.750 Einwohner – 1905 = 180. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
Greifswald in Pommern im Königreich Preußen
Greifswald ist Kreisstadt im Königreich Preußen, Provinz Pommern, Regierungsbezirk Stralsund, am schiffbaren Ryk, der 4 km unterhalb in den Greifswalder Bodden mündet.
Die Stadt Greifswald hat meist breite und gerade Straßen, eine Anzahl interessanter spätgotischer Giebelhäuser und schöne Promenaden. Unter den gottesdienstlichen Gebäuden, 3 evangelische und eine katholische Kirche, sind die frühgotische Marienkirche (Backsteinhallenbau), die gotische Nikolaikirche wegen ihres kühnen Turmes und eines prachtvollen „Lutherfensters“, die Jakobikirche wegen eines sehr alten Taufsteines bemerkenswert.
Von öffentlichen Denkmälern besitzt die Stadt Greifswald Denkmäler Kaiser Friedrichs III., Rubenows, des Begründers der Universität, und des Bürgermeisters Päpke sowie ein Kriegerdenkmal. Im Jahr 1900 leben in Greifswald mit der Garnison (1 Bataillon Infanterie Nr. 42) 22.950 Einwohner, der Großteil sind Evangelische, 884 sind Katholiken und 100 Juden. Die Industrie beschäftigt sich mit Schiffbau, Eisengießerei und Maschinenfabrikation, Fabrikation von landwirtschaftlichen Maschinen, Ketten, Grabdenkmälern.
Außerdem hat Greifswald eine Eisenbahnwerkstätte, Steinschleiferei, ein Elektrizitätswerk, Fischerei, Fischräucherei, Heringssalzerei, Bergungsdampfschiffe mit Taucherapparat und ein Sol- und Moorbad. Der Handel, besonders lebhaft in Getreide, Holz und Fischen, wird unterstützt durch die Kaufmannskompanie, eine Nebenstelle der Reichsbank sowie ein portugiesisches und ein schwedisch-norwegisches Konsulat. Die dortige Reederei zählte 1902: 10 Seeschiffe mit 1300 Registertonnen Raumgehalt. In den Hafen von Greifswald, beim Dorfe Wyk an der Mündung der Ryk, liefen 1902 ein: 666 Seeschiffe zu 50.110 Registertonnen Raumgehalt; es liefen aus: 667 Schiffe zu 49.900 Registertonnen Raumgehalt.
Greifswald ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinie Angermünde-Stralsund der Eisenbahn Greifswald-Tribsees und der Kleinbahnlinien Greifswald-Wolgast und Greifswald-Jarmen und hat Dampfschiffsverbindung mit Eldena und der Insel Rügen. Die dortige Universität wurde 1456 unter dem Herzog Wratislaw IX. von dem Bürgermeister Heinrich Rubenow gegründet. Mit ihr verbunden sind eine Bibliothek mit 150.000 Bänden und ca. 800 Handschriften, eine Kunstsammlung und eine Sammlung vorchristlicher Altertümer, eine Anatomie sowie ein großes Krankenhaus, ein chemisches Laboratorium,
ein botanischer Garten, ein zoologisches Museum, zahlreiche medizinische Institute und in dem nahen Eldena eine Landwirtschaftsschule. Die Zahl der Studierenden betrug im Sommersemester 1904: 775, die Zahl der Hörer 42, die der Dozenten ca. 100. An sonstigen Unterrichtsanstalten hat die Stadt ein Gymnasium, eine Realschule und ein milchwirtschaftliches Institut; außerdem sind in Greifswald eine Irrenanstalt, ein Theater, ein Waisenhaus etc.
Die Stadt Greifswald ist Sitz eines Landgerichts und einer Spezialkommission. Zum Landgerichtsbezirk Greifswald gehören die elf Amtsgerichte zu: Anklam, Barth, Bergen auf Rügen, Demmin, Franzburg, Greifswald, Grimmen, Loitz, Stralsund, Treptow a. T. und Wolgast. Greifswald (ursprünglich Grippeswalde) wurde 1241 neben dem 1199 gestifteten Zisterzienserkloster Eldena angelegt, kam 1249 an Pommern-Demmin (später-Wolgast) und wurde 1250 zur Stadt erhoben. Bald darauf trat es der Hansa bei.
Es erhielt 1451 durch den Bürgermeister Rubenow seine bis in die neueste Zeit geltende Verfassung und 1456 auf desselben Betreiben eine Universität. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Greifswald von den Kaiserlichen befestigt, kam aber 1631 in den Besitz der Schweden, denen es auch beim Westfälischen Frieden verblieb. Am 16. November 1678 wurde Greifswald von dem Kurfürsten von Brandenburg erobert, 1679 aber zurückgegeben. Die Russen verwüsteten 1713 die Stadt; 1715 kam sie an Dänemark, 1721 wieder an Schweden, 1815 an Preußen.
1831 hatte Greifswald 8967 Einwohner. 1863 wurde die Eisenbahn nach Berlin und Stralsund gebaut. Der Schiffbau erlebte um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine letzte Blüte, 1876 ging er ein. Die 1863 gegründete Eisenbahnwerkstatt war längere Zeit der größte Industriebetrieb, die Fischkonservenfabrikation nahm einen starken Aufschwung. Als wichtigster Faktor im Wirtschaftsleben der Stadt wurde die Universität seit 1850 ausgebaut, neue Kliniken und Institute entstanden. 1887 überstieg die Zahl der Studenten erstmals die 1000, 1913 die 1500. An ihr wirkten u. a. Ernst Moritz Arndt, Friedrich Ludwig Jahn und Caspar Davis Friedrich. 1913 wurde das Theater eröffnet.
Die Universität in Greifswald nannte sich vom 16. Mai 1933 bis zum 31. Mai 2018 „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“. Der Senat der Universität Greifswald beschloss Mitte Januar 2018 mit Zweidrittelmehrheit sich von dem Namen des Dichters Ernst Moritz Arndt zu trennen. Zur Begründung hieß es: „…der umstrittene Namens-Patron erschwere die Darstellung der Universität als Ort fortschrittlicher Forschung und tauge nicht für ein positives Traditionsbild„. In einer in Greifswald durchgeführten Meinungsumfrage zum Universitätsnamen hatten sich 48,66 Prozent der Teilnehmer für den Namen „Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“ und nur 34,38 Prozent für den jetzigen Namen „Universität Greifswald“ ausgesprochen.
Greifswald ist heute ein Stadt im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern, Kreisstadt des Landkreises Vorpommern-Greifswald, mit rund 60.000 Einwohnern (2020).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
- „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
- „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
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