Der Kanton Aargau in einer Darstellung um 1900, Geschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Hauptort Aarau
Der Kanton Aargau mit dem Hauptort Aarau in einer Darstellung um 1900
Aargau ist ein Kanton der Schweiz. Dieser wird im Norden durch den Rhein vom Großherzogtum Baden begrenzt, im übrigen von den Kantonen Baselland, Solothurn, Bern, Luzern, Zug und Zürich begrenzt und hat ein Areal von 1404 km² (25,5 Quadratmeilen). Er gehört nördlich der Linie Aarau-Brugg-Baden zum Ketten- und insbes. zum Tafeljura (Wasserfluh 869 m), mit dem fruchtbaren Fricktal südlich derselben zum schweizerischen Mittellande, das hier durch zahlreiche parallele und flache Täler in fruchtbare Landschaften gegliedert ist (Unteraargau, Freiamt).
Stadt Aarau um das Jahr 1900
Aarau ist die Hauptstadt des Kantons Aargau, liegt 388 Meter über dem Meer, am rechten Ufer der Aare, über die eine Kettenbrücke führt. Aarau ist Knotenpunkt an der Eisenbahnlinie Zürich-Olten. Im Jahr 1900 leben hier 7995 Einwohner. Aarau ist Sitz der Kantonsbehörden, der Kantonsschule, hat eine Kantonsbibliothek von 80.000 Bänden, naturwissenschaftliche, historische und ethnologische Sammlungen, ein Denkmal des Schriftstellers Heinrich Zschokke und zeichnet sich durch rege Gewerbetätigkeit aus. Aaraus Messerschmiedewaren, Reißzeuge, physikalische Instrumente, Glocken- und Kanonengießerei stehen in großem Ruf; nicht weniger Zement-, Baumwoll- und chemische Industrie.
Der alte Turm Rore, einstmals ein Rittersitz, ist durch Heinrich Zschokkes „Freihof von Aarau“ weithin bekannt geworden. Urkundlich schon 1267 als städtisch organisiertes Gemeinwesen bezeugt, erhielt Aarau von Rudolf von Habsburg 1283 Stadtrecht und ging 1415 bei der Eroberung des Aargaus aus österreichischem in bernischen Besitz über. Hier versammelte sich im Dezember 1797 die letzte Tagsatzung der alten Eidgenossenschaft. Vom April bis September 1798 saßen hier die Zentralbehörden der Helvetischen Republik; als diese nach Luzern übersiedelten, blieb Aarau Hauptort des neugegründeten Kantons Aargau.
Landesfarben:
Die Landesfarben sind Schwarz, Blau.
Größe:
Aargau wird im Norden durch den Rhein vom Großherzogtum Baden geschieden, im übrigen von den Kantonen Baselland, Solothurn, Bern, Luzern, Zug und Zürich begrenzt und hat ein Fläche von 1404 km² (25,5 Quadratmeilen).
Bevölkerungsdichte:
1879 = 144,6 Einwohner/km²1900 = 147,0 Einwohner/km²
Einwohner:
- 1879: 203.011
- 1880: 198.266
- 1900: 206.659
Gewässer:
Flüsse Rhein, Aare, Reuss und der Hallwiler See.
Sprachen:
Der Muttersprache nach zählte der Kanton 1888:
- 192.859 Deutsche
- 465 Franzosen
- 163 Italiener
99,9 % Deutsch 0,1 % Französisch
Religionen:
Der Kanton zählt im Jahr 1900 = 206.659 Einwohner (147/km²), darunter (1888) 106.351 Protestanten, 85.835 Katholiken und 1051 Israeliten. Der Unteraargau ist vorherrschend protestantisch; dagegen sind Freiamt und Baden sowie das Fricktal überwiegend katholisch.
Angaben Meyers Lexikon 1906:
- 106.351 Protestanten
- 85.835 Katholiken
- 1.051 Israeliten
Wirtschaft:
95,53 % des Fläche oder 1341,8 km² sind Kulturland, davon 882,5 km² Äcker, Wiesen und Weiden, 27,8 Rebland, 438,0 km² Wald. Die Weinlagen entfallen auf die Jurabezirke (Fricktal, Schinznach und Wettingen), der Ertrag belief sich 1899 auf 46,423 hl. 1901 zählte man im Aargau 4939 Pferde, 82.116 Rinder (Berner und Schwyzer Vieh), 26.631 Schweine, 13.546 Ziegen etc.; 1899 wurden 18.656 Doppelzentner (1 dz = 100 kg) Käse produziert. Am Rhein, besonders in Laufenburg und Rheinfelden, ist die Fischerei eine wesentliche Ernährungsquelle; insgesamt bestehen 24 Fischzuchtanstalten. Die Salinen zu Rheinfelden, Ryburg und Kaiseraugst lieferten 1898 zusammen 261.172 Doppelzentner Salz. Berühmte Heilquellen sind zu Baden, Schinznach, Wildegg und Birmenstorf. Die Hauptindustriezweige bilden die Strohflechterei (ca. 10.000 Personen), Tabakfabrikation, Strickerei, Fabrikation von Seidenband und Halbwollenstoffen (Bezirke Wohlen, Muri, Bremgarten).
Politische Verwaltung und Einteilung:
Die gegenwärtige rein demokratische Verfassung, aus der Revision von 1884 hervorgegangen, datiert vom 23. April 1885. Der Große Rat als gesetzgebende Behörde, kreisweise (je ein Mitglied auf 1100 Seelen) gewählt, unterstellt sämtliche von ihm erlassene Gesetze und andere wichtige Erlasse dem Referendum des Volkes, dessen Abstimmung zweimal jährlich, im Frühling und Herbst, stattfindet. Die vollziehende Gewalt ist dem aus fünf Mitgliedern bestehenden Regierungsrat übertragen, dessen Präsident den Titel Landammann führt, während sein Stellvertreter der Landstatthalter ist. Er wird vom Großen Rat gewählt, wie das aus neun Mitgliedern bestehende Obergericht. Organe der Staatsgewalt sind in jedem Bezirk der Bezirksamtmann und das Bezirksgericht, beide durch die Gesamtheit der Bezirkseinwohner gewählt. Aargau hat 11 Bezirke, 248 politische Gemeinden, bildet den 36., 37. und 38. Nationalratskreis mit 10 Mandaten und gehört militärisch zum 5. Divisionskreis, in katholisch-kirchlicher Hinsicht zum Bistum Basel. Hauptstadt ist Aarau. Außer zahlreichen Gemeinde- und 29 Sekundärschulen hat der Kanton ein Lehrer- und ein Lehrerinnenseminar und eine Kantonsschule, bestehend aus Gymnasium, Gewerbe- und Handelsschule. Das produktive Staatsvermögen betrug Ende 1898 an Aktiven 21.883.030 Franken, an Passiven 2.827.350 Franken, also netto 19.055.680 Franken. Die Staatseinnahmen betrugen 3.403.162 Franken.
Der Kanton Aargau besteht aus 11 Bezirken. Aarau, Baden, Bremgarten, Brugg, Kulm, Laufenburg, Lenzburg, Muri, Rheinfelden, Zofingen, Zurzach.
Geschichte Aargau:
Der Aargau war eine alte alemannische Grafschaft, die ursprünglich den größten Teil der heutigen Kantone Aargau und Luzern sowie Stücke von Bern, Solothurn, Unterwalden u.a. umfasste, aber durch die Lostrennung kleinerer Gebiete allmählich verkleinert wurde. Seit dem Erlöschen des Grafenhauses von Lenzburg (1173) gehörte der Aargau den Habsburgern, bis ihn die Eidgenossen auf Anlass des Kaisers Sigismund und des Konstanzer Konzils 1415 dem geächteten Herzog Friedrich entrissen. Bern nahm sich den westlichen Teil (Zofingen, Aarburg, Aarau, Lenzburg), Luzern den Süden (Sursee) und Zürich den Osten, das sogenannte Knonauer Amt, in Besitz; das übrige, die Freiämter und die Grafschaft Baden, wurde als gemeine Herrschaften von sieben, respektive acht Kantonen regiert. Die Revolution erlöste 1798 den Aargau aus seiner Untertanenstellung und wandelte den bernischen Teil in einen Kanton Aargau, die gemeinen Vogteien in einen Kanton Baden um; der heutige Kanton, mit dem das im Luneviller Frieden (1801) von Österreich abgetretene Fricktal vereinigt wurde, entstand 1803 durch die Mediationsakte und blühte unter einer repräsentativ-demokratischen Verfassung sichtlich auf. Im Jahr 1814 gelang es dem jungen Gemeinwesen, seine Existenz gegen die Herrschaftsgelüste Berns zu retten; dagegen wurde die Verfassung durch hohen Abgaben, lange Amtsdauer und dergleichen in aristokratischem Sinn modifiziert.
Als nach der Julirevolution die Regierung dem allgemeinen Verlangen nach Änderung der Verfassung nicht entsprechen wollte, wurde sie durch einen unblutigen Aufstand dazu gezwungen und die neue Verfassung vom 15. April 1831 auf demokratischen Grundsätzen aufgebaut. Als durch eine am 5. Januar 1841 vom Volk sanktionierte Verfassungsänderung der bisherige Grundsatz der Parität der Konfessionen, der den an Zahl geringeren Katholiken die gleiche Zahl Vertreter im Großen Rat wie den Reformierten sicherte, aufgehoben und die Vertretung nach der Bevölkerungsanzahl eingeführt wurde, erhob sich in den Freiämtern ein Aufruhr, der von den Regierungstruppen nach dem Gefecht bei Villmergen (11. Januar 1841) rasch niedergeworfen wurde. Da der konfessionelle Streit hauptsächlich von den 8 Klöstern aus geschürt worden war, beschloss der Große Rat, diese aufzuheben (Aargauer Klosterstreit) und ihr 6,5 Millionen Franken betragendes Vermögen für Schulzwecke und Armen zu verwenden (13. Januar 1841). Jedoch war dieser Beschluss eine Verletzung der im Bundesvertrag von 1815 ausgesprochenen Klostergarantie und es kam zu langwierigen Verhandlungen, die zur Folge hatten, dass am 31. August 1843 die vier Frauenklöster wiederhergestellt wurden.
Während die Mehrheit sich mit der Wiederherstellung zufrieden gab, protestierten die nachmaligen Sonderbundskantone formell gegen diese Entscheidung. Von da an stand die Regierung des Aargaus an der Spitze der antiklerikalen Bewegung und stellte schon 1844 auf der Tagsatzung den Antrag auf Ausweisung der Jesuiten. Durch die Verfassungsrevision vom 22. Februar 1852 wurde dem Volk das Recht der Abberufung des Großen Rats gegeben. Da die Regierung nicht nur an alle Maßnahmen der Solothurner Diözesanstände gegen den Bischof Lachat teilnahm, sondern auch einen Beschluss des Großen Rats im Sinn der Trennung von Kirche und Staat durchsetzte und die Aufhebung der Klöster Hermetschwyl und Gnadental sowie des Veronastifts Zurzach (16. Mai 1876) veranlasste, verweigerten die Ultramontanen (katholisch Konservativen) konsequent jede Staatssteuer. Am 23. April 1885 kam es zu einem Kompromiss, durch den die Behörden Steuern auf eine gewisse Höhe ohne Referendum bewilligt wurde.
Aufnahme in die Schweizer Eidgenossenschaft: 1803 wurde Aargau einer der sechs neuen Kantone des wiederhergestellten Bündnisses.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Ortslexikon der Schweiz“ von Henry Weber, Verlag von M. Kreutzmann, St. Gallen 1887
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
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