Der Kanton Zürich in einer Darstellung um 1900, Geschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Hauptort Zürich
Kanton Zürich
Zürich, ein Kanton der Nordostschweiz, grenzt im Osten an Thurgau und St. Gallen, im Süden an Schwyz und Zug, im Westen an Aargau, im Norden an das Großherzogtum Baden, den Kanton Schaffhausen und hat eine Fläche von 1724,76 km². Dem Rheingebiet an gehörend, senkt er sich vom südöstlichen Oberland, den Vorstufen der St. Galler und Schwyzer Voralpen (Schnebelhorn 1295 m), durch die Schweizer Hochebene zum Weinland (Winterthur-Schaffhausen), Unter- und Bauernland (Bülach). Zwischen Pfannenstiel (853 m) und der Albiskette (918 m) liegt das Zürichsee-Limmattal, westlicher zur Reuß das Knonauer Amt.
Stadt Zürich
Zürich ist die Hauptstadt des gleichnamigen Kantons, liegt 411 Meter über dem Meer, zu beiden Seiten der Limmat am untern, durch Stirnmoräne abgeschlossenen Ende des Zürichsees, zwischen dem Ütli- und dem Zürichberg und oberhalb der Mündung der Sihl. Auf dem dominierenden Lindenhof (Moräne), am linken Ufer, war eine römische Zollstätte und im Mittelalter eine königliche Pfalz. Zürich ist Knotenpunkt der Linien Zürich-Winterthur (-Konstanz, Romanshorn und St. Gallen), Zürich-Bern, Zürich-Brugg-Basel, Zürich-Sargans-Chur, Zürich-Luzern (-Gotthard), Zürich-Schaffhausen-Stuttgart etc. sowie Ausgangsstation der Sihltal- und Ütlibergbahn.
Die Große Stadt auf dem rechten Ufer und den Hängen des Zürichberges (679 m) ist uneben, meist eng und steil. Die Kleine Stadt auf dem linken Ufer liegt größtenteils auf flacherem Talboden, hat breitere Straßen und neu angelegte Viertel. Beide sind durch fünf Brücken verbunden, unter denen die neue, auf altem Seegrund gepfählte Kaibrücke die oberste ist. Merkwürdige Bauwerke der Stadt sind das Großmünster, eine einfache romanische Pfeilerbasilika aus dem Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts mit zwei gotischen, 1779 mit achteckigen Hauben geschlossenen Türmen, Ausgangsstätte von Zwinglis Reformation; um und über dem romanischen Kreuzgang erhebt sich seit 1851 das Gebäude der Töchterschule.
Dann sind zu nennen das Fraumünster, ein gotischer Bau aus dem 13. Jahrhundert, mit hohem Helm, die (altkatholische) Augustinerkirche mit schönen Altarblättern; die St. Peterskirche, an der Lavater lehrte, mit aussichtsreichem, durch ein gewaltiges Zifferblatt geschmücktem Turm; die Predigerkirche mit isoliertem, neuem Helmturm und der Kantonalbibliothek. Ferner in der Großen Stadt das 1699 im Renaissancestil erbaute Rathaus, die restaurierte Wasserkirche mit der Stadtbibliothek, Zwinglimuseum und Zwinglidenkmal auf der Südseite, das Theater, die Irrenanstalt im vorstädtischen Burghölzli und vor allem die auf einer Terrasse des Zürichberges errichteten Hochschulbauten:
eidgenössisches Polytechnikum (nach den Entwürfen von Semper, 1864 vollendet) mit prachtvollem Vestibül (und besonderen Gebäuden für Chemie, Physik, Mechanik, Forst- und Landwirtschaft; Sternwarte, Prüfungsinstitute für Festigkeit, Heizmaterialien), die kantonale Universität mit Gebäuden für Physik, Chemie, Kliniken etc.; das städtische Pfründhaus.
In der Kleinen Stadt, in der die prachtvolle Bahnhofstraße die Hauptverkehrsader bildet, sind zu nennen: das Stadthaus, das Postgebäude, die Börse, die neue Tonhalle, die Urania (Privatsternwarte) und der imposante Bahnhof mit dem Escherdenkmal.
Mit den am 1. Januar 1893 zu einem Gemeinwesen vereinigten elf Außengemeinden zählt Zürich im Jahr 1900 = 150.726 Einwohner (2/3 sind Protestanten, 43.655 Katholiken, 2713 Juden, 2586 französischer und 5100 italienischer Zunge) gegen (auf gleichem Areal) 95.261 (1888) und 178.106 Ende Oktober 1907. Die Stadt ist administrativ in fünf Kreise geteilt. Sie ist Mittelpunkt der industriellen Tätigkeit des Kantons Zürich, Handelszentrum der gesamten Ostschweiz und Sitz für Kunst und Wissenschaft. Im Sommer 1906 hatte die Universität 1562 Studierende und Zuhörer (454 weibliche), das eidgenössische Polytechnikum 1906/07: 1281 Studierende und 919 Zuhörer.
Zürich hat eine Forst- und landwirtschaftliche Schule, eine Kantonsschule, Musikschule, ein schweizerisches Landesmuseum (Sammlung schweizerischer Altertümer), einen Botanischen Garten, eine Gemälde- und Skulpturensammlung im Künstlergrütli; ein Kunsthaus ist im Bau begriffen. Zürich ist Sitz der kantonalen Behörden, einer eidgenössischen Kreispost- und Eisenbahndirektion, des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, der Zürcher Kantonalbank, der Schweizerischen Kreditanstalt und andrer Bankinstitute, vieler gelehrter und gemeinnütziger Gesellschaften, wie der naturforschenden, antiquarischen, geographischen, medizinischen, landwirtschaftlichen, kaufmännischen, Künstler-Gesellschaft u. a., von Gesang- und Musikvereinen sowie mehrerer fremder Konsuln (darunter ein deutscher Berufskonsul) und mithilfe seiner wundervollen Lage ein Mittelpunkt des Fremdenverkehrs.
Schöne Aussichtspunkte und Spaziergänge bieten der Plattspitz beim Bahnhof mit dem schweizerischen Landesmuseum und Denkmälern des Idyllendichters Geßner und des Komponisten Baumgartner, der Lindenhof, die „Katze“ im Botanischen Garten, der Stadthausgarten, der unvergleichliche Alpenkai mit Landungsplätzen der Dampfschiffe und Badeanstalten, der Belvoirpark in der Enge, die Bauschanze; auf dem rechten Ufer die hohe Promenade mit Denkmal des Sängervaters Nägeli, das Polytechnikum, das alkoholfreie Restaurant auf dem Zürichberg, das Villenquartier Rigiviertel, Hotel Dolder (letztere beiden mit Drahtseilbahnen) und die ausgedehnten, wohlgepflegten städtischen Waldungen auf dem Zürich- und dem Ütliberg. Zu den Hotels des letztern (873 m) führt seit 1875 eine Adhäsionsbahn. Die Betriebsrechnung von Zürich als politische und Schulgemeinde ergab 1906 an Einnahmen 16.138.006 Franken, an Ausgaben 17.222.305 Franken, mithin ein Defizit von 1.084.299 Franken.
Aufnahme in die Schweizer Eidgenossenschaft:
Im Jahr 1351 trat Zürich als 5. Kanton der Eidgenossenschaft bei.
Größe:
Angaben 1880: 1724,7 km²
Bevölkerungsdichte:
174,21 Einwohner/km² (Angaben 1879)
Einwohner:
- 1879: 300.469
- 1880: 317.058
- 1900: 431.637
Gewässer:
Zürichsee, Greifensee und Pfäffikersee, die Flüsse Rhein, Thur, Töss, Glatt, Limmat und Sihl
Sprachen:
von den 431.637 Einwohnern sind der Großteil deutscher, 3894 französischer, 11.192 italienischer und 610 romanischer Zunge.
Religionen:
Der Kanton Zürich ist ein überwiegend protestantischer Kanton. Im Jahr 1900 leben hier 431.637 Einwohner, der Großteil sind Protestantische, 80.752 Katholiken, 2933 Juden sind. Die evangelische Landeskirche und die übrigen kirchlichen Genossenschaften ordnen ihre Kultusverhältnisse selbständig unter Oberaufsicht des Staates; die erstere steht unter Aussicht eines Kirchenrats und der aus Geistlichen und Laien zusammengesetzten Kirchensynode.
- 92,6 % protestantisch
- 6,3 % römisch-katholisch
Wirtschaft:
Von der Gesamtfläche des Kantons Zürich sind 93,9 % produktiv, davon 468,6 km² mit Wald und 40,55 km² mit Reben bepflanzt. Der Ackerbau, wie in der ganzen Schweiz auf Kosten der Graswirtschaft eingeschränkt, hat sich im Seegebiet vorherrschend zur Gartenkultur gesteigert. 1906 betrug der Ertragswert an Getreide und Hackfrüchten 11,58 Millionen Franken, derjenige für Heu und angebaute Futterpflanzen 52,24 Millionen Franken und für Riedstreu 1,57 Millionen Franken. Damit sind zugleich Viehzucht und Milchwirtschaft bewertet. Der Weinbau lieferte 1906: 161,365 hl Wein im Werte von 5,5 Millionen Franken, an Obst wurden 1906; 628,330 dz im Wert von 6,46 Millionen Franken geerntet. Der Kanton hatte 1906: 9742 Pferde, 112.256 Rinder, 27.815 Schweine, 2273 Schafe, 16.184 Ziegen und 3 Fischzuchtanstalten. 1905 waren 220.309 Einwohner in 63.978 Betrieben beschäftigt, wovon 3430 mit Motoren (1143 Dampfkessel) von zusammen 74.887 PS. Der Kanton Zürich ist das kraftvollste Industriegebiet der Schweiz, hervorragend in Seide und Baumwolle (Zürichsee, Oberland), Maschinen (Winterthur, Zürich, Wald, Uster), der Elektrotechnik (Örlikon) etc.
Die Stadt Zürich ist neben Basel der erste Handelsplatz der Schweiz, zugleich Knotenpunkt des intensivsten Verkehrs. Dem Innenverkehr dient ein dichtes Straßen- und Wegenetz, das die sauberen und wohlhabenden, meist mit Wasserversorgungen versehenen Siedelungen verbindet. Von den 189 politischen Gemeinden haben 47 eine Bevölkerung von 1–2000, 29 von 2–5000 und 9 über 5000, wovon Winterthur über 20.000 und Zürich über 150.000. Im schönen Gesamtbild zeigt sich zugleich die Wirkung der Anstrengungen für die Hebung der allgemeinen Bildung. Kanton und Gemeinden verausgabten 1906 für das Schulwesen 8.434.983 Franken, d. h. 18 Franken für 1 Einwohner, 118 Franken für jeden der 59.765 Primar- und 150 Franken für jeden der 9124 Sekundarschüler. Fünf Mittelschulen bereiten auf das akademische Studium vor, daneben 3 Lehrerbildungsanstalten, Handels- und Ackerbauschulen, ein kantonales Technikum in Winterthur und eine Universität. Die Fürsorge für Blinde, Taubstumme, Kranke, Schwachsinnige, Epileptische, überhaupt die gesamten sozialen Einrichtungen dürfen zu den fortgeschrittensten gezählt werden.
Politische Verwaltung und Einteilung:
Die Verfassung vom 18. April 1869 unterstellt alle Gesetze und Konkordate sowie die Beschlüsse der Legislative (die letzteren, sofern die Mehrheit es beschließt) dem Volksentscheid (Referendum); demselben unterliegen auch beträchtlichere Ausgabeposten. Einer Zahl von 5000 Votanten ist das Recht der Initiative bei der Gesetzgebung eingeräumt; dasselbe Recht steht sogar jedem einzelnen zu, sofern er von einem Drittel der Mitglieder der Legislative unterstützt wird. Das Volk wählt nicht bloß die Legislative direkt, sondern auch die Exekutive. Jene, nun richtiger bloß als das legislatorische Organ des Volkes bezeichnet, ist einem Kantonsrat übertragen, der auf je drei Jahre in den Wahlkreisen gewählt wird, und zwar (nach der Verfassungsrevision vom 12. August 1894) je ein Mitglied auf 1500 Schweizer Bürger.
Die Exekutive ist auf je drei Jahre einem Regierungsrat von sieben Mitgliedern übertragen. An der Spitze der Rechtspflege steht ein vom Kantonsrat auf sechs Jahre erwähltes Obergericht von 14 Mitgliedern. Verbrechen und politische Vergehen, ebenso Presseprozesse, in denen ein Beklagter es verlangt, werden durch Geschworenengerichte abgeurteilt. Der Kanton Zürich ist in elf Bezirke eingeteilt. In jedem Bezirk besteht ein Statthalter als Repräsentant der Exekutive, mit einem Bezirksrat zur Seite; ferner ein Bezirksgericht, eine Bezirksschul- und eine Bezirkskirchenpflege. Jede Gemeinde hat ihren Gemeinderat und ihren Friedensrichter. Einer der Direktionen der Regierung ist ein Erziehungsbeirat beigegeben. Die Staatsrechnung von 1907 zeigt an Einnahmen 25.203.156 Franken, an Ausgaben 22.972.083 Franken, also eine Mehreinnahme von 2.231.073 Franken. Es betrugen die Aktiven (ohne Separatfonds) 122.060.683 Franken, die Passiven 83.006.300 Franken, mithin das Reinvermögen 39.054.383 Franken.
Städte und Gemeinden:
Der Kanton Zürich besteht aus 11 Bezirken.
Städte und Gemeinden:
Zürich, Winterthur, Uster, Dübendorf, Dietikon, Wädenswil, Wetzikon, Horgen, Kloten, Thalwil, Adliswil, Regensdorf, Illnau-Effretikon, Volketswil, Bülach, Schlieren, Küssnacht, Opfikon, Wallisellen, Stäfa, Zollikon, Meilen, Rüti, Richterswil, Affoltern am Albis
Geschichte:
Zürich, zur Römerzeit eine Zollstätte namens Turicum, erscheint im frühen Mittelalter als eine königliche Burg (Castrum Turegum). Einer lokalen Sage nach war Zürich ein Lieblingsaufenthalt Karls des Großen, dem die Gründung des Chorherrenstifts zum Großmünster zugeschrieben wird. Sein Enkel Ludwig der Deutsche stiftete 853 die Fraumünsterabtei für seine Tochter Hildegard und stattete sie mit dem königlichen Hof Zürich, mit Uri und andern Besitzungen aus. Frau- und Großmünster genossen das Recht der Immunität und standen mit ihren nahen und fernen Besitzungen unter einem Reichsvogt. Nach dem Aussterben der Zähringer (1218), welche die Reichsvogtei über Zürich als erbliches Lehen besaßen, wurde die Stadt reichsunmittelbar und die Äbtissin gefürstet. Nach und nach gingen die meisten Herrschaftsrechte der letzteren auf die Stadt selbst über, als deren Organ seit 1220 der Rat erscheint. 1336 führte das Bestreben der politisch rechtlosen „Handwerker“, neben den „Rittern“ und „Bürgern“, d. h. den alt eingesessenen, Ackerbau und Handel treibenden Geschlechtern, Anteil am Regiment zu bekommen, zu einer Revolution, indem sie unter der Führung des Ritters Rudolf Brun den Rat stürzten und eine demokratische Verfassung durchsetzten, welche die gesamte Bürgerschaft in die die alten Geschlechter umfassende Konstaffel und in die 13 Zünfte der Handwerker teilte. Die städtische Behörde bestand fortan aus den 13 Räten der Konstaffel und den 13 Zunftmeistern; die höchste Gewalt aber erhielt Brun als Bürgermeister. Eine Verschwörung der alten Geschlechter in Verbindung mit dem Grafen von Rapperswil wurde von Brun vereitelt (Züricher Mordnacht, 23. Februar 1350) und durch Hinrichtungen sowie die Zerstörung der Stadt Rapperswil gerächt.
Da deshalb ein Krieg mit Österreich drohte, trat Zürich am 1. Mai 1351 in den Ewigen Bund mit Luzern und den Waldstätten und bestand mit ihrer Hilfe 1351 und 1352 Belagerungen Herzog Albrechts des Weisen und 1354 eine solche des mit Österreich verbündeten Kaisers Karl IV. mit Glück. Bald nachher erwarb sich Zürich ein ansehnliches Gebiet, indem es kauf- und pfandweise die Vogteien am See, die Herrschaften Greifensee (1402), Grüningen (1408), Regensberg (1409), die Grafschaft Kyburg (1424), die Stadt Winterthur (1467) und durch Eroberung ein Stück des österreichischen Aargaues, das „Amt“, an sich brachte (1415). Wegen seiner Ansprüche auf die Erbschaft der 1436 ausgestorbenen Grafen von Toggenburg wurde es 1439 mit Schwyz und Glarus und, da es den Schiedsspruch der übrigen Eidgenossen nicht annehmen wollte, auch mit diesen m Krieg verwickelt (der alte Zürichkrieg) und musste nicht nur auf seine Ansprüche verzichten, sondern auch den oberen Teil des linken Zürichseeufers an Schwyz abtreten (1440). Aus Groll darüber verband es sich 1442 mit Kaiser Friedrich III. gegen die Eidgenossen, die den Zürichern bei der Kapelle St. Jakob an der Sihl eine vernichtende Niederlage beibrachten (22. Juli 1443). Im Sommer 1444 wurde Zürich selbst von 20.000 Eidgenossen belagert, die erst abzogen, nachdem 1500 der Ihrigen den vom Kaiser herbeigerufenen Armagnaken bei St. Jakob an der Birs erlegen waren (26. August 1444).
Erst am 13. Juni 1450 kam der Friede zustande, infolgedessen Zürich seinem Bunde mit Österreich entsagte, dafür aber sein Gebiet zurückerhielt. Nach den Burgunderkriegen erlangte Zürich durch Bürgermeister Hans Waldmann, den Helden von Murten, eine vorörtliche Stellung in der Eidgenossenschaft. Das Streben der Regierung, die wirtschaftlichen Privilegien der Stadt und die obrigkeitlichen Befugnisse auf Kosten der untertänigen Landschaft zu erweitern, bewirkten einen Aufruhr des Landvolkes, den Waldmanns Feinde in der Stadt benutzten, um ihn aufs Schafott zu bringen (6. April 1489). Die neue Regierung musste die Rechte des Landvolkes in den „Waldmannschen Spruchbriefen“ aufs neue bestätigen. 1519 begann Zwingli in Zürich seine reformatorische Aktivität. Der unglückliche Ausgang, den die kriegerische Politik der von ihm beeinflussten Regierung in der Schlacht von Kappel nahm (11. Oktober 1531), zwang diese, in dem „Kappeler Brief“ zu versprechen, ohne Einwilligung des Landvolkes sich fortan weder in Kriege noch in Bündnisse einzulassen. Aber im 17. Jahrhundert gerieten diese Rechte in Vergessenheit, und die Stadt führte ein stets schroffer werdendes aristokratisches Regiment gegenüber der Landschaft, die auch wirtschaftlich durch die städtischen Monopole in Bezug auf Handel und Industrie zurückgesetzt wurde. 1656 und 1712 erneuerte Zürich im Verein mit Bern den Glaubenskrieg, um das Übergewicht der katholischen Orte zu brechen. 1794 entstanden Unruhen am See, hauptsächlich in der Gemeinde Stäfa, die von der Regierung 1795 mit Härte unterdrückt wurden (Stäfner Handel). Erst 1798, als die Franzosen in die Schweiz einrückten, stürzte die aristokratische Stadtherrschaft zusammen und die politische Gleichberechtigung der Stadt- und Landbürger wurde anerkannt. Die helvetische Verfassung vom 12. April d. J. machte den Kanton Zürich zu einem bloßen Verwaltungsbezirk der Helvetischen Republik.
Bei Zürich schlug am 2. – 4. Juni 1799 Erzherzog Karl die Franzosen unter Masséna und dieser 25.–26. September die Russen und Österreicher unter Korsakow. Die Mediationsakte (1803) stellte den Kanton Zürich als besonderes Staatswesen wieder her und gab ihm eine Repräsentativverfassung, die durch komplizierte Wahlart und Einführung eines Zensus einer verstärkten Repräsentation der Stadtbürger günstig war und die aristokratische Partei aus Ruder brachte. Ein Aufstand der Gemeinden am See wurde mit eidgenössischer Hilfe unterdrückt und mit Hinrichtung der Anführer bestraft (Bockenkrieg, 1804). Beim Umsturz der Mediationsakte im Dezember 1813 leistete Zürich dem Versuche Berns, in der Eidgenossenschaft die Zustände vor 1798 wiederherzustellen, erfolgreichen Widerstand, modifizierte aber 1814 seine Verfassung in aristokratischem Sinne, so dass in der Folge die Stadt mit ihren 10.000 Bürgern 130, die Landschaft dagegen mit 200.000 Seelen bloß 82 Vertreter im Großen Rate zählte. Nach der Julirevolution in Frankreich verlangte eine große Volksversammlung zu Uster 22. Nov. 1830, die durch ihre ebenso entschiedene als würdige Haltung in der ganzen Schweiz einen mächtigen Eindruck hervorrief, zwei Drittel der Repräsentanten im Großen Rate für das Land, Anerkennung der Volkssouveränität, Rechtsgleichheit, Öffentlichkeit der Staatsverwaltung, Trennung der Administration und Justiz, Presse- und Vereinsfreiheit, Aufhebung des Zunftzwanges, Reform des Schulwesens u. a. Die Regierung gab nach, und ein neuer Großer Rat entwarf eine diesem Programm entsprechende Verfassung, die am 20. März 1831 fast einstimmig vom Volke genehmigt wurde. Durch ein Verfassungsgesetz wurde 1837 die Repräsentation im Großen Rate ganz nach dem Prinzip der Kopfzahl geregelt. Inzwischen hatte das liberale Regiment, dessen Kopf der Rechtsgelehrte Friedrich Ludwig Keller war, eine schöpferische Tätigkeit nach allen Richtungen entfaltet, ein neues Straßennetz angelegt, die gesamte Verwaltung und Justizpflege sowie das Schulwesen nach einem umfassenden Plan reorganisiert und das letztere durch Errichtung einer Hochschule gekrönt (1833).
Aber die zahlreichen Neuschöpfungen erregten Missstimmung im Volk, die von der über die religiös-freisinnige Richtung der leitenden Staats- und Schulmänner erbitterten Geistlichkeit geschürt wurde. Als die Regierung 1839 David Strauß als Theologieprofessor an die Hochschule berief, bildete sich ein Glaubenskomitee, das durch Bezirks- und Gemeindekomitees eine allgemeine Agitation gegen die Berufung von Strauß organisierte. Trotzdem die Regierung Strauß noch vor seinem Amtsantritt pensionierte, zogen am 6. September Tausende Bauern unter der Führung des Pfarrers Hirzel in Pfässikon in die Stadt; die Regierung, in sich gespalten, löste sich auf und überließ die Herrschaft den Konservativen, die in Bluntschli ihr politisches Haupt fanden (Zürichputsch). Die den Ultramontanen freundliche Haltung der konservativen Regierung in der Aargauer Klosterfrage gab der liberalen Partei wieder neues Leben; 1845 wurde die Regierung in ihrem Sinne bestellt und ihr Kopf, der Winterthurer Furrer, zum Bürgermeister gewählt. Jetzt nahm Zürich wieder in der Eidgenossenschaft seine alte Stelle an der Spitze des Liberalismus ein. Es unterlag Bern 1848 bei der Wahl zur Bundesstadt, wurde aber dafür zum Sitz des eidgenössischen Polytechnikums bestimmt (1854). Seit dem 6. August 1859 fanden hier zwischen Österreich, Frankreich und Sardinien Verhandlungen über den Präliminarfrieden von Villafranca statt, die am 17. Oktober zum „Frieden von Zürich“ führten. Nachdem mehrere vom Großen Rate vorgenommene Partialrevisionen 1849, 1851 und 1865 lediglich die Organisation von Behörden betroffen hatten, begann 1867 eine demokratisch-sozialistische Partei im Gegensatz zu den herrschenden Liberalen die Agitation für eine durchgreifende Verfassungsrevision, die im Januar 1868 vom Volke mit großer Mehrheit beschlossen wurde.
Das neue, von einem Verfassungsrat entworfene Grundgesetz, das am 18. April 1869 mit 35.000 Stimmen gegen 22.000 angenommen wurde, führte die obligatorische Volksabstimmung über alle Gesetze und finanziell wichtigen Schlussnahmen (Referendum) sowie das Recht einer bestimmten Anzahl Bürger, Gesetze vorzuschlagen (Initiative), direkte Volkswahl der Regierungs- und Ständeräte, Unentgeltlichkeit des obligatorischen Volksschulunterrichts, Übernahme der militärischen Ausrüstung durch den Staat, Progressivsteuer, periodische Wiederwahl der Lehrer und Geistlichen etc. ein. Bei den Neuwahlen der Behörden wurde die Regierung ausschließlich im Sinne der demokratischen Partei bestellt. Allmählich gewannen jedoch die Liberalen wieder an Boden infolge der verfehlten Eisenbahnpolitik der demokratischen Führer, die Staat und Gemeinden mit schweren Schulden belastete, so dass seit 1878 sowohl im Großen Rat als im Regierungsrat die beiden Parteien sich die Wage hielten. In eidgenössischen Angelegenheiten gingen Liberale und Demokraten gewöhnlich zusammen, so dass der Kanton Zürich sowohl die neue Bundesverfassung als auch die der Volksabstimmung unterbreiteten Bundesgesetze meist mit großer Mehrheit annahm. 1891 wurde Zürich zum Sitz des schweizerischen Landesmuseums bestimmt; zugleich fand durch kantonale Volksabstimmung am 9. August die Vereinigung der alten Stadt mit 12 Vororten zu einem administrativen Ganzen statt, so dass nun Zürich die größte Stadt der Schweiz ist. Durch Verfassungsgesetze vom 15. April 1877, 10. Februar 1878, 9. August 1891, 23. April 1893, 12. August 1894, 26. Februar 1899 und 31. Januar 1904 erfuhr die Verfassung von 1869 unwesentliche Modifikationen.
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Quellenhinweise:
- „Ortslexikon der Schweiz“ von Henry Weber, Verlag von M. Kreutzmann, St. Gallen 1887
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
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