Göttingen im Königreich Preußen, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Göttingen 34.085 Einwohner – 1905 = 115. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
Göttingen im Königreich Preußen
Göttingen ist eine Stadt und Stadtkreis im Königreich Preußen, Provinz Hannover, Regierungsbezirk Hildesheim, im ehemaligen Fürstentum Göttingen.
Göttingen liegt anmutig im weiten Tal der Leine, am Fuß des östlich sich erhebenden, 380 Meter hohen Hainbergs, wird von der Neuen Leine (einem Mühlkanal) durchflossen, welche die Altstadt von der Neustadt und der Masch trennt und liegt 148 Meter über dem Meer.
Göttingen hat 6 evangelische, eine katholische und eine Baptistenkirche sowie eine Synagoge; darunter verdienen Erwähnung: die zweigetürmte Hauptkirche St. Johannis aus dem 12. Jahrhundert und die gotische Jakobikirche mit 98 Meter hohem Turm.
Weiterhin erwähnenswert sind das Universitätsgebäude am Wilhelmsplatz, der mit der Erzstatue König Wilhelms IV. (von Bandel) geschmückt ist, das Bibliotheksgebäude, das Kollegienhaus am Weender Tor, das Rathaus am Markt, die Provinzialirrenanstalt, südwestlich von der Stadt auf einem Hügel gelegen, die Anatomie, das naturhistorische Museum, das landwirtschaftliche Institut und das Gymnasium. An Denkmälern sind zu nennen das Wöhlerdenkmal (von Hartzer), ein Denkmal des Dichters Bürger, ein Gauß-Weberdenkmal und ein Bismarckturm.
Im Jahr 1900 leben in Göttingen mit der Garnison (1. Infanterie-Reg. Nr. 82) 30.234 Einwohner, der Großteil sind Evangelische, 2640 sind Katholiken und 638 Juden. In industrieller Beziehung sind nennenswert die Fabrikation von Tuch- und Wollwaren, Zucker, Chemikalien, mathematischen, physikalischen, optischen und musikalischen Instrumenten, seinen Back- und Fleischwaren und die Bierbrauerei. Auch ist der Buchhandel von Bedeutung. Der Handel wird unterstützt durch eine Handelskammer und eine Nebenstelle der Reichsbank.
Göttingen ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Elze-Kassel und Bebra-Göttingen sowie der Kleinbahn Göttingen-Rittmarshausen. Unter den Bildungsanstalten nimmt die Universität den ersten Rang ein. Sie zählte im Jahr 1903 = 121 Dozenten, 1529 Studierende und hat eine Bibliothek, die gegenwärtig 500.000 Bände und 5000 Manuskripte umfasst und besonders für neuere Literatur die reichste in Deutschland ist;
ferner ein Kunstmuseum und ansehnliche Sammlungen (darunter Blumenbachs berühmte Schädelsammlung), Sternwarte, mehrere große klinische Anstalten, physikalisches Kabinett, ausgezeichneten botanischen Garten (von Haller angelegt), chemisches Laboratorium, pädagogisches Seminar, landwirtschaftliche Akademie, naturwissenschaftliches Museum etc.
Die königliche Sozietät der Wissenschaften (gleichfalls von Haller gestiftet) gliedert in drei Klassen: eine physikalische, mathematische und historisch-philologische, und zählt gegenwärtig etwa 80 Mitglieder. Außerdem hat Göttingen ein Gymnasium, eine Oberrealschule, Handelsschule, Gewerbeschule, Waisenhaus, ein städtisches Altertumsmuseum, Theater etc. Von Behörden haben dort ihren Sitz das Landratsamt für den Landkreis Göttingen und ein Landgericht.
Der Magistrat der Stadt Göttingen zählt 7, das Kollegium der Bürgervorsteher 12 Mitglieder. In der Nähe der Stadt sind der Rohns- oder Volksgarten sowie die städtischen Anlagen am parkartig bewaldeten Hainberg und die Dörfer Grone, Weende, Geismar und Reinhausen mit dem Bürgertal vielbesuchte Punkte. Über Mariaspring, nördlich von Göttingen, erheben sich die Ruinen der Burg Plesse, auf zwei isolierten Kegelbergen bei Gelliehausen, südöstlich von der Stadt, die Trümmer der beiden Gleichen und weiter nach Süden die Ruine der Burg Hanstein.
Zum Landgerichtsbezirk Göttingen gehören die 12 Amtsgerichte zu: Duderstadt, Einbeck, Gieboldehausen, Göttingen, Herzberg, Moringen, Münden, Northeim, Osterode, Reinhausen, Uslar und Zellerfeld.
Göttingen kommt als Gutingi bereits in Urkunden von 950–960 vor und war lange Zeit nur ein Dorf, in dessen Feldmark die kaiserliche Pfalz Grone lag. Der Ort erhielt 1210 vom Kaiser Otto IV. Stadtrecht und war später zeitweilig (1286 bis 1463) Hauptstadt eines besonderen welfischen Fürstentums. Das 14. Jahrhundert, in dem Göttingen Mitglied der Hansa war, bildete die erste Glanzperiode der Stadt. Diese schaffte 1530 den katholischen Gottesdienst ab. Im Dreißigjährigen Kriege wurde Göttingen nach längerer Belagerung am 2. August 1626 von Tilly eingenommen und erst am 11. Februar 1632 vom Herzog Wilhelm von Weimar befreit.
Der neue Aufschwung Göttingens beginnt mit Errichtung der Universität (1737), um die sich Albrecht von Haller und Gerlach Adolf von Münchhausen das größte Verdienst erwarben. Von 1832 bis 1833 studierte Otto von Bismarck hier. Göttingen ist außerdem bekannt geworden durch den „Göttinger Dichterbund“ und die 1837 erfolgte Absetzung von sieben Professoren (der „Göttinger Sieben“: Albrecht, Dahlmann, Ewald, Gervinus, Jakob und Wilhelm Grimm und W. Weber), die gegen die Aufhebung der Verfassung durch König Ernst August von Hannover protestiert hatten.
Göttingen ist heute eine Stadt im Süden von Niedersachsen mit rund 117.000 Einwohnern (2021).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
- „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
- „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
- „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
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