Ankunft der Bayern vor Paris, Januar 1871

Der Krieg bis Paris

„Revanche für Sadowa“, der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 bis Paris

Einzug der deutschen Truppen in Paris am 1. März 1871
Einzug der deutschen Truppen in Paris am 1. März 1871

In Deutschland und auch im Ausland sah man im Ende des französischen Kaiserreichs auch das Ende des Krieges. Und die Franzosen meinten, da der Urheber des Krieges mit Napoleon III. beseitigt sei, würden die Deutschen befriedigt in ihre Heimat zurückkehren. Sie rechneten hierbei auf die Unterstützung der Mächte, die Adolphe Thiers auf seiner Rundreise an den Höfen, freilich vergebens, anrief. In Verkennung der Situation verkündete der neue Außenminister, Jules Favre, am 6. September 1870 in der Aufforderung zum Frieden, Frankreich würde keinen Zoll seines Gebietes, keinen Stein seiner Festungen abtreten. Bismarck erklärte am 16. September 1870, dass Deutschland die Abtretung von Elsaß und Lothringen mit Straßburg und Metz als Bürgschaft gegen neue Angriffsgelüste verlange. Auch lehnte er die Bewilligung eines Waffenstillstandes, den Favre in einer persönlichen Zusammenkunft erbat, ohne genügende Garantien ab. Die neue französische Regierung proklamierte nun die allgemeine Volksbewaffnung und der Krieg nahm seinen Fortgang.

Blockadeabwehr deutscher Häfen: Minenlegen bei Pillau, Winter 1870/71
Blockadeabwehr deutscher Häfen: Minenlegen bei Pillau, Winter 1870/71

In einem Brief an seinen Botschafter in London begründet Otto von Bismarck die deutschen Aneignungsabsichten von Elsass-Lothringen im August 1870:

Wir stehen heute im Felde gegen den 12. oder 15. Überfall und Eroberungskrieg, den Frankreich seit 200 Jahren gegen Deutschland ausführt. 1814 und 1815 suchte man Bürgschaften gegen Wiederholung dieser Friedensstörungen in der schonenden Behandlung Frankreichs. Die Gefahr liegt aber in der unheilbaren Herrschsucht und Anmaßung, welche dem französischen Volkscharakter eigen ist und sich von jedem Herrscher des Landes zum Angriff auf friedliche Nachbarstaaten missbrauchen lässt. Gegen dieses Übel liegt unser Schutz nicht in dem unfruchtbaren Versuche, die Empfindlichkeit der Franzosen momentan abzuschwächen, sondern in der Gewinnung gut befestigter Grenzen für uns.
Wir müssen dem Druck ein Ende machen, den Frankreich seit zwei Jahrhunderten auf das ihm schutzlos preisgegebene Süddeutschland ausübt, und der ein wesentlicher Hebel für die Zerstörung der deutschen Verhältnisse geworden ist. Frankreich hat sich durch die konsequent fortgesetzte Aneignung deutschen Landes und aller natürlichen Schutzwehren desselben in den Stand gesetzt, zu jeder Zeit mit einer verhältnismäßig kleinen Armee in das Herz von Süddeutschland vorzudringen, ehe eine bereite Hilfe da sein kann. Seit Ludwig XIV., unter ihm, unter der Republik, unter dem ersten Kaiserreich haben sich diese Einfälle immer und immer wiederholt; und das Gefühl der Unsicherheit, welches sie zurückgelassen, und die Furcht vor einer Wiederholung dieses Schrecknisses zwingt die süddeutschen Staaten, den Blick stets auf Frankreich gerichtet zu halten. Wir können nicht immer auf eine außerordentliche Erhebung des Volkes rechnen und der Nation nicht ansinnen, stets das Opfer so starker Rüstung zu tragen. Wenn die Entwaffnungstheorie in England ehrliche Anhänger hat, so müssen dieselben wünschen, dass die nächsten Nachbarn Frankreichs gegen diesen alleinigen Friedensstörer Europas mehr als bisher gesichert werden. Dass in den Franzosen dadurch eine Bitterkeit geweckt werde, kann dagegen nicht in Betracht kommen. Diese Bitterkeit wird ganz in demselben Maße stattfinden, wenn sie ohne Landabtretung aus dem Kriege herauskommen. Wir haben Österreich, wesentlich aus jener Rücksicht, keine Gebietsabtretungen angesonnen, haben wir irgendeinen Dank davon gehabt? Schon unser Sieg bei Sadowa hat Bitterkeit in den Franzosen geweckt; wie viel mehr wird es unser Sieg über sie selbst tun! Rache für Metz, für Wörth wird auch ohne Landabtretung länger das Kriegsgeschrei bleiben als Revanche für Sadowa und Waterloo! Die einzig richtige Politik ist unter solchen Umständen, einen Feind, den man nicht zum aufrichtigen Freunde gewinnen kann, wenigstens etwas unschädlicher zu machen und uns mehr gegen ihn zu sichern, wozu nicht die Schleifung seiner uns bedrohenden Festungen, sondern nur die Abtretung einiger derselben genügt.

Frankreichs Ostexpansion 1300-1789
Frankreichs Ostexpansion 1300-1789

Deutscherseits war man der Meinung, dass nur die Einnahme von Paris und die Besetzung eines möglichst großen Teils von Frankreich den Frieden unter deutschen Bedingungen herbeiführen könnten. Die dritte Armee und die Maasarmee rückten von Sedan sofort auf Paris, wo allerdings schon 400.000 Mann versammelt waren, aber noch ein solches Chaos herrschte, dass die Deutschen am 19. September 1870 ohne Schwierigkeiten die Einschließung von Paris vollenden konnten.

Erstürmung des Eisenbahndammes bei Nuits durch die Badener, 18. Dezember 1870
Erstürmung des Eisenbahndammes bei Nuits durch die Badener, 18. Dezember 1870

Mehr konnten die Deutschen jedoch vorerst nicht erreichen, da zu einer Beschießung kein schweres Geschütz zur Stelle war und der deutsche Ring um Paris mit 130.000 Mann zu schwach war, um in die Stadt einzurücken. Zudem hatte sich die Stadt rechtzeitig in wirklich großartiger Weise mit reichlich Proviant eingedeckt. Daneben sicherte energische Belagerung der Festungen im östlichen Frankreich die Verbindung mit Deutschland. Durch den Fall von Toul am 23. September 1870 wurde eine Bahnverbindung von Deutschland her gewonnen, nach der Kapitulation von Straßburg am 27. September 1870 wurde das Elsass besetzt und das neu gebildete 14. Korps unter General Werder bemächtigte sich des Saônegebiets.

Verfolgung eines französischen Ballons durch deutsche Reiter, 1870
Verfolgung eines französischen Ballons durch deutsche Reiter, 1870

Inzwischen hatte eine Delegation der provisorischen Regierung in Tours, deren Leitung im Oktober 1870 Léon Gambetta übernahm, die allgemeine Volksbewaffnung begonnen. Aus den so Rekrutierten und auf Kosten der Gemeinden und Departements ausgerüsteten waffenfähigen Mannschaften wurden zahlreiche neue Korps gebildet. Aus Algerien wurden alle verfügbaren Truppen herangezogen, die Kriegsflotten aus der Nord- uns Ostsee, wo sie nichts hatten ausrichten können, abberufen und die beträchtlichen Hilfsmittel der Marine, Offiziere, Mannschaften und Geschütze für den Landkrieg verwendet. Wie 1793 glaubte Gambetta durch den kleinen Krieg der „franctireurs“ (Freischärler) die Feinde ermüden und durch die Masse des Volksheeres erdrücken zu können.

Das Leibkürassier-Regiment bei Poupry, 2. Dezember 1870
Das Leibkürassier-Regiment bei Poupry, 2. Dezember 1870

Die ersten Provinzialheere bildeten sich in Lille, Lyon und Orléans. Das letztere, die Loirearmee unter General La Motterouge, wurde am 10. Oktober 1870 von General von der Tann, dessen Abteilung aus dem 1. bayrischen Korps und der 22. preußischen Division bestand, bei Artenay geschlagen und darauf Orléans, Châteaudun und Chartres von den Deutschen besetzt. Ende Oktober 1870 wuchs die reorganisierte Loire-Armee unter Aurelle de Paladins auf 200.000 Mann an und ging zum Gegenangriff über. General von der Tann musste am 8. November 1870 Orléans räumen und nach dem Gefecht bei Coulmiers, vom 9. November 1870 bis Toury zurückweichen, wo er durch die 17. Division verstärkt wurde. Von Le Mans drangen die Franzosen gegen Chartes und Dreux vor, im Norden machte sich die von Bourbaki gebildete Armee bemerklich und die „franctireurs“ machten den Deutschen immer mehr zu schaffen.

Überfall in Bolbec, 1871
Überfall in Bolbec, 1871

Der Belagerungsring um Paris, von wo wiederholt Ausfälle, so besonders am 30. Oktober 1870 bei Le Bourget, versucht wurden, wäre ernstlich gefährdet worden, wenn nicht am 27. Oktober 1870 die Kapitulation von Metz 173.000 Mann mit 6000 Offizieren in deutsche Gefangenschaft gebracht hätte. Die erste und die zweite deutsche Armee wurden so für den Krieg in der Provinz verfügbar, der nun mehr Härte geführt werden konnte. General von Manteuffel mit dem 7. und 8. Korps warf die Franzosen am 27. November 1870 bei Amiens in die nördlichen Festungen zurück und besetzte am 5. Dezember Rouen und am 9. Dezember 1870 Dieppe. General von Werder ging nach dem Fall von Schlettstadt und Neu-Breisach zum Schutz der Belagerung von Belfort bis Dijon vor und schlug alle Angriffe Garibaldis siegreich zurück.

Die 64er bei Le Mans, 9. Januar 1871
Die 64er bei Le Mans, 9. Januar 1871

Prinz Friedrich Karl von Preußen führte das 3., 9. und 10. Korps in Eilmärschen an die Loire und erreichte die Gegend von Orléans, als grade auf Anordnung Gambettas der rechte Flügel der Loirearmee der Pariser Armee, die im Südosten nach Fontainebleau durchbrechen wollte, die Hand zu reichen versuchte. Als dieser Versuch an dem Widerstand des 10. Korps bei Beaune-la-Rolande am 28. November 1870 gescheiter war, wurde auch der Angriff des linken Flügels auf Loigny unter Chanzy von den Truppen unter dem Befehl des Großherzogs von Mecklenburg abgewiesen. Die deutschen Verbände unter Prinz Friedrich Karl von Preußen schritten am 3. Dezember 1870 ihrerseits zum Angriff auf die schon desorganisierten Loirearmee, zersprengten sie in zwei Teile und besetzten am 4. Dezember 1870 Orléans wieder. Der Ausfall der Pariser Truppen unter Ducrot misslang trotz mutigen und anfangs erfolgreichen Vordringens gegen die deutschen Stellungen auf den Höhen von Villiers am 30. November und 2. Dezember 1870. Zwei neue Vorstöße der französischen Nordarmee unter Faidherbe wurden am 23. Dezember 1870 an der Hallue und am 3. Januar 1871 bei Bapaume von Manteuffel zurückgewiesen.

Ankunft der Bayern vor Paris, Januar 1871
Ankunft der Bayern vor Paris, Januar 1871

Gambetta war dennoch nicht entmutigt und bildete aus der zersprengten Loirearmee zwei neue Armeen, unter Chanzy in La Mans und unter Bourbaki in Bourges. Im Januar 1871 versuchte die Franzosen einen allgemeinen Angriff auf die deutschen Armeen. Die Pariser Armee sollte einen großen Ausfall machen, Chanzy von Westen und Faidherbe von Norden ihr entgegenzukommen. Der entscheidende Schlag sollte im Osten ausgeführt werden, Bourbaki sollte durch einen kühnen Zug auf Belfort dieses entsetzen, General von Werders Korps zersprengen und durch rasches Vordringen in das Moselgebiet die Deutschen vor Paris und in Orléans von ihrer Verbindung mit dem Rhein und damit von ihrer Verpflegungsbasis abschneiden. Obwohl Trochu einen neuen Ausfall aus Paris für aussichtslos hielt, versuchten doch mit seiner Einwilligung am 19. Januar 1871 100.000 Mann vom Fuß des Mont Valérien aus nach Westen durchzubrechen, wurden aber vom 5. preußischen Korps unter empfindlichen Verlusten zurückgeschlagen.

Kriegsrat in Versailles, 1870
Kriegsrat in Versailles, 1870

Am selben Tag musste Faidherbe, durch General von Goeben bei St.-Quentin geschlagen, in die nördlichen Festungen flüchten. Die Truppen unter Prinz Friedrich Karl von Preußen kamen Chanzy mit einem Angriff zuvor. Im siebentägigen Gefecht von Le Mans, vom 6. bis 12. Januar 1871 wurde dieser bis Laval zurückgeschlagen und für längere Zeit kampfunfähig gemacht. Der Vormarsch Bourbakis gegen Belfort zwang allerdings General von Werder zur Räumung von Dijon. Die deutschen Truppen unter General von Werder bezogen daraufhin eine feste Stellung westlich von Belfort an der Lisaine. Der Versuch der Franzosen, diese zu erstürmen, misslang am 15. bis 17. Januar 1871, während Manteuffel mit der neu gebildeten Südarmee (2. und 7. Korps) die Côte d’Or überschritt und sich Bourbakis Heer in den Rücken warf. Als dieses durch die Täler des Jura seinen Rückzug nach Lyon nehmen wollte, wurde es von Manteuffels Truppen am 1. Februar 1871 bei Pontarlier gezwungen, 80.000 Mann stark auf schweizerisches Gebiet überzutreten und musste sich dort von den Schweizern entwaffnen lassen. Belfort wurde am 16. Februar 1871 den Deutschen übergeben.

Beschießung von Paris, 1871
Beschießung von Paris, 1871

Da die Lebensmittel in Paris auszugehen drohten, wurden Verhandlungen aufgenommen. Am 28. Januar 1871 wurde durch eine Konvention zwischen Otto von Bismarck und Jules Favre sämtliche Forts um Paris den Deutschen übergeben und ein Waffenstillstand auf 21 Tage abgeschlossen, währenddessen eine französische Nationalversammlung zur Entscheidung über den Frieden berufen werden sollte. Als Gambetta den Waffenstillstand zur Verstärkung der Armee und die Wahlen zum Votum der weiteren Kriegsführung gegen die Deutschen ausnutzen wollte, musste er seine Entlassung nehmen. In der Tat war jeder weitere Widerstand aussichtslos, da die deutschen Truppen in einer Stärke von 900.000 Mann einen großen Teil Frankreichs besetzt hielten, die meisten Festungen im Osten und Norden erobert hatten und im Besitz wichtiger Verkehrslinien waren.

Einzug Kaiser Wilhelm I. in Berlin, 16. Juni 1871
Einzug Kaiser Wilhelm I. in Berlin, 16. Juni 1871

Die Wahlen zur Nationalversammlung, am 8. Februar 1871, ergaben, da man allgemein von der Nutzlosigkeit weiteren Widerstands überzeugt war, eine zum Frieden entschlossene Mehrheit. Die Nationalversammlung wurde am 12. Februar 1871 in Bordeaux eröffnet, ernannte Adolphe Thiers am 17. Februar zum Chef der Exekutivgewalt und beauftragte ihn mit den Friedensverhandlungen, die am 21. – 26. Februar 1871 in Versailles geführt wurden. Die deutsche Regierung verlangte die Abtretung von Elsass-Lothringen mit Straßburg, Metz und Belfort und eine Kriegsentschädigungszahlung von 6 Milliarden Franc. Vermittlungsversuche anderer europäischer Mächte, namentlich Großbritannien, verbaten sich die deutschen Vertreter mit dem Hinweis, das man den Krieg allein ausgefochten hatte und nun auch allein den Frieden schließe. Schließlich einigte man sich auf die Zahlung von 5 Milliarden Franc, bis zu deren Abzahlung französisches Territorium besetzt bleiben sollte und das Belfort bei Frankreich bleiben sollte.

Erbeutete französische Fahnen auf dem Tempelhofer Feld, Juni 1871
Erbeutete französische Fahnen auf dem Tempelhofer Feld, Juni 1871

So wurde am 26. Februar 1871 der Präliminarfriede von Versailles unterzeichnet und am 1. März 1871 mit 546 gegen 107 Stimmen von der französischen Nationalversammlung genehmigt. Über den endgültigen Abschluss wurde zunächst in Brüssel verhandelt, doch als die Verschleppungstaktik der französischen Diplomaten allzu offensichtlich wurde, verlegte Bismarck den Verhandlungsort kurzerhand nach Frankfurt am Main in den Gasthof zum Schwan. Hier unterzeichnete Otto von Bismarck und Jules Favre den Frankfurter Frieden, der, abgesehen von einigen Bestimmungen über die Zahlung und die Okkupation , den Präliminarfrieden von Versailles bestätigte. Das Ergebnis des Krieges war nicht bloß die Wiedergewinnung Elsass-Lothringens und der Festung Straßburg und Metz, sondern auch die Gründung des neuen Deutschen Reiches, die schon während des Krieges am 18. Januar 1871 in Versailles vollzogen wurde.

Statistik zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71:

  • Der Krieg dauerte 190 Tage.
  • 15 größere Schlachten und weit über 100 Gefechte, fast alle für die Deutschen siegreich, wurden geschlagen.
  • 370 .00 Franzosen nebst 12.000 Offizieren wurden gefangen genommen und nach Deutschland abgeführt.
  • 7400 Geschütze und 107 Fahnen wurden von den Deutschen erbeutet.
  • 702.000 Mann und 26.000 Offiziere der französischen Armee mussten sich ergeben.
  • Die französischen Verluste beliefen sich auf 80.000 Tote und 14 Milliarden an Kriegskosten.
  • Der deutsche Gesamtverlust betrug 6247 Offiziere und Ärzte und 123.453 Mann, darunter 40.080 Tote.
  • Auf deutscher Seite wurden insgesamt 44.420 Offiziere und 1.451.944 Mann unter Waffen gestellt.

Quellenhinweise:

  • „Meyers Konversations-Lexikon“ Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
  • „Oberstufen-Altas für höhere Lehranstalten“ Gotha Justus Perthes 1914

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