Die Geschichte der französische Nationalhymne „Marseillaise“, Hintergründe und Interpretation des ursprünglichen Kriegsliedes aus Straßburg von 1792.
Die französische Nationalhymne Marseillaise
Geschichtliche Hintergründe und Interpretation
Sie rücken uns auf den Leib, eure Söhne, eure Frauen zu köpfen!
Was will diese Horde von Sklaven, von Verrätern, von verschwörerischen Königen?
Was! Ausländisches Gesindel würde über unsere Heime gebieten!
Um den für unsere heutigen Verhältnisse martialischen und blutrünstigen Text der Marseillaise verstehen zu können, müssen wir in die Zeit der französischen Revolution, Ende des 18. Jahrhunderts, zurückblicken; denn diese bildet den geschichtlichen Hintergrund der heutigen französischen Nationalhymne, die ursprünglich ein Kriegslied ist.
Frankreich im Jahre 1789, dem Jahr der Revolution: Der Konstituierung der französischen Nationalversammlung folgte am 20. Juni 1789 der feierliche Schwur der Deputierten, sich nicht zu trennen, bevor die neue Verfassung vollendet sei, worauf der französische König Ludwig XVI. seine Truppen zusammenzog. Dies verursachte am 14. Juli die Erstürmung der Bastille im Osten von Paris, die als symbolischer Auftakt und Geburtsstunde der Französischen Revolution betrachtet wird.
Am 4. August hob die Nationalversammlung alle Feudalrechte auf, am 6. Oktober mussten der König und die Nationalversammlung ihren Sitz von Versailles nach Paris verlegen; das Land wurde in 83 Departements eingeteilt und die Zentralisation durchgeführt. Die Finanznot führte zur Konfiszierung der Kirchengüter und zur Ausgabe der berüchtigten Assignaten (ungedecktes Papiergeld), die geistlichen und weltlichen Orden, Korporationen und der Adel wurden abgeschafft, worauf ein großer Teil der Aristokraten auswanderte. Auch der König versuchte am 20. Juni 1791 zu fliehen, wurde jedoch nach Paris zurückgebracht und musste auf die neue Verfassung vom 3. September 1791 schwören. In der unter dem Einfluss der Jakobiner (Linke) gewählten, am 1. Oktober zusammengetretenen Gesetzgebenden Versammlung bestimmten ihn die Girondisten (Gemäßigte) am 20. April 1792 zur Kriegserklärung gegen Österreich.
Wenige Tage danach komponierte Rouget de Lisle in der Nacht vom 25. auf den 26 April 1792 in Straßburg die Marseillaise. Die nachfolgenden militärischen Niederlagen steigerten die Erregung der Volksmassen, sie drangen am 20. Juni in die Tuilerien ein, am 10. August wurde das Schloss gestürmt, der König flüchtete in die Nationalversammlung, diese suspendierte ihn und setzte die königliche Familie gefangen. Die Gemäßigten waren durch die Septembermorde (2. bis 4. September) eingeschüchtert worden, so dass in dem am 21. September zusammentretenden Nationalkonvent die Radikalen die Oberhand hatten. Gleich in der ersten Sitzung erfolgte die Erklärung Frankreichs zur Republik, am 21. Januar 1793 wurde der König mit der Guillotine hingerichtet, dann die Girondisten (Gemäßigten) gestürzt. Königin Marie-Antoinette, die jüngste Tochter von Kaiser Franz, wurde am 16. Oktober 1793 in Paris ebenfalls geköpft.
Jetzt begann eine Schreckensherrschaft, am 10. März wurde das Revolutionstribunal eingerichtet, das Tausende auf bloßen Verdacht hinrichten ließ. Am 6. April wurde der „Wohlfahrtsausschuss“ eingesetzt, das Christentum abgeschafft, ein „Kultus der Vernunft“ und ein neuer Kalender eingeführt. Unterdessen waren die französischen Revolutionsheere unter Dumouriez (Sieg bei Jemappes am 6. November 1792) und Custine (Besetzung von Trier, Mainz und Frankfurt) siegreich gewesen. Im ersten Koalitionskrieg drangen zwar die Österreicher (Sieg bei Neerwinden am 18. März 1793) und Preußen wieder vor, aber durch die Schlacht bei Fleurus (26. Juni 1794) wurde Belgien wiedergewonnen, und Preußen schloss 1795 den Frieden zu Basel.
Im Innern erhoben sich die großen Städte des Südens (Lyon, Marseille, Toulon) für die Girondisten, während in der Vendée die Royalisten Aufstände anzettelten; doch gelang es dem linksradikalen Maximilien de Robespierre, nachdem er am 13. März 1794 die Hébertisten und am 5. April die Dantonisten hatte hinrichten lassen, durch den Wohlfahrtsausschuss sein Schreckensregiment aufrecht zu erhalten, bis ihn der Konvent am 28. Juli 1794 guillotinieren ließ. Am 9. November 1799 übernahm Napoleon I. in einem Staatsstreich die Macht in Frankreich und überzog anschließend ganz Europa mit Krieg, der ungefähr 3,5 Millionen Menschen (2 Millionen Deutsche) das Leben kostete.
Claude Joseph Rouget de Lisle
* 10.05.1760 in Lons-le-Saunier,
† 26.06.1836 in Choisy-le-Roi;
Komponist und Dichter der Marseillaise
Rouget de Lisle (spr. rūschä dö lil‘), Joseph, französischer Dichter. Er wurde am 10. Mai 1760 in Lons-le-Saunier geboren und starb am 26. Juni 1836 in Choisy-le-Roi. Im Mai 1791 kam er als Ingenieurhauptmann nach Straßburg und dichtete dort die Marseillaise. Seinen Lebensabend brachte er in sehr bedrängter Lage, selbst im Schuldgefängnis, zu. Außer der Marseillaise hat er noch eine Anzahl Kriegs- und Revolutionslieder gedichtet, die in der Sammlung „Cinquante chants français, paroles de divers auteurs, misen musique par R.“ (1825) enthalten sind. Seine anderen Schriften sind: „Essaisen vers eten prose“ (1796), das Lustspiel „L’école des mères“ (1798), das Idyll „La matinée“ (1811), die lyrische Tragödie „Macbeth“ (1827), „Romances“ (1796), „Souvenirs de Quiberon“ u.a.
Die Marseillaise ist der bekannte französische Freiheits- und Revolutionsgesang: „Allons enfants de la Patrie, Le jour de gloire est arrivé!„, der während der Französischen Revolution Volk und Soldaten zu wahrer Begeisterung entflammte und seitdem zur republikanischen Hymne par excellence geworden ist. Verfasser der Marseillaise ist Rouget de Lisle (1760 – 1836), ein Royalist, der den Text in der Nacht vom 25. auf 26. April 1792 (nach der Kriegserklärung) in Straßburg dichtete und dabei nur zum Kriege gegen Preußen und Österreich entflammen wollte.
Die erste Strophe ruft die Bürger zu den Waffen, da der Krieg gegen Österreich am 20. April 1792 erklärt wurde.
Die zweite Strophe bezichtigt den eigenen König des Verrates, da dieser sich mit Österreich und Preußen gegen die Revolutionäre verständigen will.
Ab der dritten Strophe wird nun martialisch an das tiefe Nationalgefühl der Franzosen appelliert, um sie für den bevorstehen revolutionären Kampf einzuschwören und für den Krieg gegen die äußeren Feinde einzustimmen.
Der in der fünften Strophe erwähnte Bouillé ist der bekannte französische General Marquis François Claude de Bouillé, welcher einen großen Anteil an der Flucht des Königs Ludwig XVI. nach Varennes am 21. Juni 1791 hatte; die aber letztendlich an der Zaghaftigkeit und Feigheit des Königs selbst scheiterte.
Die Melodie wurde mit dem Text als „Chant de guerre pour l’armée du Rhin“ (ein Kriegslied für die Rheinarmee) in Straßburg gedruckt. Das Lied erhielt jedoch seine weitere Verbreitung erst, seit es am 25. Juni 1792 in Marseille auf einem Parteifest der Jakobiner gesungen wurde. Erst jetzt wurde es zum eigentlichen Revolutionslied. Einzelabdrücke davon wurden den Freiwilligen, die nach Paris abrückten, geschenkt und von diesen wurde das Lied bei ihrem Einzug in Paris am 30. Juli, sowie beim Sturm auf die Tuilerien am 10. August 1792 gesungen. Seitdem findet es unter dem Namen „Chant des Marseillais“ oder „Marseillais“ volkstümliche Verbreitung und ist bis heute unverändert die französische Nationalhymne.
Rouget de Lisle wurde 1882 in seiner Geburtsstadt Lons-le-Saunier (von Frédéric-Auguste Bartholdi) und auch in seinem Sterbeort Choisy-le-Roi (von Léopold Clément Steiner) ein Denkmal errichtet. Seine sterblichen Überreste wurden am 14. Juli 1915, Mitten im Ersten Weltkrieg, in den Invalidendom in Paris überführt. Die französische Post gab mehrfach Briefmarken zu Ehren Rouget de Lisle aus.
Marseillaise, der Text
Text und Musik von Claude Joseph Rouget de Lisle,
in der Nacht vom 25. auf den 26 April 1792 in Straßburg erschaffen.
Im französischen Originaltext:
1er COUPLET
Allons enfants de la Patrie,
Le jour de gloire est arrivé!
Contre nous de la tyrannie,
L’étendard sanglant est levé, (bis)
Entendez-vous dans les campagnes
Mugir ces féroces soldats?
Ils viennent jusque dans vos bras
Egorger vos fils et vos compagnes!
REFRAIN
Aux armes, citoyens,
Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur
Abreuve nos sillons!
2er COUPLET
Que veut cette horde d’esclaves,
De traîtres, de rois conjurés?
Pour qui ces ignobles entraves,
Ces fers dès longtemps préparés? (bis)
Français, pour nous, ah ! quel outrage
Quels transports il doit exciter !
C’est nous qu’on ose méditer
De rendre à l’antique esclavage !
REFRAIN
3er COUPLET
Quoi ! des cohortes étrangères
Feraient la loi dans nos foyers!
Quoi ! ces phalanges mercenaires
Terrasseraient nos fiers guerriers! (bis)
Grand Dieu ! par des mains enchaînées
Nos fronts sous le joug se ploieraient
De vils despotes deviendraient
Les maîtres de nos destinées!
REFRAIN
4er COUPLET
Tremblez, tyrans et vous perfides
L’opprobre de tous les partis,
Tremblez ! vos projets parricides
Vont enfin recevoir leurs prix! (bis)
Tout est soldat pour vous combattre,
S’ils tombent, nos jeunes héros,
La terre en produit de nouveaux,
Contre vous tout prêts à se battre!
REFRAIN
5er COUPLET
Français, en guerriers magnanimes,
Portez ou retenez vos coups!
Epargnez ces tristes victimes,
A regret s’armant contre nous. (bis)
Mais ces despotes sanguinaires,
Mais ces complices de Bouillé,
Tous ces tigres qui, sans pitié,
Déchirent le sein de leur mère!
REFRAIN
6er COUPLET
Amour sacré de la Patrie,
Conduis, soutiens nos bras vengeurs.
Liberté, Liberté chérie,
Combats avec tes défenseurs! (bis)
Sous nos drapeaux que la victoire
Accoure à tes mâles accents,
Que tes ennemis expirants
Voient ton triomphe et notre gloire!
REFRAIN
7er COUPLET
Nous entrerons dans la carrière
Quand nos aînés n’y seront plus,
Nous y trouverons leur poussière
Et la trace de leurs vertus. (bis)
Bien moins jaloux de leur survivre
Que de partager leur cercueil,
Nous aurons le sublime orgueil
De les venger ou de les suivre.
In deutscher Übersetzung:
1. STROPHE
Auf, Kinder des Vaterlands!
Der Tag des Ruhms ist da.
Gegen uns wurde der Tyrannei
blutiges Banner erhoben. (zweimal)
Hört ihr im Land
das Brüllen der grausamen Krieger?
Sie rücken uns auf den Leib,
eure Söhne, eure Frauen zu köpfen!
REFRAIN
Zu den Waffen, Bürger!
Schließt die Reihen,
vorwärts, marschieren wir!
Das unreine Blut
tränke unserer Äcker Furchen!
2. STROPHE
Was will diese Horde von Sklaven,
von Verrätern, von verschwörerischen Königen?
Für wen diese gemeinen Fesseln,
diese seit langem vorbereiteten Eisen? (zweimal)
Franzosen, für uns, ach! Welche Schmach,
welchen Zorn muss dies hervorrufen!
Man wagt es, daran zu denken,
uns in die alte Knechtschaft zu führen!
REFRAIN
3. STROPHE
Was! Ausländisches Gesindel
würde über unsere Heime gebieten!
Was! Diese Söldnerscharen würden
unsere stolzen Krieger niedermachen! (zweimal)
Großer Gott! Mit Ketten an den Händen
würden sich unsere Häupter dem Joch beugen.
Niederträchtige Despoten würden
über unser Schicksal bestimmen!
REFRAIN
4. STROPHE
Zittert, Tyrannen und ihr Niederträchtigen
Schande aller Parteien,
zittert! Eure verruchten Pläne
werden euch endlich heimgezahlt! (zweimal)
Jeder ist Soldat, um euch zu bekämpfen,
wenn Sie fallen, unsere jungen Helden,
zeugt die Erde neue,
die bereit sind, gegen euch zu kämpfen!
REFRAIN
5. STROPHE
Franzosen, ihr edlen Krieger,
versetzt eure Schläge oder haltet sie zurück!
Verschont diese traurigen Opfer,
die sich widerwillig gegen uns bewaffnen. (zweimal)
Aber diese blutrünstigen Despoten,
aber diese Komplizen von Bouillé,
alle diese Tiger, die erbarmungslos
die Brust ihrer Mutter zerfleischen!
REFRAIN
6. STROPHE
Heilige Liebe zum Vaterland,
führe, stütze unsere rächenden Arme.
Freiheit, geliebte Freiheit,
kämpfe mit deinen Verteidigern! (zweimal)
Damit der Sieg unter unseren Flaggen
den Klängen der kräftigen Männer zu Hilfe eilt,
damit deine sterbenden Feinde
deinen Sieg und unseren Ruhm sehen!
REFRAIN
7. STROPHE
Wir werden des Lebens Weg weiter beschreiten,
wenn die Älteren nicht mehr da sein werden,
wir werden dort ihren Staub
und ihrer Tugenden Spur finden. (zweimal)
Eher ihren Sarg teilen
als sie überleben wollend,
werden wir mit erhabenem Stolz
sie rächen oder ihnen folgen.
Als „Arbeitermarseillaise“ wurden in Deutschland verschiedene Lieder gesungen, am häufigsten das von Jakob Audorf in Hamburg gedichtete „Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet, Zu unsrer Fahne steht zu Hauf‘!„. Auf Ferdinand Lassalles Wunsch dichtete G. Herwegh das Arbeiterlied „Bet‘ und arbeit‘, ruft die Welt; bete kurz, denn Zeit ist Geld„. Weit verbreitet auch in deutscher Übersetzung ist der „Chant des ouvriers“ von Pierre Dupont.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Meyers Konversations-Lexikon“ 5. Auflage in 17 Bänden 1893 – 1897
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908
- „Meyers Kleines Konversations-Lexikon“, 7. Auflage in 6 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1908
- „Bertelsmann Universal Lexikon“, Gütersloh 1994
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Prima Artikel. Gut recherchiert, detailliert beschrieben und viele anschauliche Bilder herausgesucht. Respekt!
Nur eine Anregung: Ihre sehr informative gelungene Webseite sollte um die Marseillaise noir erweitert werden. Der Text berührt und weist in eine Zukunft. https://www.youtube.com/watch?v=jPpZ0OVm560
Grüße und Dank
Michael Schwegler