Die Versenkung der „Lusitania“ am 7. Mai 1915, eine Chronologie der Ereignisse
Als Reaktion auf die englische „Hungerblockade“ startete das Deutsche Reich im Februar 1915 einen ausgedehnten U-Boot-Krieg. Die deutschen Unterseeboote, von der britischen Admiralität zunächst unterschätzt, wurden in kurzer Zeit zu einer ernsthaften Bedrohung für die gesamte Schifffahrt im Atlantik. Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson warnte Deutschland, falls Bürger seines Landes Opfer werden sollten, werde er das Deutsche Reich „zur Rechenschaft ziehen„. Am 7. Mai torpedierte „U 20“ unter Kommandant Schwieger innerhalb des zum Kriegsgebiet erklärten Meeresabschnitts den englisch Cunarddampfer „Lusitania“. Die „Lusitania“ sinkt innerhalb von 18 Minuten. 1198 Passagiere und Besatzungsmitglieder, darunter 124 US-Amerikaner gehen mit dem Schiff unter. 761 Menschen werden von Fischern aus dem nahe gelegenen Queenstown gerettet. Die Versenkung der „Lusitania“ sollte schwerwiegende Folgen für das Deutsche Reich haben, da sich nun in den USA immer mehr Stimmen offen für einen Kriegseintritt gegen Deutschland aussprachen.
Woodrow Wilson
* 28.12.1856 in Staunton, Virginia,
† 03.02.1924 in Washington, D.C;
US-Präsident von 1913 bis 1921
Bis zum heutigen Tag hält der Streit um die wahren Hintergründe und die geschichtliche Beurteilung der Versenkung der Lusitania an. Die Darstellung der Ereignisse reichen damals wie heute von einem „Massenmord auf See“ bis zu einer „legalen Kriegshandlung“ – von einer „versehentlichen Torpedierung“ bis hin zu einem absichtlichen „in die Schusslinie der Deutschen bringen“ – von einer „Kohlenstaubexplosion“ bis zur „Explosion der Munition“ an Bord, die letztendlich für das schnelle Sinken des Schiffes verantwortlich war. Auch gab es zahlreiche Versuche, dem Kommandanten der Lusitania, Capitain William Turner die Schuld zuzuschieben, er „allein habe alle Warnungen ignoriert und damit in geradezu fahrlässiger Form gehandelt„.
William Turner
* 23.10.1856,
† 23.06.1933;
Kapitän der „Lusitania“
Amtliche Mitteilungen:
7. Mai 1915, englische amtliche Meldung: Der Cunarddampfer „Lusitania“ wurde torpediert und sank. Hilfe ist abgesandt, Die „Lusitania“ ist der beste Dampfer der Cunardlinie mit 31.500 Registertonnen.
8. Mai 1915, deutsche amtliche Meldung: Der Cunarddampfer „Lusitania“ ist, wie Reuter meldet, gestern durch ein deutsches Unterseeboot zum Sinken gebracht worden. Die Lusitania war selbstverständlich, wie neuerdings die meisten englischen Handelsdampfer, mit Geschützen armiert. Außerdem hat sie, wie hier einwandfrei bekannt war, erhebliche Mengen von Munition und Kriegsgerät unter ihrer Ladung. Ihre Eigentümer waren sich daher bewusst, welcher Gefahr sie ihre Passagiere ausgesetzten. Sie allein tragen die volle Verantwortung für das, was geschehen musste. Deutscherseits ist nichts unterlassen worden, um wiederholt und eindringlich zu warnen. Der kaiserliche Botschafter in Washington hat noch am 1. Mai 1915 in einer öffentlichen Bekanntmachung auf diese Gefahren aufmerksam gemacht. Die englische Presse hat damals diese Warnung verspottet, unter Hinweis auf den Schutz, den die britische Flotte dem transatlantischen Verkehr sichere.
15. Mai 1915, deutsche amtliche Meldung: Aus dem Bericht des Unterseeboots, das die „Lusitania“ zum Sinken gebracht hat, ergibt sich folgender Sachverhalt: Das Boot sichtete den Dampfer, der keine Flagge führte, am 7. Mai, 2.20 Uhr MEZ nachmittags, an der Südküste Irlands bei schönem klaren Wetter. Um 3.10 Uhr gab es einen Torpedoschuss auf die Lusitania ab, die an der Steuerbordseite in der Höhe der Kommandobrücke getroffen wurde. Der Detonation des Torpedos folgte unmittelbar eine weitere Explosion von ungemein starker Wirkung. Das Schiff legte sich schnell nach Steuerbord über und begann zu sinken. Die zweite Explosion muss auf eine Entzündung der in dem Schiff befindlichen Munitionsmenge zurückgeführt werden.
Walther Schwieger
* 07.04.1885,
† 06.09.1917;
Kapitänleutnant „U 20“
Die Nachricht von der Versenkung der „Lusitania“ führt in den USA zu antideutschen Demonstrationen. Der ehemalige Präsident Theodore Roosevelt, der einst als Deutschenfreund galt, fordert nun den Krieg gegen Deutschland. Der amtierende Präsident Woodrow Wilson protestiert in schärfster Form. Er beruft sich auf ein Recht der Bürger neutraler Staaten, die Passagierschiffe auch kriegsführenden Mächten zu benutzen. Er besteht darauf, dass die Deutschen die Torpedierung als Bruch des internationalen Rechts anerkennen und Schadenersatz leisten. Die deutsche Regierung weist den Protest zurück. Da die „Lusitania“ Munition und anderes Kriegsmaterial an Bord hatte, galt sie für die deutsche Marine als Kriegsschiff.
Nach deutscher Ansicht bestand kein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versenkung. Als US-Präsident Wilson in einer weiteren Note noch einmal von Deutschland verlangt, die Versenkung der „Lusitania“ als Verbrechen zu verurteilen, tritt der amerikanische Außenminister William Jennings Bryan zurück, weil die Note Wilsons den Charakter eines Ultimatums hat und die Vereinigten Staaten in einen Krieg mit Deutschland verwickeln könnte. Nach Bryans Meinung hat Deutschland ein Recht zu verhindern, dass seinen Feinden Kriegsmaterial geliefert wird. Wenn solche Schiffe Passagiere in der Hoffnung an Bord nehmen, dass sie dann nicht angegriffen werden, so sei das kein legitimer Schutz vor einer Zerstörung.
William Jennings Bryan
* 19.03.1860,
† 26.07.1925;
US-Außenminister 1913 -1915
In der nun entbrannten Propagandaschlacht der Kriegsparteien machte sich die Zersplitterung der Propagandaabteilungen auf deutsche Seite (Kriegs- und Innenministerium, der Generalstab, das Auswärtige Amt und andere Stellen unterhielten eigene Abteilungen) sehr nachteilig bemerkbar. Während die Briten bereits im August 1914 das „War Propaganda Bureau“ gegründet hatten und nun insbesondere in den USA für ihre Seite warben. Das englische Buch „JANE’S WAR AT SEA 1897-1997/ 100 YEARS OF JANE’S FIGHTING SHIPS“, London 1997, schreibt zum Thema sogar heute noch und nur sehr kurz: „…Eine neue Ära des Schreckens dämmerte offensichtlich herauf, als am 7. Mai 1915 im hellen Tageslicht der „White Star“ – Liner Lusitania warnungslos versenkt wurde, ein Vorfall, der zu heftigen diplomatischen Protesten führte. Unter den 1200 Toten befanden sich auch 128 Amerikaner…
Deutsche U-Boote tauchten oft zur Versenkung von Handelsschiffen mit ihrer Artillerie auf, um Torpedos zu sparen, wann immer dies möglich war. Dies nutzten die Briten mit ihren „Q-Schiffen“ aus: zu U-Bootfallen umgebaute Handelsschiffe, bemannt durch Seeleute der Royl Navy und mit getarnten Geschützen ausgerüstet. Am 19. August 1915 vernichtete die U-Bootfalle „Baralong“ das deutsche Unterseeboot „U 27“. Aus Rache für die „Lusitania“ ermordeten die Briten 11 deutsche Überlebende teils schwimmend im Wasser, teils von gekaperten Ampfer „Nicosian“ heruntergeholt.
Während das deutsche „Lexikon der populären Irrtümer“ Bertelsmann 1996 und Microsoft CD-ROM Encyclopädie Encarta (Wie geschah es wirklich? Stuttgart 1990; Stichwortartikel „Lusitania“) zum Thema schreiben: „...An diesem Tag kommt es zu dem tragischen Zwischenfall mit der „Lusitania“. Das deutsche Unterseeboot „U 20“ versenkt den britischen Dampfer „Lusitania“ vor der irischen Küste. 1198 Menschen, darunter zahlreiche Nordamerikaner fanden den Tod. Anders, als die durchaus verständliche Propaganda der Engländer behauptete, war die ‚Lusitania‘ aber kein reines Passagierschiff; sie transportierte heimlich auch noch Munition, und war nach internationalem Recht daher als Kriegsschiff einzustufen“ …“ Im Fall der ‚Lusitania‘ waren vermutlich mehrere Tonnen Dynamit an Bord, denn nur so lässt sich die ungewöhnlich heftige Detonation nach dem Torpedotreffer erklären. Die deutsche Botschaft in Washington wusste von der Fracht und warnte mehrfach, dass solche Schiffe ohne Warnung angegriffen würden. Jedoch hielt der Kapitän der ‚Lusitania‘ sein Schiff für schnell genug, den U-Booten auszuweichen – ein Irrtum, wie sich dann erwies, den mehr als tausend Menschen mit dem Leben büßen mussten.“ Das erste Zitat ist aber keinesfalls repräsentativ für heutige britische Autoren, diese gehen teilweise weit kritischer als deutsche Chronisten mit dem Fall um.
Versuchen wir nun ausführlich die gesamte Geschichte anhand jedem zugänglicher Quellen zu rekonstruieren:
1903: Die britische Admiralität schließt mit der Schifffahrtsgesellschaft „Cunard Steamship Company“ ein Geheimabkommen zum Bau von zwei Passagierschiffen für Kriegszwecke. Die Admiralität übernimmt sämtliche Kosten, im Gegenzug verpflichtet sich die Cunardlinie im Kriegsfall ihre gesamte Flotte der Royal Navy zu unterstellen.
1907: Am 7. September findet die Jungfernfahrt auf der Linie Liverpool-New York statt. Die Lusitania ist mit ihren 239 m Länge und 25 Knoten schnell das größte und schnellste Schiff der damaligen Zeit. Sie benötigt für die Strecke nur viereinhalb Tage und gewinnt das „Blaue Band“. Benannt wurde die „Lusitania“ wurde nach der römischen Provinz Lusitania, dem heutigen Portugal.
1913: Im Februar lässt der Erste Lord der Admiralität, Marineminister Winston Churchill der Cunardlinie wissen, dass sich die Stunde der Bewährung nähere, den „der Krieg gegen Deutschland ist sicher – spätestens im September 1914 wird er ausbrechen„. (Janusz Piekalkiewicz „Der Erste Weltkrieg“, Econ Verlag 1998, Seite 272)
Winston Churchill
* 30.11.1874,
† 24.01.1965;
Erster Lord der Admiralität 1911 -1915,
britischer Premierminister (1940–1945 und 1951–1955)
Am 12. Mai kommt das Schiff unter größter Geheimhaltung zur Ausrüstung in Trockendocks nach Liverpool. Dort werden die Bordwände, Schutz- und Oberdecks besonders armiert und zwei Munitionskammer, Pulvermagazine und Halterungen für Granaten, sowie 12 x 15 cm Schnellfeuerkanonen eingebaut.
1914: Am 17. September wird die „Lusitania“ als bewaffneter Hilfskreuzer in das britische Flottenregister aufgenommen und ist damit offiziell ein Kriegsschiff.
Am 24. September erhält Kapitän Turner die Befehle, mit seinem Schiff Kriegsmaterial aus den USA nach England zu bringen. Der jeweilige Kurs werde von der Admiralität festgelegt und um die Deutschen zu täuschen werde das Schiff weiterhin Passagiere befördern und jetzt unter amerikanischer Flagge fahren. Sollte ein U-Boot versuchen die „Lusitania“ zu stoppen, so habe der Kapitän unverzüglich das Feuer auf den Gegner zu eröffnen.
1915, 4. Februar: Auf wachsenden Druck der britischen Blockade reagieren die Deutschen an diesem Tag mit der Ankündigung des uneingeschränkten U-Bootkrieges. In einer Note an die USA warnt das deutsche Außenministerium „angesichts des Missbrauchs neutraler Flaggen“ seitens Großbritannien, dass „Fehler nicht immer zu vermeiden“ seien. Daher täten die neutralen Staaten gut daran, ihre Bürger und Waren von feindlichen Schiffen fernzuhalten. Die USA antworten darauf: Falls ein deutsches U-Boot ein US-Schiff oder das Leben amerikanischer Bürger gefährde, würden die USA die deutsche Regierung „Streng zur Rechenschaft ziehen„. Daraufhin will der britische Außenminister Grey von Oberst House, dem Chefberater von US-Präsident Wilson, folgendes wissen: „Was wird Amerika tun, wenn die Deutschen ein Passagierschiff mit amerikanischen Touristen versenken?“ – die Antwort des US-Regierung lautet: „Das würde uns in den Krieg bringen.„
In der Zeit vom 18. Februar bis 7. Mai 1915 versenkten die deutschen U-Boote 108 Schiffe der feindlichen Handelsmarine.
Die Ausfuhr von Kriegsmaterial auf Passagierschiffen ist in den neutralen USA verboten, daraufhin fälschen die Engländer mehrfach die Ladepapiere und so transportiert die Lusitania offiziell „Jagdgewehrpatronen“. Die Lusitania wird ein zunehmender und immer wichtigerer Faktor für die Munitionsbeschaffung nach England und gerät dadurch in das Visier der Deutschen.
1915: Mitte April dirigiert die britische Admiralität ihren getarnten Hilfskreuzer erneut nach New York. Am Pier 54 lädt sie weitaus mehr Kriegsmaterial und nimmt mehr Passagiere an Bord als auf den Reisen zuvor: 1248 Kisten mit 7,5 cm Granaten, 4927 Kisten mit Gewehrpatronen, 2000 Kisten mit weiterer Munition für Handfeuerwaffen. Zusammen gut 10,5 Tonnen Sprengstoff. Deutschen Berechnungen bedeutete das „5.400.000 Schüsse oder bei einer Trefferwahrscheinlichkeit von drei Prozent den Tod von 150.000 Deutschen„. Die Passagierliste zählt 1257 Gäste, darunter 218 Amerikaner.
Am 22 April erscheint in den 50 größten Tageszeitungen der USA eine Anzeige der deutschen Botschaft, die „Ozean-Reisende“ ausdrücklich vor der beabsichtigten Reise warnt. Die Anzeigenflut alarmiert den britischen Geheimdienst, alle Marinestellen werden per Funk sofort angewiesen, nach deutschen U-Booten im Westen und Süden Englands Ausschau zu halten. Der deutsche Marine-Geheimdienst entziffert den Funkspruch und unterrichtet sofort den deutschen Admiralstab, der die drei U-Boote „U 20“, „U 27“ und „U 30“ mit Kurs Irland in Marsch setzt.
Am 30. April ist die Lusitania auslaufbereit. Kapitän Turner meldet sich beim New Yorker Sonderstab der Admiralität und nimmt dessen Weisung entgegen: „Kurs auf die Südwestküste Irlands„. Dort wird er westlich des Fastnet-Felsens von dem Kreuzer „Juno“ erwartet. Er hat den Auftrag die Lusitania die restliche Fahrt nach Liverpool zu sichern.
5. Mai: Dank „Room 40“ weiß auch die britische Admiralität inzwischen wo die deutschen U-Boote lauern und so kann Admiral Oliver dem Marineminister Churchill anhand der Lagekarte die genaue Position von „U 20“ erläutern. „U20“ befindet sich unweit der Stelle bei Fastnet, dem vorgesehen Treffpunkt, wo der britische Kreuzer „Juno“ den Geleitschutz der „Lusitania“ übernehmen soll. Oliver versucht Churchill klarzumachen, dass „Juno“ jedem U-Boot-Angriff hilflos ausgeliefert sei und man den Kreuzer zurückbeordern müsse. Churchill stimmt zu.
Bereits im November 1914 hatte Churchill angeordnet entzifferte deutsche Funksprüche nur ihm persönlich auszuhändigen. Er unterrichtet nur den Chief of the War Staff, Admiral Oliver und einer sehr begrenzten Zahl anderer höheren Offiziere des Naval Staff. Am Nachmittag des 5. Mai wird „Juno“ befohlen die Fahrt abzubrechen und nach Queenstown zurückzukehren. Die „Lusitania“ wurde aber darüber nicht informiert und so steuert der Schnelldampfer schutzlos dem deutschen U-Boot „U 20“ entgegen. Erst als „U 20“ zwei britische Schiffe bereits versenkt hat, warnt die Marinestelle Queenstown die „Lusitania“: „U-Boote aktiv an der Südküste Irlands„. Trotz dieser Warnung hält sich Kapitän Turner an die Weisung, seinen Kurs keinesfalls ohne Genehmigung der Admiralität zu ändern. Die Reaktion der Admiralität: Man funkt Turner irreführende Positionsangaben von „U 20“ und verschweigt ihm, dass drei Tage zuvor die Liverpool-Route um die Nordküste Irlands freigegeben worden ist.
7. Mai: Turner erhält den Befehl nicht Liverpool, sondern Queenstown anzulaufen, damit gerät die „Lusitania“ unmittelbar in die Schusslinie von „U 20“. „Damit wird die Lusitania von der britischen Admiralität direkt vor die Torpedorohre deutscher U-Boote gelenkt, um den Gegner zu einer Tat zu provozieren, die Amerika in den Krieg verwickeln soll“ schreibt der polnische Autor Janusz Piekalkiewicz in seinem Buch „Der Erste Weltkrieg“, Econ Verlag 1998/Weltbildverlag 1999.
Um 2.20 Uhr MEZ nachmittags, erreichte die Lusitania bei schönem klaren Wetter die Südküste Irlands. Nach Angaben von „U 20“ Kommandant, Kapitänleutnant Walther Schwieger führte sie keine Flagge, aber sicherlich wusste er sehr genau welches Schiff da vor ihm lag. Um 3.10 Uhr gab „U 20“ einen Torpedoschuss auf die Lusitania ab, die an der Steuerbordseite in der Höhe der Kommandobrücke getroffen wurde. Der Detonation des Torpedos folgte unmittelbar eine weitere Explosion von ungemein starker Wirkung. Das Schiff legte sich schnell nach Steuerbord über und begann zu sinken. Da der Ozeanriese über 48 Rettungsboote und 26 zusammenklappbare Rettungsflöße verfügte, ist es den Fischern aus Queenstown möglich, bis zum Abend 761 Menschen lebend zu bergen, auch Kapitän Turner wird nach 4 Stunden aus dem kalten Wasser gerettet. 1198 Passagiere und Besatzungsmitglieder, darunter 124 Amerikaner, sterben.
Das Drama vor der irischen Küste erregt die Welt wie kaum ein anderes Ereignis. Welche politische Brisanz der Fall innehat wird aus dem Leitartikel der mit Trauerrand erscheinenden „New York Tribune“ deutlich: „Seit dem 7. Mai werden Millionen in diesem Land bedauern, daß in Flandern keine Amerikaner mitfechten gegen Hunnen und Vandalen.“ Tatsächlich erwartet man in England stündlich den Kriegseintritt der USA.
Die Auseinandersetzung um die Frage Kriegsverbrechen oder berechtigte Kriegshandlung verstummt seit dem Mai 1915 nicht mehr. Die offiziellen Stellen Großbritanniens behaupten bis heute, die „Lusitania“ sein ein unbewaffnetes, rein ziviles Schiff gewesen. In Wirklichkeit war der Cunard-Liner schwer bewaffnet und mit gefälschten Ladepapieren ausgestattet, um die wahre Fracht zu verheimlichen: riesige Mengen an Munition und Konterbande, die Tausenden deutschen Soldaten den Tod gebracht hätten. Der deutsche Admiralsstab dagegen vertritt die Ansicht, der Torpedoschuss sei schon deshalb gerechtfertigt, weil die „Lusitania“ Gewässer durchfahren habe, die die Deutschen zum Kriegsgebiet erklärt hatten. Für sie sein „die warnungslose Versenkung ein militärisch und völkerrechtlich einwandfreier Kriegsakt„.
Nach der Katastrophe bezichtigt die britische Admiralität den deutschen Admiralsstab des Massenmords auf See und beschuldigt gleichzeitig Kapitän Turner, durch seine Kursänderung das Unheil verursacht zu haben. In einem Schreiben der Admiralität an Richter Lord Mersey, der den Lusitania-Fall untersucht, wird dem Gericht sogar nahe gelegt, Kapitän Turner als den Hauptschuldigen zu verurteilen. Der Lord dagegen spricht Turner von jeder Schuld frei. Er ist über die Haltung der britischen Admiralität derart empört, dass er nie wieder das Richteramt ausübt. Turner bleibt stets dabei, dass er von der Admiralität eigene Instruktionen erhalten habe, aber er weigerte sich sein Leben lang, etwas über deren Inhalt zu sagen. Die Akten des Naval Intelligence Department, die sich auf die „Lusitania“ und ihre Ladung beziehen, sind im Navy Records Office in Bath aufbewahrt. Sie befinden sich selbst heute noch immer auf der Geheimliste!
Das New Yorker Appellationsgericht stellte Ende Januar 1923 in einer gerichtlichen Entscheidung fest, dass die „Lusitania“ Munition an Bord gehabt hatte, dass die Versenkung nicht als „Seeräuberverbrechen“, sondern als eine regelrechte Kriegshandlung angesehen werden muss.
Das deutsche U-Boot „U 20“ strandete am 5. November 1916 vor der jütländischen Küste und wurde selbst zerstört. Kapitän Walther Schwieger, geboren am 7. April. 1885, gilt seit dem 6. September 1917 mit „U 88“ in der Nordsee als verschollen.
Während die Auseinandersetzung um die Versenkung der „Lusitania“ trotz bekannter Fakten bis heute teils sehr kontrovers geführt wird, ist das Schicksal der im Zweiten Weltkrieg versenkten deutschen Flüchtlingsschiffe heute relativ unbekannt. Erinnert sein hier an:
- 30.01. 1945 – „Wilhelm Gustloff“ 9350 Tote, darunter ca. 4000 Kinder und Säuglinge aus Ostpreußen
- 10.02. 1945 – „General von Steuben“ ca. 2700 Tote
- 10.04. 1945 – „Neuwerk“ ca. 710 Tote
- 11.04. 1945 – „Posen“ und „Moltke“ ca. 1000 Tote
- 13.04. 1945 – „Karlsruhe“ ca. 850 Tote
- 16.04. 1945 – „Goya“ ca. 6500 Tote
- 03.05. 1945 – „Musketier“ ca. 800 Tote
Unbekannt ist die Zahl von Flüchtlingen und KZ-Häftlingen auf den Schiffen:
- „Deutschland“
- „Cap Arkona“
- „Vega“
- „Bolkoberg“
die durch britische Luftangriffe am 3. Mai 1945 versenkt wurden. Die Fahrgastschiffe konnten je nach Fahrt bis zu 10.000 Menschen aufnehmen.
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Der Völkerkrieg – Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1. Juli 1914“ Verlag von Julius Hoffmann, Stuttgart 1914 – 1922
- JANE’S WAR AT SEA 1897-1997/ 100 YEARS OF JANE’S FIGHTING SHIPS“, London 1997
- „Lexikon der populären Irrtümer“ Bertelsmann 1996
- Microsoft CD-ROM „Encyclopädie Encarta“ Stuttgart 1990; Stichwortartikel „Lusitania“
- Janusz Piekalkiewicz „Der Erste Weltkrieg“, Econ Verlag 1998
Janusz Piekalkiewicz (* 1925 in Warschau; † 9. März 1988) polnischer Historiker. Er nahm am Warschauer Aufstand teil und verbrachte den Rest des Krieges in einem Konzentrationslager in Großbeeren bei Berlin. Piekalkiewicz gilt als ausgewiesener Fachmann für Kriegsgeschichte.
Hinweis:
Dieser Beitrag erschien erstmalig am 11. November 2001 auf www.deutsche-schutzgebiete.de
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Dieser Artikel hat bei mir eine Bildungslücke geschlossen!
Mit Schriften wie dieser kann man die eigenen Kinder wirksam gegen die Lügen immunisieren, wie sie uns in vielen Schulbüchern aufgetischt werden.
Vielen Dank!
HM
1915: Mitte April dirigiert die britische Admiralität ihren getarnten Hilfskreuzer erneut nach New York. Am Pier 54 lädt sie weitaus mehr Kriegsmaterial und nimmt mehr Passagiere an Bord als auf den Reisen zuvor: 1248 Kisten mit 7,5 cm Granaten, 4927 Kisten mit Gewehrpatronen, 2000 Kisten mit weiterer Munition für Handfeuerwaffen. Zusammen gut 10,5 Tonnen Sprengstoff. Deutschen Berechnungen bedeutete das „5.400.000 Schüsse oder bei einer Trefferwahrscheinlichkeit von drei Prozent den Tod von 150.000 Deutschen„. Die Passagierliste zählt 1257 Gäste, darunter 218 Amerikaner.
Das alles ist also als Jagdmunition deklariert worden. Haben die Hafenbehörden in NY damals einen Schlag gehabt!?
Ich habe mir den Film „Das dunkle Geheimnis der Lusitania“ (Lusitania-Expedition) auf YouTube angeschaut. Das Zeug liegt noch unten, in 90 m Tiefe, ganz, ganz deutlich zu erkennen – Patronen, Granaten… Tonnenweise… Ein merkwürdiges Passagierschiff! Respekt!
Diese Seite habe ich schon seit 2005 auf einigen meiner Webseiten verlinkt und freue mich immer wieder,
1. daß sie noch immer unter der alten URL erreichbar ist – obwohl sie ja längst eine neue hat -, ich meinen Quellcode also nicht umzuschreiben brauche,
2. daß sie immer noch aktualisiert wird und
3. daß sie offenbar auch von anderen Surfern mit Gewinn und Genuß gelesen wird!
Das war ein sehr interessanter Artikel über eine immens traurige Zeit mit vielen Provokationen und Kriegen. Ich würde mich freuen, wenn mehr solcher Artikel verfasst werden, da sie einem den Tag mit viel Wissen versüßen. Schöne Grüße aus Afghanistan.