Libau. Arbeiterhaus.

Libau (Liepāja)

Libau (Liepāja) Stadt im russischen Gouvernement Kurland, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Libau (Liepāja) 64.505 Einwohner (1897)

Libau. Neumarkt.
Libau. Neumarkt.

Libau (lettisch Liepaja, „Lindenstadt“) ist eine Stadt im russischen Gouvernement Kurland und liegt auf einer Nehrung am Ausfluss des Libauschen Sees.

Libau Stadtplan 1914 (Meyers Lexikon Siebente Auflage 1924)
Libau Stadtplan 1914 (Meyers Lexikon Siebente Auflage 1924)

Die Stadt ist Endpunkt der Eisenbahn Libau-Romny und der Schmalspurbahn Libau-Hasenpoth. Libau hat eine griechisch-katholische Kirche, die römisch-katholische Dreifaltigkeitskirche (mit großer Orgel), 2 lutherische Kirchen und eine Synagoge.

Libau. Große Straße.
Libau. Große Straße.

Kurland war ein russischen Gouvernement, zu den Baltischen Gouvernements bzw. den Ostseeprovinzen gehörig. Das Gebiet war 27.286 km² groß und hatte 674.034 meist lutherische Einwohner (3/4 Letten). Kurland war in 8 Kreise gegliedert und die Hauptstadt Mitau (heutiges Jelgava). Kurland wurde um 1250 vom Deutschen Orden erobert, 1561 ein polnisches Lehnsherzogtum und 1795 – 1915 russisches Gouvernement, 1915 – 1919 deutsch besetzt, danach lettisch.

Russische Ostsee-Provinzen. (Meyers Großes Konversations-Lexikon 6. Auflage 1906)
Russische Ostsee-Provinzen. (Meyers Großes Konversations-Lexikon 6. Auflage 1906)

Im Jahr 1897 leben in Libau 64.505 Einwohner, der Nationalität nach überwiegen die Deutschen. Die Industrie, früher ganz unbedeutend, hat sich um 1900 sehr entwickelt. Es gibt unter anderen eine Gasfabrik, 4 Eisengießereien, 3 Bierbrauereien, eine Drahtfabrik, eine Dampfsägemühle, chemische Fabriken, Ölschlägereien, Dampfmahlmühlen, Kork- und Linoleumfabriken.

Libau. Der Fischmarkt.
Libau. Der Fischmarkt.

Der Handel hatte in den letzten Jahren um die Jahrhundertwende einen großen Aufschwung erfahren. Der Wert der Ausfuhr betrug 1902: 44.618.232 Rubel (1901: 57,8 Millionen), der der Einfuhr 17.307.723 Rubel. Die Ausfuhr besteht in Getreide, insbesondere Hafer, Spiritus, Flachs, Petroleum, Ölkuchen, Leinsamen, Pferden, Holz; die Einfuhr in Steinkohlen, landwirtschaftlichen Maschinen, Kolonialwaren, Eisen, Kupfer, Heringen und Baumaterialien.

Libau. Petermarkt.
Libau. Petermarkt.

An der Einfuhr sind besonders Großbritannien und Deutschland beteiligt, an der Ausfuhr daneben noch Frankreich und die Niederlande. Der Handelshafen, bestehend aus dem ehemaligen Winterhafen und dem Hafenkanal, ist vortrefflich, meist das ganze Jahr hindurch eisfrei und auf 7 m vertieft worden. Er wird von Kais in einer Länge von 3200 m umgeben.

Libau. Die Hansa-Brücke.
Libau. Die Hansa-Brücke.

Ein großer, 1893 begonnener Kriegshafen, Hafen Kaiser (Zar) Alexanders III. genannt, geht um 1906 seiner Vollendung entgegen. Die Zahl der eingehenden Schiffe war 1902: 1843 mit 616.858 Registertonnen Rauminhalt.

Libau ist Sitz eines deutschen Konsuls. Es besitzt 2 Leuchttürme, ein Gymnasium, Realschule, eine Navigationsschule, ein Theater, eine Schiffswerft, 3 Banken und eine Sparkasse. In der Nähe gibt es Schwefelquellen.

Libau. Ecke Rosenplatz, Korn- und Kaufstrasse.
Libau. Ecke Rosenplatz, Korn- und Kaufstrasse.

Libau Geschichte

Libau wird als Liva portus zuerst 1253 als Niederlassung der Schwertbrüder erwähnt. 1418 wurde es von den Letten niedergebrannt. 1560 kam es an Preußen, 1795 an Russland. Unter der Regentschaft der Zarin Katharina II. begann die Russifizierung der Ostsee-Provinzen. Unruhen und Aufstände waren die Folgen. Seit 1625 Stadt, war Libau 1893 – 1908 russische Flottenstation.

Kreuzer "Augsburg" vor dem russischen Kriegshafen Libau.
Kreuzer „Augsburg“ vor dem russischen Kriegshafen Libau.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Libau am 2. August 1914 als russischer Kriegshafen von den deutschen Kreuzern S.M.S. Augsburg und S.M.S. Magdeburg beschossen und am 7. Mai 1915 mit Unterstützung der Seestreitkräfte von der deutschen 6. Reservedivision besetzt. Libau bildete von da ab den Hauptstützpunkt der deutschen Seekriegsführung in der östlichen Ostsee. Durch den Krieg und die russische Evakuierungsmaßnahmen waren Ende 1915 nur noch 43.600 Einwohner ist der Stadt verblieben.

Libau. Denkmal 7. Mai 1915 mit Kaiser Wilhelm II. Bildnis. Tag der Besetzung Libaus.
Libau. Denkmal 7. Mai 1915 mit Kaiser Wilhelm II. Bildnis. Tag der Besetzung Libaus.

Auch die durchweg deutschfreundliche jüdische Bevölkerung wurde durch den russischen Oberbefehlshaber, Großfürst Nikolai, unter dem Vorwurf „hochverräterischer Handlungen“ zwangsweise deportiert. Nach Ausbruch der Revolution 1917 in Russland bildete sich in Kurland ein provisorischer lettischer Landrat, der die Autonomie des Lands anstrebte. Prorussische Bolschewisten kämpften dagegen für einen Verbleib bei Russland und die monarchistische Volkspartei für den Anschluss an Deutschland.

Libau. Kornstrasse.
Libau. Kornstrasse.

Im März 1917 entstand aus aus Südlivland und Kurland das Gouvernement Lettland. Nach der Machtergreifung des kommunistischen Revolutionärs, W. I. Lenin, in der damaligen russischen Hauptstadt Petrograd (St. Petersburg) liefen insbesondere lettische Soldaten zu den Bolschewisten über. Die sozialistischen Räte übernahmen in Lettland und Estland die Macht und erreichten in dem von ihnen kontrollieren Teil Lettlands bei den Wahlen zur russischen Konstituierenden Versammlung sogar 72 % der Stimmen.

Libau. Romnyer Bahnhof.
Libau. Romnyer Bahnhof.

Am 18. Februar 1918 proklamierte der Lettische Volksrat den freien Staat Lettland, doch besetzten die Bolschewiki zunächst fast das ganze lettische Territorium. Nachdem die bürgerlich lettische Regierung vor den Bolschewiki nach Libau flüchten musste, wurde Libau von 1918 bis 1919 kurzzeitig die Hauptstadt Lettlands. Nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrages räumten die deutschen Truppen Libau im Juni 1919.

Germania-Briefmarke des Deutschen Reiches mit Aufdruck Libau. Notausgabe für Libau vom  2. Januar 1919.
Germania-Briefmarke des Deutschen Reiches mit Aufdruck Libau. Notausgabe für Libau vom 2. Januar 1919.

Nach dem Friedensvertrag vom 1. August 1920 in Riga zwischen der Sowjetunion und Lettland war der Weg in die Unabhängigkeit frei. Libau, jetzt lettisch Liepāja, hatte zunächst mit einem schweren wirtschaftlichen Einbruch zu kämpfen, da der Güterverkehr im Hafen drastisch eingebrochen war. 1931 versuchte man mit der Gründung eines Freihafen der Stadt wieder größere wirtschaftliche Bedeutung zu geben. Nach dem Hitler-Stalin-Pakt im August 1939 marschierte die Rote Armee Anfang 1940 im gesamten Baltikum ein und gliederten es der Sowjetunion an.

Libau. Alexej-Kirche.
Libau. Alexej-Kirche.

Nach der Besetzung der Stadt wurden allein in Liepāja 15.000 sowjetische Soldaten stationiert und über 2000 Einwohner nach Sibirien deportiert. Nach dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion wurde Liepāja am 29. Juni 1941 besetzt und blieb es bis zur Kapitulation am 8./9. Mai 1945. In dieser Zeit wurden über 7000 jüdische Einwohner deportiert und ermordet.

Libau. Rosenplatz.
Libau. Rosenplatz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) wurde Lettland als Lettische Sozialistische Sowjetrepublik Teil der Sowjetunion, bis es gemeinsam mit Estland und Litauen 1991 wieder die Unabhängigkeit erlangte.

Libau. Hafenbrücke.
Libau. Hafenbrücke.

Liepāja, deutsch Libau, ist heute eine Hafenstadt im Westen Lettlands an der Ostsee mit rund 70.000 Einwohnern (2020).

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • Wegner „Geschichte der Stadt Libau“ (Libau 1898) und obenstehenden Plan.
  • „Meyers Konversations-Lexikon“ 5. Auflage in 17 Bänden 1893 – 1897
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908
  • „Meyers Kleines Konversations-Lexikon“, 7. Auflage in 6 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1908
  • „Meyers Lexikon“ Siebente Auflage Bibliographisches Institut, Leipzig 1927
  • „Bertelsmann Universal Lexikon“ 1994
Russland Wappen

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3 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag.Die Aufarbeitung von Geschichte in dieser Form, so finde ich, ist gelungen und es macht Spaß.Wer will,findet auch „zwischen den Zeilen“ noch etwas.
    Kleiner Hinweis:“Nach dem Friedensvertrag vom 1. August 1910 in Riga zwischen der Sowjetunion und Lettland war der…“sollte geändert werden.
    Bitte die Kto.Nr.,an meine Adresse, mit einer kleine Spende möchte ich mich bedanken.
    Viele Grüße
    KJD

    1. Wieder etwas dazu gelernt. Da ich begeisterter Postkartensammler bin entdecke ich hier auf ihrer Seite immer wieder Orte und Regionen die ich noch nicht kannte. Beziehungsweise erweitere ich mein Wissen über Gebiete die einen geschichtlichen Bezug zu Deutschland haben. Hervorragend wie sie das umsetzen. Grüße Uwe

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