Glarus, Landsgemeinde

Glarus

Der Kanton Glarus in einer Darstellung um 1900, Geschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Hauptort Glarus

Glarus, Regierungsgebäude mit Glärnisch
Glarus, Regierungsgebäude mit Glärnisch

Kanton Glarus

Kanton Glarus, Karte 1914
Kanton Glarus, Karte 1914

Glarus (Glaris) ist ein Kanton der Schweiz, im Norden und Osten vom Kanton St. Gallen, im Süden von Graubünden, im Westen von Uri und Schwyz umschlossen, umfasst eine Tallandschaft von 691,2 km² (12,6 Quadratmeilen). Zwischen der Gebirgswelt der Glarner Alpen liegt das von der Linth durchflossene Haupttal mit zwei bedeutenden Nebentälern, dem Klein- oder Sernftal (rechts) und dem Klöntal (links). Durch das Unterland öffnet sich Glarus gegen den Walensee, die Linthebene (Gaster) und den Zürichsee, mit denen die Talbahn über Weesen gegen Chur und über Ziegelbrücke gegen Zürich die Verbindung herstellt. Nach Graubünden führen der Segnespaß (2625 m) und Panixer Paß (2407 m) von Elm im Sernftal nach Flims, bez. Ilanz im Vorderrheintal, nach Westen eine 1893–1900 gebaute, 48 km lange Straße über den Klausenpaß (1952 m) von Linthal nach Altorf und der Pragelpaß (1554 m) aus dem Klöntal nach Schwyz. Außer dem Walensee, von dem ein Viertel zu Glarus gehört, und dem Klöntalersee zieren viele Hochseen das ziemlich rauhe, im Winter und Frühling oft vom stürmischen Föhn durchtobte Ländchen. Doch bringt der Föhn im Spätherbst und Winter oft auch helles und warmes Wetter. Die mittlere Jahrestemperatur von Glarus beträgt 7,9° und ist um 1,2° geringer als die von Altorf; die Menge der jährlichen Niederschläge erreicht in Glarus 142, in höheren Gegenden bis 170 cm.

Glarus, Bahnhofstraße mit Wiggis
Glarus, Bahnhofstraße mit Wiggis

Stadt Glarus

Die Stadt Glarus ist Hauptort des gleichnamigen Kantons, liegt 481 Meter über dem Meer, am Fuße des imposanten Vorderglärnisch, links an der Linth, Knotenpunkt der Eisenbahnen Zürich-Glarus-Linthal und Weesen-Glarus, seit dem großen Brand vom 10.- 11. Mai 1861 neu und regelmäßig erbaut, hat eine romanische Kirche (paritätisch), ein stattliches Regierungsgebäude (im Renaissancestil), ein neues Postgebäude (darin das naturhistorische Museum), ein Kantonspital, Kantonalbank, höhere Stadtschule, Handwerkerschule, Landesarchiv und Bibliothek. Im Jahr 1900 leben hier 4940 meist reformierte Einwohner, die sich mit Baumwolldruckerei, Bleicherei, Holzindustrie, Bierbrauerei, Zigarrenfabrikation etc. beschäftigen.

Aufnahme in die Schweizer Eidgenossenschaft:

Im Jahr 1352 trat Glarus als 6. Kanton der Eidgenossenschaft bei.

Schweizer Kantone, Karte 1914
Schweizer Kantone, Karte 1914

Größe:

Angaben 1880: 691,2 km²

Bevölkerungsdichte:

53,13 Einwohner/km² (Angaben 1879)

Einwohner:

Die Glarner sind ein aufgewecktes, praktisches, gewandtes, für Gewerbe und Handel von jeher besonders veranlagtes Völkchen, das große Liebe zur Heimat und hohen Freiheitssinn besitzt. Sie beschäftigen sich mit Land- (Alpen-) wirtschaft, Industrie und Handel.

  • 1879: 36.730
  • 1880: 34.262
  • 1900: 32.273
Glarus, Hotel Glarnerhof
Glarus, Hotel Glarnerhof

Gewässer:

Walensee, Klöntalersee, Limmernsee; die Flüsse Linth, Sernft und Löntsch

Sprachen:

Der Kanton zählt im Jahr 1900 = 32.273 deutschsprachige Einwohner (um 8,1 % weniger als 1870), fast 47/km². Der Dialekt ist ein Zweig des Alemannisch.

Religionen:

Der Kanton Glarus ist ein überwiegend protestantischer Kanton.

  • 1880: 80,3 % Reformierte, 19,6 % Katholiken
  • 1900: 75,0 % Reformierte, 24,8 % Katholiken
Glarus, Kantonsspital
Glarus, Kantonsspital

Wirtschaft:

Der Kanton Glarus besitzt nur 64,9 % produktiven Boden (Wald 106,3 km², Äcker, Gärten und Wiesen 16 und Rebland 0,1 km²). Der Getreidebau ist sehr gering, auch der früher bedeutende Kartoffelbau ist zurückgegangen, dagegen wichtig die Wiesenkultur. Die Viehzucht ist, abgesehen von der Rinderzucht, im Rückgang begriffen; man zählte 1901: 439 Pferde, 11,499 Rinder, 3655 Schweine, 535 Schafe, 6472 Ziegen. Im Kanton liegen 87 Alpen mit 258,2 km² Fläche und einem Wert von 6 Millionen Franken. Die Käseproduktion ist bedeutend, darunter die des mit Ziegerkraut gewürzten Kräuterkäses oder des „Schabziegers“. Der Obstbau hat nur im Unterland einige Ausdehnung, der Weinbau fehlt fast ganz. Die Waldungen gehören fast ganz den Gemeinden und Korporationen und liefern jährlich ca. 15,000 cbm Holz. Unter den nutzbaren Gesteinsarten stehen die Schieferbrüche des Plattenbergs bei Elm obenan. Unter den Mineralquellen hat die Schwefelquelle von Stachelberg Berühmtheit erlangt. Den Haupterwerbszweig bildet die Industrie, deren Aufblühen seit der Einführung der Baumwollspinnerei (1714) datiert. 1901 waren 94 Unternehmungen mit 7416 Arbeitern dem Fabrikgesetz unterstellt, darunter 16 Baumwollspinnereien (259.000 Spindeln) und-Webereien mit 3514 Arbeitern, 15 Buntdruckereien, 3 Seidenwebereien, 5 Maschinenfabriken, chemische, Kräuterkäsefabriken u. a. Die Industrieerzeugnisse gehen meist ins Ausland, nach Italien, in die Donauländer, die Türkei, den Orient, nach Nordafrika und Amerika. Das Schulwesen ist vorbildlich geordnet; außer den Primärschulen bestehen 10 Sekundärschulen (dreijähriger Kursus) und die Stadtschule in Glarus (vierjähriger Kursus). Der Besuch der Fortbildungsschule ist für Handwerkslehrlinge obligatorisch, im übrigen freiwillig. Die Landesbibliothek umfasst etwa 14.000 Bände.

Glarus, Landsgemeinde
Glarus, Landsgemeinde

Politische Verwaltung und Einteilung:

Die Verfassung des Kantons vom 22. Mai 1842, zuletzt am 9. Mai 1887 revidiert, ist rein demokratisch. Das Volk übt seine Souveränität teils direkt durch die alljährlich im Orte Glarus stattfindende Landsgemeinde, teils durch die von ihm bestellten Behörden aus. Vorberatende Behörde ist der Landrat, dessen Mitglieder von den 19 Wahlgemeinden (auf je 500 Einwohner 1 Mitglied) auf drei Jahre gewählt werden. Die Exekutive steht dem Regierungsrat zu, dem der Landammann, der Landesstatthalter und 5 weitere Mitglieder, sämtlich von der Landsgemeinde gewählt, angehören. Die Rechtspflege wird durch ein Zivil-, ein Kriminal-, ein Augenschein- (für Streitigkeiten über Immobilien) und ein Obergericht besorgt. Die Staatseinnahmen beliefen sich 1903 auf 916.000, die Ausgaben auf 964.800 Franken. Wichtigste Einnahmequelle ist die Landessteuer, progressive Vermögens- und Kopfsteuer (425.400 Franken). Die Aktiva des Kantons betrugen 1903: 4.500.000 Franken, die Passiva 4.083.000 Franken. Hauptort ist Glarus. Glarus besteht aus 28 Gemeinden und gehört zum 19. Nationalratswahlkreis mit zwei Mandaten und in militärischer Hinsicht zum 8. Divisionskreis.

Städte und Gemeinden:

Der Kanton Glarus besteht aus einem Bezirk mit 28 Gemeinden.

Glarus, Näfels, Niederurnen, Mollis, Netstal, Ennenda, Schwanden, Bilten, Oberurnen, Linthal, Luchsingen, Mitlödi

Glarus mit Glärnisch
Glarus mit Glärnisch

Geschichte:

Nach einem erst aus dem 14. Jahrhunderts stammenden Zusatz der von einem Fälscher des 11. Jahrhunderts verfassten Legende vom heiligen Fridolin soll dieser angebliche Heilige zur Zeit Chlodwigs das Tal Glarus von zwei alemannischen Edlen als Geschenk für sein neugestiftetes Kloster Säckingen Rhein erhalten haben. Sicher ist, dass dieses im 12. Jahrhundert die Grundherrschaft über Glarus besaß und es durch Meier verwalten ließ. 1264 gelangte die Vogtei, d. h. die hohe Gerichtsbarkeit über Glarus, aus dem Erbe der Grafen von Kyburg an Rudolf von Habsburg, der 1288 auch das Meieramt und die damit verbundene niedere Gerichtsbarkeit an sich brachte. Allein die Glarner weigerten sich, deshalb Österreich landesherrliche Rechte zuzugestehen, schlossen 1323 mit Schwyz ein Bündnis, und in dem Kampf, der nach Zürichs Beitritt zum Bunde der Waldstätte zwischen Österreich und den Eidgenossen 1351 ausbrach, besetzten diese das Tal und nahmen es am 4. Juni 1352 in etwas untergeordneter Stellung in ihren Bund auf. Doch musste Glarus noch im gleichen Jahr infolge des Brandenburger Friedens unter die Botmäßigkeit Österreichs zurückkehren. Noch vor dem Siege der Eidgenossen bei Sempach (1386) vertrieben aber die Glarner den österreichischen Vogt, organisierten sich als freies Staatswesen (11. März 1387) und vernichteten ein 6000 Mann starkes österreichisches Heer am 9. April 1388 in der Schlacht bei Näfels, deren Jahrestag noch immer durch die „Näfelser Fahrt“ gefeiert wird. Im Frieden (1389) musste Österreich die Unabhängigkeit des Landes und seine Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft anerkennen; von der Abtei Säckingen befreite es sich durch Loskauf (1395). 1450 wurde Glarus als vollberechtigtes Glied der Eidgenossenschaft anerkannt. Die Reformation erlangte in Glarus, wo Zwingli 1506 bis 1516 als Pfarrer gewirkt, einen fast vollständigen Sieg; nur ein Sechstel des Landes beharrte beim alten Glauben. Allmählich strebte jedoch die katholische Minderheit, gestützt auf die katholischen Orte der Eidgenossenschaft, nach einer Trennung des Kantons. Nach langen Reibereien kam 1683 durch Vermittlung der Tagsatzung ein Vergleich zustande, wonach neben der gemeinsamen Landsgemeinde und dem gemeinsamen Landrat jede Glaubenspartei ihre besonderen Landsgemeinden und Räte hatte, den Katholiken aber bei der Besetzung der Landesämter ein unverhältnismäßig großer Einfluss eingeräumt wurde. Auch das demokratische Glarus hatte seine Untertanen; mit Schwyz gemeinsam regierte es Gaster und Uznach und für sich allein die Grafschaft Werdenberg; 1721/22 hatte es einen Aufstand der letzteren zu unterdrücken, der durch die Missachtung ihrer Freiheiten hervorgerufen worden war. 1714 führte der Züricher Pfarrer Heidegger die Baumwollindustrie im Land ein, die es bald zu einem Zentrum schweizerischer Gewerbetätigkeit erhob.

Näfels
Näfels

Trotzdem lastet auf Glarus die Schmach, nach 1782 eine Magd wegen Zauberei dem Henkerbeil überliefert zu haben. Als die Franzosen 1798 in die Schweiz einrückten, gab es seine Hoheit über Werdenberg, Uznach und Gaster aus freien Stücken auf, verteidigte aber mit Schwyz seine alte Demokratie gegen die aufgezwungene helvetische Einheitsrepublik und fügte sich erst nach heldenmütigem Kampfe bei Wollerau (30. April). Zur Strafe wurde es mit anderen Landschaften zu einem Kanton Lint verschmolzen. Im folgenden Jahr litt Glarus aufs schwerste durch die Kämpfe der Österreicher und Russen unter Hotze, Jellachich und Suworow mit den Franzosen unter Soult und Molitor. Die Mediationsakte stellte 1803 den Kanton Glarus mit seiner Landsgemeinde und den zwei konfessionell gesonderten Gemeinwesen wieder her. Durch das Landesgrundgesetz vom 2. Oktober 1836 hob jedoch die Landsgemeinde die konfessionellen Organismen auf; freilich musste der vom Bischof von Chur geschürte Widerstand der katholischen Gemeinden Näfels und Oberurnen durch militärische Besetzung gebrochen werden (August 1837). 1842 gab sich Glarus eine neue Verfassung, die indes das Landesgrundgesetz nicht wesentlich modifizierte, ebenso wenig taten dies partielle Verfassungsrevisionen von 1851, 1866, 1873, 1874 und 1880. Glarus ist der einzige Landsgemeindekanton, der sowohl die Bundesverfassungen von 1848, 1872 und 1874 angenommen, als auch seither bei den meisten eidgenössischen Referendumsabstimmungen seine Zustimmung zu den Vorlagen des Bundes gegeben hat. Die Sympathien, die das strebsame Ländchen besitzt, zeigten sich bei dem furchtbaren Brand, der am 10. Mai 1861 den Hauptflecken zerstörte, indem die in der Schweiz und im Ausland gesammelten Spenden in bar den Betrag von 2.754.606 Franken erreichten und die Bundesversammlung ein zweiprozentiges Darlehen von 1 Million Franken an Glarus dekretierte. Am 22. Mai 1887 sanktionierte die Landsgemeinde eine neue Verfassung, die den Eintritt der Stimmfähigkeit vom 18. auf das 20. Altersjahr verschob, den bisherigen 40 Mitglieder zählenden Rat durch einen Regierungsrat von 7 Mitglieder ersetzte und den Behördenorganismus auch sonst vereinfachte. Zugleich wurde die Revision der Verfassung erleichtert, so dass seither fast jedes Jahr kleine Änderungen daran vorgenommen worden sind, ohne indes ihren wesentlichen Charakter zu berühren.

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • „Ortslexikon der Schweiz“ von Henry Weber, Verlag von M. Kreutzmann, St. Gallen 1887
  • „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
  • „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
  • „Meyers Lexikon“ in 12 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig 1924
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