Bremen, Rathaus mit Liebfrauenkirche

Bremen (Stadt)

Freie Hansestadt Bremen, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Bremen (Stadt) 186.622 Einwohner – 1905 = 19. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.

Bremen, Marktplatz
Bremen, Marktplatz

Bremen (Stadt) im Deutschen Reich 1871 – 1918 (Kaiserreich)

Bremen ist die Hauptstadt des gleichnamigen Freistaates (Freie Hansestadt Bremen), zugleich eine der ersten Handelsstädte Deutschlands.

Bremen Stadtplan 1894 (Meyers Konversations-Lexikon 4. Auflage)
Bremen Stadtplan 1894 (Meyers Konversations-Lexikon 4. Auflage)

Bremen liegt unter 53°5′ nördliche Breite und 8°48′ östliche Länge in 5 m Höhe in einer einförmigen Ebene, zu beiden Seiten der Weser und besteht aus vier Teilen: der auf dem rechten Ufer gelegenen, von der Weser und den Wallanlagen begrenzten Altstadt, den diese im Halbkreise umgebenden Vorstädten (östliche, nördliche und westliche), der auf dem linken Ufer gelegenen, 1623–27 aus militärischen Gründen angelegten Neustadt und der dieser sich südlich und westlich jenseits des ehemaligen Festungsgrabens anschließenden Südervorstadt.

Bremen und Bremerhaven Stadtplan 1894 (Brockhaus'Konversations-Lexikon 14. Auflage)
Bremen und Bremerhaven Stadtplan 1894 (Brockhaus’Konversations-Lexikon 14. Auflage)

Die Altstadt und Neustadt sind seit alter Zeit durch die nahe am Südostende der Stadt gelegene Große Weserbrücke und ihre Fortsetzung, die Kleine Weserbrücke, miteinander verbunden; in der Mitte der Altstadt führt die 1872–75 erbaute Kaiserbrücke direkt nach dem Teerhof und der Neustadt hinüber; am untern Ende der Altstadt bildet außerdem die Eisenbahnbrücke der Bremen-Oldenburger Bahn (1866 vollendet) eine für Fußgänger gangbare Verbindung.

Bremen, Panorama 1902
Bremen, Panorama 1902

Die Altstadt, neuerdings durch Verbreiterung der Hauptstraßen vielfach umgestaltet, besitzt noch viele alte Häuser mit mächtigen Giebeln und vielen übereinander getürmten Böden; sie ist der Sitz des Großhandels. Den Mittelpunkt derselben bilden der Markt, der Domshof und die Domsheide, um die sich die wichtigsten öffentlichen Bauten gruppieren. Die Neustadt hat durchweg breite, gerade Straßen; in ihr überwiegen das Kleingeschäft, die Packhäuser und Fabriken. Die Südervorstadt besitzt einige Fabriken und ist vorzugsweise von Arbeitern bewohnt. Die erst in den letzten 70 Jahren entstandenen Vorstädte enthalten überwiegend Privatwohnungen und machen mit ihren geraden, breiten und reinlichen Straßen und ihren vielfach mit Veranden, Terrassen und Vorgärten gezierten Häusern einen sehr freundlichen Eindruck. Bezeichnend ist hier auch das Fehlen großer Mietskasernen; mehr als in anderen deutschen Großstädten bewohnt hier noch je eine Familie ein Haus allein; daher denn auch die weitläufige Anlage der Stadt (23,11 km² Areal).

Bremen, Marktplatz mit Roland und Rathaussäulengang
Bremen, Marktplatz mit Roland und Rathaussäulengang

Die östliche Vorstadt ist vorzugsweise Wohnsitz der wohlhabenden Bevölkerung; die nördliche Vorstadt erhält durch die Umgebung des Bahnhofs, wo Gasthöfe und Wirtschaften vorherrschen, einen besondern Charakter; an sie schließt sich jenseits des Bahndammes und längs des Bürgerparks ein neues, villenartiges Viertel. In der westlichen Vorstadt hat sich in der Nähe des Freihafengebiets die Großindustrie (Reismühlen, Maschinenfabriken, Petroleumraffinerie, Jutespinnerei) angesiedelt. Hier liegt auch der am 15. Oktober 1888 dem Verkehr übergebene, mit einem Kostenaufwand von ca. 25 Millionen Mark errichtete Freihafen, 2000 m lang, 120 m breit, 6,8 m tief, eingeschlossen von großartigen Speichern, Lösch- und Ladeeinrichtungen. Erweiterungen des Freihafens sind teils ausgeführt, teils im Werke.

Bremen, Totalansicht
Bremen, Totalansicht

Bauwerke:

Die Stadt Bremen hat 17 Kirchen; davon liegen in der Altstadt: der St. Petri-Dom (früher erzbischöfliche Kathedrale, jetzt lutherische Hauptkirche), die Liebfrauenkirche, die Martinikirche, die Ansgariikirche, die Stephanikirche sowie die den Katholiken überwiesene Johanniskirche; in der Neustadt: die Paulikirche; in den Vorstädten: die nach den Plänen des Architekten Heinrich Müller 1869–71 neuerbaute Rembertikirche, die Jakobikirche, die Friedens-, die Michaelis- und die Willehadikirche, die Zionskirche (1894), die katholische St. Raphaelkirche (1899), die Methodisten- und die Baptistenkapelle. Die wenigen in Bremen wohnenden Juden haben eine kleine Synagoge. Architektonisch bemerkenswert ist der Dom, dessen älteste Teile dem 11. Jahrhundert angehören, mit schönen Glasfenstern und einer herrlichen Orgel; in einem kryptaähnlichen Seitengewölbe befindet sich der „Bleikeller“, in dem infolge der trocknen Luft die aufbewahrten Leichen zu Mumien austrocknen.

Bremen, Rathaus mit Liebfrauenkirche
Bremen, Rathaus mit Liebfrauenkirche

Seit 1888 wurde der Dom, dessen Türme bis dahin baufällig waren, vollständig im Innern und Äußern durch den Dombaumeister Salzmann restauriert. Der höchste Turm der Stadt ist der der St. Ansgariikirche (etwa 97 m). Hervorragende Gebäude sind: das prächtige Rathaus (1404–1407 gebaut, doch stammt die Renaissancefassade erst aus den Jahren 1609–1612), der Schütting (das Haus der Handelskammer, 1537–94 erbaut), die Börse (ein prächtiges gotisches Gebäude, 1861–64 von Heinrich Müller erbaut), die stattliche, nach amerikanischem System erbaute Baumwollbörse (von Joh. Poppe 1899–1902), das Gebäude des Kaufmännischen Vereins, beide an der Wachtstraße, das Gebäude der Wasserleitung, die Hauptschule, die Realschule beim Doventor, das Reichspostgebäude an der Domsheide (1878 vollendet), das reich verzierte Gerichtsgebäude (von Klingenberg und Weber, 1893–95) an der Domsheide, das Gebäude der Reichsbank, das der alten Sparkasse an der Obernstraße, das Gewerbehaus (früher Krameramthaus, 1619–21 erbaut),

Bremen, Sögestraße
Bremen, Sögestraße

das Haus „Seefahrt“ mit Wohnungen für Witwen von Seeleuten, das Museum (ein großartiges Klublokal), das Gebäude des Künstlervereins mit herrlichem Konzertsaal und schöner, gotisch gewölbter Halle für geselligen Verkehr, die neuerdings erweiterte Kunsthalle (für Gemälde, Kupferstiche und Skulpturen), die Stadtwage (ein altes Giebelhaus auf der Langen Straße), die bei dem Dorf Oslebshausen neuerbaute Strafanstalt, das große Krankenhaus, das Siechenhaus, das Diakonissenhaus, das St. Josephsstift, die öffentliche Badeanstalt (1877 vollendet), der 1882 vollendete Schlachthof, der Bahnhof (1889), der Rutenhof, die Deutsche Bank und das Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde (1895) am Bahnhof. Unter dem Rathaus befindet sich der berühmte Ratskeller, den Wilhelm Hauff durch seine „Phantasien“ poetisch verherrlicht hat. Die ältesten Weine liegen in einem mit der Kolossaldarstellung einer Rose geschmückten Keller (Rosenwein, der älteste ist 1653er Rüdesheimer) und in zwölf Fässern, welche die Namen der zwölf Apostel tragen.

Bremen, Rathaussaal
Bremen, Rathaussaal

Von öffentlichen Denkmälern sind zu erwähnen: der berühmte Roland, ein steinernes, 9,6 m hohes Standbild auf dem Markt, 1404 aufgerichtet als Symbol der Gerichtsbarkeit der Stadt, das Vasmerkreuz zur Erinnerung an den 1430 hier enthaupteten Bürgermeister Johann Vasmer; das Marmorstandbild des Bürgermeisters Johann Smidt auf der oberen Rathaushalle und das Denkmal des Astronomen Olbers auf dem Wall (beide von K. Steinhäuser); der Willehadibrunnen vor dem Dom; das Denkmal des heiligen Ansgarius vor der Ansgariikirche und die Marmorvase auf dem Wall, einen alten Bremer Gebrauch, den Umzug der Klosterochsen, allegorisch darstellend (beide ebenfalls von Steinhäuser); die prächtige, von Fogelberg modellierte Statue König Gustav Adolfs auf der Domsheide (dieselbe strandete bei Helgoland, wurde dann aus dem Meer gehoben und von einigen Bremer Bürgern der Stadt geschenkt); das Kriegerdenkmal von Robert Keil auf einer Bastion des Walles, westlich vom Ansgariitor (errichtet 1875); das Altmann-Denkmal auf dem Wall zur Erinnerung an den Gärtner Altmann, der die Festungswerke der Stadt in Gartenanlagen umschuf; das Seume-Denkmal an der großen Weserbrücke, zur Erinnerung an die Entweichung Seumes aus der Gewalt hessischer Werber; das Körner-Denkmal auf dem Körnerwall und die Statue des Apostels Jakobus (S. Jacobus major) an der Wüstestätte (im Volk als „Juxmajor“ bekannt), das am 18. Oktober 1893 enthüllte Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. (von Bärwald modelliert), westlich vor dem Rathaus, und als neuestes die Bronzegruppe „der Rosselenker“ von Tuaillon in den Anlagen beim Theater. Brunnen von künstlerischer Bedeutung sind der Kentauren-, der Turmbläser- und der Teichmannbrunnen. Medaillons und Gedenktafeln gibt es für den Astronomen Olbers, den Bürgermeister Smidt, den Liederdichter Neander, den Astronomen Bessel, den Physiologen Gottfr. R. Treviranus, den Geographen J. G. Kohl, den Lloydkapitän v. Gössel.

Bremen, Kaiser Friedrich-Denkmal
Bremen, Kaiser Friedrich-Denkmal

Bevölkerung, Bildungsanstalten etc.:

Die Einwohnerzahl der Stadt Bremen (zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf 35.000 geschätzt) beträgt seit Anschluss einiger Landgemeinden (1. April 1902) 186.622; davon entfallen auf die Altstadt 19.637, auf die Neustadt 14.167, auf die Vorstädte 132.347 und auf die angeschlossenen Vororte Walle-Gröpelingen, Hastedt-Schwachhausen und Woltmershausen zusammen 20.671. Dem Religionsbekenntnis nach gab es sm 1. Dezember 1900 etwa 94 % Evangelische, 4,9 % Katholiken, etwa 820 Israeliten und 980 Angehörige anderer Bekenntnisse.
Die Zahl der Volksschulen beträgt etwa 30. An höhern Schulen gibt es eine Hauptschule, aus Gymnasium und Handelsschule (Oberrealschule) bestehend (von 1905 an werden 2 Gymnasien, ein Realgymnasium und eine Oberrealschule vorhanden sein), 2 städtische Realschulen und 7 höhere Privatmädchenschulen. An höhern Fachschulen bestehen ein Volksschullehrerseminar, 2 Privatlehrerinnenseminare, eine Seefahrtschule, ein Technikum und eine landwirtschaftliche Winterschule. An Fachschulen sind vorhanden: die gewerbliche Fortbildungs-, die gewerbliche Zeichen- und die Knabenzeichenschule, eine Knabenhandarbeitsschule, mehrere Haushaltungsschulen, Fortbildungsschulen für junge Kaufleute, eine Fortbildungsschule für Frauen und Mädchen und eine Taubstummenanstalt. An wissenschaftlichen und Kunstinstituten bestehen: eine Stadtbibliothek, eine städtische Sammlung für Natur-, Völker- und Handelskunde (hervorragend sind die Tiergruppen und die Sammlungen von Warenproben), eine Moorversuchsstation, ein chemisches Staatslaboratorium, ein meteorologisches Observatorium, eine Kunsthalle, ein Kunstgewerbemuseum und ein Theater. Die Musik findet in Bremen durch die philharmonischen Konzerte, durch ein Konservatorium und eine große Anzahl von Gesang- und Musikvereinen vielfache Pflege. Unter den in Bremen erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften sind hervorzuheben: die liberale „Weser-Zeitung“, die „Bremer Nachrichten“, „Niedersachsen“, das „Deutsche Protestantenblatt“, die „Naturwissenschaftlichen Abhandlungen“ (hrsg. vom Naturwissenschaftlichen Verein), die „Deutschen Geographischen Blätter“ (hrsg. von der Geographischen Gesellschaft).
Unter den zahlreichen Wohltätigkeitsanstalten sind die wichtigsten: die allgemeine Krankenanstalt (mit einer Irrenanstalt), ein Kinderkrankenhaus, 3 andere Krankenhäuser, ein Siechenhaus (Kahrwegs Asyl), ein Armenhaus, 3 Waisenhäuser, 2 Erziehungsanstalten für verwahrloste Kinder, mehrere Kinderbewahranstalten und das Haus „Seefahrt“, über dessen Portal der bekannte Spruch „Navigare necesse est, vivere non necesse est“ (Zu Deutsch: Seefahren ist nötig, Leben ist nicht nötig.) steht. Auch die Zentralstelle der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger befindet sich in Bremen.

Bremen, Obernstraße
Bremen, Obernstraße

Industrie:

Die Großindustrie hat sich vorzugsweise in den Zweigen reger entwickelt, die mit Handel und Schiffahrt in enger Beziehung stehen, so der Schiffbau, die Eisengießerei, der Maschinenbau und die Tauwerkfabrikation, ferner die Verarbeitung von Kolonialerzeugnissen. Von Bedeutung sind ferner die Reisschäl- und Reisstärkefabrikation, die Petroleumraffinerie, die Exportbrauerei, Fabriken für Spirituosen, Zigarrenkisten und Stuhlrohr, die Jutespinnerei, die Gold- und Silberwarenfabrikation, die Tabak- und Zigarrenfabrikation; doch hat sich diese letztere mehr und mehr nach den benachbarten Orten (Hemelingen, Burg-Lesum, Delmenhorst, Achim, Osterholz-Scharmbeck) verzogen. Einige größere gewerbliche Anlagen, die mit bremischem Kapital geschaffen worden, befinden sich in den Nachbarorten; so eine Wollwäscherei in Burg-Lesum, eine Wollkämmerei in Blumenthal, eine Baumwollspinnerei und -Weberei in Grohn-Vegesack, eine Wollkämmerei, Jutespinnerei u. Linoleumfabrik in Delmenhorst, eine Aluminium- und Magnesiumfabrik sowie Jutespinnerei und -Weberei in Hemelingen. Die hauptsächlichsten Ausfuhrgegenstände bremischen Gewerbfleißes sind polierter Reis, Bier, Stärke und Reisabfall, raffiniertes Petroleum, Zigarrenkistenbretter, Silberwaren, Tauwerk, Tabaklauge.

Bremen, Freihafen I
Bremen, Freihafen I

Handel:

Seinen Weltruf verdankt Bremen lediglich dem Handel und der Schiffahrt; es ist nach Hamburg der bedeutendste Seehandelsplatz des Deutschen Reichs. Allerdings war die weite Entfernung von der See sowie die geringe Tiefe der Weser lange Zeit dem Aufschwung von Bremens Handel und Verkehr ungünstig. Doch gewann man durch die Anlage von Bremerhaven (1827–30) einen Seehafen und ermöglichte durch die unter Leitung des Oberbaudirektors Franzius mit einem Kostenaufwand von 36 Millionen Mark durchgeführte Korrektion der Unterweser Schiffen bis zu 5 m Tiefgang das Heraufkommen nach Bremen selbst. 1901 betrug der Schifffahrtsverkehr im Freihafen 4093 angekommene Fahrzeuge mit 3.791.779 m³ Raumgehalt. Die Eigenart des Bremer Handels besteht darin, dass er in weit größerem Umfang Einfuhr- als Ausfuhrhandel ist, und ferner darin, dass sich ersterer auf nur wenige Artikel beschränkt, in diesen aber eine Stellung ersten Ranges einnimmt. In zwei Artikeln, Tabak und Reis, ist Bremen der größte Markt der Welt; für Baumwolle und Indigo stellt es den ersten Platz des europäischen Kontinents dar; in Schafwolle und Petroleum rivalisiert es erfolgreich mit Antwerpen und Hamburg. Auch bedeutende Mengen Zucker sind in den letzten Jahren über Bremen gegangen. Die Gesamteinfuhr erreichte 1901 einen Wert von rund 1067 Millionen Mark. Die Ausfuhr betrug 1901 rund 1005 Millionen Mark.
Ein- und Ausfuhr haben sich seit 1847 mehr als verneunfacht. Bremen hat zahlreiche Versicherungsgesellschaften für alle Geschäftszweige. Im Seeversicherungsgeschäft waren 1901: 723,39 Millionen Mark versichert, davon 15,49 % bei Bremer und 84,51 % bei fremden Gesellschaften. An Banken sind vorhanden: die Bremer Bank (Filiale der Dresdener Bank), die Deutsche Nationalbank, die Bremische Hypothekenbank, die Bank für Handel und Gewerbe, die Reichsbankhauptstelle, eine Filiale der Deutschen Bank in Berlin und eine der Niedersächsischen Bank, außerdem mehrere Privatbankgeschäfte. Viele deutsche und die meisten auswärtigen Staaten sind in Bremen durch Konsulate vertreten. Die Börse von Bremen vereinigt alle Gattungen von Börsengeschäften; besonders wichtig ist sie für Baumwolle, Tabak, Petroleum und Reis. 1901 wurde sie von 864 Firmen besucht.

Bremen, Central-Bahnhof
Bremen, Central-Bahnhof

Verkehr:

Die Handelsflotte Bremens umfaßte 1901: 600 Seeschiffe (davon 242 Dampfer) mit 634.726 Registertonnen und einer Bemannung von 25.827 Personen. Unter den sieben Schiffahrtsgesellschaften nimmt die des Norddeutschen Lloyd die erste Stelle ein. Die Seedampferflotte desselben betrug Ende 1901: 113 Fahrzeuge mit 465.003 Registertonnen Brutto = 281.481 Netto (12 Schiffe im Bau). Er vermittelt den Verkehr zwischen Bremen und Nord-, Mittel-, Südamerika, Ostasien, Australien; zwischen Genua, Neapel und New York, außerdem eine ausgedehnte Schiffahrt im Indisch-Chinesischen Meer und auf dem Jangtsekiang; endlich Verkehr nach den Nordseebädern und auf der Unterweser. Eine hervorragende Bedeutung hat Bremen als Auswandererplatz; von 1832 bis Ende 1901 sind etwa 3,7 Millionen Personen über Bremen befördert worden. 1901 betrug die Zahl der direkt beförderten Personen 108.309, davon 9038 aus dem Deutschen Reich, 99.240 aus dem übrigen Europa.
Der Verkehr auf der Unterweser betrug 1901: 5379 ankommende Schiffe mit 845.643 Registertonnen und 5405 abgehende Schiffe mit 878.378 Registertonnen; auf der Oberweser kamen an 1751 (316.467 Registertonnen) und gingen ab 1690 Schiffe (312.882 Registertonnen). Dem Verkehr Bremens zu Lande dienen folgende Eisenbahnlinien: Bremerhaven-Wunstorf-Hannover, Bremen-Harburg, Bremen-StendalMagdeburg und Wanne-Bremen der Preußischen Staatsbahn und Bremen-Oldenburg-Neuschanz der Oldenburgischen Staatsbahn, außerdem Bremen-Farge und Bremen-Tarmstedt. Für den Fernsprechverkehr bestehen 1901: 3266 Sprechstellen. Den Verkehr in der Stadt und mit den Vororten vermittelt ein ausgedehntes elektrisches Straßenbahnnetz. Außerdem gibt es etwa 150 Droschken.

Bremen, Rathaus, Dom, Börse und Baumwollbörse
Bremen, Rathaus, Dom, Börse und Baumwollbörse

Behörden:

Die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten ist von der Staatsverwaltung nicht getrennt. Von den Reichsbehörden, die in Bremen ihren Sitz haben, sind zu erwähnen: die Oberpostdirektion, das Betriebsamt der königlich preußischen Eisenbahndirektion Hannover und die Reichsbankhauptstelle. Auch der Stab des 1. hanseatischen Infanterieregiments Nr. 75 liegt in Bremen.
Die nähere Umgebung der Stadt bietet landschaftlich wenig Abwechselung; um so wertvoller ist deshalb der im Nordosten der Stadt liegende 140 Hektar große Bürgerpark mit ausgedehnten Waldpartien, Seen und Wasserzügen, der 1866–84 aus freiwilligen Beiträgen angelegt wurde. In den benachbarten Dörfern Schwachhausen, Horn, Oberneuland sowie namentlich an dem steilen Uferrande der Lesum finden sich viele Landhäuser Bremer Familien. Weiter entfernte beliebte Ausflugspunkte sind Blumenthal, Lilienthal, Syke, die Badener Berge, das Steimmer Gehölz, Vegesack, Osterholz-Scharmbeck, der Weyher Berg (Malerkolonien), der Hasbruchwald und der Zwischenahner See.

Bremen, Bremer Bank, Filiale der Dresdner Bank
Bremen, Bremer Bank, Filiale der Dresdner Bank

Geschichte:

Unter dem Namen Bremun (lat. Brema) wird die Stadt zuerst 787 urkundlich erwähnt, in welchem Jahre Karl der Große hier ein Bistum gründete. Im Jahr 965 erhielt sie von Otto I. Marktrecht und 967 der Erzbischof die gräfliche Gerichtsbarkeit in seinem Stifte. Das erste kaiserliche Privilegium für Bremen ist von 1186, und damals erfolgte wahrscheinlich die Bildung eines Stadtrats, dessen Wahlordnung und Befugnisse 1246 festgesetzt wurden. Trotz der Abhängigkeit vom Erzbischof gewann die Stadt eine ziemlich selbständige Stellung, schloss Handelsverträge, gewann Privilegien, namentlich in Norwegen und England, und erwarb Schlösser und Besitzungen in der Umgegend und in Friesland. Sie trat der Hanse bei, wurde aber 1285 aus dem Bund ausgeschlossen und erst 1358 wieder aufgenommen. Innere Unruhen führten 1427 zu einer neuen Ausschließung; Bremen geriet in Acht und Interdikt; doch wurde 1433 durch Vermittlung einiger Hansestädte die alte aristokratische Verfassung wiederhergestellt und die sogenannte „Eintracht“ oder „Tafel“ vereinbart, Bremen auch wieder in die Hanse aufgenommen.

Bremen, Roland
Bremen, Roland

Die Reformation fand in Bremen schon 1522 durch die Predigten Heinrichs von Zütphen Eingang. 1532 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bunde bei, hielt 1547 eine Belagerung durch die Kaiserlichen unerschrocken aus und wurde schließlich durch den Sieg des Grafen Albrecht von Mansfeld bei Drakenburg gerettet. Wenige Jahre später führte der Fanatismus lutherischer Geistlicher, besonders der Prediger Timann und später Musäus, gegenüber der durch Hardenberg vertretenen gemäßigten Richtung Unruhen herbei, die erst 1568 durch den Vertrag von Verden beendet wurden, und in denen die energische Haltung des Bürgermeisters Daniel von Büren der gemäßigten Partei zum Siege verhalf. 1618 wurde die reformierte Lehre als Staatsreligion angenommen.

Bremen, Kriegerdenkmal
Bremen, Kriegerdenkmal

Kaiser Ferdinand III. verlieh 1646 der Stadt die Freiheiten einer Reichsstadt, doch Schweden, das 1648 das Erzbistum Bremen erhielt, wollte dies nicht anerkennen, konnte jedoch 1666 im sogenannten Bremischen Krieg seine Ansprüche nicht durchsetzen, weil sich die benachbarten Fürsten der Stadt annahmen. Erst der Kurfürst Georg von Hannover, der 1720 das Erzstift erwarb, erkannte die Reichsfreiheit Bremens an. 1803 blieb Bremen Freie Reichsstadt und erhielt sogar eine Gebietsvergrößerung. Napoleon I. verleibte die Stadt Frankreich ein und machte sie zur Hauptstadt des Departements der Wesermündungen. Am 15. Oktober 1813 wurde sie von einer Streifschar unter Tettenborn eingenommen und 1815 zur Freien Stadt des Deutschen Bundes erklärt. Seitdem begannen in Bremen heftige innere Kämpfe. Die frühere Verfassung war aristokratisch gewesen; auch die „Neue Eintracht“, die nach einer demokratischen Bewegung 1534 vereinbart war, hatte den Rat im Besitz der Herrschaft gelassen.

Bremen, Gustav Adolfs-Denkmal
Bremen, Gustav Adolfs-Denkmal

Nach dem Sturz Napoleons bewilligte der Rat 23. Februar 1816 aus freien Stücken der Bürgerschaft eine geregelte Teilnahme an der Wahl des Rates an Stelle der Kooptation. An der Spitze des Staates standen nun der Senat (4 Bürgermeister und 24 Senatoren) und die Bürgerschaft (500 Mitglieder nebst den aus 20 Großkaufleuten bestehenden Altermännern). Im März 1848 kam es in Bremen zu stürmischen Auftritten, welche die Einführung einer neuen Verfassung zur Folge hatten. Dieselbe trat zwar 18. April 1849 ins Leben, war aber nicht von Bestand. Unter dem Schutz eines Bundeskommissars, des hannöverschen Generals Jakobi, suspendierte der Senat im März 1852 die Gesetze über Presse und Vereinsrecht, löste die Bürgerschaft auf und beschränkte mittels eines oktroyierten Wahlgesetzes die Vertretung der Bürgerschaft auf 150 Mitglieder, mit denen sich der Senat 1854 über wesentliche Beschränkungen der Märzerrungenschaften einigte. Die militärische Verteidigung Bremerhavens wurde 1853 von Hannover gegen Entschädigung übernommen.

Bremen, Bismarck-Denkmal
Bremen, Bismarck-Denkmal

In die neue Gestaltung Deutschlands trat Bremen bereitwillig ein, sandte bisher stets national gesinnte Vertreter in den Reichstag, beteiligte sich auch am Deutsch-Französischen Krieg in opferfreudiger Weise und gab 1884 auch seine Zustimmung zur Aufhebung seiner Freihafenstellung. Am 1. Januar 1894 wurde eine neue Verfassung gegeben, die in der Zusammensetzung der Bürgerschaft Änderungen und für einen Teil davon direkte Wahl einführte; bei den Neuwahlen zur Bürgerschaft im Dezember 1902 stieg die Zahl der sozialdemokratischen Vertreter von 11 auf 19.

Die Stadtgemeinde Bremen ist heute die Hauptstadt des Landes Freie Hansestadt Bremen mit rund 563.000 Einwohnern (2021).

Das könnte Sie auch interessieren:

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • Prof. A. L. Hickmann’s Geographisch-statistischer Taschen-Atlas des Deutsches Reichs, Leipzig und Wien 1897
  • „F. W. Putzgers Historischer Schul-Atlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, 1902
  • „Harms Vaterländische Erdkunde“, 1906
  • „Post-Taschen-Atlas von Deutschland nebst Ortsverzeichnis“, Th. Pfuhl, Berlin, 1906
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
  • „Petzolds Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“, Band 1 und 2, Bischofswerda (Sachsen), 1911
Reichsadler 1889-1918

Ähnliche Beiträge

Vorherige SeiteNächste Seite
Bremen (Freistaat)Bremerhaven

Kommentar verfassen