Marshallinseln, als deutsche Kolonie von 1899 bis 1919, in einer Übersicht, Geschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Sitz des Kaiserlichen Landeshauptmanns Jaluit. Bezirksamt auf Nauru.
Die Marshallinseln sind eine Inselgruppe im westlichen (mikronesischen) Teile des Stillen Ozeans, östlich von den Karolinen, nördlich von den Gilbertinseln, zwischen 4°20’–14°45′ nördliche Breite und 161°5’–174° östliche Länge. Sind sind 411 km² groß und mit 15.000 Einwohnern (1904) 61 Deutschen und 189 Fremden (10 Amerikaner, 4 Engländer, 89 Mischlinge, 67 nichteingeborne Südsee-Insulaner, 13 Chinesen) bewohnt.
Die Inselgruppe besteht aus zwei parallelen Reihen von Atollen,
- der Ratakgruppe im Osten, 133 km² groß mit 10.000 Einwohnern, bestehend aus 15 Inseln: Arno (30 qkm mit 3000 Einw., 3 Europäer), Majeru (30 qkm, 1604 Einw., 4 Europäer), Aur (4 qkm, 1000 Einw.), Maloelab (10 qkm, 1000 Einw., 1 Europäer), Mulgrave oder Mille (10 qkm, 700 Einw., 2 Europäer), ferner Erikub, Wotje, Likieb (1 Europäer), Jemo, Ailuk, Mejit (1 Europäer), Utirik, Taka, Bikar und Taongi,
- und der Rälikgruppe im Westen, 278 qkm groß, mit 5000 Einw., bestehend aus 18 Inseln: Jaluit (s. d.) mit Jabwor[358] (90 qkm mit 1006 Einw. und 49 Europäern), Ebon (5 qkm, 790 Einw., 1 Europäer), Namerik (6 qkm, 500 Ein w., 2 Europäer), Ujae (Brown, 3 qkm, 500 Einw.), ferner Udschelang (1 Europäer), Enivetok, Bikini (Eschholtz), Ailinginä, Rongerik, Rongelab, Wottho, Lae, Kwajalein (Menzikoff), Lib, Namo, Jabwat, Ailinglablab (1 Europäer) und Kili.
Abgesondert im Süden liegt die Insel Nauru oder Pleasant. Die Inseln oder vielmehr die auf den Riffen verstreuten Gruppen kleiner Inseln, bei einzelnen über 60, erheben sich nirgends mehr als 3 m ü. M.
Die dünne Humusschicht wird von Schlinggras, Strauch- und Buschwerk überzogen, das den Bast zu Matten und Röcken liefert. Angebaut werden die Nahrungspflanzen Pandanus, Brotfrucht und Arrowroot und die Kokospalme, die in Kopra den einzigen Handelsartikel der Gruppe liefert. Von Tieren sind nur einheimisch eine kleine Eidechse, Land- und Wasserkrabben und die spärlich vorkommende Wildtaube; ein geführt und teilweise schon verwildert sind Schweine, Hunde, Hühner, Enten, Katzen, Ratten. Fische, von denen viele giftig sind, werden oft in großen Schwärmen geschickt auf die Riffe getrieben und zur Ebbezeit erbeutet. Quellwasser fehlt. Die Einwohner sind Mikronesier.
Ausgezeichnete Leistungen sind die schönen Matten und die großen Kanus mit Auslegern und Plattformen, worauf kleine Häuschen stehen. Früher unterhielten die Marshallaner einen regen Verkehr zwischen allen Inseln dieser Gruppe und besitzen von ihr auch aus Stöckchen und Steinen gefertigte Seekarten (Medo); jetzt wagt man selten größere Fahrten. Vor der Besitzergreifung durch Deutschland gingen die Eingebornen durch Alkoholismus und eingeschleppte Krankheiten rasch ihrem Untergang entgegen. Auch waren die Häuptlinge den fremden europäischen Kaufleuten tief verschuldet. Durch die deutsche Verwaltung wurde der Verkauf von Spirituosen verboten, für die Gesundheit gesorgt und die Schulden abbezahlt. Die Verwaltung, deren Kosten früher die Jaluitgesellschaft zu tragen hatte, lag in den Händen eines kaiserlichen Kommissars, später Landeshauptmann genannt. Die Einfuhr betrug 1902/03: 419.000 (1901/02: 633.500), die Ausfuhr 556.200 (516.800) Mark.
Größe:
Die Marshall-Inseln sind ungefähr 400 km² und auf etwa 353 Inselgruppen verteilt.
Bevölkerung:
Auf den Marshall-Inseln leben ungefähr 15000 Einwohner, reine Mikronesier mit dunkler Hautfarbe. 83 Weiße, davon 43 Deutsche.
Briefmarken:
Die Reichspost ist seit 1. Oktober 1888, bis 29. März 1889 ohne Postwertzeichen und ohne eigene Stempel vertreten. Von 1889 bis 1901 werden die Marken (Mark und Pfennigausgaben) des Deutschen Reiches verwenden. Zu erkennen sind diese Verwendungen nur am Stempel „Jaluit I (Marshall-Inseln)“ 1897/99 wurden die Reichspostausgaben mit Aufdruck „Marschall-Inseln“ verwendet. Ab 1900 wurden eigene Marken mit der Kaiserlichen Yacht S.M.S. Hohenzollern als Motiv zur Ausgabe gebracht.
Handel:
Hauptsächlicher Ausfuhrgegenstand ist Kopra (1896/97: 2366 Tonnen).
Verwaltung:
Die Marshall-Inseln stehen unter Reichsverwaltung. Jaluit ist Sitz des Kaiserlichen Landeshauptmanns. Dr. Georg Irmer war von 1894 bis 1897 Landeshauptmann der Marshall-Inseln. Ein Bezirksamt befand sich auf Nauru.
Klima:
Sehr feuchtwarmes, gleichmäßiges Tropenklima (27° C.). Durchschnittlich etwa 300 Regentage im Jahr und 4000—5000 mm Regenmenge.
Geschichte:
Die Marshall-Inseln sind benannt nach dem Engländer Marshall, der sie 1788 entdeckte. Deutschland schloss 1878 einen Vertrag mit den Häuptlingen auf Jaluit ab, am 15. Oktober 1885 wurde die deutsche Flagge auf dem ganzen Archipel geheißt und 1886 ein Reichskommissar eingesetzt. Auf dringliche Beschwerden der australischen Bundesregierung und Großbritanniens kündigte die deutsche Regierung der Jaluitgesellschaft den alten Vertrag, der eine Monopolisierung des Handels auf den Marshallinseln zuließ und setzte an dessen Stelle einen neuen mit Gültigkeit vom 1. April 1906 an, zu welchem Termin die Verwaltung vom Deutschen Reich übernommen wurde; gewisse Zollerleichterungen traten schon vom Oktober 1905 ab ein. Am 23. August 1914 erfolgte die Kriegserklärung Japans an das Deutsche Reich. Die Kaiserlich Japanische Marine besetzte daraufhin im September und Oktober 1914 die gesamte Inselgruppe. 1920 kamen die Marshallinseln als Völkerbundmandat unter japanische Verwaltung. Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939-1945) wurden die Inseln zum UN-Treuhandgebiet unter US-Verwaltung (1945-1990) erklärt. Von 1946 bis 1958 wurden auf dem Bikini-Atoll und auf Eniwetok von den US-Militärs zahlreiche Atom- und Wasserstoffbombentests durchgeführt. Seit 1979 erlangte die Inseln als Republik Marshallinseln die formale Unabhängigkeit, 1986 die begrenzte Selbstverwaltung. Die vollständige Unabhängigkeit wurde aber erst im Jahr 1990 erreicht.
Quellenhinweise:
- „Meyers Konversations-Lexikon“ in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1906
- „Meyers kleines Konversations-Lexikon“ in 6 Bänden 1908
- „Andrees Allgemeiner Handatlas“, Verlag von Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig 1914
- „Deutsches Kolonial-Lexikon“ Leipzig 1920
- „Bertelsmann Universal Lexikon“ Gütersloh 1994
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