Hermannstadt in Siebenbürgen im Königreich Ungarn, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.
Hermannstadt 29.577 Einwohner (1901), Städte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie
Hermannstadt (Nagyszeben, Sibiu) in Siebenbürgen im Königreich Ungarn
Hermannstadt (ungar. Nagyszeben, spr. nádjßében, rumän. Sibjiu [später Sibiu], lat. Cibinium) ist eine Königliche Freistadt im Königreich Ungarn mit geordnetem Magistrat und Sitz im gleichnamigen ungarischen Komitat.
Hermannstadt liegt am Zibin und ist Knotenpunkt der Eisenbahnen Kis Kapus-Hermannstadt-Fogaras und Hermannstadt-Heltau, Alvincz-Hermannstadt und Hermannstadt-Roteturmpaß-Caineni. Hermannstadt besteht aus der auf einem Hügel liegenden regelmäßigen Oberstadt (431 Meter über dem Meer) mit dem „Großen Ring“; der mit ihr auch durch Treppen verbundenen Unterstadt und drei, meist von Rumänen bewohnten Vorstädten.
Die Stadt Hermannstadt war ehemals stark befestigt und besitzt noch 2 Basteien und 5 Türme. Hermannstadt hat 11 Kirchen (4 katholische, 2 evangelische, 1 reformierte und 4 griechische), darunter die gotische Pfarrkirche der Evangelischen (aus dem 14. Jahrhundert) mit 73 m hohem Turm und die ehemalige Jesuiten-, jetzt katholische Pfarrkirche. Sonstige hervorragende Gebäude sind: das Rathaus (15. Jahrhundert) mit dem sächsischen Nationalarchiv, das Baron Brukenthalsche Palais (mit wertvoller Bibliothek – über 40.000 Bände, Bildergalerie, Kupferstich-, Münz-, Antiken- und Mineraliensammlung), das Irrenhaus, das große Militär- und das Bürgerspital, das Gewerbe- und Musikvereinsgebäude und ein Standbild des Superintendenten Dan. Teutsch (von Donndorf).
Im Jahr 1901 leben in Hermannstadt 29.577 Einwohner, darunter 16.141 Sachsen, 7106 Rumänen und 5747 Magyaren (Evangelische, Griechisch-Orientalische und Römisch-Katholische), welche regen Gewerbefleiß betätigen (Fabrikation von Tuch, Kotzen (raue Wolldecken), Leder, Stearinkerzen, Spodium, Spiritus, Töpferwaren, Kinderspielzeug etc.). Hermannstadt hat viele Lehrinstitute (ein Staats- und ein evangelisches und rumänisches Obergymnasium, eine evangelische Oberrealschule, Kadettenschule, ein evangelisches Landesseminar, ein griechisch-orientalisches Seminar, 2 höhere Mädchenschulen etc.) und Humanitätsanstalten (ein katholisches Waisen- und Findelhaus [Theresianum], ein evangelisches Waisenhaus, Landesirrenanstalt, 4 Spitäler etc.).
Hermannstadt ist Sitz eines griechisch-orientalischen Erzbischofs, eines evangelischen Superintendenten und Oberkonsistoriums, eines Militär- und Honvédkommandos, eines Gerichtshofs, einer Finanzdirektion, der sächsischen Nationsuniversität, des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, des Siebenbürgischen Karpathenvereins und hat außer einer Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank mehrere Geldinstitute, darunter die oft genannte (rumänische) Albina sowie ein Theater. In der Umgebung gibt es viele Eichenwälder, der Alte Berg mit Villen und Weingärten, das Bad Vizakna (Salzburg), die Dörfer Hammersdorf, Heltau, Michelsberg und der Roteturmpass.
Hermannstadt gehört zu den Gründungen jener deutschen Ansiedler, die der ungarische König Geisa (Géza) II. (1141–61) ins Land gerufen, hieß ursprünglich Villa Hermanni, war von Anfang an ein Mittelpunkt deutschen Rechtslebens in Siebenbürgen und wurde schon 1224 Vorort jener deutschen Kolonistengruppen, die der ungarische König Andreas II. zu einem Gau vereinigte und denen er Privilegien verlieh. 1241 wurde die Stadt von den Tataren zerstört, aber neu besiedelt. Unter Ludwig 1. erlebte sie ihre erste Blütezeit; 1376 entstand die erste Zunft. Seit 1420 wurde sie oft von den Türken belagert, später auch gebrandschatzt. 1529–36 wurde Hermannstadt im Kriege um die ungarische Krone von den Anhängern Johann Zápolyas belagert und nach siebenjähriger Belagerung zur Übergabe gezwungen, 1610 vom siebenbürgischen Fürsten Gabriel Báthori durch List eingenommen und geplündert.
Sibiu, deutsch Hermannstadt, ungarisch Nagyszeben, ist heute eine Stadt in Rumänien, Kreis Sibiu, mit rund 147.000 Einwohnern (2011).
Bildergalerie
Quellenhinweise:
- „Allgemeines Ortschaften-Verzeichnis der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“, Wien 1902
- „Andrees neuer allgemeiner und österreichisch-ungarischer Handatlas“, 1904
- „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 20 Bänden, Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1905-1911
- „Österreichs Hort – Geschichts- und Kulturbilder aus den Habsburgischen Erbländern“, 1908
- „Österreichische Bürgerkunde – Handbuch der Staats und Rechtskunde“ um 1910
- „Mein Österreich – Mein Heimatland“ 1915
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