Kaiserlicher Schutzbrief für Deutsch-Neuguinea vom 17. Mai 1885

Kaiserlicher Schutzbrief für Deutsch-Neuguinea vom 17. Mai 1885

Kaiserlicher Schutzbrief für Deutsch-Neuguinea vom 17. Mai 1885

WIR WILHELM,
von Gottes Gnaden
Deutscher Kaiser, König von Preußen,
etc. etc. etc.
thun kund und fügen hiermit zu wissen:

Nachdem Wir im August 1884 einer Gemeinschaft von Reichsangehörigen, welche inzwischen der Namen „Neu-Guinea-Kompagnie“ angenommen hat, für ein von derselben eingeleitetes Kolonial-Unternehmen auf Inselgebieten im westlichen Theile der Südsee, welche nicht unter der Oberhoheit einer anderen Macht stehen, Unseren Schutz verheißen hatten; nachdem diese Kompagnie durch eine von ihr ausgerüstete Expedition in jenen Gebieten unter der Kontrolle Unseres dortigen Kommissars Häfen und Küstenstrecken zum Zwecke der Kultur und zur Errichtung von Handelsniederlassungen erworben und in Besitz genommen hat, und demnächst auf Unseren Befehl diese Gebiete durch Unsere Kriegsschiffe unter Unseren Schutz gestellt worden sind; nachdem die beiden deutschen Handelshäuser, welche in einem Theile jener Gebiete schon früher Faktoreien errichtet und Grundeigenthum erworben hatten, der Kompagnie bei. getreten sind‚ und nach dem die Kompagnie, rechtlich vertreten durch Unseren Geheimen Kommerzienrath Adolph von Hansemann, nunmehr angezeigt hat, daß sie es übernehme, die zur Förderung des Handels und der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Grund und Bodens, sowie zur Herstellung und Befestigung eines friedlichen Verkehrs mit den Eingeborenen und zu deren Civilisierung dienlichen staatlichen Einrichtungen in dem Schutzgebiete auf ihre Kosten zu treffen und zu erhalten, auch damit den Antrag verbunden hat, daß ihr zur Erreichung dieses Zweckes durch einen Kaiserlichen Schutzbrief das Recht zur Ausübung landeshoheitlicher Befugnisse unter Unserer Oberhoheit zugleich mit dem ausschließlichen Recht, unter der Oberaufsicht Unserer Regierung Herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen und Verträge mit den Eingeborenen über Land und Grundberechtigungen abzuschließen, verliehen werden möchte:

So bewilligen Wir der Neu-Guinea-Kompagnie diesen Unseren Schutzbrief und bestätigen hiermit, daß Wir über die betreffenden Gebiete die Oberhoheit übernommen haben.

Diese Gebiete sind die folgenden:

  1. Der Theil des Festlandes von Neu-Guinea, welcher nicht unter englischer oder niederländischer Oberhoheit steht. Dieses Gebiet, welches Wir auf Antrag der Kompagnie „Kaiser-Wilhelms-Land” zu nennen gestattet haben, erstreckt sich an der Nordostküste der Insel vom 141. Grade Östlicher Länge (Greenwich) bis zu dem Punkte in der Nähe vom Mitre Rock, wo der 8.Grad südlicher Breite die Küste schneidet, und wird nach Süden und Westen durch eine Linie begrenzt, welche zunächst dem 8. Breitengrade bis zu dem Punkte folgt, wo derselbe vorn 147. Grade Östlicher Länge durchschnitten wird, dann in einer geraden Linie in nordwestlicher Richtung auf den Schneidepunkt des 6. Grades südlicher Breite und des 144. Grades östlicher Länge und weiter in west-nordwestlicher Richtung auf den Schneidepunkt des Grades südlicher Breite und des 141. Grades östlicher Länge zuläuft und von hier ab nach Norden diesem Längengrade folgend wieder das Meer erreicht.
  2. Die vor der Küste dieses Theiles von Neu-Guinea liegenden Inseln, sowie die Inseln des Archipels, welcher bisher als der von Neu. Britannien bezeichnet worden ist und auf Antrag der Kompagnie mit Unserer Ermächtigung den Namen „Bismarck-Archipel“ tragen soll, und alle anderen nordöstlich von Neu-Guinea zwischen dem Aequator und dem 8. Grade südlicher Breite und zwischen dem 141. und 154. Grade östlicher Länge liegenden Inseln. Ingleichen verleihen Wir der besagten Kompagnie, gegen die Verpflichtung, die von ihr übernommenen staatlichen Einrichtungen zu treffen und zu erhalten, auch die Kosten für eine ausreichende Rechtspflege zu bestreiten, hiermit die entsprechenden Rechte der Landeshoheit, zugleich mit dem ausschließlichen Recht, in dem Schutzgebiete Herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen und Verträge mit den Eingeborenen über Land und Grundberechtigungen abzuschließen, dies Alles unter der Oberaufsicht Unserer Regierung, welche die zur Wahrung früherer wohlerworbener Eigenthumsrechte und zum Schutz der Eingeborenen erforderlichen Bestimmungen erlassen wird.

Die Ordnung der Rechtspflege, sowie die Regelung und Leitung der Beziehungen zwischen dem Schutzgebiete und den fremden Regierungen bleiben Unserer Regierung vorbehalten.

Wir verheißen und befehlen hiermit, daß Unsere Beamten und Offiziere durch Schutz und Unterstützung der Gesellschaft und ihrer Beamten in allen gesetzlichen Dingen diesen Unseren Schutzbrief zur Ausführung bringen werden.

Diesen Unseren Kaiserlichen Schutzbrief gewähren Wir der Neu-Guinea-Kompagnie unter der Bedingung, daß dieselbe bis spätestens ein Jahr vom heutigen Tage ab ihre rechtlichen Verhältnisse nach Maßgabe der deutschen Gesetze ordnet, daß die Mitglieder ihres Vorstandes, oder der sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind und unter dem Vorbehalt späterer Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes und der von Unserer Regierung zu seiner Ausführung zu erlassenden Bestimmungen, sowie der in Ausübung Unserer Oberhoheit über das Schutzgebiet ferner zu treffenden Anordnungen, zu deren Befolgung die Kompagnie bei Verlust des Anspruchs auf Unseren Schutz verpflichtet ist.

Zu Urkund dessen haben Wir diesen Unseren Schutzbrief Höchst eigenhändig vollzogen und mit Unserem Kaiserlichen Insiegel versehen lassen.

Gegeben, Berlin, den 17ten Mai 1885.

gez. Wilhelm
gez. v. Bismarck

(Siegel)

Kaiserlicher Schutzbrief für „die Neu-Guinea-Kompagnie“.

Nach dem Original.

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