Norddeutscher Lloyd-Dampfer "Kaiser Wilhelm der Große"

Schnelldampfer und Hilfskreuzer „Kaiser Wilhelm der Große“

Die Geschichte des Schnelldampfers und Hilfskreuzers „Kaiser Wilhelm der Große“.

Schnelldampfer "Kaiser Wilhelm der Große"
Schnelldampfer „Kaiser Wilhelm der Große“
Name:Kaiser Wilhelm der Große
Namensherkunft:Kaiser Wilhelm I. – 1. Kaiser des Deutschen Reichs 1871 – 1888.
Stapellauf:1887 in Stettin (Vulkanwerft Stettin)
Schiffsart:Passagierdampfer (Schnelldampfer)
Reederei:Norddeutscher Lloyd, Bremen
Besatzung:ca. 580 Mann
Maße:Länge 198 m – Breite 20 m – Tiefgang: 8 m
Wasserverdrängung:14.349 Tonnen
Maximale Geschwindigkeit:22,5 kn
Bewaffnung (1914):6 Schnellladekanonen Kaliber 10,5 cm, 2 Maschinenkanonen Kaliber 3,7 cm
Ende:17. August 1914 von der eigenen Mannschaft versenkt, 1952 verschrottet.
Kaiser Wilhelm I.

Kaiser Wilhelm I.
* 22.03.1797 in Berlin,
† 09.03.1888 in Berlin;
1861 – 1888 König von Preußen und 1871 – 1888 Deutscher Kaiser

Größenvergleich des Ozeandampfers "Kaiser Wilhelm der Grosse" mit der Trinity Church, dem St. Paul Building in New York, dem Washington Monument und dem US Capitol Building in Washington, DC.
Größenvergleich des Ozeandampfers „Kaiser Wilhelm der Grosse“ mit der Trinity Church, dem St. Paul Building in New York, dem Washington Monument und dem US Capitol Building in Washington, DC. Quelle: Library of Congress https://lccn.loc.gov/2016649824

„Kaiser Wilhelm der Große“ war mit seinen fast 200 Meter Länge der größte und schnellste Passagierdampfer seiner Zeit und gewann erstmals für Deutschland das Blauen Band. Als Kaiser Wilhelm II. am 4. Mai 1897 in Stettin im Beisein von mehr als 30.000 Besuchern den Passagierdampfer zu Ehren seines Großvaters taufte, begann für Deutschland ein neues Zeitalter der Dampfschifffahrt. Das neue 22,5 kn schnelle Schiff war der erste Ozeandampfer mit vier Schornsteinen (Four-Funnel-Liner), besaß zwei Masten und als Erster eine Marconi-Drahtlos-Funkanlage. An Bord gab es Platz für 590 x 1. Klasse-, 370 x 2. Klasse- und 800 x 3. Klasse-Passagiere.

Kaiser Wilhelm der Große. Bremen.
Kaiser Wilhelm der Große. Bremen.

Die Jungfernfahrt führte von Bremerhaven (Start am 19. September 1897) nach New York. Im März 1898 war das Schiff mit 22,33 kn so schnell, dass es das Blaue Band auf der West-Ost-Linie zum ersten Mal in der Geschichte für Deutschland eroberte (in 5 Tagen, 17 Stunden und 23 Minuten). Nur wenige Monate später, auf der Fahrt vom 30. März bis 5. April 1898, stellte es auch den Ost-West-Rekord (in 5 Tagen und 20 Minuten) auf.

Am 18. Oktober 1899 wurde auf der Kieler Werft Germania ein modernes Linienschiff der Kaiser- bzw. Kaiser Friedrich-Klasse ebenfalls auf den Namen „Kaiser Wilhelm der Große“ getauft. Als S.M.S. Kaiser Wilhelm der Große diente es der Kaiserlichen Marine fast 20 Jahre lang..

S.M.S. Kaiser Wilhelm der Große
S.M.S. Kaiser Wilhelm der Große

Nach Kriegsausbruch 1914 wurde der Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ auf der NDL-Werft in Bremerhaven zum Hilfskreuzer hergerichtet. Den weiteren Werdegang entnehmen wir dem „Marinearchiv“ Band 2 (Oldenburg 1931):

Am 4. August 1914 erfolgte die Mobilmachung in Deutschland. Der mächtige, haushohe Rumpf des Schnelldampfers „Kaiser Wilhelm der Große“ liegt in dem künstlichen Hafengebiet von Bremerhaven. Bereits am 2. August war die vorgesehene Ausrüstung und Armierung vollendet. Vier alte 10,5 cm Schnellladekanonen, das ist nicht viel. Die Geschütze wirken um so kläglicher, als die Abmessungen des Schiffes riesenhaft sind. Als Kommandant des Schiffes hat sich Fregattenkapitän Max Reymann (1872 – 1948) an Bord begeben. Am Abend wird die Erlaubnis zum Inseegehen gegeben. Um das große Schiff vor vorzeitiger Entdeckung zu bewahren, wählt der Kommandant für den Durchbruch in den Atlantischen Ozean den Weg nördlich um Island herum. Er greift also gewaltig weit aus, bevor er sein eigentliches Operationsgebiet betritt. An der Westküste von Irland wird ein englischer Fischdampfer versenkt. Die Vorbereitungen des Admiralsstabes haben die Versorgung mit Kohlen in einem Gebiet südöstlich der Azoren eingerichtet.

Dampfer "Kaiser Wilhelm der Große"
Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“

Am 15. August wird bei den Kanarischen Inseln ein größerer Postdampfer gestellt. Fregattenkapitän Reymann begnügt sich damit, zwei Heeresangehörige aus der großen Schar der Passagiere herauszugreifen und die Funkeinrichtung des Dampfers zu zerstören. Versenken mag er ihn nicht, da das Schiff mit Frauen und Kindern übervölkert ist.

Am 16. August werden in der Nähe der afrikanischen Küste zwei englische Dampfer nach Übernahme der Besatzungen versenkt. Ein drittes Schiff, einen Postdampfer, gibt der Kommandant hingegen wieder frei, weil die Übernahme der an Bord befindlichen 1400 Personen nicht möglich ist. Auch hier wird nur die Antenne zerstört.

Es ist anzunehmen, dass einer der entlassenen Dampfer es gewesen ist, der dem Hilfskreuzer „Kaiser Wilhelm der Große“ einen übermächtigen Verfolger auf den Hals zog.

Norddeutscher Lloyd-Dampfer "Kaiser Wilhelm der Große"
Norddeutscher Lloyd-Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“

Am 17. August ankerte das Schiff an der westafrikanischen Küste. Es hat sich einen stillen, weltverlassenen Platz aufgesucht. Rio de Oro liegt zwar liegt zwar innerhalb der spanischen Hoheitsgewässer, hat aber mit dem Treiben auf den Weltmeeren wenig zu tun. Der Kohlevorrat des Hilfskreuzers ist bedrohlich zusammengeschmolzen. Der Admiralsstab in Berlin hat jedoch dafür gesorgt, dass nicht weniger als drei Kohlendampfer zur Stelle sind, deren Entleerung alsbald in Angriff genommen wird.

Fregattenkapitän Reymann hat sich an Land begeben, um mit dem Kommandanten eines kleinen spanischen Forts die Verbindung aufzunehmen. Er hat ihn dabei verständigt, dass sich sein Schiff in Seenot befände, es habe eine Maschinenhavarie erlitten, die ein längeres Liegen als sie völkerrechtlich vorgesehene 24 Stunden-Frist nötig mache. Der Spanier hat hiergegen nichts einzuwenden. Der Fort-Kommandant und Kapitän Reymann sind sich darüber einig geworden, dass eine Gefährdung der spanischen Neutralität durch Streitkräfte der Entente nicht in Betracht komme. In dieser Auffassung haben sich beide gründlich geirrt.

H.M.S. Highflyer
H.M.S. Highflyer

Zur Kohleübernahme hat der Hilfskreuzer längsseits der Kohlendampfer festgemacht. Eine frische Brise aus Nordost schafft Kühle bei der heißen Sonne. Am zweiten Tag beginnt die Kohleübernahme früh morgens um fünf. Zur Mittagsstunde wird sie unterbrochen. Just zur selben Zeit taucht im Norden eine Rauchwolke auf, die sofort als verdächtig empfunden wird. Alle Augen spähen zu ihr hin. Beim Näherkommen besteht kein Zweifel mehr, es ist ein Kriegsschiff! Als letzte Hoffnung besteht, es möge ein spanisches sein. Kurz darauf schon lässt der Schattenriss erkennen, dass es ein Engländer ist – die H.M.S. Highflyer. Im selben Augenblick blitzt auch schon ein Schweinwerfer bei dem Briten auf. Noch ist er 10.000 Meter entfernt. H.M.S. Highflyer ist zwar kein modernes Kriegsschiff, aber dennoch dem deutschen Hilfskreuzer weit überlegen.

Alsbald findet folgender Signalverkehr statt:

H.M.S. Highflyer: „Ergeben Sie sich.“

Hilfskreuzer K.W.d.G.: Keine Antwort.

H.M.S. Highflyer: „Ich fordere Sie auf, sich zu ergeben.“

Hilfskreuzer K.W.d.G.: „Deutsche Kriegsschiffe ergeben sich nicht. Ich ersuche Sie die spanische Neutralität zu achten.“

H.M.S. Highflyer: „Sie kohlen zum zweiten Male in diesem Hafen, ich fordere Sie auf, sich zu ergeben; wenn nicht, werde ich das Feuer sofort auf Sie eröffnen.“

Hilfskreuzer K.W.d.G.: „Ich kohle hier zum ersten Male, im übrigen ist das eine spanische Angelegenheit.“

H.M.S. Highflyer: „Ergeben Sie sich sofort.“

Hilfskreuzer K.W.d.G.: „Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.“

Dieser Signalaustausch nahm annähernd eine Stunde in Anspruch. Während dieser Zeit lässt der Kommandant Max Reymann, alles nicht zum Gefecht erforderliche Personal seines Schiffes sowie 126 englische Gefangene auf die längsseits liegenden Kohlendampfer gehen. „Kaiser Wilhelm der Große“ kann die hohe See nicht erreichen, er hat nur für 14 Seemeilen Dampf auf. Die Geschützbedienungen eilen an die Geschütze. In Hast wird das überflüssige und fremde Personal abtransportiert. Die Leinen werden losgeworfen, die Dampfer legen ab.

Englands Neutralitätsbruch! Überfall des Kreuzers Highflyer auf den Hilfskreuzer Kaiser Wilhelm der Große im spanischen Hafen Rio de Oro.
Englands Neutralitätsbruch! Überfall des Kreuzers Highflyer auf den Hilfskreuzer Kaiser Wilhelm der Große im spanischen Hafen Rio de Oro. (Reproduktion nach einem Gemälde von Wilhelm Malchin 1914)

Kaum ist das letzte Signal des deutschen Hilfskreuzers auf der Highflyer verstanden, als der Brite auch schon das Feuer eröffnet. Sechs 15 cm Granaten kommen heulend durch die Luft geflogen. „Kaiser Wilhelm der Große“ antwortet mit seinen leichten Geschützen. Auf beiden Schiffen steigen die Toppflaggen in die Höhe. Highflyer hält sich auf nahezu 9000 Meter Gefechtsabstand. Seine erste Salve trifft nicht den eigentlichen Feind, sondern den Kohlendampfer „Magdeburg“. Der Dampfer lichtet Anker und fährt schleunigst davon. Die Streuung der Geschütze von H.M.S. Highflyer war außerordentlich groß, nur selten traf man das Ziel. Für die Geschütze des deutschen Hilfskreuzers wiederum war sie außerhalb der Schussweite. Erst als Aufsatzstangen über das Maß hinaus erhöht werden, schafft man es zwar, Weitschüsse zu erreichen, dieser Anstrengung sind jedoch die Geschütze nicht gewachsen. Ein Rohr fliegt aus seinem Lager und haut an Denk, ohne aber Leute zu verletzen. Als H.M.S. Highflyer auf 7500 Meter herankommt gelingt es „Kaiser Wilhelm der Große“ ihm in kurzer Folge fünf Treffer beizubringen.

"Der Kampf zwischen KAISER WILHELM DER GROSSE und HIGHFLYER am 26.8." (Reproduktion nach einem Gemälde von Norman Wilkinson 1914)
„Der Kampf zwischen KAISER WILHELM DER GROSSE und HIGHFLYER am 26.8.“ (Reproduktion nach einem Gemälde von Norman Wilkinson 1914)

Anderthalb Stunden dauert der Kampf, als dann den Deutschen die Munition ausgeht, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als das Schiff zu versenken. Der Kommandant erteilt den Befehl zum Sprengen. Die Rettungsboote werden klargemacht, die Verwundeten werden in ihnen geborgen. Geschützteile, Gewehre und Geheimbücher fliegen zur Vernichtung über Bord. Als letzter verlässt der Kommandant sein Schiff.

An Land muss die Mannschaft noch 12 km Fußmarsch bis zum spanischen Fort bewältigen. Die spanische Besatzung übernimmt die Versorgung der Deutschen. Nach Völkerecht muss aber die Mannschaft des deutschen Hilfskreuzers interniert werden. Zunächst ging es nach Las Palmas. Einigen der Besatzung glückte es, auf abenteuerliche Weise in die Heimat zurückzukehren.

Weiterführende Seiten:

Quellenhinweise:

  • „Marinearchiv“ Band I und II Verlag Gerhard Stalling, Oldenburg i.O. 1931
  • „Unsere Marine – Schiffsbilder“, Bilder der Reichsmarinesammlung im Museum für Meereskunde zu Berlin (1930)
  • „So war die alte Kriegsmarine“ von Eberhard von Mantey – Berlin 1935
  • „Die deutschen Kriegsschiffe“, Groener 1966
  • „Die Deutschen Kriegsschiffe“, Hildebrand/Röhr/Steinmetz
Kaiserliche Marine

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2 Kommentare

    1. Vielen Dank für Ihren Hinweis!
      Ihr Beitrag ist eine sehr gute weitere Sicht auf das Ereignis!
      Ich habe ihn gleich in meinem Beitrag verlinkt.
      Viele Grüße

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