Reval (Tallinn). Panorama.

Reval (Tallinn)

Reval (Tallinn) Hauptstadt des russischen Gouvernements Estland, Stadtgeschichte in alten Ansichtskarten und zeitgenössischen Texten.

Reval (Tallinn) 66.292 Einwohner (1900)

Reval (Tallinn). Schmiedepforte-Anlagen
Reval (Tallinn). Schmiedepforte-Anlagen.

Reval Hauptstadt des russischen Gouvernements Estland

Reval (Tallinn) Stadtplan 1910 (Wagner & Debes Leipzig)
Reval (Tallinn) Stadtplan 1910 (Wagner & Debes Leipzig)

Reval (estnisch Tallina bzw. Tallinn) war die Hauptstadt des russischen Gouvernements Esthland (Estland wurde bis ca. 1900 mit th geschrieben), nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde sie im November 1918 Hauptstadt von Estland. Die Stadt ist malerisch an einer tiefen Bucht des Finnischen Meerbusens, an der Baltischen Eisenbahn und der Schmalspurbahn Reval-Fellin gelegen. Nach St. Petersburg und Riga ist es der bedeutendste Seehandelsplatz des russischen Reiches an der Ostsee.

Reval (Tallinn). Großer Markt.
Reval (Tallinn). Großer Markt.

Reval hat in seiner Bauart völlig den mittelalterlichen Charakter beibehalten. Die Straßen der von starken Mauern und Türmen umgebenen Altstadt sind eng und unregelmäßig; auf 43 m hohem Fels liegt der sogenannte Dom mit dem alten Schloss und den Kron- und Landesbehörden. Rings um die Stadt dehnen sich weit die Vorstädte aus, die sich jetzt, da die Festungsgräben ausgefüllt sind, meist unmittelbar an die früheren Tore anschließen.

Reval (Tallinn). Küsterturm mit dem Klostertor.
Reval (Tallinn). Küsterturm mit dem Klostertor.

Reval hat 10 evangelische (darunter 2 estnische), 8 griechische, eine katholische Kirche und eine Synagoge. Sehenswerte Gebäude sind:

Reval (Tallinn). Panorama.
Reval (Tallinn). Panorama.
  • die Domkirche (wahrscheinlich im Anfang des 13. Jahrhundert erbaut, seit 1684 erneuert) mit vielen Gräbern;
  • die Olaikirche (aus dem 13. Jahrhundert, 1840 wiederhergestellt) im gotischen Stil, mit 139 m hohem Turm;
  • die Nikolaikirche (aus dem 14. Jahrhundert), mit interessanten Altertümern aus katholischer Vorzeit, einem Totentanz und Grabmälern;
  • die griechisch-orthodoxe Nikolaikirche (aus dem 15. Jahrhundert);
  • die Alexander-Newskij-Kathedrale, 1894–1900 erbaut;
Reval (Tallinn). Rathaus.
Reval (Tallinn). Rathaus.
  • das Rathaus, mit dem reichsten baltischen Urkundenarchiv seit dem 13. Jahrhundert;
  • das Ritterhaus;
  • das alte Domschulengebäude;
  • das Schwarzhäupterhaus (Sitz eines 1343 gegründeten Klubs), mit wertvollen Altertümern;
  • das Haus der großen Gilde, mit Sälen in prachtvoller Spitzbogenführung, jetzt Börse;
  • das Haus der Canuti-Gilde, worin die „Esthländische Literarische Gesellschaft“ (gegründet 1842) und
  • das Provinzialmuseum, das seltene Altertümer, Kunstwerke, numismatische und ethnographische Sammlungen enthält.
Reval (Tallinn). Mauerstraße.
Reval (Tallinn). Mauerstraße.

Die Einwohnerzahl betrug im Jahre 1900: 66.292 und besteht aus

  • 53,8 % Esten,
  • 25,4 % Deutschen,
  • 17,2 % Russen.

Reval besitzt eine Admiralität und einen sichern, geräumigen Hafen. Es hat (1902) 99 Fabriken mit 12,5 Millionen Rubel Produktionswert und 7429 Arbeitern. Darunter sind 4 Maschinenfabriken, eine große Waggonfabrik, eine Spinnerei und verschiedene andre gewerbliche Anstalten hervorzuheben. Von größerer Bedeutung ist der Handel.

Reval (Tallinn). Bahnhof.
Reval (Tallinn). Bahnhof.

Die Einfuhr zur See betrug 1904: 69,1 Millionen Rubel und umfasste hauptsächlich Rohbaumwolle (44,3 Millionen Rubel), Steinkohlen und Koks, Metalle, Maschinen, Chemikalien, Dungstoffe. Die Ausfuhr wertete 29,2 Millionen Rubel, wobei Hafer, Flachs, Eier, Butter, Mineralöle die Hauptposten bildeten. Dazu tritt ein ansehnlicher Küstenhandel.

Reval (Tallinn) Uus sadam (Hafen).
Reval (Tallinn) Uus sadam (Hafen).

1904 liefen 2398 Schiffe mit einem Tonnengehalt von 625.319 T ein, davon 590 Schiffe von 417.230 T. aus ausländischen Häfen. Es liefen aus 2395 Schiffe von 618.139 T., davon 585 von 409.923 T. nach dem Ausland. Den Bedürfnissen des Handels dienen ein Hauptlagerzollamt, eine Aktienbank, 2 Kreditgesellschaften sowie zahlreiche Speditionsgeschäfte.

Reval (Tallinn). Katharinental. Schloss.
Reval (Tallinn). Katharinental. Schloss.

Reval hat 64 Schulen, darunter die 1906 wiedereröffnete Domschule und 8 andere Mittelschulen, ein Theater, besuchte Seebäder und ist Sitz eines deutschen Konsuls. In Reval erscheinen 16 Zeitschriften (davon 4 russische, 3 deutsche und 9 estnische). Neben der Stadt liegt das von Zar Peter I. erbaute Lustschloss Katharinental mit herrlichem Eichen- und Lindenpark, ein Hauptvergnügungsort.

Reval (Tallinn). Russalka-Denkmal im Katharinenthal.
Reval (Tallinn). Russalka-Denkmal im Katharinenthal.

Laut alten russischen Chroniken existierte im 10. Jahrhundert bereits eine Kaufmannssiedlung mit Namen Kolywan bzw. Kolywani. Im Jahr 1219 eroberte der Dänenkönig Waldemar II. das Gebiet, gründete die Burg Reval und setzte einen Bischof ein. Der Stadt wurde 1248 lübisches Recht bestätigt und hatte von Anbeginn an eine niedersächsische Bevölkerung.

Reval (Tallinn). Deutsches Theater.
Reval (Tallinn). Deutsches Theater.

Reval kam 1346 mit Estland durch Kauf an den Deutschen Orden und war im 14. und 15. Jahrhundert eine der bedeutendsten Städte der Hanse. Um 1525 breite sich die Reformation in Reval aus. Nach dem Untergang der livländischen Selbständigkeit kam es 1561 an Schweden und nach dem großen nordischen Krieg 1710 an Russland.

Reval (Tallinn). Lehmpforten-Boulevard.
Reval (Tallinn). Lehmpforten-Boulevard.

1712 besetzte Peter der Große die Stadt. Bis 1885 war die deutsche Sprache in Estland Amtssprache, danach setzte in allen Lebensbereichen eine starke Russifizierung ein. Die in Estland lebenden Deutschen nannten sich Estländer im Unterschied zu den Esten.

Reval (Tallinn) mit Umgebung. Landkarte 1910 (Wagner & Debes Leipzig)
Reval (Tallinn) mit Umgebung. Landkarte 1910 (Wagner & Debes Leipzig)

Im Ersten Weltkrieg (1914-18) war Reval ein wichtiger Stützpunkt der russischen Ostseeflotte. Nach der Revolution im Oktober/November 1917 in Russland wurde es am 25. Februar 1918 von den deutschen Truppen besetzt. Im Herbst 1918 wurde Reval Hauptstadt der unabhängigen Republik Estland und fortan mit estnischen Namen offiziell Tallinn genannt (der Name Reval anstatt Tallinn findet sich in deutschsprachigen Enzyklopädien bis in die 1990er Jahre).

Reval (Tallinn). Parlament.
Reval (Tallinn). Parlament.

Von 1940 bis 1991 war Tallinn Hauptstadt der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik (als Bestandteil der Sowjetunion). Seit 1991 ist sie wieder die Hauptstadt der Republik Estland.

Reval (Tallinn) Stadtplan 1929. (Meyers Lexikon, Siebente Auflage).
Reval (Tallinn) Stadtplan 1929. (Meyers Lexikon, Siebente Auflage).

Tallin, deutsch Reval, ist heute die Hauptstadt Estlands mit rund 435.000 Einwohnern (2020).

Bildergalerie

Quellenhinweise:

  • „Meyers Konversations-Lexikon“ 5. Auflage in 17 Bänden 1893 – 1897
  • „Meyers Großes Konversations-Lexikon“ 6. Auflage in 24 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien, 1906 – 1908
  • „Meyers Kleines Konversations-Lexikon“, 7. Auflage in 6 Bänden Bibliographisches Institut Leipzig und Wien 1908
  • „Bertelsmann Universal Lexikon“ 1994
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