Naumburg, Kadettenanstalt

Naumburg, Kadettenanstalt

Naumburg, Kadettenanstalt

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  1. Auch ich wollte in Naumburg an der Kadettenschule eine Ausbildung aufnehmen. Es war wohl um das Jahr 1961, ich war gerade einmal 10 Jahre alt, als mein Freund Günter mich über die Möglichkeit der Kadettenausbildung in Naumburg in Kenntnis setzte. Leider zerschlug sich die Absicht aus den verschiedensten Gründen, eine Kadettenausbildung zu absolvieren. Trotzdem absolvierte ich quasi privat eine Kadettenausbildung. Ich las sehr viele Bücher über Militärgeschichte, beispielsweise verschlang ich die Broschüre „Major Schill“ und viele andere militärgeschichtliche Bücher, Abhandlungen und Kompendien beispielsweise über den Deutschen Bauernkrieg, über Napoleon Bonaparte, den russischen Generalissimus Suwurow, „Vom Krieg“ von Clausewitz nebst seiner Biografie. Werke über Strategie und Taktik gehörten ebenfalls zur Lektüre. Ein Werk war Goldwert: „Truppenführung“ von dem tschechisch-slowakischen Oberstleutnant Zdenek, Hradecky, wohl Lehroffizier an der tschechisch-slowakischen Militärakademie (Truppenführung, Deutscher Militärverlag, Berlin 1963; ca. 240 Seiten). Dieser Offizier analysierte sämtliche Scharmütze, Gefechte und Schlachten in der menschlichen Geschichte und kristallisierte die wesentlichen Aspekte von militärischen Operationen und Manövern heraus. Hier wurde instruktiv und komprimiert dargestellt, wie militärische Operationen zu planen und durchzuführen sind und wie beispielsweise sehr effektiv Umgehungen und Umfassungen zur Zerschlagung des Gegners praktisch zu realisieren sind! Die hier gewonnenen militärtheoretischen Erkenntnisse sollten sich für die künftige militärische Laufbahn als ein großer Gewinn erweisen. Mathematisch-physikalische Berechnungen von Flugbahnen von Geschossen und Raketen, sprich die Fachdisziplin der Ballistik wurde auch studiert. Und die praktische Ausbildung wurde natürlich auch nicht vernachlässigt und kam nicht zu kurz: Schießausbildung mit dem KK-Gewehr und der KK-Pistole bei der GST (Gesellschaft für Sport und Technik), Topografie und Geländekunde waren obligatorisch. Sport der verschiedensten Disziplinen sowieso! So hatte man, als man an der Offiziershochschule (OHS) eine Ausbildung als Panzerkommandeur 1970 aufnahm, einen guten, soliden Ausbildungsvorlauf. Obwohl das Ausbildungsprofil ein breites Spektrum – von der Mathematik über die Physik bis hin zur Mechanisierung und Automatisierung der Truppenführung aufwies und das Ausbildungsniveau der militärischen Fächer an der OHS im Allgemeinen sehr hoch war, war man über das Niveau einiger Fächer teilweise enttäuscht. Das Fach Militärgeschichte war beispielsweise einfach nicht historisch orientiert, sondern ideologisiert! (Geschichte der Arbeiterklasse,…). Hier hatte man sich erhofft, von der Antike bis zur damaligen Gegenwart über Gründe/Ursachen von Kriegen und ihren Verlauf unterrichte zu werden. An eine Unterrichtsstunde erinnert man sich noch ganz genau: Es ging um die Angriffs- und Verteidigungsdoktrin/-strategie der sozialistischen vs. kapitalistischen Staaten/ des Imperialismus`. Die Verteidigungsrichtung der sozialistischen Länder vom Territorium der DDR war auf die Lüneburger Heide orientiert. Dies sollte der Offiziersschüler Marquardt, durch einen jungen Hauptmann aufgefordert, darlegen. Der OS dachte ganz anders und absolut unorthodox: Eine großangelegte Umgehungsoperation über Thüringen kombiniert mit frontalen Scheinangriffen auf die Lüneburger Heide! Alle Anwesenden waren absolut perplex! Das war wahre Strategie – militärische Operationen so zu realisieren, woran absolut niemand zu denken wagt! Und das Fach Taktik war einfach ideenlos auf die (Linien-)Taktik (!) eines Zuges, einer Kompanie oder eines Bataillons ausgerichtet (rein informativ wurde zur Taktik eines Regimentes relativ umfassend instruiert). Aber nicht, wie man allgenmeine taktische Manöver praktiziert, wie Umgehungs- und Umfassungsoperationen zu planen und durchzuführen sind. Dies war einfach nur enttäuschend. Nichtsdestotrotz: In der Gefechtsausbildung, auch schon an der OHS konnte man dann praktisch seine taktischen Fähigkeiten vielfach unter Beweis stellen. Und die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere in der Truppe waren einfach nur begeistert aufgrund des Ideenreichtums ihres Ausbildungsoffiziers/Kompaniechefs! Armee/Kommiss kann unter Umständen, wenn man Soldaten richtig motiviert und ausbildet, auch Spaß machen! Mehrere Jahre später wurde man Pazifist: Die radikalsten Militärs werden dann auch die überzeugten Pazifisten! Es ist übrigens sehr erstaunlich, dass so lange die NVA in Europa existierte, kein Krieg in Europa staatfand!
    Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

  2. is zur 11. Klasse hagelte es nur noch Einsen in Mathe, in Physik und Chemie! Irgendwann fand man die Penne fade und wollte unbedingt als Offiziersanwärter zur NVA. Es bestand kein Interesse mehr an der Penne, weil man irgendwie nach zwei Jahren absolut gesättigt war! Stattdessen befasste man sich mit Militärgeschichte, Militärpsychologie, Waffenkunde, Militärtechnik, Taktik, Operative Kunst, Strategie und Truppenführung! Mit siebzehn Jahren meldete man sich dann sogar freiwillig beim Wehrkreiskommando zur NVA und dies wurde durch intelligente „Intrigen“ Gott sei Dank verhindert! Dann die Offiziershochschule der Landstreitkräfte der NVA in Löbau ab dem 28.08.1970: Oberstes Ziel sollte sein, das Prädikat mit Auszeichnung zu bestehen, um den Offiziersdolch mit Gravur vom Minister für Nationale Verteidigung überreicht zu bekommen. Neben der eigentlichen militärischen und militärtechnischen Ausbildung an der OHS, war die mathematisch-naturwissenschaftliche Lehre einfach exzellent! Chemie (KCB – Kernstrahlungs- Chemische und biologische Ausbildung: Note 1), Mathematik (Note 1) und Physik (Note 1) standen auf der Agenda des Ausbildungsprogramms im ersten Studienjahr. Im zweiten Semester wurde die mathematische Logik, das Hornsche Schema zur Lösung von Gleichungen höheren Grades, die Fehlerausgleichsrechnung und die mathematische Statistik in Hinblick auf den Verlauf von Geschossflugbahnen behandelt. Im ersten Studienjahr wurde im Mathematikunterricht an der OHS sogar die lineare Regressionsanalyse behandelt und die beiden Regressionsgleichungen wurden durch zwei Differenzialgleichungen ersten Grades ab- und hergeleitet. Und in einer Belegarbeit im Fach Panzerschießen konnte zur Ballistik der 100 mm Granate des T-55 sogar eine Differenzialgleichung abgeleitet werden. In der Truppe dann, bestellte man die Zeitschrift „Mathematik für die Schule“ und „Wissenschaft und Fortschritt“ und löste nun ständig Mathematikaufgaben in der Freizeit, um seinen Geist wach zu halten und zu schulen, um nicht dem Truppenstumpfsinn anheim zu fallen. Da sich die mathematischen Aktivitäten des jungen Leutnants alsbald im Truppenteil herumsprachen, half man auch seinen Offizierskollegen im Truppenteil bei der Lösung von Aufgaben ihrer Sprösslinge. Irgendwann, es muss wohl um 1976 gewesen sein, hatte ein Unterleutnant und Zugführer seiner Kompanie eine Broschüre zu Differenzialgleichungen in den Händen, womit man sich sogleich intensiv beschäftigte.
    Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

  3. Mit dem fünfzehnten Lebensjahr an, stand der Berufswunsch Offizier in der NVA fest. Zunächst hegte man die Absicht, Jagdflieger zu werden. Diesen Traumberuf musste man alsbald auf realistischer Basis revidieren, weil man bei der FMK (Flugmedizinische Kommission) am Flugmedizinischen Institut in Königsbrück in Sachsen 1966 mit fünfzehn Jahren aufgrund von fehlendem räumlichen Sehen glattweg durchfiel. Übrigens bewältigten diese Hürde lediglich 8 von 40 Aspiranten. Obwohl zutiefst enttäuscht und stark emotional berührt, fasste man sich alsbald wieder und orientierte sich neu. Zunächst wollte man Offizier der Volksmarine werden – im Endeffekt entschied man sich schlussendlich für den militärischen Beruf als Panzerkommandeur. Mit diesem Entschluss wandte man sich dann abrupt von den mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen ab (allerdings nicht in aller Gänze) und widmete sich fortan den Militärwissenschaften zu. Militärgeschichte, Militärstrategie, Operative Kunst, Taktik, Militärkybernetik und Militärtechnik standen nunmehr auf der Agenda des individuellen Lehrplanes. Die Biographien von Napoleon (ein Prinzip von Napoleon: Angriff an der entscheidenden Stelle mit angemessenen Kräften zum entscheidenden Zeitpunkt), Clausewitz „Vom Krieg“ und des russischen Feldmarschalls Suworow (Ich gehe auf Euch zu!) waren dabei obligatorisch. Ende der sechziger Jahre wurde eine ganze Reihe von militärhistorischen Veröffentlichungen zur Militärgeschichte im Deutschen Militärverlag publiziert, unter anderem zu den Schlesischen Kriegen von Friedrich dem II. und zu den Preußischen Kriegen 1864 und 1866 gegen Dänemark und Österreich. Diese Werke gehörten zur Pflichtlektüre des quasi Kadetten. Das Werk „Truppenführung“ vom Tschechischen Dozenten Oberstleutnant Zdenek Hradecky an der Tschechischen Militärakademie (Herausgeber: Deutscher Militärverlag, 1963) erwies sich für die künftige militärische Karriere als wahre Bereicherung, ja als „Goldgrube“! Denn in diesem Werk zur Militärstrategie, Operativen Kunst und Taktik wurden aus der mehrtausendjährigen Kriegsgeschichte die Schlachten, Gefechte und Scharmützel in komprimierter Form dargestellt und wesentliche militärische Prinzipien abgeleitet, die dann in diversen militärischen Situationen in der Truppenpraxis effektiv umgesetzt werden konnten. Wie militärische Operationen, Manöver, Flankenangriffe, Umfassungen, Umgehungen und Einschließungen zu planen und zu realisieren sind, wurde hier transparent und sehr verständlich ausgeführt. Dieses Werk erwies sich als einfach genial! Damit verfügte der siebzehnjährige Offiziersbewerber bereits über profunde Kenntnisse zur Strategie, Operativen Kunst und Taktik, wie kaum ein General, die sich späterhin als sehr praktikabel erwiesen. Und mit siebzehn Jahren in der 10. Klasse war man dann absolut gesättigt vom Schulbetrieb an der Erweiterten Oberschule in Strasburg und meldete sich dann freiwillig beim Wehrkreiskommando in Strasburg, um in die NVA einzutreten. Daraus wurde dann aber leider und Gott sei Dank nichts, weil man noch nicht das 18. Lebensjahr erzielt hatte. Trotz großen Desinteresses während der letzten Jahre vorm Ablegen des Abiturs, erzielte man bei der Abiturprüfung ein solides Prädikat mit der Note „Gut“.
    Die Zeit als Offiziersschüler und Offizier in der Truppe
    Nachdem man mit großer Euphorie Ende August 1970 den Dienst als Offiziersschüler an der Offiziershochschule der Landstreitkräfte der NVA antrat, schlich sich sogleich eine depressive Verstimmung eine, wie man dies vormals absolut nicht kannte. Das Grau in Grau in der großen Kaserne und der Unterkünfte in Löbau erwiesen sich einfach als deprimierend! Man trat dann die Flucht nach vorne an und erwies sich fortan als leistungsstarker Offiziersanwärter! Damit konnte die depressive Episode effektiv überwunden werden. Ein großes Spektrum an Fächern stand dabei auf dem Ausbildungsplan. Von Taktik, über Panzertechnik, Schießausbildung, Militärgeschichte, Schießaus-bildung und Panzerschießen bis hin zur Automatisierung der Truppenführung standen auf dem Ausbildungsplan, um nur einige Fächer zu nennen. Es wurden aber auch die Fächer Mathematik, Chemie und Physik unterrichtet. Im zweiten Jahr der Offiziersausbildung konnte man wieder zur Mathematik und Physik in Reinform zurückfinden. Denn es sollte die Ballistik der 100 mm Panzergranate des T-55 untersucht werden. Dabei konnte immerhin eine Differenzialgleichung abgeleitet werden! Und seine brillanten Kenntnisse zur Taktik konnte der Offiziersanwärter bei einer taktischen Übung zu Beginn des ersten Studienjahr voll unter Beweis stellen: Ein Flankenangriff als Einzelkämpfer mit ständigen Stellungswechsel erwies sich als so effektiv, dass fast eine ganze Kompanien vernichtet werden konnte! Das angepeilte Ziel, den Offiziersdolch mit Gravur vom Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Hoffmann, konnte letztendlich nicht erzielt werden. Aber immerhin konnten neun Fächer mit dem Prädikat 1 abgeschlossen werden. Der Notendurchschnitt betrug insgesamt 1,8.
    Der Truppendienst ab September 1973 im Transportbataillon 9 in Drögeheide in der 9. Panzerdivision der NVA als junger Leutnant erwies sich dann auch nicht gerade als euphorisch! Die Tristesse des Truppendienstes überwand man mit Beschäftigung der Lösung von mathematisch-physikalischen Problemen aus den Zeitschriften „Wissenschaft und Fortschritt“ und „Mathematik“ und mit der Beteiligung an die Neuererbewegung. Viele Neuerervorschläge wurden von 1975 bis 1977 zur Erhöhung der Gefechtsbereitschaft unterbreitet. Unter anderem wurde das Zieltrainingsgerät ZTG als Idee entwickelt, um die Schießausbildung mit der Mpi Kalaschnikow zu effektivieren. Der Neuerervorschlag wurde wie gewohnt abgelehnt. Die Idee wurde dem jungen Offizier dann gestohlen und dann doch noch schlussendlich durch den Autor selbst im MIT erprobt und realisiert! (siehe Abb.6).

    Bildmontage zum ZTG mit dem IR-Lasersender am Lauf der Kalaschnikow (rechts oben im Bild), der Registriereinrichtung (links im Bild) und der virtuellen Munitionstasche mit Schussvorgabe (rechts). Ganz rechts die Gesamtkonfiguration des ZTG mit der elektronischen A 4- Schreibe mit elektronischen IR-Empfängern.
    Aber auch der Militärtheorie wandet man sich in der Praxis wieder intensiv zu, um den stupiden Truppenalltag zu entgehen und nicht zu verblöden. Das Buch „Idee, Algorithmus, Entschluss“ von den beiden sowjetischen Autoren Drushinin und Kontorow (Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1974), das man im Militärbuchhandel im Truppenteil erstehen konnte, wurde zu einer wahren Fundgrube und geistigen Bereicherung, so dass man fortan auf theoretischer Basis fundiert militärische Entschlüsse fassen konnte. Aber auch die profunden theoretischen Erkenntnisse des Werkes „Truppenführung“ konnten in der Praxis bei der Taktikausbildung erprobt werden. In Kuhlmorgen, unweit der Kaserne des TB 9 in Drögeheide wurden „wahre“ Schlachten aus der Geschichte, nicht im Sandkasten, sondern auf einem Terrain von ca. 4 ha geschlagen, wobei LKW vom Typ G 5 fiktiv als Panzerdivisionen fungierten. Die Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere waren an diesem Tage vom Tag einfach begeistert! Kriegsspiele können also auch Spaß machen! Am 7. Oktober wurde man aufgrund seiner militärischen Verdienste dann obligatorisch zum Oberleutnant befördert. Zwei Monate später fand in der Truppe eine Überprüfung durch das Vereinte Oberkommando des Warschauer Vertrages in der 9. Panzerdivision statt. Der Zug des jungen Oberleutnants wurde in sämtlichen militärischen Disziplinen mit der Note 1 bei dieser Überprüfung bewertet. Damit hatte sich das Prinzip „Führung durch Vorbildwirkung“ als militärisch und ethisch bewahrheitet und als effektiv erwiesen! Denn der Oberleutnant war seinen Soldaten in sämtlichen militärischen Disziplinen und im Verhalten immer ein Vorbild! Es hätte daher eigentlich eine Beförderung zum Hauptmann erfolgen müssen. Warum dies nicht erfolgte, darüber kann nur spekuliert werden. Vorwegnehmend kann konstatiert werden, dass man im Rahmen der militärischen Qualifikation während des Studiums in Selingenstädt bei Gera am 7. Oktober 1980, zwar ein wenig verspätet, doch noch in Berlin an der HUB in der Mensa Nord zum Hauptmann befördert wurde.
    Siegfried Marquardt, Königs Wusterhausen

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